PRO BEATRICE Erlebnisberichte 1958-1959 Weiter Informationen und Bücher über die medialen Kundgaben des Mediums Beatrice Brunner sind auf der folgenden Webseite zu finden: https://www.glz.org/de/ Scanned by Rimad Sua Tilps Vorwort Zu den über 2000 Lehrvorträgen, die durch das Tieftrancemedium Beatrice Brunner (1910-1983) auf medialem Weg vermittelt wurden, gehören auch 91 Erlebnisberichte von aufsteigenden Geistwesen. Es handelt sich hierbei um Erzählungen von verstorbenen Menschen, die von ihrem Erdenleben und ihren ersten Erlebnissen in der jenseitigen Welt berichten. Diese Schilderungen sind sehr persönlich gehalten. Die Berichtenden zeigen auf vielfältige Weise, welche Auswirkungen ihr menschliches Denken und Wirken hatte und wie individuell sie nach ihrem Tode beurteilt und behandelt wurden. Die Schilderungen geben einen anschaulichen Einblick in verschiedene Ebenen der jenseitigen Welt und in die Gesetze von Ursache und Wirkung. Sie führen vor Augen, wie jedem Heimgekehrten Gerechtigkeit widerfährt und wie sehr sich die Geisterwelt Gottes bemüht, jeden in seiner geistigen Entwicklung zu fördern. Die Erlebnisberichte stammen aus den Jahren 1958 bis 1970. Der vorliegende Band enthält die ersten 18 Vorträge aus den Jahren 1958 und 1959. Die Neuauflage der Berichte - sie werden zum ersten Mal chronologisch in Buchform veröffentlicht - hält sich so nah wie möglich an den Urtext beziehungsweise an den Originalwortlaut. Redaktionelle Änderungen wurden in der Regel nur da vorgenommen, wo sie bei der Übertragung der gesprochenen Sprache in die schriftliche Form angezeigt waren. Die charakteristische Ausdrucksweise der sich hier kundgebenden Geistwesen ist so weit wie möglich in ihrer Ursprünglichkeit belassen worden, damit der Leser ihre individuelle Wesensart nachempfinden kann. PRO BEATRICE 7 Inhalt Seite Vorwort 5 Einleitung 11 Markus Philippus - grosse Freiheit in einem kleinen, persönlichen Paradies 15 Maria - Beobachtungen in einer Kirche 31 Irmgard - wie eine einstige Herrin zur Einsicht in ihre Fehler gelangt 48 Vincenzo - Einblick in den geistigen Kampf um den Menschen 59 Helene - gefangen in Erinnerungen an ein bequemes Erdenleben im Reichtum 74 Wilhelm - erste Erlebnisse einer Seele auf dem Sterbebette und im Jenseits 81 Pio - Unterschiede zwischen irdischem und geistigem Ansehen 93 Barbara - hartes Leben hinter Klostermauern 99 Christel - Lehrmeisterin des eigenen Vaters 107 Hannes - das harte Herz 122 Amado - Vergeltung für unlautere Geschäfte und Hartherzigkeit 140 Agnes - das Patenkind der Schlossherrschaft 158 Saphir - himmlisches Dasein und Lehramt 172 David - ein himmlischer Baumeister 183 8 Erlebnisberichte 1958-1959 Stasia - Beurteilung der heutigen Zeit aus dem Blickwinkel einer einstigen Hebamme 799 Waldimir - Freizeitgestaltung in der jenseitigen Welt 217 Agnes - es lohnt sich, im Leben duldsam zu sein und sein Schicksal zu tragen 233 Stephan - Sühne für die Unterdrückung und Misshandlung von Untertanen 249 11 Einleitung Die Erlebnisberichte aufsteigender Geistwesen stehen im Rahmen der umfassenden Belehrungen über die christliche Geisteslehre, die während 35 Jahren durch das Tieftrancemedium Beatrice Brunner uns Menschen geschenkt wurden. Wie die jenseitigen Lehrer und Führer der Gemeinschaft erklärten, wurden die verschiedenen Geistwesen speziell ausgewählt und beauftragt, von ihren persönlichen Erfahrungen zu berichten. Die Zuhörer wurden darauf hingewiesen, dass die Erlebnisschilderungen nicht der Unterhaltung dienen, auch wenn sie zum Teil einen unterhaltsamen Charakter aufweisen. Sie seien vielmehr bedeutsame Belehrungen über geistige Gesetzmässigkeiten, die zwischen Erdenleben und Jenseitsdasein walten. Vor jedem der Vorträge sprach zuerst ein Kontrollgeist, dem die geistige Aufsicht über die Veranstaltung oblag. Der Kontrollgeist, der sich vor dem Vortrag vom 3. Februar 1960 zu Wort meldete, gab folgende Erklärungen zu den Schilderungen: “Wir suchen jeweils diese Geister aus; ihr sollt nicht etwa annehmen, sie werden einfach nur so zugelassen. Wir halten vorher genauestens Rücksprache mit ihnen.” Diese Geister seien - so betonte der Kontrollgeist - in der Regel bereits seit längerer Zeit in der jenseitigen Welt. Sie hätten den Auftrag, über ihre Anfangszeit zu berichten: “Wir ermöglichen es ihnen, diese wieder in der Weise wie damals zu erleben. Dazu müssen wir ihnen beistehen. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass es zu keinen Ausfälligkeiten kommt; denn wenn sich ein Geist zurückversetzen kann, könnte dieses leicht geschehen. Diese Wesenheiten berichten oftmals vielleicht in etwas humoristischer Weise; es kommt ja ganz darauf an, was in ihrem Innersten war, ob eines böswillig war oder gutmütig oder gleichgültig.” 12 Erlebnisberichte 1958-1959 “Wir möchten eben, dass diese Eigenarten zum Ausdruck kommen, damit ihr erkennt, dass ein ins Jenseits Zurückgekehrter sich noch genau so benimmt wie als Mensch auf Erden, dass also die Gefühle und die Anschauungen noch dieselben sind und man sich dann eines Besseren belehren lässt, dass die Gefühle verfeinert werden und man später nicht mehr imstande ist, so zu handeln. Daher geben wir dem betreffenden Geiste die Möglichkeit, sich wieder so zu geben und so zu benehmen, wie er es im Anfang getan hat. Auch muss ich darauf hinweisen, dass das Berichtete jeweils eine Zusammenfassung von einer langen Zeit ist. Wir besprechen alles mit dem betreffenden Geiste vorher durch und deuten ihm an, auf welche Art und Weise er es euch zu sagen hat. Somit bekommt ihr ein Bild davon. Natürlich sind diese Geister, die euch von ihren Erlebnissen berichten, geläutert und würden heute nicht mehr so reden wie am Anfang, als sie in die Jenseitswelt kamen; sie haben jetzt auch eine ganz andere Auffassung. Aber das sollt ihr wiederum selbst vernehmen.” Nach den Erlebnisschilderungen hatten die Zuhörer jeweils Gelegenheit, nach einem Trancewechsel Fragen an ihren vertrauten Geistlehrer Josef zu stellen. Im Buch sind diejenigen Fragen wiedergegeben, die sich direkt auf den jeweiligen Erfahrungsbericht beziehen. 15 5. März 1958 Markus Philippus - grosse Freiheit in einem kleinen, persönlichen Paradies Ein neuer Geist wird für die Ordnung und für den Dienst im Hause Linus gewonnen Kontrollgeist: Gott zum Gruss. Liebe Freunde, es wurde euch angekündigt, dass ein neuer Geistfreund zu euch sprechen werde. Nun, er wird Erklärungen geben und von seinem Leben in der jenseitigen Welt erzählen. Wir haben ihm diese Anweisung gegeben und ihm erklärt, auf welche Weise er es zu tun hat, um es für euch verständlich zu machen. Was euch hier gegeben wird, ist nicht zur Unterhaltung, sondern zu eurer Belehrung. Überhaupt sind diese Stunden, die hier geboten werden, keine Unterhaltungsstunden. Sie dienen zu eurem geistigen Fortschritt. Diese Angelegenheit, den Menschen zu den Höhen zu ziehen, ist viel zu ernst, als dass es mit einer Unterhaltung zu vergleichen wäre. Denn wir stehen im Dienste Gottes und bieten den Menschen keine Unterhaltung. Für diejenigen, die solches suchen, ist hier kein Platz. Wir wünschen, dass der Mensch strebsam ist und aufwärtssteigen kann. Er wird dereinst, wenn er ins Jenseits kommt, froh sein um diese Stunden, die er in diesem Ernst und in dieser Andacht verlebt hat. Der Bruder, der zu euch spricht, stellt sich vor, und ihm ist eure Sprache nicht so geläufig. Nun sollt ihr jetzt etwas Musik spielen und dann wie gewohnt, wenn ihr merkt, dass es so weit ist, damit aufhören. Wenn sich der Bruder verabschiedet hat, soll man wieder Musik spielen. Nachher wird Bruder Josef Erklärungen über das Gesprochene geben. Ich bitte euch also, gut zuzuhören, und ihr könnt dann Vergleiche ziehen. Denn es sind ja auch mediale Menschen hier, die sich bemühen, in Verbindung mit Geistern zu kommen. Nun sei es für sie eine Belehrung, was für Geister man zu sich ziehen kann. Der Segen Gottes sei mit euch in dieser Stunde. Gott zum Gruss. 16 Erlebnisberichte 1958-1959 [Das im Folgenden berichtende Geistwesen sprach ein grammatisch unkorrektes Deutsch. Zur besseren Lesbarkeit wurden diese grammatischen Fehler bereinigt; der charakteristische Sprachstil ist jedoch so weit wie möglich in seiner Ursprünglichkeit belassen worden.] Markus Philippus: Gott zum Gruss. Meine lieben Geschwister, mein Name ist Markus Philippus. Ich bin schon lange, lange Zeit im geistigen Reiche. Ich erzähle euch von meinem Leben, von meinem Eintritt in das Reich Gottes. Ich wurde empfangen von meinen Eltern. Sie freuten sich, dass ich gekommen war. Sie blieben nicht lange Zeit bei mir und gingen wieder weg, und ich wanderte auf schönen Strassen und Feldern. Da kam einer und sagte: “Dort ist dein Haus; da kannst du hingehen.” Ich wollte aber nicht in das Haus gehen, ich wollte sehen, was es alles in diesem Reich gibt, und ich wanderte weit, weit weg. Da kam ich zu einem schönen Wald, und ich legte mich am Rande dieses Waldes nieder. Dort waren auch andere, und ich schloss Freundschaft mit ihnen. Dann, nach langer Zeit, kam man zu mir und erklärte, ich solle mitgehen; eines meiner Kinder sei auch in diesem Reich angekommen. So machte ich mich auf, ging mit und zeigte meine Freude, dass dieses Kind auch gekommen war. Es waren aber noch so viele andere da; sie sprachen mit dem Kind und nahmen es mit. Dann ging ich wieder meinen Weg. Einmal kam einer, begrüsste mich und sagte: “Paulo, ich freue mich, dass du da bist. Ich habe dich sehr lange gesucht.” Ich sagte: “Ich heisse nicht Paulo, ich heisse Markus Philippus.” - “Nein, du bist mein Kind, du bist mein Paulo”, antwortete er. Ich dachte, man müsse höflich sein, und weigerte mich nicht mehr, Paulo zu sein. So sprach er mit mir und erklärte, ich solle mit ihm kommen. Nein, ich wollte nicht mit ihm kommen und sagte: “Es gefällt mir jetzt so gut in dem Paradies hier. Ich habe es in meinem Leben nicht schön gehabt: Erdbeben und viel, viel Hunger - ich und meine Kinder.” Nein, ich wollte nicht anderswohin gehen: “Ich weiss, da, wo ich jetzt bin, ist es schön, und ich bleibe.” Da antwortete er: “Wenn du nicht willst, gehe ich wieder in meine Stadt. Vielleicht finden wir uns später.” - “Ja, wir finden uns später”, und ich ging. Markus Philippus, 5. März 1958 17 Ich schloss Freundschaft nicht nur mit anderen, sondern auch mit Tieren. Ich wanderte noch weiter in den Wald hinein und sah so schöne Tiere. Ich sammelte sie um mich und suchte einen Platz, wo ich mich niederlegen konnte. Ich nahm alle Tiere, an denen ich Gefallen gefunden hatte, zu mir und lebte mit ihnen in Frieden und Schönheit. Dann kam wieder einer zu mir und sagte: "Markus Philippi, komm mit, du musst wieder kommen und ein Kind begrüssen.” - “Ach ja, wenn es sein muss, komme ich.” Aber ich wollte meinen Platz nicht weggeben, ich wollte ihn haben; ich hatte Angst, man würde mir mein Paradies zuschliessen und ich hätte es nicht mehr so schön. Gut, ich ging mit und habe auch dieses Kind begrüsst und gesehen: Es sind wieder so viele da, die ich nicht kenne. Dann ging ich wieder, und man hat nicht nach mir gerufen noch nach mir verlangt. Ich ging wieder in meinen Wald hinein und habe dann ein wunderschönes Pferd zu mir genommen. Ich gab ihm einen schönen Namen, ich sagte zu ihm: “Du bist meine Apfelblüte, so schön.” Und dieses Pferd blieb immer bei mir. Hatte ich ja in meiner Welt, wo ich so grossen Hunger und so viele Erdbeben erlebt hatte, nur ein kleines Eselein, und jetzt war ich so reich, so vornehm und schön und hatte ein Pferd! Ich musste nichts bezahlen, ich hatte es einfach bekommen. Es blieb bei mir, und es war mein Eigentum. Ich hatte aber nicht nur dieses Pferd, ich hatte einen Tiger, der immer zu mir kam und sich auch bei mir niederlegte. Dieser Tiger war auch so schön, nicht so wie bei den Menschen - sein Körper war fein, so fein das ganze Tier und so schön. Da sagte ich zu ihm: “Du bist so schön wie der Staub von einer Lilie, du bist mein Lilienstaub.” So habe ich allen Tieren Namen gegeben, und sie sind bei mir geblieben. Dann machte ich mich auf und wanderte mit diesen Tieren; sie kamen immer mit mir. Rief ich ihnen, kamen sie sofort in meine Nähe. Dann einmal kam einer zu mir, eine Noblesse, und sagte: “Markus Philippi, komm mit.” - “Nein”, antwortete ich, “meine Welt ist so schön, ich komme nicht, ich bleibe.” Und Noblesse ist wieder gegangen. Ich wanderte wieder weiter, und wieder kam einer und begrüsste mich: “Nun endlich habe ich dich gefunden. Du bist mein Carlo.” - “Nein, ich bin nicht dein Carlo, ich bin Markus Philippus.” - “Nein, ich war dein Vater, du bist mein Sohn gewesen.” - 18 Erlebnisberichte 1958-1959 “Nein”, antwortete ich, “das ist nicht wahr, das stimmt nicht.” Er sagte: “Es stimmt”, und ich habe geschwiegen, weil ich nicht unhöflich sein wollte. So war ich für eine Zeit für ihn eben Carlo. Dann lud auch er mich ein, zu ihm zu kommen, und ich dachte: “Ich kann es ja mal versuchen.” Aber er musste mir versprechen, dass ich wieder in mein Paradies hineinkomme. Er sagte: “Ja, ich werde dich wieder zurückführen.” Und so ging ich mit ihm. Es hat mir nicht so gut gefallen bei ihm, und ich sagte: “Da, wo ich lebe, ist ein Paradies, es ist so schön. Ich habe keinen Hunger, und ich muss nicht mehr Angst haben vor Erdbeben und so. Ich bin zufrieden.” Und so ging ich wieder von ihm und dachte nicht nach oder fragte: “Warum sagt er, ich sei Carlo, und ein anderer, ich sei Paulo?” Ach, ich habe nicht nachgedacht, ich war so zufrieden und glücklich und ging zu meinen Tieren, zu meinem Lilienstaub und zu meiner Apfelblüte. Hier hatte ich so grosse Freude. Dann kam wieder diese Noblesse und sagte ganz streng: “Jetzt, Markus Philippi, kommst du mit!” Und ich antwortete: “Nein, ich komm nicht.” Ich blieb, und er ist gegangen. So hatte ich meine Freude mit meinen Tieren, mit meinen Freunden, und ich lebte so schön in meinem Paradies. Dann kam wiederum einer und sagte: “Guter Freund, andere Orte sind auch schön, noch viel schöner als hier. Komm doch mit, du musst nicht immer mit deinen Tieren leben.” Ja ich wollte nicht mitgehen, weil ich immer noch an mein Leben zurückdachte, wie schwer es gewesen war. Ich wollte mein Paradies nicht hergeben. Da sagte er: “Doch, du kannst nicht immer hierbleiben.” Da fragte ich ihn, weil ich ahnte, dass er etwas mit dieser Noblesse zu tun hatte: “Wer bist du, und wo wohnst du?” Er erklärte mir, dass sein Name Josef sei. “Josef, ja vielleicht komme ich, aber jetzt möchte ich doch noch bleiben.” Da erklärte Josef: “Du kannst nie ganz glücklich werden, wenn du immer hier in diesem kleinen, engen Paradies verweilst. Du musst mitkommen, und man muss dir vieles sagen und erklären.” Ja, ich antwortete ihm, ich wolle noch überlegen, und dann würde ich es ihm sagen. Ich bat ihn, ein anderes Mal zu mir zu kommen. Dann ging ich wieder zu den anderen Freunden, die am Rande des Waldes waren, und fragte sie, ob sie denn immer hier bleiben Markus Philippus, 5. März 1958 19 dürften oder ob nicht auch zu ihnen so eine Noblesse gekommen sei und gesagt habe: “Du musst mit.” Sie antworteten mir: “Doch, doch, sie kommen immer und sagen, dass man mitkommen soll. Aber uns gefällt cs hier, und so gehen wir nicht.” Da dachte ich: “Ja wenn man wirklich mitgehen muss, dann werden sie schon sagen: Jetzt ist Schluss, jetzt musst du mitkommen?” Ich ging wieder zu meinen Tieren und hatte meine Freude mit ihnen und dachte: “Ach, wenn ich meine Apfelblüte zurücklassen müsste, ach, wie schwer wäre das!” Ich überlegte mir: “Gut, ich werde sagen: ‘Ich komme, aber ich will wenigstens meine Apfelblüte mitnehmen.’” Dann kam Josef wieder und sagte: “Jetzt, Markus Philippi, jetzt musst du mitkommen.” Ich gab ihm zu verstehen, dass ich nur mit meiner Apfelblüte kommen werde. Doch er sagte: “Nein, das kann man nicht. Das Tier ist Eigentum dieses Paradieses, und man darf es nicht mitnehmen.” Ach, dann hatte ich keinen Grund wegzugehen, weil ich diese Apfelblüte und die vielen anderen Tiere so liebte. Gut, ich ging wieder in meinen Wald. Dann aber kam Noblesse mit Josef und sagte: “So jetzt, Markus Philippi, jetzt ist Schluss. Jetzt musst du mit uns kommen.” Ich bat diese Noblesse, mein Pferd mitnehmen zu dürfen, doch er sagte: “Nein, dieses Pferd kannst du jetzt nicht mitnehmen. Aber du darfst, wenn du gut arbeitest mit uns, wieder in dieses Paradies zurückkehren, und du darfst wieder mit deinen Tieren zusammen sein.” Ja, dann habe ich mich entschlossen und gedacht, es sei vielleicht doch besser mitzugehen. Ich ging mit ihnen, und es war für mich traurig, die Tiere zurückzulassen. Nun führten sie mich in ein anderes Paradies hinein. Das war auch schön, aber es hatte so viele Freunde hier, und ich hörte, wie sie von ihren vielen Arbeiten sprachen, was sie alles tun, wie und wo und was und... Ach! Da ist mir etwas angst geworden, und ich dachte: “Wär ich doch zurückgeblieben!” Sie nahmen mich auf, und Josefo sagte: “Du musst keine Angst haben, wir sind gut mit dir.” Dann ist Noblesse verschwunden, und ich habe ihn lange Zeit nicht mehr gesehen. Josef führte mich in ein Haus, in dem viele andere Freunde wohnten; mit ihnen sollte ich nun zusammen wohnen. Ich wurde allen vorgestellt, und da dachte ich: “Jetzt muss ich hören, ob sie mich bei meinem Namen nennen.” Ja, sie haben 20 Erlebnisberichte 1958-1959 mich bei meinem Namen genannt. Josef sagte: “Jetzt, nur für einige Zeit, bist du dieser Markus Philippo. Nachher werden wir dir sagen, wie du heissen musst.” Ach, ich habe nicht weiter darüber nachgedacht und wollte nun wissen, wo ich arbeiten würde. Dann schickte man mich in eine Schule. Hier erzählte man so viele Dinge. Man berichtete mir einmal von meinen Kindern und erklärte mir, wo sie alle im Gottesreiche wohnen. Ich lebte nicht mit ihnen zusammen, ich lebte ganz alleine, ohne meine Kinder oder Verwandten. Vieles hat man erzählt in dieser Schule; ich habe nicht alles sofort so richtig verstanden. Immer wieder kam Josefo und hat mich mitgenommen. Er sagte mir: “Jetzt gehen wir zu den Menschen, du musst wieder mit mir zu den Menschen kommen.” Ich ging nicht gerne, denn ich dachte immer noch an mein Erdenleben, an den Hunger der Menschen und an die Erdbeben. Doch Josefo sagte: “Nein, du musst nicht solche Gedanken haben. Komm mit.” Wir gingen zu guten Menschen, und ich sah: Die haben nicht Hunger und nicht solche Katastrophen, wie ich sie erlebt hatte, und ich fand: Die haben ein schönes Leben, ja die haben schon ein Paradies, wenn ich es mit meinem armen Leben vergleiche. Josefo sagte mir, ich müsse nur beobachten, nichts anderes tun als beobachten. Er führte mich zu einem Menschen und sagte: “Du musst nun die ganze Zeit diesen Freund” - diesen Bruder, diese Schwester - “beobachten. Und wenn ich wiederkomme, musst du alles erzählen, was er gemacht hat.” Ja, es fiel mir anfangs schwer, mich für so viele Sachen zu interessieren. Ich gab mir Mühe und konnte dann immer besser erklären, was die Menschen, die ich zu beobachten hatte, gemacht hatten. Dann musste ich wieder in die Schule zurück, und da war ein Lehrer, der eines nach dem andern nach seiner Aufgabe fragte: “Was hattest du zu tun?” Und jedes hatte eine andere Sache zu tun. So habe ich erzählt: “Ich habe diesen beobachtet und dieses und jenes gesehen, und so und so...” Der Lehrer erklärte dann: “Das, was du von diesem Menschen berichtest, ist gut, dieses aber nicht, und er muss es dann in der jenseitigen Welt besser machen.” Bei einem anderen sagte er mir: “Siehst du, dieser Fehler hat bei diesem Freund schon in früheren Leben bestanden.” Da verstand ich: frühere Le- Markus Philippus, 5. März 1958 21 ben! Mir wurde nun erklärt, dass man sich in jedem Leben bessern muss, dass man Sorgen und Hunger und dergleichen miterleben muss, um gesund, geistig gesund, und zufrieden zu werden. So musste ich viel Zeit hier verbringen. Ich ging auch zu euch und erzählte dann in der Schule: “Das ist so, und das ist so.” Man sprach in der Schule von euch, von euren Fehlern, von euren guten Sachen. So hatte man mich unterrichtet. Josefo sagte: “Gut, du hast jetzt beobachtet; jetzt musst du eine andere, anspruchsvollere Arbeit machen.” Nun musste ich versuchen, Menschen von bösen Gedanken wegzubringen, ich musste sie zu anderen Gedanken führen. Ich wusste nicht immer, wo ich das durfte. So versuchte ich einfach, mit viel gutem Gemüt und Frohsinn den Menschen zu lenken, damit er nicht böse spricht und handelt. So tat ich es, und ich musste wieder in die Schule. Hier erklärte man: “Jetzt musst du versuchen, den Menschen zum Guten zu beeinflussen.” Man sagte, was wichtig sei für den Menschen, was er tun müsse, und so musste ich von dem, was in der Schule gesagt wurde, dem Menschen übertragen aus meiner Kraft. Ich habe es getan. Dann habe ich aber Josefo auch gefragt: “Ich möchte wieder einmal zurück zu meinem Paradies, nur für kurze Zeit.” Josefo antwortete: “Ich darf nicht sagen, ob du gehen kannst; ich werde einen anderen fragen.” - “Ah”, dachte ich, “das ist diese Noblesse, den er fragen muss.” Und so war es. Er fragte und ist dann gekommen und hat erklärt: “Du darfst jetzt gehen, so lange, bis ich dich rufen komme; denn du hast gut gearbeitet.” Ich ging zurück und war glücklich, wieder bei meinen Tieren zu sein. Den andern Freunden, die noch da geblieben waren, erklärte ich, was ich nun tue und dass ich wieder zurückgehen würde. Sie sagten, sie würden nicht mitkommen, sie hätten zu grosse Freude und Gefallen an ihrem Ort, sie würden nicht von hier Weggehen. Dann holte mich Josefo wieder, und die Schule ging wieder weiter. So musste ich diese Stufe mitmachen und versuchen, guten Einfluss und gute Gedanken den Menschen zu übertragen. Als ich das getan hatte, sagte man mir: “Du musst jetzt versuchen, Menschen zu behüten. Du musst ihnen ein guter Geist sein und versuchen, an ihnen all das, was du gelernt hast, auszuüben.” So versuchte ich es, so 22 Erlebnisberichte 1958-1959 gut es in meiner Kraft war. Dann sagte man: “Gut, jetzt hast du eine Zeit mit Menschen zusammen gelebt, jetzt musst du aber auch zu anderen gehen.” Man erklärte mir: “Du hattest es verdient, in ein so schönes Paradies zu gehen. Aber das darf nicht immer so bleiben; man muss im jenseitigen Reich viel arbeiten, und man muss selbst den Willen haben zu arbeiten, um anderen zu helfen, die arm sind.” Da führte mich Josefo zu armen Brüdern und Freunden und zeigte mir die Welt, wo sie sind. Er erklärte mir: “Siehst du, diese haben in ihrem Erdenleben nicht Hunger gehabt und keine Erdbeben erlebt. Aber siehst du, ihre jetzige Welt ist nicht schön. Betrachte diesen Schmutz, und keine Tiere, keine so schönen Wälder und keine Blumen sind hier, nichts Schönes gibt es hier.” Ich fragte: “Ja ist das nur deshalb, weil sie so gut, so ohne Sorgen, gelebt haben?” - “Nein, nicht deshalb, sondern weil sie nicht auf Gott gehört haben, weil sie nicht Leid ertragen konnten und weil sie vielen Menschen Böses gewünscht haben, statt ihnen zu helfen.” So erklärte man mir, warum diese jetzt in diesem bösen, schlechten geistigen Umfeld leben mussten. Ich hatte Erbarmen mit ihnen, denn sie alle sagten: “Nimm mich mit. Bleib bei mir!” Und ich habe nicht bleiben dürfen. Nun verstand ich: Diese hier wollten fort von dieser Welt, während die andern in jenem schönen Paradies nicht fortwollten, sie hatten so Freude an ihrem Ort. “Ja”, fragte ich, “dieses Paradies, wo ich gelebt habe, ist so schön. Gibt es andere, die noch schöner sind?” Und Josefo antwortete: “Noch viel schöner.” Dann nahm er mich mit in diese verschiedenen dunklen Welten zu diesen armen Freunden, und wir brachten ihnen Trost und erklärten ihnen, wir würden wieder kommen und andere schicken, die mehr Möglichkeit hätten, sie zu erlösen. So ist Josefo mit mir überall hingegangen, und ich sah dieses Elend, diese armen Freunde. Ich sagte: “Oh, ich möchte diesen Armen helfen.” Und Josefo antwortete: “Das ist gut, du sollst diesen Armen helfen, und du sollst den Menschen auf der Erde helfen; du musst helfen. Und jetzt werde ich fragen, ob du in meinem Haus Besuch machen darfst.” Da fragte ich ihn: “Du hast ein Haus für dich?” - “Ja”, erwiderte Josefo, “ich habe ein Haus. Es gehört nicht mir alleine, es sind viele meiner Freunde da.” Da fragte ich: “Ist auch diese Noblesse dabei?” - “Ja, er ist dabei.” Markus Philippus, 5. März 1958 23 Dann führte er mich in dieses Haus, in dieses schöne, grosse Haus mit schönem Garten und schönen Blumen. Hier habe ich auch Tiere gesehen, auch so schön! Er ging mit mir in einen grossen Raum hinein, wo alles so schön glitzerte. Es gab einen Teppich und einen Leuchter und schöne Farben und Bilder - alles so schön! - und kleine Tische, wo man sitzen und liegen konnte; so schön war es! Josefo stellte mich den vielen Freunden vor. Ja, ich hatte zuerst Angst. Dann kam man und begrüsste mich. Und dieser Geist, vor dem ich Angst gehabt hatte, der so schön, aber doch so ernst war, sagte: “Ich bin Linus. Du wirst jetzt in diesem Haus ein und aus gehen dürfen.” Noch viele andere sind dazugekommen und haben mich auch begrüsst und Freude gehabt. Dann kam ein schönes Wesen und brachte mir einen schönen Mantel: Ich müsse jetzt auch etwas schöner sein. Man hat mir den schönen Mantel umgelegt und mir ein silbernes Band auf den Kopf gelegt und mir jetzt gesagt: “Man ist mit dir zufrieden, weil du dich aufgemacht hast, für den Himmel zu arbeiten.” Ja ich war stolz und dachte: “Oh, und jetzt noch mein schönes Pferd - ich bin so schön!” Ja, ich musste wieder mit Josefo gehen. Man empfing mich in dem Hause, wo ich zugewiesen wurde, weil ich so schön gekleidet war. Man hatte mir den Mantel wieder abgenommen und gesagt: “Diesen Mantel darfst du dann wieder anziehen, wenn ein Fest und eine besondere Begrüssung ist.” Ich war erstaunt; man gab mir andere Sachen zum Anziehen, die auch sehr schön waren. Josefo sagte: “So, jetzt musst du immer bei mir bleiben und mit mir kommen.” So bin ich bei Josefo, und ich gehe mit ihm einmal da- und einmal dorthin. Nun möchte ich noch erzählen, dass ich, wenn es möglich ist, wieder in jene Welt gehen darf, wo diese schönen Tiere sind, und ich darf dort kurze Zeit verweilen. Man hat mir gesagt: “Du darfst dieses schöne Pferd immer holen, wenn man einen Bruder oder eine Schwester aus dem hohen, schönen Himmel empfängt. Dann darfst du ihnen entgegenreiten mit deinem Pferd.” Ich freute mich. Zugleich sagte man mir, ich würde dann später ein eigenes Pferd haben. Doch dieses hier müsse immer wieder in jene Welt zurückgehen, weil es Eigentum von jenem Paradies sei. Und jetzt warte ich, bis ich mein eigenes Pferd haben darf. Ich muss arbeiten dafür, und ich werde dieses schöne Pferd bekommen. Ich bin so glücklich, ich habe es nun so schön, 24 Erlebnisberichte 1958-1959 und ich kann zurückgehen dorthin, wo cs mir gefallen hat, und ich werde noch schönere Sachen erleben - wie mir erklärt wurde. So bin ich ein treuer Diener geworden von Josefo und von Linus. So komme ich zu euch. Und heute muss ich auch noch da und dort beobachten, aber nicht mehr in dem Sinne wie vorher, sondern ich muss jetzt beobachten und dann weitermelden, damit ihr nicht in Gefahren kommt; ihr sollt behütet werden. Wo es uns möglich ist, werden wir Gefahren wegleiten - wo möglich, aber es ist nicht immer möglich. Manchmal sehen wir eine Gefahr, und wir dürfen nichts dagegen machen. Wir sind aber ganz in der Nähe, um Trost zu bringen. Aber es muss sein; durch den Schmerz, den der Mensch hat, kann er weiter hinaufkommen. Wenn ich mein früheres Leben betrachte: Ich war immer gut zu allen Menschen gewesen, habe gearbeitet und gegeben, was ich hatte, und so habe ich den schönen Himmel bekommen. Jetzt gehe ich wieder zu meiner Aufgabe, das heisst, ich bleibe noch etwas hier, und wir gehen dann alle zusammen. Ich hoffe, man ist mit meiner Ausführung zufrieden gewesen. Ich kann eure Fragen nicht beantworten. Josefo wird dieses tun. Jetzt wünsche ich euch Gottes Segen - für dich und dein ganzes Leben. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Meine lieben Freunde, so hat nun der Bruder zu euch gesprochen. Ihr durftet Einblick haben in unser Werben bei den Geistern im Jenseits. Anderseits könnt ihr aus diesen Erklärungen vieles erkennen. Ich möchte auf folgende Dinge hinweisen: Dieser Geist wurde von zwei Geistgeschwistern begrüsst, die in früheren Leben mit ihm zusammen waren, die seine Väter gewesen waren. So wurde er dementsprechend mit den Namen begrüsst, die er dazumal hatte. Da nun diese Betreffenden, die sich ihm vorgestellt hatten, geistig nicht hoch entwickelt waren, vermochten sie ihm auch keine weitere Erklärung zu geben. Es war kein geistiger Führer dabei, der solche Erklärungen hätte geben können, weil man dies nicht für notwendig hielt. Das will heissen, diese Begegnungen sollten zu seiner späteren Belehrung dienen. Später wurde er ja darüber unterrichtet, warum man ihm Carlo sagte, warum Paulo, Markus Philippus, 5. März 1958 25 dass es die Namen waren, die er in den früheren Leben gehabt hatte, als er mit den Betreffenden zusammenlebte. Dieser Geist hat nun, wie es noch so viele andere tun, der Bitte der höheren Wesen, seinen Platz zu verlassen und sich aufzumachen, nicht Folge geleistet. Solche Seelen verteidigen ihre Sphäre fast hartnäckig, weil sie Angst haben, es könnte ihnen weniger gut ergehen, und weil es ihnen einfach gefällt, wo sie sind, und sie die Notwendigkeit des Dienens im Heilsplan ja gar nicht erkennen. So kommt es bei den Wesen doch so auf den Willen an. Das eine ist gutmütig und bereit, zu gehorchen und etwas zu leisten, eine gewisse Arbeit zu vollbringen. Und andere, sie haben eben Gefallen an dieser Welt, wo sie sind, und sie möchten sie nicht hergeben und nicht verlassen. Hier möchte ich euch auf etwas aufmerksam machen: Es geschehen beim Menschen so viele Dinge, das heisst, es gibt Kundgaben von solchen Geistern; sie melden sich durch einen medialen Menschen und erklären das, was sie sehen, was sie miterleben. Es können Geister sein, die, wie nun dieser betreffende Bruder, in einer schönen Welt leben, weil sie es verdient haben. Bei diesem Bruder war es ja so, dass er wirklich ein armseliges Leben voller Hunger durchgekämpft hatte, und so durfte er in diese schöne Welt hineingehen und von dort aus später diese Schulen besuchen und belehrt werden. So geschieht es eben, dass dann solche Geister, die in einer verhältnismässig schönen Umgebung wohnen, behaupten, sie wären hohe Geister. Dies tun sie, weil sie ja keine höheren Geister um sich haben, die sie anerkennen könnten. Denn diejenigen aus den höheren Welten kommen nur kurz zur Aufforderung an sie heran und bitten sie einige Male; dann wird ihnen lange, lange Zeit gelassen. In dieser Zeit sollten sie eigentlich Überlegungen anstellen, denn es kommt vieles auf sic zu, sie erleben verschiedene Dinge. Anderseits haben sic ja die Möglichkeit, in einem weiten Umkreis umherzugehen. Dieses alles sollte zu ihrer Belehrung werden. Nun gehen Geister Gottes immer wieder zu solchen hin und fordern sie auf mitzukommen. Wenn es dann so weit ist und man erkennt, dass cs jetzt gut ist für den Betreffenden, seine Welt zu verlassen, dann wird der Geist Gottes energisch mit ihm sprechen und ihn mitnehmen und so in diese Schulen hineinführen. Wir er 26 Erlebnisberichte 1958-1959 kennen aber bei diesen vielen gut, wo der Einzelne schon dazu neigt, gehorsam zu sein, oder wo man nun den Betreffenden noch in diesem Frieden lassen muss, damit dann auch für ihn die Zeit kommt, wo er doch das Verlangen hat, Weiteres zu erleben und sich mehr entfalten zu können. Denn Geister, die mit dieser kleinen Welt zufrieden und glücklich sind, werden doch in gewissem Sinne in ihrer Entfaltung, in ihrem ganzen Denken beengt. Sie sehen doch im Verhältnis wenig und vermögen nicht so richtig zu urteilen. So kann einer seine ganze Aufmerksamkeit einem gewissen Tiere zuwenden. Wenn er diese Liebe schon hat, kann er genau diese Liebe und diese Aufopferung, die er dem Tiere gibt, höheren Dingen zuwenden. Dann versuchen wir einen solchen Geist zu gewinnen und ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er Höherem dienen kann. So versuchen wir, vom einen zum andern zu gehen. So habt ihr heute einen Einblick erhalten. Es ist möglich, dass da und dort bei ehrlichen medialen Menschen ein solcher Geist in der Weise spricht und er der Ansicht ist, dass er frei ist im Handeln, und dass er eben das sagt, was er sieht, was er erlebt - und er es also offenlässt, dass höhere Mächte über ihm sind. Wenn ich von höheren Mächten spreche, meine ich die führenden Geister, die solche Wesen dann einordnen in dieses oder jenes Arbeitsfeld. Wenn es zu eurem geistigen Fortschritt und zu eurer Belehrung ist, werden wir es wieder anordnen, dass ein anderer Geist von sich berichtet und euch Erklärungen gibt, wieder über ein ganz anderes Gebiet. Für euch muss es doch wertvoll und interessant sein, zu erfahren, wie wir diese Wesenheiten für uns gewinnen. So arbeiten wir an ihnen genau wie an euch Menschen. Auch zu euch kommen diese erhabenen Engel Gottes und fordern euch auf, dieses zu tun oder jenes zu lassen. Und auch ihr seid so, dass ihr ihnen entgegnet, dass ihr nicht Folge leisten wollt. Dann gehen sie wieder und kommen später, und sie werden es immer wieder versuchen. Sie werden dann auch andere Geister schicken, die an euch wirken und euch führen, um euch schlussendlich doch in diese Bahn hineinzubringen, wo wir euch sehen möchten. Nun, ich glaube, dass ihr da und dort verschiedene Fragen habt, und ich möchte es euch überlassen, Fragen zu stellen. Markus Philippus, 5. März 1958 27 Lieber Josef, könnten wir kurz erfahren, aus welchem Grunde sich Markus Philippus in seinen letzten Erdenleben, die doch mehr oder weniger sehr bescheiden waren, so emporbringen durfte oder konnte? Josef: Durch seine vielen Entbehrungen, durch sein Leiden, durch seine Herzensgüte. Ich danke dir, lieber Josef Mir ist aufgefallen, dass unser Bruder nichts erzählt hat von Gott oder von Christus. Hat er darüber keine Reflexionen angestellt in seinem Paradies? Josef: Doch, das hat er auch. Aber Erklärungen in dieser Hinsicht werden euch ein anderes Mal von einem anderen Geiste gegeben. Es ist klar, dass auch dieser Bruder doch von der Göttlichkeit wusste und er mit ihr verbunden war. Aber er war so in seiner Zufriedenheit und seinem Glücke, so wie es eben diese Geister haben: Sie wissen, dass Gott über ihnen ist, aber Gott ist für sie so weit weg; sie sind in ihrer Welt, wo sie wohnen, so zufrieden und glücklich und machen eben dementsprechend keine Anstrengungen. Darum kommen dann die höheren Geister, versuchen sie aufzuklären, führen sie dann in diese Schulen, wo sie auch in dieser Beziehung unterrichtet werden. Ihr werdet, wenn es euch beliebt, auch in dieser Sache von Geistern Erklärungen hören. Lieber Josef, warum hatten Markus Philippus und jene Geistwesen, die ihm begegneten, keine Kenntnis von der Wiedergeburt? Josef: Sie hatten eben noch keine Einsicht; es war ihnen noch verdunkelt. Wenn sich ihr geistiges Feld erhellt hat, werden sie die Rückschau haben dürfen. Lieber Freund und Lehrer, mir ist aufgefallen, dass dieser Geist keine Beziehung zu seiner Familie hatte. Kommt das viel vor? 28 Erlebnisberichte 1958-1959 Josef: Es kommt besonders dann vor, wenn Menschen - sagen wir - in einer grossen Armut gelebt haben und dann im Reiche Gottes diese Schönheiten erkennen. Dann sind sie von all diesem Schönen so beeindruckt, und sie möchten nur das festhalten. Sie sind sozusagen in der Angst, man könnte ihnen das wieder nehmen. Sie sind immer noch in der Erinnerung an die vielen Entbehrungen, die sie mitgemacht hatten. Und dadurch, dass ja auch dieser Geist zu seinen Kindern und Verwandten geführt wurde und er sah, dass sie von andern empfangen und von ihm weggeführt wurden, erkannte er, dass kein grosses Interesse mehr an ihm bestand; und so ist er seine Wege gegangen. Kommt es sehr oft vor, dass die einen die Verbindung rasch verlieren ? Josef: Ich kann nicht sagen, dass es sehr oft vorkommt; das ist ganz verschieden und kommt auf die Entwicklung an. Es ist so: In der ersten Zeit ist doch meistens der Drang da, wieder zu den Angehörigen zurückzukehren. Wenn nun die Gottesengel den betreffenden Geistern so vieles erklären und ihnen sagen: “Ja weisst du, deine Eltern sind auch im geistigen Reiche, da und da leben sie, du kannst jetzt nicht zu ihnen, sie stehen auf dieser Stufe und müssen sich emporentwickeln, du hast aber schon soundso oft gelebt und hast soundso viele Verwandte und Freunde”, dann wird nämlich, ich möchte sagen, dieses enge Band der Verwandtschaft erweitert, es ist nicht mehr so eng. So fühlt man sich nicht nur zu diesen Verwandten vom letzten Leben hingezogen, sondern auch zu andern. Aber dies ist immer vom einen zum andern verschieden. Die Gefühle, die der Mensch hat - ich möchte sagen: vielleicht Gefühle der Anhänglichkeit -, können im Geiste beim einen vermehrt sein, also mehr noch zum Ausdruck kommen, bei einem andern können sie verringert sein. Da spielen immer wieder so viele Sachen mit eine Rolle, warum es so oder so geschieht. Lieber Josef, der Freund Markus Philippus hat sich als ein Diener bezeichnet. Aber wie ist denn eigentlich die Stufenfolge in einem Haus wie dem Haus Linus? Markus Philippus, 5. März 1958 29 Josef: Ja ich möchte so sagen, man darf nicht verwechseln: Er darf ein und aus gehen, er kommt ein und aus. Es wurde euch aber erklärt, dass um das Haus Linus viele Gebiete sind, wo so viele Häuser stehen und von Geistwesen bewohnt sind, und dass diese den verschiedensten Stufen angehören und alle in der Verbindung zum Hause Linus stehen. Sie sind also in den verschiedensten Gebieten der Entwicklung. Nun diejenigen, die sich emporarbeiten, nehmen dann eine höhere Stellung ein; sie dürfen ihr Haus wieder wechseln und kommen dann in schönere Ebenen hinein, so wie auch ihr ein Haus verlassen und ein schöneres beziehen könnt. Ja und was ist nun dieser Freund im Verhältnis zum Haus Linus, ein Schüler oder ein Diener? Josef: Er ist ein Diener im Heilsplane Gottes. Dann sind in dieser Sphäre Linus eben auch diese verschiedenen Stufen, wie jede Sphäre ja ihre Stufen hat? Josef: Ja, das habe ich aber einmal deutlich erklärt. Lieber Freund Josef, wie kam es, dass ausgerechnet Linus sich dieser Seele annahm? Hat er dazu einen höheren Befehl erhalten, oder wie ist die Verbindung von Linus zu dieser Seele hergestellt worden? Josef: Linus geht ganz selbständig durch diese verschiedenen Sphären. Er hat das Recht, das zu tun. Euch wird doch erklärt - und wenn ihr jeweils aufmerksam zuhört, wisst ihr es -, dass wir, wenn wir ausgehen, unsere Augen offen halten müssen; das heisst, wir schenken unsere Aufmerksamkeit da und dort einem Wesen und schauen, ob bei einem die Möglichkeit besteht, dass wir es für unsere Arbeit gewinnen können; dies gilt also nicht nur bei den Geistern im Jenseits, sondern auch bei den Menschen. Zuerst gehen, ich möchte sagen, die weniger bedeutungsvollen Arbeiter aus, um zu suchen. Und wo man dann findet, da könnte einer sein, der 30 Erlebnisberichte 1958-1959 nützlich... [Ende der Tonaufnahme. Ergänzung aus der Erstveröffentlichung in der Zeitschrift “Geistige Welt”.]... und dienlich wäre für uns, dann teilen wir das mit. Dann geht man von dieser oberen Stufe aus hin und betrachtet ihn, und wenn der betreffende Geist sein Einverständnis dafür gibt, nimmt man sich seiner an. Ihr sollt nicht glauben, dass Linus dazu eine besondere Ermächtigung einholen müsste. Er weiss aber auch genau, wie weit er gehen darf; er kennt die Grenzen seiner Handlungsfreiheit und würde niemals einen Entscheid treffen, der ihm nicht zustehen würde. Denn es wurde euch auch erklärt, dass über Linus wieder andere stehen; aber er ist sozusagen der Vorsteher des Hauses und hat also die Aufgabe, in diesen vielen Sphären Ausschau zu halten nach solchen, die gehoben werden können. Es ist damit eine ungeheuer regsame Tätigkeit verbunden. Ihr habt ja keine Ahnung davon. Und hier möchte ich noch betonen, dass alle, die auf dieser Ebene angelangt sind, nur noch der einen Kirche angehören: Es ist die Herrschaft des Herrn. Es wurde Markus zuerst ein Haus zugewiesen, als er in die geistige Welt kam, doch hat er es vorgezogen, die Schönheiten dieser himmlischen Sphäre zu durchwandern. Wäre seine Entwicklung schneller vorangegangen, wenn er gehorcht hätte? Josef: Jawohl, so ist es! Man hätte sich seiner angenommen. Aber die Geister haben ihren freien Willen, sie können die Hilfeleistung und Führung annehmen oder ausschlagen. So wollte dieser Geist selbst suchen, darum hat es länger gedauert. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Markus Philippus und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 31 2. April 1958 Maria - Beobachtungen in einer Kirche Wie Maria half, eine verzweifelte Frau von Gedanken der Selbsttötung abzubringen [Grussworte des Kontrollgeistes] Maria: Gott zum Gruss. Meine lieben Geschwister, ich spreche heute das erste Mal durch einen Menschen. Ich bin aber schon öfters hier gewesen, habe euch betrachtet. Nun, ich habe die Aufgabe, von meinem geistigen Erlebnis zu erzählen. Als Mensch hatte ich mir meine besonderen Gedanken gemacht über die Hölle, das Fegefeuer und über den Himmel. Ich habe meine reiche Phantasie walten lassen. Ich muss aber erwähnen: Ich war sehr fromm erzogen worden. Ich habe viel gebetet. Mein Glaube hatte mir dieses vorgeschrieben. Ich war eine längere Zeit hindurch sehr krank, bevor ich diese Welt verlassen durfte. Als ich dann im Jenseits angelangt war, da wurde ich empfangen von drei wunderschönen Gestalten. Die erste sagte zu mir: “Ich freue mich, dich hier begrüssen zu dürfen, Mutter.” - “Mutter?”, fragte ich, “ja dann...” - ich glaubte es kaum aussprechen zu dürfen. “Ja”, sprach dieser Geist, “ich bin dein Kind. Ich war ja mit drei Jahren von der Welt abberufen worden.” Ich freute mich, und ich hatte so viele Fragen und kam doch nicht dazu, nachzudenken. Die beiden andern begrüssten mich auch, stellten sich vor: “Ich war dein Schutzgeist.” - “Ich war dein Lehrer.” Ja ich freute mich - die Engel sahen so aus, wie ich’s mir in meiner Fantasie vorgestellt hatte: Sie waren in Seide und Samt gekleidet und so schön. Nun, was sollte mit mir geschehen? Es interessierte mich, und ich fragte gleich: “Bin ich jetzt im Himmel, und kann ich jetzt all diese Heiligen sehen, kann ich Maria sehen? Kann ich zu Christus gehen? Und wann kann ich Gott sehen?” Man gab mir nicht so richtig Antwort; man erklärte mir: “Ja, du bist jetzt im Reiche Gottes.” Nun sagte mein Schutz 32 Erlebnisberichte 1958-1959 geist: “Du bist ja noch so müde und bedarfst der Ruhe. Wenn du dann ganz ausgeruht bist und die Zeit genaht ist für dich, werden wir dich weiter unterrichten. Jetzt aber bedarfst du des Schlafes.” So begleiteten sie mich in ein schönes Haus hinein, öffneten die Tür zu einem grossen Saal, und da sah ich das emsige Treiben von schönen Geistern. Es waren also die Engel. Sie waren genauso schön gekleidet wie diejenigen, die mich abgeholt. Es lagen hier viele Wesen auf einer Art von - ich kann nicht sagen: Betten, es waren Ruheplätze. Man wies mir einen solchen an und erklärte: “Hier, Maria, kannst du liegen.” Maria war mein Name als Mensch. Ich legte mich nieder auf diese weichen Kissen, und wie man mir so erklärte: “Du bist ja müde” - ja, da kam plötzlich diese Müdigkeit über mich, und ich spürte genau dieselben Schmerzen, die ich doch als Mensch gehabt. Dann erkannte ich, dass es für mich doch wohl das Beste wäre, jetzt auszuruhen; nachher würde ich fragen, fragen und mich für Weiteres interessieren - jetzt wollte ich wirklich schlafen, ich war müde. “So”, sagten sie zu mir, “lege dich hin.” Ich tat es, und man kam und deckte mich zu. Doch diese Decke war nicht wie bei euch in eurer Welt. Es war keine, die man neu überziehen musste und in der Federn waren - nein, es war etwas so Feines, so Weiches. Ich betastete es, ich wollte wissen: “Was ist es denn?” Und wie sie mich so zugedeckt, kam es so wonnig über mich, und ich konnte einschlafen. Wie lange ich schlief, weiss ich nicht. Ich konnte nicht nach der Zeit rechnen, die Zeitrechnung hier ist anders als bei euch. Ich öffnete die Augen, und die Engel Gottes standen wieder da und erklärten mir: “Wir werden dich jetzt in das Haus begleiten, wo du wohnen darfst.” Dann, als sie mich dorthin geführt hatten, sagten sie mir: “Du musst jetzt versuchen, dich hier selbst zurechtzufinden.” Ja ich wollte wissen, wo ich denn sei, ob das der wirkliche Himmel sei - den hätte ich mir doch schöner vorgestellt - oder ob das das Fegefeuer sei - auch das hätte ich mir doch anders, nämlich schlimmer vorgestellt. Da sagte man mir, ich würde mir die Antwort selbst geben können; ich müsse mich hier zurechtfinden, ganz alleine. Jetzt würde ich auf meine Gesinnung geprüft. Ich dachte: “Ja, ihr dürft meine Gesinnung prüfen. Ich werde beten, nichts an Maria, 2. April 1958 33 deres als beten, dass ich in diese schönsten Himmel hineingeführt werde und zu den Heiligen komme. Ich möchte Maria begegnen, die ich so verehrte.” Dann sagte ich doch zu diesem, der mein Sohn gewesen: “So bleib doch du bei mir, und sei mein Begleiter, mein Führer.” - “Nein, Mutter”, antwortete er, “ich habe andere Aufgaben. Ich werde mich dann wieder nach dir erkundigen, doch du hast zu tun, wie dir befohlen.” - “Dann sag mir doch, ist dies das Fegefeuer? Ich habe es mir anders vorgestellt, einmal heiss, einmal kalt, doch nicht so. Ich habe mir nicht vorgestellt, dass es hier Häuser gibt, Blumen, Bäume, Wälder.” Nein, dies war alles sehr sonderbar für mich, und ich musste mich wirklich zurechtfinden. So kam das Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit über mich, obwohl ja so viele um mich waren, die sich bereitgefunden hatten, mir die Hand zu bieten, mir den Weg zu zeigen. Doch ich habe abgelehnt: “Nein, man hat mir gesagt: ‘Du sollst deine Gesinnung beweisen, du musst dich selbst zurechtfinden.’” Ja, ich glaubte doch nun, dass es doch das Fegefeuer wäre. Ich hätte etwas in Ordnung zu bringen oder zu besserer Erkenntnis zu kommen; an mir selbst musste ich wirken. Ich sah, es war etwas zu verbessern und gutzumachen. Und ich hatte eine grosse Sehnsucht nach dem Himmel; denn ich glaubte doch tatsächlich, dass, wenn man gestorben sei und man so viel gebetet hatte, man doch empfangen würde von diesen schönen Engeln und man dann in diese herrliche Welt eingehen und mit ihnen leben dürfe. Nun war es doch nicht ganz so, und ich war etwas enttäuscht. Ich dachte: “Du hast viel gebetet, du hast alles getan, was man dir vorgeschrieben hatte in deinem Glauben.” Nun, ich fühlte mich zur Erde niedergezogen - und schon war ich mitten unter Menschen. Bei ihnen wollte ich nicht sein; mein Weg führte in die Kirche hinein. In die Kirche wollte ich, ich wollte dort beten; und ich ging. Es war Tag, und Menschen kamen vereinzelt in das Gotteshaus hinein, um zu beten. Ich sah sie: Die einen kamen voller Andacht, um wirklich mit Inbrunst zu beten, andere kamen nur mit oberflächlicher Gesinnung, gingen schnell hinein und schnell wieder hinaus; wieder andere betrachteten nur die Bilder, die Gemälde und alles Drum und Dran, und gingen wieder raus. Dann sah ich eine junge Frau. Sie kam hinein, und ich erkann 34 Erlebnisberichte 1958-1959 te plötzlich, dass diese Frau voller Sorgen war. Ich konnte ihre Gedanken lesen, ganz plötzlich, ich sah ihre Sorgen. So begleitete ich sie an ihren Platz. Ich kniete neben ihr nieder und wollte mit ihr beten, für sie und für mich selbst. Plötzlich sah ich immer besser; ich sah ja nicht nur die Menschen so klar vor mir, sondern ich sah, dass bei diesen betenden Menschen so viele dunkle, düstere, schmutzige Gestalten waren. Sie kamen von überall her, es war ein emsiges Treiben. So besuchten sie den einen, bei ihm gingen sie vorbei, bei einem andern hatten sie sich länger aufgehalten. Nun wollte ich wissen, was die denn in diesem Gotteshaus zu tun hatten, und ich verliess die junge Frau und ging in die Nähe dieser dunklen Gestalten; ich wollte es sehen. Denn ich glaubte doch, dass zu einem Gotteshaus kein Zutritt wäre für diese Teufel. Und wie ich meinen Platz frei machte bei der jungen Frau, kamen sogleich drei von diesen eklig buckligen Gestalten zu ihr hin, tanzten um sie herum, machten mit ihren Händen Zeichen und schnitten Grimassen. Ich sah, wie sie eine Art Wolke um diese Frau zogen und sie darin einhüllten, und die Sorgen dieser Frau, mit der ich beten wollte, wurden immer grösser, und sie steigerte sich in diese Sorgen hinein - und das war alles das Werk von diesen Teufeln. “Ach”, dachte ich, “das ist die Versuchung.” Ich möchte euch erklären, wie diese Gestalten es machen und was ich von ihnen gelernt, wie man auf den Menschen wirkt - aber ich wollte es für das Gute tun. Wenn nun unter euch, sagen wir, zwei Menschen im eifrigen Gespräche sind und sie sind sich vielleicht nicht ganz einig in einer besonderen Sache - da fängt nun einer an, ganz energisch seine Meinung zu sagen, und der andere macht es ebenso. Sie kommen so ins Feuer, und jeder spricht und ereifert sich, und derjenige gewinnt, der den andern übertönt. Derjenige, der schweigt, ergibt sich, und der andere erhält Gewalt über ihn, er raubt ihm seine Gedanken, die er aussprechen wollte. Er bekommt ihn derart in Gewalt und spricht und redet auf ihn ein, dass der andere seine eigenen Gedanken, die er hatte, nicht mehr verfolgen kann, sondern dann dem nachdenkt, was der mit seiner Gewalt auf ihn einströmt. So machten es diese Teufel bei dieser Frau. Sie haben ihre Sorgen aufgepeitscht und haben sie dazu inspiriert, Selbstmord Maria, 2. April 1958 35 zu begehen. Sie hatte sich den Weg schon vorgezeichnet, ist ihn in Gedanken schon gegangen - und doch hat sie wieder gebetet: “Nein, hilf, hilf, ich will cs nicht tun, ich will es nicht tun, gib mir Kraft.” Und die Teufel haben aufs Neue Grimassen gemacht und haben sic ‘durchkräftigt’ und sind so mit ihren Gedanken auf sie eingedrungen. Da habe ich gedacht: “Das ist doch nicht richtig, dass hier in einem Gotteshause so etwas geschieht!” Dann habe ich umhergeschaut. Und was habe ich alles gesehen? Ja, da oder dort sah ich auch Geister, die es bestimmt gut meinten, genauso wie ich, und die die Menschen im Gebete unterstützen wollten. Vielleicht gelang es ein wenig. Aber hintenan stand immer der Geist der Versuchung. Ich blickte umher, Hilfe suchend: “Ist denn wirklich niemand da, der diesen Menschen hilft und dieser Frau, die so betet - und die Versuchung ist so gross!” Plötzlich sah ich - ich kann nicht sagen: in meiner Nähe, man hat nicht so einen Begriff und ein Verständnis von Raum und Zeit, doch schienen sie in meiner Nähe zu sein - zwei wunderbare Gestalten, gross, schlank. Ihre Gesichtszüge waren so ebenmässig, so schön. Kein Lächeln war auf ihren Lippen. Sie blickten geradeaus auf jene Teufel bei dieser Frau. Doch ich möchte noch genauer erklären, wie diese wunderbaren Gestalten aussahen. Sie hatten auch diese Kleider an, wie ich es mir als Mensch so vorgestellt hatte: Mit Seide und Samt waren sie angezogen, und schöne, bunte Bänder zierten die Ränder ihrer Kleider - und weit waren diese. Es fiel mir auf: Diese Gestalten standen so da und hatten die eine Hand unter der Weite des Mantels verborgen, während sie mit der andern die Fülle des Stoffes zusammenhielten. Unbeweglich standen sie da und schauten hin auf jene Frau. Dann wieder einmal wendeten sie den Blick irgendwo anders hin. Ich ging, so gut es mir gelang, in ihre Nähe und bat darum: “Helft doch, helft doch, helft doch!” Und ich sprach zu ihnen: “Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, bitte helft doch dieser Frau!” Doch sie wendeten die Augen nicht auf mich. Ihr Blick ging geradeaus. Dann ging ich selbst, fasste mir Mut und dachte: “Du musst den Himmel verdienen. Die, die da so schön sind, wollen von dir ja gar nichts wissen. Jene, die dich empfangen hatten, haben sich von dir verab 36 Erlebnisberichte 1958-1959 schiedet, und diese hier begrüssen dich nicht einmal.” Gut, es wurde mir klar: Man muss für den Himmel arbeiten. So ging ich in die Nähe von diesen drei Teufeln. Ich ging zu ihnen heran, gleich so, und ich sprach zu ihnen: “Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes: Verlasst diese Frau!” Kaum hatte ich diese Worte gesprochen, haben sie mich mit den Füssen weggeschleudert und haben gehöhnt und gelacht. Ich bin wieder aufgestanden, bin wieder in ihre Nähe gegangen und habe sie mit meinen Händen gerissen - und wieder haben sie mich weggeschleudert. Dann ging ich wieder hin zu jenen beiden Gottesengeln, in ihre Nähe, und habe wieder darum gebeten: “Kommt, seht, und helft doch einmal!” Sie haben nicht auf mich gehört, noch nicht. Dann bin ich wieder zu dieser Frau hingegangen, ganz nahe, und die drei Teufel haben versucht, mich von ihr wegzureissen, denn ich wollte ihr andere Gedanken einfliessen lassen. Aber es ist mir ja nicht gelungen neben diesen dreien. So habe ich meinen Platz behauptet. Jedes Mal, wenn sie mich weggestossen haben, bin ich wieder aufgestanden, bin wieder hin und habe gesagt: “Ich verlasse diese Frau nicht; ich werde dafür sorgen, dass sie nicht diesen schweren Weg geht.” Dann habe ich wieder zu den beiden schönen Gestalten hingeblickt. Und plötzlich: Der eine warf seinem Bruder nur einen Blick zu - dann knallte es! Ihre Hände wurden frei, und sie zogen aus der Weite ihres Mantels etwas wie eine glühende Geissel heraus - und im Nu waren diese scheusslichen Gestalten verschwunden. Jetzt kniete ich nieder und betete mit dieser armen Frau - sie wusste ja nichts von diesem Kampf, aber jetzt konnte ich wenigstens mit ihr beten und ihr sagen: “Nein, tue es nicht, denke an dein Kind, denke an deine Eltern, denke an die Schande; tue es nicht, du bekommst Hilfe, ich werde gehen, ich werd dir Hilfe bringen, du bekommst Hilfe.” Ich sagte es ihr so laut in die Ohren hinein - sie musste es hören. Und dann wurde sie freier, sie nahm meine Worte auf. Nun, ich hatte aber Angst, diese andern könnten wieder kommen. Ich blickte umher, und ich sah diese beiden Engel Gottes nicht mehr. Aber doch hoffte und glaubte ich, dass durch die Kraft, die sie ausgeströmt hatten, der Raum so erfüllt wäre, dass es diesen Maria, 2. April 1958 37 Teufeln nicht möglich wäre, wieder hineinzukommen. Ich begleitete die junge Frau aus dem Gotteshause hinaus und ging mit ihr in ihr Haus. Ich bekam immer bessere Übersicht über ihre Sorgen, und ich tat es genau so wie bei meinem ersten Erlebnis, das für mich so bedeutungsvoll war: Ich habe in der Weise auf sie eingeredet: “Habe Hoffnung und Vertrauen, und blicke auf. Denke daran, dass du zur Verantwortung gezogen wirst für dein Tun. Denke daran, dass Gott dir das Leben geschenkt hat und dass er es dir nimmt, wenn es ihm passt, und nicht, wenn es dir gefällt.” So bekam ich Macht über diese Frau. Ich konnte jedoch nicht immer bei ihr verweilen und dachte mir, ich werde in meiner Welt, wo ich wohne, fragen, wie man ihr bessere Hilfe zukommen lassen könne. Ich hatte den Wunsch, wieder in mein Paradies zu kommen; für mich war es doch das Paradies. Bereits der Gedanke daran - und ich war schon dort. Es waren so viele Geister da, und ich ahnte, dass sie ja schon längst unterrichtet waren und weit mehr Erfahrung hatten als ich selbst, und so fragte ich jemanden: “Ja, wie steht man denn einem Menschen bei, der immer in Versuchung ist? Wie kann man ihn kräftigen?” - “Ach”, gab man mir zur Antwort, “er hat auch einen Schutzgeist. Er hatte diesen Menschen verlassen müssen, weil dieser eben aus seiner eigenen Kraft heraus eine Entscheidung treffen musste. Du kannst wieder hingehen, und du wirst sehen, dass der Schutzgeist bei diesem Menschen steht, wenn er die Versuchung überstanden hat.” So hatte ich Hoffnung, und ich glaubte, dass der Schutzgeist dieser Frau ihr bestimmt zur Seite wäre, da ja nun die grösste Versuchung vorüber war. Nun wollte ich ja wieder zurück zu ihr, und ich wusste, den Weg würde ich ohne Weiteres wieder finden, denn ich hatte mir schon eine Strasse oder eine Bahn - ich weiss nicht, wie ich es nennen soll - geöffnet zu ihr. Das konnte für mich nicht mehr verloren gehen. Da wurde ich auf einmal aufgerufen. Alle Freunde, die um mich waren, sprachen: “Du musst mitkommen. Etwas abseits von da, wo wir wohnen, kommen die Gottesengel und singen.” Da dachte ich: “Wirklich? Sehen wir die Gottesengel? Die Heiligen kommen und singen?” - “Ja du sollst kommen, und wir werden sie hören, sie singen wunderschön.” Ich wollte wissen: “Ja sind sie in nächster Nähe, 38 Erlebnisberichte 1958-1959 kann man mit ihnen reden?” - “Das wirst du sehen”, antwortete man mir, und ich ging diesen Scharen nach. Es war nicht weit von da, wo wir wohnten, und da sahen wir sie kommen, diese Gottesengel. Aber sie kamen nicht auf die Ebene, wo wir wohnten - sie waren über uns. Es sah so aus, wie wenn sie alle zusammen auf einer Wolke stehen würden; es war so ein feiner Nebel, und darauf standen diese Scharen von Gottesengeln. Sie waren genauso schön gekleidet wie die, die ich aus nächster Nähe gesehen hatte. Sie sangen wunderschön, wie keine menschliche Stimme es fertigbringt zu singen - so schön. Wir hörten alle zu in Andacht, und es waren so viele um mich, die waren niedergekniet und haben in dieser betenden Stellung den Gesang aufgenommen. Dann tat ich es auch so - in der Hoffnung, dass wohl nachher einer zu mir kommen und sagen würde: “Maria, nun ist es Zeit, jetzt darfst du in den Himmel hinein.” Ich glaubte doch, dass sie nachher zu uns kommen, mit uns sprechen würden. Dies war meine Hoffnung. Aber so war es nicht. Die Gottesengel zogen wieder weg. Leer war der Raum, doch waren noch diese vielen mit mir versammelt. Noch war es, wie wenn wir das Echo vernehmen würden; so schön klang es noch in unseren Ohren. Wir durften die Engel singen hören. Wir durften sie sehen, doch nicht in nächster Nähe. Ich dachte: “Bestimmt kommen sie wieder”, und auch ich wollte so lange verweilen, wie es die andern taten. Dann aber ging eines nach dem andern langsam wieder. Ich dachte zurück an jene Schwester auf Erden, wie es ihr wohl ergehe, und ich besuchte sie wieder. Ich fand sie eifrig bei der Arbeit und froh gestimmt, und ich sah ihren Schutzgeist. Ich redete mit ihm über den Kampf, den sie gehabt. Er tröstete mich und dankte mir, dass ich geholfen hätte bei diesem geistigen Kampf. Sie lasse keine Gedanken des Selbstmordes mehr aufkommen, sie sei zur Einsicht gelangt. Sie werde aber wieder in die Kirche gehen und beten. Aber diese Teufel werden keine Gewalt mehr über sie haben, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie den Gedanken an Selbstmord gänzlich verworfen hatte. So fanden es die Teufel nicht mehr für lohnenswert, sich um sie zu bemühen, da sie ja ihre Meinung geändert und den festen Entschluss gefasst hatte, es nicht zu tun. Aber ich ging dann doch wieder in diese Kirche hinein, und Maria, 2. April 1958 39 ich sah so manchen Kampf. Ich dachte: “Als Mensch hätte ich es nie geglaubt, dass, wenn man in ein Gotteshaus geht zu beten, die Versuchung da so gross ist.” Da stehen sie, diese düsteren Gestalten, und halten den einen ab von seinem Gebet und wollen ihn einfach von seinem edlen Denken wegbringen. Es gelingt nicht manchem, angesichts der Anwesenheit dieser düsteren Mächte seine Gedanken und sein Gebet ständig aufzurichten. Ja, diese düsteren Gestalten sind es, die die Menschen immer vom Guten abwenden möchten. Ich sah es auch in den Geschäften, in allem Tun des Menschen - immer stehen sie da, immer versuchen sie, jede Gelegenheit wahrzunehmen, um dem Menschen zu schaden und ihn zur Sünde zu treiben und zu sagen: “Das ist nichts; das, das ist unbedeutend, du darfst es tun, das, das sieht kein Mensch...”, und was weiss ich. So tun sie es, so ist der Einfluss der bösen Geisterwelt. Sie dürfen die Menschen in der Weise in Versuchung bringen, und der Mensch soll seine Gesinnung zum Ausdruck bringen. Mir persönlich konnte dies alles nicht gleichgültig sein. Ich hatte ja so viel gebetet in meinem Leben, und nun musste ich sehen: Ich hatte doch nicht ganz richtig gelebt. Ich hatte bestimmt vieles falsch gemacht, sonst würden diese Gottesengel nicht an mir vorübergehen, wie es bei euch Menschen solche tun, die vornehm sein wollen und vom andern keine Notiz nehmen. Dann habe ich so über meine Religion nachgedacht: “Was war denn falsch? Warum hat man mich denn in der Weise unterrichtet, und warum werden die Menschen noch weiter so unterrichtet?” Da kam mir der Gedanke, auch aus einer Neugierde heraus - ja, ich wollte jetzt einmal sehen, wie es dort zu- und hergeht, wo der Papst wohnt. Ich dachte: “Das ist für mich keine Schwierigkeit, dort hinzukommen.” Ich wollte wissen, ob alles so heilig ist, wie man uns erklärt hatte. So habe ich diesen Gedanken immer fester gefasst, und schon war ich in der Nähe - in der Nähe. Und was sah ich in der Nähe? Ganze Mauern von Geistern. Dann wollte ich durch diese hindurch, doch sie liessen mich nicht und fragten: “Was willst du da?” - “Ja ich möchte in das Haus des Papstes gehen.” - “Da hast du nichts verloren.” - “Ja wer seid ihr denn? Wer gibt euch das Recht, hier Wache zu stehen?” - “Nun, wir sind dir keine Antwort schuldig. Wir lassen dich nicht durch.” 40 Erlebnisberichte 1958-1959 Nun dachte ich, ich werde es an einer anderen Stelle versuchen, eine Lücke gibt es bestimmt. Dazu möchte ich noch erklären: Der Papst hat ja seine menschliche Wache, er hat aber auch eine Wache von Geistern. Es sind solche, die sich einfach zusammengetan haben, um ihn zu beschützen. So habe ich mich etwas zurückgezogen - man schwebt über die Dinge hinweg. Doch wollte ich in jene Sphäre hinein, und tatsächlich, es hatte irgendwo eine Lücke, ich kam durch. Aber noch war ich nicht dort, wo ich hinwollte. Ich sah eine weitere Mauer von Geistern in der näheren Nähe des Papstes, und sie sprachen wieder: “Was willst du da?” - “Ja, ich möchte durch.” - “Nein”, sprachen sie, “du kommst nicht durch. Wir stehen hier Wache für unseren Heiligen Vater.” Ich habe es dann aufgegeben und ging wieder zurück in meine Welt. Denn ich dachte, ich werde mich informieren lassen, mit welchem Recht die dastehen und warum es mir nicht erlaubt ist durchzugehen. In meiner Welt, wo ich wohnte, unterhielt ich mich dann, das eine Mal mit dem, ein anderes Mal mit einem andern. In dem Hause, wo ich wohnte, hatte ich eine besondere Freundschaft mit einem Geiste. Den fragte ich: “Sag mir, mit welchem Recht bilden die da eine Mauer um den Papst?” Dann sagte mir dieser Geist: “Warum interessierst du dich für solche Dinge? Glaubst du etwa, dass dies hohe Geister wären? Das sind Geister, die Anhänger sind vom Papst, die im Glauben sind, ihm Schutz zu bieten. Aber glaube nicht, dass solche düsteren Gestalten wie jene, denen du in der Kirche begegnet bist, nicht doch Zugang hätten zu ihm. Sie haben ihn ganz genau so, wie du es bei den Menschen in der Kirche gesehen hast; auch bei ihm tun sie dasselbe, wenn sie die Möglichkeit haben, sich hineinzuspielen, je nach den Gedanken des Menschen - ist er schwach, dann ist es für sie leicht, seine Gedanken zu fassen, ist er stark, dann können sie nichts machen.” Ich sagte, es würde mich wundernehmen und danach verlangen, doch in jene Nähe zu kommen und all diese Dinge zu sehen - und warum diese Geister denn eigentlich mir gegenüber noch so eine Macht hätten, warum sie mich aufhalten könnten. “Ja”, erklärte man mir, “siehst du, du bist eben auch noch kein reiner Geist; diese Geister sind deinesgleichen, wenn auch verschieden in ihrer Anschauung, und so haben sie die Maria, 2. April 1958 41 Möglichkeit und die Kraft, dir den Weg zu versperren.” Nun, wenn es nicht von Vorteil und von Nutzen wäre, wollte ich ja nicht unbedingt dorthin gehen. Dann sagte man mir: “Es ist für dich ganz sinnlos, dich mit solchem zu beschäftigen. Da sind ja schon Aber-millionen von Geistern, die sich mit solchen sinnlosen Angelegenheiten beschäftigen, in denen sie nichts erreichen. Es gibt so viele Geister, die sich zusammentun und glauben, eine Mauer um einen Menschen bilden und ihn damit schützen zu können - doch die Engel des Himmels kommen durch und die Teufel auch.” Man erklärte mir auch, dass man von höherer Warte aus einen geistigen Schutz um einen Menschen bilden kann, dass gute Geister den Schutz eines Menschen übernehmen können und sie sich dienende Wesen zur Seite nehmen, um ihre Aufgaben auszuüben. Ich wollte mir ja den Himmel verdienen, aber ich sah, man begegnete mir immer noch nicht. Ich hatte immer noch keinen Zugang zu diesem schönen Himmel. Dann versuchte ich es bei den einfachen Menschen, ihnen beizustehen, sie etwas aufzumuntern, ihnen etwas Fröhlichkeit zu übertragen. Und wenn es mir gelang, wenn ich sie von einer Sünde weglenken konnte oder von etwas Ungerechtem, freute es mich besonders. Immer wieder ging ich zurück in meine Welt; und da geschah es wieder, dass man die Botschaft verbreitete: “Wir gehen wieder, um zu hören - die Engel des Himmels kommen, um für uns zu singen.” So ging ich wieder, um mitzuhören. Ich hatte doch nur den Wunsch, dass sie näher kommen würden; sie waren noch so weit weg. So betete ich auch, hörte zu und betete; betete, dass man mir nun den Weg zum Himmel öffnen würde und dass man mir erklären würde, auf welche Weise ich am besten diesen Himmel verdienen könnte. Der Gesang dauerte dieses Mal etwas länger, und wie wir so hinaufblickten zu diesen Höhen, sahen wir von verschiedenen Seiten her schöne Wesenheiten sich uns nahen. So dachte ich: “Nun ist doch der Zeitpunkt gekommen. Man wird sich mit uns beschäftigen.” Sie kamen in unsere Nähe, nahmen einen Geist bei der Hand und führten ihn, sprachen mit ihm - und ich wartete darauf, dass man auch zu mir kommen würde. Sie gingen aber immer wieder an mir vorbei. Nun, ich wollte ja geduldig sein. So unglücklich war ich ja nicht. Aber ich 42 Erlebnisberichte 1958-1959 wollte doch in diesen schönen Himmel kommen und vereint sein mit all denen, zu denen ich doch gebetet hatte. Nun wusste ich: “Ich muss noch ausharren; es ist noch nicht Zeit.” Dann ging ich wieder zu den Menschen, und ich besuchte die Kirche, denn ich sah: Dort sind viele, die ihr Schicksal im Gebete niederlegen, die Gott erklären: “Du siehst mein Leben - hilf mir.” Da sind es eben die Geister, die aufmerksam werden auf diese Gebete, die voll Kraft gesprochen werden. Ich konnte auch sehen, dass, wo Menschen so beteten, wirklich wunderschöne Gottesengel sich ihnen nahten. Ich sah auch die Schutzgeister, wie sie da oder dort in einem Abstand zu ihrem Schützling waren und dann mit ihm gemeinsam wieder fortgingen. So tat ich es wieder aufs Neue. Ich suchte mir einen Menschen aus, der besonders viele Sorgen hatte, und ich wollte ihn stärken in seinem Vertrauen und in der Hoffnung. Ich begleitete ihn an seinen Arbeitsplatz und versuchte, ihn aufzumuntern und zu heben in seiner Stimmung. So tat ich es bei so vielen Menschen. Ich hatte meine Freude, meine Genugtuung, in der Weise doch nützlich zu sein und zu helfen. Dann ging ich wieder zu jener Stätte, wo wir den Gesang gehört hatten, doch ohne dass man mir gesagt hätte, dass die Gottesengel zum Singen kommen. Ich war traurig. Ich betete - aber noch kam ja keiner zu mir. Als ich diese Gedanken hegte, legte mir jemand die Hände auf die Schultern, und ich blickte auf und sah eine wunderschöne Gestalt vor mir, die sprach: “Nun, Maria, ich will dich führen. Aber noch ist der Himmel für dich nicht so nahe. Wir haben nun deinen Eifer gesehen, und du kannst im Heilsplan Gottes deine Aufgabe auf diese Weise erfüllen - nun aber unter der Führung eines Gottesengels.” Ja, ich wollte wissen, wie sein Name sei und woher er komme, und ich wollte wissen, ob er mit Christus und mit all den Heiligen zusammen lebe. Eine ausweichende Antwort bekam ich, aber doch die eine: “Ich wohne in einem wunderschönen Haus. Ich habe viele Brüder und Schwestern, sie sind alle so schön wie ich, und wir haben nur ein Trachten: unseren Geschwistern zu helfen.” Und dieser Geist, er war genauso schön wie jene, die so erhaben in jener Kirche gestanden und dort so energisch gewirkt hatten; auch er war in Seide und Samt gehüllt. Er sagte: “Mein Name Maria, 2. April 1958 43 ist Myrta.” - “Myrta, ich freue mich. Bleibst du jetzt immer bei mir?” - “Immer kann ich nicht bei dir bleiben, aber du darfst mich in meinen Aufgaben begleiten. Ich bin ein Missionsgeist”, sprach dieser Geist Myrta zu mir. Oh, wie freute ich mich, denn nun hatte ich ein schönes Wesen zur Seite, und ich war stolz, mit ihm einherzugehen. Dieser Geist unterrichtete mich über den Arbeitsplan, den er mit mir vorhattc: Der Weg gehe zu den Menschen, aber auch in die Tiefen zu den unglückseligen Geistern, und man habe auch jenen, die am Sterben sind, beizustehen. Es werde genug Arbeit geben. Oh, ich wollte es gerne tun, und man sagte mir, ich hätte ja gezeigt, dass ich in der Weise wirken könne, darum wäre ich dafür aufgerufen worden - und wenn ich nun meine Arbeit in der Weise erfülle, würde ich wieder zusammengeführt mit jenem Geiste, der auf Erden mein Kind gewesen und der nun so schön geworden sei. Mein Schutzgeist und mein Führer würden mir auch beistehen in meinem Wirken bei den Menschen und bei den Unglückseligen. So holte mich Myrta jeweils aus meinem Hause und gab mir genaue Anweisung, und wir gingen zusammen. Und so durfte ich immer mehr erfahren über sie und über ihr Haus. Sie erklärte mir: ‘Tn dem Hause, wo ich mit meinen seligen Brüdern und Schwestern wohne, da sind die Missionsgeister, die Geister des Heils, der Liebe, der Vertrautheit, der Stärke, und du wirst dann gelegentlich auch mit ihnen die Bekanntschaft machen.” Ja, ich wollte wissen, wie man das Haus denn benenne, ob es viele solche Häuser gebe und ob es denn zuoberst im Himmel bei Gott sei. Ja, man erklärte mir, dass es eben viele Himmel und viele schöne Häuser gebe, wunderbare Schlösser und dass in einem solch schönen Schlosse Myrta wohne. Wenn dann die Zeit genaht, dann dürfe ich auch in dieses Schloss eingehen. Zuerst aber hätte ich mich noch zu bewähren. Nun bin ich an der Arbeit, und ich durfte in meiner Tätigkeit jene Freunde aus diesem wunderbaren Hause sehen. Sie haben mich besucht, sie haben mich begrüsst - und ich sehe sie hier und in eurer Nähe; es sind Freunde, gute Freunde von euch. Meine Aufgabe ist jetzt, zu beweisen, dass es mir wirklich daran gelegen ist weiterzukommen, dass ich nicht träge oder nachlässig werde in diesem Helfen und Dienen. So erklärte man es mir: “Wie grösser der Eifer und 44 Erlebnisberichte 1958-1959 die Ausdauer, wie schneller wirst du in diese schönen Himmel eingehen dürfen.” Nun, so habe ich zu euch gesprochen und von meinen Erlebnissen berichtet. So werde ich auch euch besuchen, euch die Kraft bringen, mit diesem Missionsgeiste Myrta zusammen. Gottes Segen begleite euch, der Segen des Heils erfülle euch. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Ich bin Josef. Meine lieben Geschwister, nun hörtet ihr wiederum einen Geist von seinen Erlebnissen sprechen. Habt ihr Fragen in dieser Beziehung? Lieber Josef, mich interessiert das Zeitproblem. Maria sagte, dass sie mit der Zeit nicht zurechtgekommen sei. Wie geschieht denn die Zeitmessung im Ewigen, irgendwie müssen doch diese unendlichen Zeiträume auch gemessen werden? Josef: Ja. Die werden wohl gemessen, in den höchsten Höhen, bei Gott. Welches sind diese Zeiteinheiten? Gibt es Ewigkeitszeitalter oder Ewigkeitsjahre? Josef: Darüber kann ich dich jetzt nicht unterrichten. Vielleicht habe ich ein anderes Mal Gelegenheit dazu. Nach der Erzählung von Maria scheint die Kirche ein besonderer Tummelplatz niederer Geister zu sein. Wäre es da nicht besser, solche beschwerte Menschen würden sich in den Wald begeben oder auf eine Wiese? Wären sie dann nicht freier von diesen schlechten Geistern, die es offenbar darauf abgesehen haben, Menschen anzufallen, welche schon in Not sind und einen Beistand in der Kirche suchen? Josef: Ja, das ist es eben: Diese düsteren Gestalten haben Kenntnis davon, dass die Menschen den Weg in die Kirche machen. Es wäre gut, so wie du sagst, sie würden hinausgehen in den Wald oder Maria, 2. April 1958 45 sonst irgendwohin in der Natur und würden dort beten; die Möglichkeiten solcher Anfechtungen wären geringer. Sie sind nicht ausgeschlossen, aber in diesen Weiten sind so viele gute, hilfsbereite Geister, die sich dem Menschen in der Weise nähern können, wie es diese Maria getan hat. Lieber Josef, der Schutzgeist dieser sorgenbeladenen jüngeren Frau musste von ihr Abstand nehmen. Ist es nicht so, dass man in Zeiten der Prüfung hingehen kann, wo man will, und diese niederen Geister ein Recht haben, sich mit einem zu befassen? Josef: Ja, es ist leider so. Darum muss eben die Entscheidung des Menschen aus seinem Innern kommen. Es ist bei diesem Menschen so gewesen, dass er vom Schicksal gezeichnet wurde. Es war also sein Schicksal, das hat sich nun zu diesem Zeitpunkte ausgelöst. Nun musste er sich eben bewähren oder selbst die Entscheidung treffen, und diese selbständige Entscheidung konnte ja nur getroffen werden, wenn es ganz frei, ohne irgendeinen Einfluss der guten Geisterwelt, geschehen würde. Denn es ist doch klar, dass die gute Geisterwelt jedem Menschen beistehen und helfen möchte. So würde aber die andere Seite sagen: “Das ist keine Gerechtigkeit.” Und so wurde eben in der Weise seinerzeit, beim Kampf von Christus mit Luzifer, abgemacht, dass die niedere Geisteswelt das Recht hat, die Menschen zu beeinflussen und sie in die Versuchung zu führen - dass der Mensch selbst von innen heraus den Weg finden muss. Daher ist es gut, bei irgendeinem schwerwiegenden Entschluss nicht so überstürzt zu handeln, sondern noch einmal darüber zu schlafen, um so die Gelegenheit zu geben, dass diese andern wegtreten und dass die guten Geister den Weg wieder zu einem finden. So wird vieles klarer werden beim Menschen, wenn er nicht immer in der Weise schnell urteilt und handelt. Wir haben gehört, dass die Geister, die den Schutzwall um den Papst bildeten, keine hohen Geister waren. Nun scheint aber eine solche Mauer doch einen gewissen Schutz zu bieten gegenüber gleichgestellten Geistern ? 46 Erlebnisberichte 1958-1959 Josef: Gegenüber gleichgestellten, ja. Durch solche Geister können also doch unangenehme Einflüsse abgewehrt werden? Josef: Ja, aber weisst du, es ist so: Auch diese gleichgestellten Geister haben doch den Zugang zu diesem Menschen und können ihn auch dementsprechend inspirieren. Es sind noch genügend aus diesen Reihen da, die den Weg zu ihm finden, und sie nehmen sich einfach das Recht, andere nicht zuzulassen. Aber in der Weise besteht nicht nur ein einziger solcher Ring, sondern es sind verschiedene. So wurde zuerst einmal ein solcher Ring gebildet, dann haben weitere Geister gefunden: “Ja da können wir in einem weiteren Abstand noch einmal einen solchen Ring bilden.” So wurde cs in der Weise getan, und so werden diese Geister auch in gewissem Sinne abhängig voneinander. Lieber Josef offenbar bedeutet es eine grosse Enttäuschung, wenn man ins Jenseits kommt und erkennen muss, dass das, was man als Mensch geglaubt hat, nicht zutrifft. Diese Umstellung ist nicht einfach. Josef: Ja, so ist es. Darum ist diesem Geistwesen eben Gelegenheit gegeben worden. Nun hat es sich dazu hingegeben, andern zu helfen und beizustehen, und dieses ist im Heilsplan Gottes etwas Wesentliches, etwas Wichtiges. Denn es gibt so viele, die einfach zufrieden sind, da, wo sie sind, und keine grossen Anstrengungen unternehmen. Es ist auch bei euch Menschen so: Es gibt fleissige, und es gibt welche, die gerne der Arbeit ausweichen. Nun, im Heilsplan Gottes liebt man jene, die fleissig sind, denn an ihnen findet man eine Stütze, und sie schiebt man vor. Lieber Josef, wir vermissen in den Schilderungen von Maria eine Aussage, und zwar war es ja ihre Absicht, beim Papst zu sehen, wie es dort zu- und herging. Dieses Resultat wurde uns nicht bekannt gegeben... Maria, 2. April 1958 47 Josef: Ja, weil ja dieser Geist zur Einsicht gekommen ist, dass es sinnlos wäre, weiter vorzudringen, dass er nichts lernt und nichts sieht und dass es unbedeutend ist. Ich danke dir. Welcher Art waren denn die Sorgen der jungen Frau? Josef: Ja, weisst du, das würde zu weit gehen, dies möchte ich nicht ausführen. [Die folgenden Fragen stammen aus der Fragebeantwortung vom 7. Mai 1958.] Maria hatte berichtet, dass in dieser Kirche sehr viele niedere Geister waren. Nun hat man aber doch in den Kriegen beobachtet, dass sehr viele Kirchen einen speziellen Schutz genossen haben. Das wird auch ein geistiger Schutz gewesen sein? Josef: Ja, ihr könnt euch doch vorstellen, dass in einem Krieg, wo Menschen Gott um Hilfe bitten, doch hilfsbereite Geister da sind und diesen Schutz auch geben. Geschieht dieser Schutz nur aufgrund der Gebete, oder spielt zum Beispiel das Bauwerk als Kunstwerk auch eine Rolle? Josef: Nein. Die Kirchen sind doch meistens auch künstlerisch wertvoll? Josef: Ja, schon. Aber das geht wieder in das Interesse des Menschen. Wir interessieren uns zuerst für das Heil des Menschen. Wir haben ja auch Kunstschätze im Jenseits. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Maria und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 48 Erlebnisberichte 1958-1959 7. Mai 1958 Irmgard - wie eine einstige Herrin zur Einsicht in ihre Fehler gelangt Unangenehme Begegnung mit früheren Bediensteten [Grussworte des Kontrollgeistes] Irmgard: Gott zum Gruss. Man hat mir den Auftrag gegeben, euch die Erklärung zu geben von meinen geistigen Erlebnissen, als ich ins Jenseits gekommen. Zwei schöne Gestalten standen neben mir, als ich mein Auge öffnete in dieser andern Welt. Sie sprachen nicht viel mit mir. Auch meine Eltern waren da, und ich fand sie nicht besonders schön. Ich betrachtete auch mich selbst, so gut es ging, und ich fand, ich sähe furchtbar aus. In meiner Erinnerung sah ich nämlich noch meinen Leichnam vor mir: Das Totenhemd, das man mir übergezogen hatte, war kostbar. Aber das Gewand, mit dem ich im Jenseits angekommen war, war nicht kostbar. Die zwei schönen Gestalten begleiteten mich in ein Haus hinein und sagten: “Hier bist du zu Hause, das ist dein Haus.” Ich war entsetzt: Ein grosser Raum war da und viele, viele Wesen - und ich sollte mit ihnen Zusammenleben! Nein, das gefiel mir nicht! Ich suchte mich fortzumachen von diesem Hause. Mein erstes Verlangen war, mir schönere Kleider zu beschaffen. Ich suchte meine eigenen Kleider. Den Weg in mein früheres Haus auf Erden fand ich gut; ich ward wie durch einen Magnet davon angezogen. Da trat ich vor den Schrank hin und nahm ein Kleid nach dem andern in meine Hände. Ich versuchte, eines überzuziehen; doch es gelang einfach nicht, denn meine Hände gingen durch den Stoff hindurch. Ich konnte ihn einfach nicht fassen. Es war genauso wie mit den Türen und Wänden: Ich konnte durch alle hindurch, es war kein Hindernis. Auch diese Kleider konnte ich in meinen Händen halten, und sie zerflossen - und doch waren sie da. Ich suchte meinen Schmuck, ich wollte ein Irmgard, 7. Mai 1958 49 besseres Aussehen haben. Doch hier war es wiederum dasselbe. Alles versuchte ich in die Hände zu nehmen, und es floss aus meinen Händen; es war wie Nebel, ich konnte nichts an mich nehmen. Ich konnte es berühren, doch ich erkannte: Ja, da, wo ich nun zu leben habe, ist ein anderer Reichtum vorhanden; den meinen musste ich zurücklassen, und jeder materielle Wert war verloren. Ich ward unglücklich, denn ich war mich gewohnt, schöne Kleider zu tragen, und nun war ich ein unansehnlicher Anblick für die andern. Nun, ich ging wieder zurück; es zog mich einfach wieder in das mir zugewiesene Haus hinein, wo die vielen andern Wesen wohnten. Als ich den Weg dorthin antrat, begegnete mir eine meiner früheren Angestellten oder Hausdienerinnen oder wie man es in eurer Sprache nennt. Sie schien auf mich zuzukommen und mit mir sprechen zu wollen. Ich aber sah, dass sie bedeutend schöner war und ein viel besseres Aussehen hatte als ich, und ich schämte mich über mein Aussehen und ging ihr aus dem Wege. Ich wollte nicht, dass sie, die einst meine Magd gewesen, mir nun gegenüberstehen würde. Ich wich ihr aus. Da kam ich in das Haus hinein, und hier begegnete ich schon wieder jemandem, den ich kannte und der mich gut kannte. Als er mich sah, lachte und höhnte er und zählte mir meine Fehler auf, die ich im Leben gehabt haben soll. Er nannte mich geizig, egoistisch, herrschsüchtig und vieles noch dazu. Ich schämte mich vor den andern. Ich sah aber, dass alle, die da mit mir zusammenwohnen sollten, auch so ein schlechtes Aussehen hatten und so schlechte Kleider trugen wie ich. Nun, ich suchte mir einen Platz, und ich hatte keine Mühe, einen zu finden. Von allen Seiten rief man mir die widerlichsten Namen und Aussprüche zu. Das gefiel mir nicht, doch hatte ich keine Möglichkeiten, dem zu entweichen. Ich fing dann schon etwas zu studieren an, wie ich denn hier aus diesem Hause herauskommen und auch zu einem besseren Aussehen und zu einem besseren Ansehen bei den andern kommen könnte. Aber nach all diesen Reden, die da geführt wurden, wie der eine dem andern die Fehler von seinem gelebten Leben vorhielt und wie man auch von mir erzählte, was alles ich getan haben soll, schien es mir unmöglich, eine Besserstellung zu erhalten. Ja, ich dachte dann: “Viel 50 Erlebnisberichte 1958-1959 leicht versuche ich es mit Beten, damit ich von diesem Zustand und diesen Verhältnissen hier erlöst werde.” So tat ich es, aber es half mir nicht. Ich weiss nicht, wie lange Zeit ich in dem Hause leben musste mit diesen andern zusammen, die immer wieder kamen und mich fragten, ob ich auch mit ihnen zur Erde käme - sie würden da- und dorthin gehen, es wäre lustig und interessant. Wir suchten uns doch unter den Menschen zu zerstreuen und mit ihnen zu gehen, uns für sie zu interessieren. Dann und wann ging ich mit, und doch war ich unzufrieden und suchte dann wieder die Einsamkeit auf. Aber auch hier fand ich nichts, woran ich nur die geringste Freude hätte empfinden können oder wie ich aus dieser Armut und aus diesen furchtbaren Verhältnissen hätte herauskommen können. Als wir wieder einmal so zusammen unter den Menschen waren, kam es plötzlich wie eine Art - ich kann es nur nach euren Begriffen sagen - Blitz durch uns, und wir wurden wiederum in die jenseitige Welt zurückgezogen; wir befanden uns einfach wieder in jenem Hause. So waren die meisten anwesend, als zwei schöne, lichte Gestalten in diesen Raum hineinkamen. Sie erzählten nicht viel, sondern sagten nur, sie möchten mit uns beten. Ich war sofort damit einverstanden, weil ich ahnte, dass es mir helfen könnte. Doch der grösste Teil der andern betete nicht mit; sie hörten einfach nicht zu. Sie sprachen miteinander und hörten nicht, was diese zwei schönen Wesen sagten. Die beiden Lichtgestalten blieben nicht sehr lange. Sie sprachen einige Gebete mit uns und erklärten, dass wir diese in Erinnerung behalten sollten, damit wir sie auch alleine beten könnten. Ich versuchte, diese Gebete zu behalten, und tat auch so, wie gesagt. Dann ging es wieder lange Zeit, und niemand meldete sich in der Weise. So gingen wir wieder zur Erde, zu den Menschen und dahin, wo wir einfach hingezogen wurden. Als die schönen Wesen dann wiederkamen, betete ich eifriger mit. Sie erklärten uns, dass diejenigen, die zu beten wünschten, sich von diesem Raume entfernen und sich etwas abseits vom Hause sammeln sollten. Da ging eine Schar aus diesem Hause heraus zu dem bezeichneten Platze hin. Und da begegnete ich wiederum dem Geiste, den ich vom Erdenleben her kannte und der mir anfangs die Fehler, die ich in meinem Leben be- Irmgard, 7. Mai 1958 51 gangen, vorgehalten hatte. Er belästigte mich sehr. Nun, ich sagte dieses Mal nichts, ich wollte ihm aus dem Wege gehen. Als ich dann auf diesen Platz zuschritt, begegnete ich zum zweiten Mal jener, die bei mir in Stellung gewesen und nun so schön angezogen war. Ich versuchte ihr wiederum auszuweichen. Ich wollte nicht, dass sie sehe, wie ich ausschaue. Sie fühlte es, dass ich mich von ihr zurückzog, und sie drängte sich mir nicht auf. Es waren ja so viele hier. Dann hatten die zwei schönen Wesen mit uns gebetet und uns erklärt, dass es eben uns zur Strafe sei, dass wir hier zu wohnen hätten, denn wir hätten es nicht anders verdient. Wir hätten jetzt Zeit genug, über unser Leben nachzudenken und über die Taten und Untaten, die wir vollbracht hätten. Wenn wir darüber nachdenken würden, würden wir besser belehrt werden können. Weiteres wurde uns nicht mitgeteilt als das, dass sie wiederkommen und uns weiter unterrichten würden. Dieser andere Geist suchte nun immer meine Nähe auf, um mich - ich kann nicht sagen: zu beleidigen, aber immer wieder hatte er über mich gesprochen und aus meinem Leben erzählt, wer ich war und wie ich gewesen sei. Das hatte ich nicht gerne gehabt; doch musste ich es ertragen, ich hatte keine Möglichkeit, mich irgendwie zu wehren. Alle andern lachten nur. Also ich sah ein: Ich war nun in dieser Welt keine Persönlichkeit mehr, ich war niemand mehr. Nun ging ich dann aus dem inneren Verlangen, so viel wie möglich aus dem Hause herauszukommen, zu diesem Platz hin, in der Hoffnung, diese schönen Gestalten würden wiederkommen. Und so war es. Der andere aber verfolgte mich regelrecht und kam auch hin zu dem Platze. Ich tat, als ob ich ihn nicht sehen würde, und hörte nicht auf ihn. Als die beiden schönen Gestalten wieder dastanden, ging ich zu ihnen hin und sagte ihnen, dass mich dieser Geist immer belästige. Dann antworteten die beiden: “Ja, denke jetzt einmal darüber nach, was er sagt. Nicht nur über jeden Satz, sondern über jedes Wort, über alles, was er sagt, musst du nachdenken, und du musst zur Einsicht kommen, dass du nicht richtig gehandelt hast als Mensch.” Ich sah wohl, dass das, was ich als Mensch getan hatte, in der göttlichen Welt nicht befürwortet wurde. Denn schon als Kind wurde ich gelehrt, zuerst für mich selbst zu schauen und mich nicht 52 Erlebnisberichte 1958-1959 aufzuhalten über den Schaden, den man andern zufügt. Dieses war mein Prinzip; damit war ich durchs Leben gegangen, und es hat mich dahin gebracht, wo ich nun stand. Dieses schöne Wesen sprach zu mir: “Wenn du versuchst, über dein Leben nachzudenken, und du den andern, der in deinen Diensten stand und unter deiner Herrschsucht zu leiden hatte, um Vergebung bittest und Abbitte leistest, wird er dir vielleicht milder gesinnt. Versuche es.” So ging ich dann zu ihm und versuchte mit ihm zu reden - und zwar wollte ich alleine, ohne diese vielen Zuhörer, mit ihm sprechen. Er hat dann aber nur laut ausgerufen, was ich ihm nun wohl zu sagen hätte. Ich bat ihn, er möchte mir vergeben; es würde mir leidtun, und ich möchte es gutmachen. Er hat nur gelacht und ist fortgegangen, und es schien mir nicht, dass er mir vergeben hätte. Dann suchte ich mich immer mehr in diesem Garten aufzuhalten, um zu beten. Aber die andern kamen ja auch hierher, und auch dieser Geist kam und lachte weiter über mich. Dann kam auch diese Schöne wieder, die einst als meine Magd in meinen Diensten gewesen war. So suchte ich Zuflucht bei ihr. Ich musste sie um Schutz bitten und erklärte ihr, dass ich wohl einsehe, dass ich ungerecht gehandelt, aber hier ja auch dafür zu büssen hätte. Ich wäre ihr zu Dank verpflichtet, wenn sie mir beistehen würde. Sie sprach dann mit diesem andern, denn sie kannte ihn gut, und wies ihn zurecht. Sonderbarerweise hörte er auf sie, und er versprach dann, mich nicht mehr weiter zu belästigen. Als wir wieder eine Schar vereint und versammelt waren im Gebete und darum baten, dass Gott uns unsere Untaten verzeihen möge und uns milde gestimmt werde und dass wir herausgeführt würden aus diesem Hause und wir eine Arbeit leisten dürften, da kam eine ganze Schar von Geistern. Sie waren bereit, sich eines jeden Einzelnen anzunehmen. Also eines jeden unseligen Geistes nahm sich ein solch schönes Wesen an, um ihn zu führen. Auch ich hatte diese Freude, und so führte mich das schöne Wesen weg aus dieser Ebene, hinein in eine andere, die nicht etwa schöner war. Aber hier konnte ich freier handeln, und ich war nicht mehr an diese vielen Geschwister gebunden. Ich musste also nicht mehr in einem solch grossen Raum mit ihnen Zusammenleben, sondern es war ein anderes Haus. Ich möchte es so erklären: Es war Zelle an Zelle, und diese Irmgard, 7. Mai 1958 53 schönen Gestalten gingen mit jedem Einzelnen in eine solche Zelle hinein. So blieb dieses Wesen bei mir und erklärte mir, was ich im Leben falsch gemacht und dass ich Punkt für Punkt zu ordnen hätte. Ich musste - ich möchte es so erklären - über mein Leben einen Aufsatz schreiben. Ja, schreiben musste ich. Das Wesen verliess mich dann wieder, und ich musste in dieser Zelle bleiben. Nach einer gewissen Zeit kam es wieder und las den Aufsatz meines Lebens durch und fing an, zu streichen, immer wieder zu streichen. Es erklärte mir: “Das ist nicht das, was du schreiben musst; und das und das ist auch nicht das, was du schreiben musst...”, und es fing wieder von vorne an, von meinen Fehlern in meinem Leben zu sprechen und erklärte mir: “Hier, fange wieder vorne an.” So dauerte cs lange, lange, bis ich einsichtig wurde und die Erkenntnis bekam, worüber ich schreiben musste; ich kannte ja meine eigenen Fehler nicht einmal. Ich erkannte sie nur dadurch, dass mir dieses Wesen beistand und immer wieder erklärte: “An jenem Tage im Jahre soundso machtest du die Bekanntschaft mit den und den Menschen, und du hattest diese Anweisung gegeben, und du hattest in deinem Hause diese Anordnung getroffen.” Und ich sollte nun einsehen, was ich falsch gesagt und falsch gehandelt hatte. So langsam verstand ich es, und immer weniger wurde in meinem Aufsatz gestrichen - bis es so weit war, dass dieses Wesen sagte: “Ja, jetzt musst du das, was du geschrieben hast, mindestens hundertmal durchlesen, damit es dir auch bewusst ist. Du sollst es nicht wieder vergessen. Denn diese Erkenntnisse könnten nur oberflächlicher Art sein.” So las ich es immer wieder und bat, Gott möge mir Kraft geben, dass ich zur Einsicht gelange und auch aufwärtsstreben könne. Wie mehr ich bereit war, meine Fehler einzusehen, wie grösser war die Hilfe und wie kleiner wurde der Abstand, bis dieses Engelwesen mich jeweils wieder besuchte. Es kam immer öfters und immer mehr, je einsichtiger ich wurde. Dann erklärte es mir: “Jetzt darfst du dieses Haus verlassen”, und führte mich in dieser Ebene in einen grossen Palast hinein. Dort standen schöne Gestalten. Sie schienen mir so vornehm, so erhaben, und sie unterrichteten ganze Scharen von Geschwistern. So wurde ich auch hineingeschoben: “Hier, höre zu.” Und dieses We- 54 Erlebnisberichte 1958-1959 sen stand neben mir. Als der Unterricht beendet war, wurde ich wieder weggeführt. Dann begleitete mich dieses Wesen erneut in ein Haus hinein, wo ich wohnen durfte. Aber es war wiederum kein Haus für mich allein. Es waren viele Geschwister in diesem Haus - wir waren unser zehn in einem Raume. Der Raum aber war gross und ganz ordentlich hergerichtet. Wir verstanden uns gut, wir belästigten uns nicht, denn jedes war in seinem Streben so weit. So war ich schon zufrieden, mit zehn Geschwistern in einem Raume zusammen zu sein. Von hier aus wurde ich dann zu meinen Aufgaben geführt, zu meiner Arbeit im Heils- und Erlösungsplane. Es war ein langer und schwerer Weg für mich gewesen, bis es so weit war. Dieses schöne Wesen, das sich meiner annahm, heisst Myrta. Und mein Name, den ich auf Erden trug, war Irmgard. Diese Myrta führte mich zu den Aufgaben hin. Bis zur heutigen Stunde darf ich nun schöne Aufgaben erfüllen, hilfreich den Menschen beistehen. Aber nicht nur bei ihnen erfülle ich meine Aufgabe. In unserem Reiche, wo diese vielen Unseligen sind, versuche ich auch, ihnen beizustehen - in der Weise, wie Myrta mir beigestanden. Ja, meine lieben Freunde, so ist es mir ergangen. Hätte ich doch auch nur einmal darüber nachgedacht im Menschenkleid, welch grosser Unterschied zwischen irdischem und geistigem Reichtum ist und dass der irdische Reichtum zerfliesst, dass man mit ihm im Jenseits nichts anfangen kann, während man den geistigen Reichtum gut gebrauchen kann. Den geistigen Reichtum aber streben die Menschen nicht in erster Linie an. Ja, es braucht viel Geduld, viel Überwindung, viel Verständnis. Das alles sind kleine, geistige Reichtümer, die einem jeden zugutekommen im Jenseits. Nun, ich gehe wieder zurück zu meiner Aufgabe. Und meinen Geschwistern spreche ich den Segen Gottes aus. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Meine lieben Freunde, ich bin bereit, eure Fragen zu beantworten, so gut ich kann. Ihr habt soeben eine Geistschwester gehört. Vielleicht habt ihr welche Fragen diesbezüglich. Lieber Josef, ist diese Sphäre, die durch diesen Geist geschildert wurde, eine unterste Läuterungsstufe? Irmgard, 7. Mai 1958 55 Josef: Ja. Die Begrüssung mit den Eltern war eigentlich sehr kurz. Dass Irmgard gar nichts darüber gesprochen hat, heisst wahrscheinlich, dass die Begegnung nicht erfreulich war, oder? Josef: Nein, sie war bestimmt nicht erfreulich. Aber diese Schwester hat Gelegenheit, ihre Eltern aufzusuchen und ihnen beizustehen. Ist es denn in einer untersten Läuterungsstufe möglich, dass sich die Geister gegenseitig plagen, wie dies hier geschildert wurde? Josef: Ich möchte so sagen: Es ist eben so, dass der eine die Fehler des andern sieht und sie ihm vorhalten kann. Dieses wird zugelassen, weil der Einzelne da zur Einsicht kommen sollte. Wenn diese - sagen wir - Belästigungen aber zu weit gehen, dann wird ein solcher Geist auch zurechtgewiesen. Er darf nur in einem gewissen Rahmen wirken, aber weiter darüber hinaus kann er nicht gehen. Lieber Josef, wie viele Jahre nach unserer Zeitrechnung hat es gedauert vom Hinübertreten dieser Irmgard in die geistige Welt bis zu dem Zeitpunkt, wo sie zu höherer Einsicht kam? Josef: Dreihundert Jahre. Was immer wieder ein bisschen erschreckend ist für uns Menschen, das ist die Länge der Busse im Verhältnis zum Erdenleben. Josef: Man kann hier nicht im eigentlichen Sinne von Busse sprechen. Der Geist wird geschult, und wenn jemand eine Schule besucht, ist das keine Zeit der Busse, sondern der Belehrung. Von Busse kann man sprechen, wo man das im Leben begangene Unrecht abzutragen hat; aber sobald einer in die Schulen geführt werden kann und Annäherung an höhere Wesen bekommt, ist Belehrung da. 56 Erlebnisberichte 1958-1959 Lieber Freund Josef, diese Irmgard sprach nicht von einem Schlaf nach ihrer Ankunft im Jenseits. Vor allem hat sie nicht gesagt, dass sie vor einen Richterengel geführt wurde. Josef: Ja, weisst du, der Schlaf hatte wohl stattgefunden bei dieser Schwester, die nun gesprochen hat. Aber sie begann ihre Erzählung von dem Punkte an, wo sie ihr geistiges Auge geöffnet hatte und sich bewusst ward, dass sie gestorben war. Als sie den Körper verlassen hatte, sah sie sich zwar auf dem Totenbette liegen; aber sie war noch - ich möchte sagen - wie in einem Traum. Sie war sich noch nicht voll bewusst, dass sie gestorben war, und wurde dann von einem Geist in ihre Sphäre geführt und dort für eine kurze Zeit zur Ruhe gelegt. Dann, als sie wieder erwacht war, traten die beiden Geister vor sie hin. Ich möchte so sagen: Dieser Schlaf ist wie eine Genesung oder wie eine Erholung, damit sich das Wesen ganz bewusst wird, dass die Trennung vom irdischen Leibe und von der Erde nun vollendet ist. Es ist jedoch nicht bei jedem gleich. Und die zwei schönen Gestalten - waren das die Richterengel? Josef: Ich möchte es so erklären: Diese Läuterung, durch die sie schreiten musste, war ja ihre Strafe. Sie erlebte ja in der Weise ihre Strafe. Das Gericht, nach dem du jetzt fragst, kann zu einem späteren Zeitpunkte stattfinden. Wenn diese Schwester durch die Läuterung gegangen ist, wird sie zu Engeln geführt, und diese nehmen davon Kenntnis, dass sie die Läuterung durchlebt hat; aber sie werden ihr klartun, was ihr vergeben ist und was sie in einem anderen Leben wiedergutzumachen hat. Ihr müsst dies auch immer auseinanderhalten; es geschieht nicht nach einem Schema, dass, wenn ein Geist zu uns kommt, er stets sofort vor diese Engel des Gerichtes geführt wird. Es kann sein, dass es so ist. Andere wiederum erleben zuerst die Läuterung und werden nachher vor diese Engel hingeführt, die ihnen sagen, was Gott vergeben und was man gutzumachen hat, und die ihnen in gewissem Sinne schon die Pläne offenbaren, die man für sie gezeichnet hat für das nächste Leben oder für die Entwicklung im Jenseits. War die frühere Angestellte von Irmgard nicht eine Stufe höher gewesen als sie? Josef: Freilich, aber es war ihre Aufgabe, zu dieser Schwester zu gehen und ihr zu begegnen. Lieber Geist Josef wie viele Stufen ungefähr hat eine Sphäre? Josef: Die Zahl der Stufen ist nicht in allen Sphären dieselbe. In den untersten Aufstiegsebenen sind deren viele, bis zu 24. Je höher es hinaufgeht, desto geringer ist die Zahl dieser Stufen. Als Irmgard das Haus mit den Zellen verlassen durfte und in den grossen Palast hineinkam - war das ein Stufenwechsel oder ein Sphärenwechsel? Josef: Ein Stufenwechsel. Ich habe gesagt, dies ist dieselbe Sphäre. Dann fand diese ganze Erzählung innerhalb derselben Sphäre statt? Josef: Ja, in derselben Sphäre. Lieber Geist Josef Irmgard musste ihr Leben aufschreiben. Wird also nicht jeder Seele das vergangene Leben vorgeführt? Josef: Doch, freilich. Aber dieses Aufschreiben dient auch zur Belehrung. Die Schwester musste zur Einsicht kommen, was sie falsch gemacht hatte. Es ist genau wie bei euch Menschen, wenn ihr irgendwelche Fehler habt und ihr wollt sic einfach nicht einsehen. Ihr habt das Gefühl, es stimme nicht, was man euch vorhält. Im geistigen Reich ist es nun so, dass man jene Mittel sucht, um diesen Seelen beizustehen und ihnen zu helfen, einsichtig zu werden. Wenn ein Geist von seinem Leben schreiben muss, während er doch jetzt in der Gotteswelt steht und diesen Gesetzmässigkeiten gegenüber ist, muss er erkennen, was er falsch gemacht hatte. Darum geht es, dass er einsichtig wird. 58 Erlebnisberichte 1958-1959 Dann hat also Myrta gefunden, dass es für Irmgard der beste Weg, die beste Methode wäre, einen Aufsatz über ihr Leben zu schreiben? Josef: Ja. Denn auch euch können zum Beispiel Fehler, die ihr habt, immer wieder gesagt werden - ihr glaubt es einfach nicht. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Irmgard und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 59 4. Juni 1958 Vincenzo - Einblick in den geistigen Kampf um den Menschen Sinnvolle Anwendung grosser körperlicher Kraft zum Schutz von Menschen [Grussworte des Kontrollgeistes] Vincenzo: Gott zum Gruss. Man hat mir den Auftrag gegeben hierherzukommen; ich soll euch Erklärungen von mir geben. Ich versuche es, so gut wie möglich. Mein Name ist Vinzenz - Vincenzo. Nur kurz muss ich vom Leben erzählen: Schwere Arbeit, schweres Leben... Aber ich hatte eine grosse Körperkraft, viel Kraft in den Händen, und ich hatte jeweils darum gebetet, dass mir meine Kraft erhalten bleibt. Wenn es notwendig wurde, meine Kraft zum Ausdruck zu bringen, betete ich vorher zum heiligen Antonius, dass er mir diese Kraft gibt. Es war nicht immer schön in meinem Leben, aber ich hatte mir keine besonderen Gedanken dar über gemacht, was nach dem Sterben kommt. Dann, nachdem ich eine lange Zeit hindurch krank gewesen war, rief man mich in das Paradies oder in das Jenseits. Hier sah ich kurz meine Freunde und meine Verwandten. Sie begrüssten mich und zeigten ihre Freude, dass ich auch da wäre, aber sie sind recht bald wieder weggegangen. Nun stand ein Wesen - ich erkannte gleich, dass es ein Engel war - neben mir und sagte: “Vincenzo, wir sind nicht so zufrieden mit deinem Leben. Deine Taten sind gering, und du musst nun in erster Linie vieles gutmachen und vieles erlernen. Du wirst genügend Zeit finden, um nachzudenken und gutzumachen.” Er begleitete mich in ein grosses Haus. Hier hatte es viele Wesen gleich mir, sie sahen gleich aus wie ich. Mit dem Platz, den man mir zugestand, war ich nicht so zufrieden, aber ich dachte: “Ich komm schon zu dem Platz, der mir gefällt - ich bin stark.” Dann suchte ich mir zuerst den Platz aus, an dem ich mich hätte freuen können, 60 Erlebnisberichte 1958-1959 und habe die andern aufgefordert, ihn mir zu überlassen. Die waren aber nicht einverstanden damit, ihn mir freizugeben. Da nahm ich eben meine starken Hände und führte sie weg und bin selber an diesen Platz gegangen. Es ging jeweils nicht so ohne Weiteres, dass ich über die andern verfügen konnte. Denn ich war ja nicht immer in dem Hause; ich verliess meinen Platz und begab mich wieder ins Reich der Erde. Ich suchte meine Freunde auf und suchte all das, was mir gefiel - und wenn ich zurückkam, war mein Platz wieder besetzt. Dann versuchte ich es immer wieder aufs Neue und sagte mir: “Ich bin stark, und ich werde meinen Platz behaupten.” Das machte ich lange Zeit hindurch so. Teilweise brachte man mir Widerstand entgegen, und teilweise hat man mich vorgelassen. Dann kam ein Engel zu mir und erklärte mir, ich dürfe das nicht tun, das würde jetzt in dieser Welt nicht mehr gehen; hier würde diese Kraft nicht mehr zählen, und wenn ich es trotzdem täte, würde man mich aus dem Hause verbannen und irgendwohin senden, wo ich keine Möglichkeit hätte, die Kraft an den andern zu beweisen. Ja, dann bin ich längere Zeit fortgeblieben. Ich wanderte auf der Erde und ging in dieses und in jenes Haus hinein und hatte einfach das Verlangen, meine Kraft zum Ausdruck zu bringen. Dann suchte ich ein Gasthaus oder - wie ihr sagt - ein Wirtshaus oder Restaurant auf und wählte mir dort die Freunde aus, bei denen ich gesehen hatte, dass ich meine Kraft verwenden konnte. Sie haben miteinander viel getrunken. Ich stellte mich neben einen und feuerte ihn an. Dies machte ich etwa nicht nur einmal, dies möchte ich erklären, sondern ich machte es vielmals, so ich die Möglichkeit hatte. Ich hatte Gefallen daran, und so tat ich es. Ich suchte mir diese Menschen aus und forderte sie dazu auf, viel zu trinken und für die andern zu bezahlen - und immer hat cs Streit gegeben. So ergab sich dann für mich die Möglichkeit, von einem Menschen Besitz zu nehmen und ihm meine Kraft zu übertragen. Dann hatte ich mit meiner Kraft mitgeholfen, die andern von dem Hause wegzujagen oder wegzuführen. So suchte ich überall Möglichkeiten; ich ging in Fabriken - überallhin; ich musste meine Kraft einfach verwenden können, und zwar die Kraft meiner Hände. Vincenzo, 4. Juni 1958 61 Dann zog es mich einfach wieder zurück in das Haus in der jenseitigen Welt. Der Platz, der mir so gefallen hatte, war natürlich besetzt. Ich erinnerte mich aber daran, dass ich hier meine Kraft nicht verwenden darf. Ich erkannte ja, dass ich nun ein Geist bin, dass das Leben weitergeht und ich nun mit diesen Brüdern und Schwestern Zusammenleben muss. Nun kam ein Engel - ich nenne ihn so - auf mich zu und rügte mich: Ich sollte mein Tun auf Erden doch unterlassen; damit sei man jetzt nicht mehr zufrieden; ich hätte jetzt meine Kraft genug gezeigt, und ich sollte mich höheren Dingen zuwenden. Dieses Wesen oder dieser Engel, der vor mir stand, gefiel mir. Er schenkte mir zwar keine besondere Aufmerksamkeit. Aber ich überlegte mir dann, was ich denn tun sollte: “Hier kann man keine Geschäfte machen, keinen Handel treiben, nichts. Was soll ich tun?” Ich fragte die andern, was sie täten und welche Interessen sie hätten. Sie haben mir teilweise ausweichende Antworten gegeben, oder der eine sagte, er liebe dieses, der andere jenes. Ich konnte nicht einig werden mit ihnen. Ich wollte dann meine Verwandten suchen und meine Freunde, die ich im Leben gehabt hatte, aber ich fand sie nicht. Als ich mich dann mit dem Platz, den man mir zugewiesen hatte, zufriedengab, ist wieder dieser Engel gekommen. Er forderte mich auf, ihn zu begleiten. Und so habe ich es getan. Er sagte mir: “Du hast gefragt, was du denn tun könntest”, und so habe er sich entschlossen, sich meiner etwas mehr anzunehmen. Wenn ich bereit sei, ihm zu gehorchen, würde er mir die Aufmerksamkeit schenken. Gut, ich konnte es probieren. Dann führte er mich - ich staunte! - in eine solche Wirtschaft hinein, und zwar gerade an einen solchen Ort, wo ein ungeheurer Streit und Lärm war. Da dachte ich: “Das ist gut!” Aber der Engel gab mir den Auftrag: “Jetzt sollst du hinter diesem Menschen stehen”, und er hat ihn mir bezeichnet, “und du sollst jetzt versuchen, ihn mit deiner Kraft, die du so rühmst, aus diesem Hause zu befördern, und zwar ohne Streit; du sollst ihn einfach dazu veranlassen. Versuche, mit deiner Kraft diesen Menschen zu heben und ihn zum Verlassen des Hauses zu bewegen.” Gut, das konnte ich tun. Der Engel begleitete mich und beobachtete, was ich machte. Ich probierte es, und es ist mir gelungen - ich habe diesen Menschen aus dem Hause geführt. Was weiter hier geschah, konnte 62 Erlebnisberichte 1958-1959 ich nicht beobachten; man sagte mir nur: “Alles Weitere wird von andern besorgt; das bis hier war jetzt deine Aufgabe.” Der Engel ging dann mit mir in das Haus hinein, wo der Betreffende wohnte, und zeigte mir die Familie, die Frau und die Kinder, und er erklärte mir: “Siehst du, so viel hat er getrunken, so viel hat er ausgegeben, und die Familie hat nun dafür weniger zu essen und zum Leben. Was du nun getan hast, ist eine bessere Tat; du konntest ihm von deiner Kraft übertragen und hast ihn bewogen, nach Hause zu gehen.” Er erklärte mir, dass auch er seinen Einfluss geltend gemacht hatte, damit dieser Mensch nach Hause ging. Ich hatte meine geistige Kraft zur Verfügung stellen müssen, und der Engel hatte die seine sowie seine Inspiration dazugegeben, und so ist dieser Mensch nach Hause gekommen. Der Engel erklärte mir dann, dass dies doch schon ein viel schöneres Arbeiten sei, und wenn ich so Freude daran hätte, meine Kraft zum Ausdruck zu bringen, so müsste ich diese Kraft für bessere und höhere Dinge verwenden. Er verabschiedete sich dann wieder von mir und sagte, ich würde nun den Weg gut kennen und solle das jetzt in dem Sinne tun: nicht zum Streit auffordern, sondern zum Frieden. Es ist mir jedoch lange nicht immer gelungen, das in der Weise auszuführen. Dann ist dieser Engel wieder zu mir gekommen und hat ganz energisch mit mir geredet und gesagt: “Vinzenz, wenn du mir nicht gehorchst und du so tust, wie du willst, dann werde ich von dir nichts mehr wissen wollen. Ich werde dich nicht mehr anschauen, ich werde dich nicht mehr kennen, auf meine Hilfe wirst du nicht mehr zählen können.” Da dachte ich: “Ja, vielleicht wäre es geschickt von mir, wenn ich ihm gehorche.” Dann aber dachte ich wieder: “Ja, andere tun ja auch, was ihnen gefällt.” Ich hatte es mir dann gut überlegt, was ich tun sollte. Ich dachte an mein Leben zurück, an meine Verwandten, die ich auf der Erde zurückgelassen, und ich erinnerte mich auch daran, dass man gebetet hatte und man jetzt eben in einer anderen Welt ist, wo andere Gesetze ihre Geltung haben und man sich doch diesen Gesetzen unterziehen muss. Ich dachte mir: “Wenn dieser Engel so ein gutes Aussehen hat, kann auch ich doch wenigstens mein Aussehen verbessern. Versuche es einmal, ihm eine Zeit lang den Gehorsam zu geben, und dann werde Vincenzo, 4. Juni 1958 63 ich die Beobachtung an mir selbst machen, was ich damit gewonnen habe.” So habe ich es getreulich getan. Eifrig ging ich aus und versuchte, meine Kraft überall, wo nur möglich, nur für das Bessere zur Verfügung zu stellen. Ich führte nicht nur Menschen nach Hause, sondern ich habe auch Menschen, die in Not waren und Kraft brauchten, meine Kraft übertragen. Als ich dem Engel wieder begegnete, hat er zu meiner grossen Enttäuschung gar keine besondere Notiz von mir genommen. Ich hatte doch erwartet, dass er mich nun für meine Tätigkeit lobt und sagt: “Vinzenz, ich bin zufrieden mit dir.” Nichts, kein Wort hat er gesagt, und ich dachte: “Ja, hab ich vielleicht doch nicht richtig gehandelt? Jetzt geht er an mir vorüber.” Ich habe mich aufgemacht, bin zu ihm gegangen und habe ihm gesagt: “So, warum schenkst du mir deine Aufmerksamkeit nicht? Hab ich denn nicht recht getan?” - “Oh doch”, sprach er, “ich bin so weit zufrieden. Aber das ist noch viel zu wenig, was du nun geleistet hast. Du musst noch viel mehr leisten.” Gut, ich wollte es auf mich nehmen und Weiteres leisten, und so bin ich wieder in gleicher Weise ausgegangen. Ich hatte das Gefühl, unter den Menschen meine Kraft viel mehr zum Ausdruck bringen zu können als bei den Geschwistern im Jenseits. Dort hatte man auch Möglichkeiten, mit ihnen zusammen zu sein und sie auf dieses Bessere, Höhere hinzulenken oder ihnen Kraft zu übertragen; aber es hatte mir nicht so zugesagt. Ich fühlte mich immer zu den Menschen hingezogen. Und so habe ich sie dann gesucht, überall, in den Bergen, in den Fabriken; wo ich nur konnte, ging ich hin und gab ihnen meine Kraft. Ich ging auch zu Kranken hin und habe versucht, ihnen etwas von meiner Kraft zu übertragen. Ich freute mich, zu sehen, wie sie diese Kraft nehmen konnten und aufblühten. Daran fand ich mit der Zeit sogar ein Vergnügen. So hatte ich viel zu tun, und ich fand es interessant. Es war nicht mehr so, dass ich, wie anfangs, nicht wusste, was ich tun sollte, sondern ich schaute auf die Reaktionen dieser Menschen. Ich sah nun, wie diese Kraft von mir zum Menschen übertragen und umgewandelt wurde und so zu einem Fortschritt beitrug. Das habe ich für eine lange Zeit so getan. Da kam er wieder, dieser Engel, und dieses Mal kam er ganz freundlich auf mich zu und 64 Erlebnisberichte 1958-1959 erklärte mir: “Ja, jetzt bin ich so einigermassen mit dir zufrieden. Ich glaube, ich könnte dich brauchen.” Nun wollte ich wissen - ja, danach fragt man! -, was ich denn für einen Lohn für meine Leistungen bekommen würde. Er erklärte mir, ich würde einen Lohn bekommen, doch dieser sei nicht zu vergleichen mit dem, was Menschen erhalten. Aber ich könne es ja selbst sehen, dass es im geistigen Reiche auch Besitz gebe und viele schöne Dinge und dass es nun einmal das Allernotwendigste sei, wenn ich mein persönliches Aussehen verbessern würde. Gut, ich hatte auch das Verlangen danach, und er sagte mir: “Wenn du jetzt mir gehorchst, dann werd ich dafür sorgen, dass du einen schöneren Rock, also ein besseres Aussehen bekommst.” Daran war mir auch etwas gelegen, ich wollte auch etwas besser aussehen. Dann sagte der Engel zu mir: “Von nun an werde ich dich mehr begleiten. Ich werde auch andere zu dir senden, damit du gemeinsam mit ihnen deine Aufgaben erfüllst.” Er erklärte mir, dass ich meine Aufgabe vorläufig in der ähnlichen Art und Weise ausführen sollte, wie ich es bis anhin getan hatte. Mit dem war ich einverstanden. Man gab mir dann zwei andere Geister zur Seite, und wir haben uns geeinigt, wo wir hingehen wollten. Wir haben die Not der Menschen betrachtet und uns geeinigt, wo es notwendig war zu helfen und auf welche Weise man ihnen am besten beistehen konnte. Diese beiden andern waren schon etwas weiter fortgeschritten als ich; sie hatten schon - ich möchte sagen - mehr oder grösseren Gehorsam geleistet und hatten in dieser Beziehung mehr getan als ich. So haben wir versucht, die Menschen zu begleiten. Wir mussten dann auch diese andern sehen, die an den Menschen herangehen. Wir waren ja nicht die Einzigen, die um die Menschen herum waren; es waren auch jene andern da, die wir stets gut erkannten. Sie hatten so ein höhnisches Gelächter und hinterliessen jeweils einen furchtbaren Geruch. Wir wussten dann gleich, mit wem wir es zu tun hatten, doch ich dachte jeweils: “Mir können sie nichts antun, ich bin stark genug.” So hatten wir die Aufgabe - dies war uns gestattet -, gewisse Schutzringe oder Schutzmauern um Menschen zu ziehen, ja um ganze Häuser und teilweise um Fabriken, um Kirchen, um Spitäler Vincenzo, 4. Juni 1958 65 und so weiter. Wir hatten genug zu tun, und wir konnten - besonders ich - unsere Kraft nun wirklich ganz zur Entfaltung bringen. Diesen geistigen Schutz mussten wir bilden, damit die andern, diese Bösen, nicht so die Möglichkeit hatten, an die Menschen heranzugehen oder in Häuser einzudringen und so fort. Es ist aber nicht etwa so, dass ein Geist allein den Schutz eines Menschen übernimmt. Zum Beispiel kann um dieses Haus hier in einem grossen Umkreis ein geistiger Schutz gezogen werden von Geistern, die versuchen, Hindernisse und Böses abzuhalten oder wegzudämmen. Diese Tätigkeit übten wir nun aus, und zu unserem Entsetzen mussten wir feststellen, dass diese andern hinter uns dasselbe taten: auch sie zogen einen Ring. Wenn ich es nach euren Begriffen erklären muss, so sollt ihr euch nun vorstellen: Wenn ihr bei euch irgendetwas absperren und schützen müsst, dann bedient ihr euch eines Seils, eines Drahts oder irgendetwas in dieser Art. Im Geistigen bildet man diesen Schutz mit Hilfe von geistigen Kräften, die die Geister in sich tragen und zur Verfügung haben; man bedient sich dieser Kräfte gleich Bändern, die man auch spannt, sei es um einen Menschen, sei es um ein Haus oder Spital oder um was es auch sei - man zieht sie einfach darum, um den geistigen Schutz zu geben. Ich sah nun aber: In dem Moment, wo ich mich für das Bessere zur Verfügung stellte, wo ich mich so überwunden habe, nur das Schöne, Gute zu tun, ist meine geistige Kraft noch viel grösser geworden. Und so konnte ich diese Kraft nehmen - ich möchte fast sagen - wie den Atem von mir und das Band um die Menschen und um das Haus herum ziehen. [Unter der Einwirkung von Vincenzo machte das Medium die entsprechenden Bewegungen, als ob aus dem Mund unaufhörlich ein solches Band hervorquellen würde, und zeigte mit den Händen, wie damit der Mensch oder ein Haus umwunden wird.] Das ist geistige Kraft; das muss man also unterscheiden von der körperlichen Kraft. Als wir wieder einmal diesen Schutz gebildet hatten, haben hinter uns diese andern dasselbe getan, um uns zu ärgern - oder ich weiss nicht, was sie gedacht haben. Wir mussten sie fortschicken und ihr Band, das sie gebildet hatten, durchbrechen oder durchschneiden. Anfangs wusste ich nicht, wie das gehen sollte. Meine 66 Erlebnisberichte 1958-1959 beiden Gefährten haben mir dann erklärt, wie man das tut. Sie haben mir genau erklärt: “Nicht jedes Band dieser Bösen kann oder darf man durchschneiden. Wenn man es darf, wird ein ganz besonderes Licht darauf leuchten; es ist ein geistiges Zeichen, das uns gegeben wird zum Durchschneiden oder zum Lösen.” Es wurde mir genau erklärt, wie es aussehen muss und wann es sein darf. Wenn das Licht nicht kommt und man es nicht sieht, kann man nichts machen - auch wenn man will. Leuchtet aber das Licht auf diesen anderen Ring, gibt es uns die Möglichkeit, gemeinsam mit unserer Kraft das andere Band zu lösen. Ich möchte sagen: gleich wie ein Blitz wird das andere Band gelöst. Ich musste oft feststellen, dass es uns manchmal gar nicht gestattet war, den Ring hinter uns zu lösen, und dass es auf unsere persönliche Ausdauer ankam. Wir mussten also beweisen, wie lange wir Ausdauer hatten, diesen geistigen Ring zu ziehen; es kam also ganz auf uns an. Wir wurden dazu aufgemuntert oder aufgefordert, standzuhalten im Drange oder im Verlangen, das Gute zu unterstützen, indem wir taten, was für den Menschen notwendig war, um ihn in ein besseres Licht zu bringen oder ihn in das bessere Leben hineinzubegleiten, ihn vor dem Bösen zu bewahren - wie man es uns ausdrücklich gesagt hatte, dass es unsere Tätigkeit sei. So wurden wir manchmal auf harte Proben gestellt, denn oftmals ist es uns - ich möchte nicht gerade sagen: verleidet, aber wir hätten uns dann lieber anderen Dingen zugewandt. Doch wir mussten standhalten. Später habe ich dann schon eingesehen, dass man uns einfach geprüft hatte, ob wir die Ausdauer und die Kraft dazu hätten. Meinen beiden Gefährten habe ich es zu verdanken, dass ich standhielt; denn sie sagten mir jeweils: “Vinzenz, du hast zu bleiben, wir wollen gemeinsam unsere Aufgabe erfüllen; denn nur wenn wir Gehorsam leisten und das tun, was uns aufgetragen wurde, haben wir die Möglichkeit, ein schöneres, besseres Leben zu empfangen.” Ja, ich war einverstanden. Ich möchte kurz noch etwas von unserer Tätigkeit erzählen. So waren wir einmal zu einem Menschen gegangen und haben um ihn diesen geistigen Ring gezogen. Wir erweiterten diesen Ring, indem wir noch seine Freunde oder die Leute, die mit ihm arbeiteten und Vincenzo, 4. Juni 1958 67 mit ihm zusammen waren, in den Ring einbezogen. Dann kamen die anderen und haben ganz dicht hinter uns auch einen Ring gezogen, immer mit der Absicht, den unsrigen zu durchstossen. Das hätten sie tun können; sie würden es fertigbringen, wenn die Geister, die den schützenden Ring ziehen, keine Ausdauer haben und Weggehen - dann kommen jene andern und können ihren Einfluss auf den Menschen ausüben. Und um das geht es ihnen: Da, wo Geister sind und das Gute für den Menschen wollen, kommen die andern gleich hinterher und versuchen, unsere Bahn zu durchbrechen. So war ein Mensch in grossen Schwierigkeiten und in Not, und er wusste nicht, ob er sich in einer Sache für oder gegen die Ehrlichkeit entscheiden sollte. Wir mussten jetzt unseren Einfluss auf ihn geltend machen und auf ihn eindringen, dass er nichts tun dürfe, was nicht gerecht wäre. Mit seiner Unentschlossenheit hatte dieser Mensch diese dunklen Gestalten zu sich gezogen, und so konnten sie ganz dicht hinter uns sein. So versuchten sie immer, in unsere Wellen hineinzugreifen, und wir haben mit unserer Welle nach hinten gestossen. So hatten wir einen Kampf, wir Geister unter uns. Mit unseren eigenen Kräften, mit unserem eigenen geistigen Band kämpften wir, und wir hatten lange dieses Licht nicht gesehen. Wir mussten also ausharren und hatten nur unsere eigenen Kräfte zur Verfügung, mit denen wir es mit den andern aufnehmen konnten; nur auf diese Weise konnten wir einander begegnen. Wir hatten also von weiter oben keine Unterstützung, lange Zeit nicht. Mit unserem guten Denken mussten wir immer auf diesen Menschen eindringen, dass er ja nicht falle, dass er ja seine Aufgabe erfülle. So haben wir in diesem Fall - ich erinnere mich gut - lange, lange gekämpft; lange haben wir gekämpft um diesen Menschen. Und plötzlich ist dieses schimmernde rosarote, blaue Licht gekommen, und wir konnten mühelos dieses Band durchbrechen, und dann mussten die andern gehen. Dann war aber auch die Prüfung für diesen Menschen vorüber. Ja, das war lange, lange Zeit meine Tätigkeit, und ich hatte sehr Gefallen daran. Dann kam der Engel, der mir so gefallen hatte, wieder und erklärte mir, ja, jetzt hätte ich mir einen schöneren Rock verdient - und ich habe dann auch ein besseres Aussehen 68 Erlebnisberichte 1958-1959 bekommen. Er fragte mich dann, ob ich einverstanden wäre, jetzt immer unter seiner Führung oder unter der Führung jener Geister zu stehen, die in seinen Plan und in sein Haus [Haus Linus] gehörten, und zu gehorchen. Ja, ich war einverstanden, denn dieser Beschäftigung war ich sehr zugetan. Dann habe ich dies lange, lange so getan: Wir sind zu dritt oder mit zwanzig, dreissig und noch mehr gegangen. Wir hatten allerlei Dinge zu behüten und zu beschützen und unsere Kräfte zu übertragen. Da kam dieser Engel wieder einmal ganz in meine Nähe und erklärte mir, dass die Geister, die Gehorsam leisteten und in eine geistige Ordnung hineingekommen seien, die Möglichkeit hätten, weitere Belehrungen zu empfangen. Sie sollten Schulen besuchen und unterrichtet werden, einzeln und gruppenweise, je nachdem man die Notwendigkeit erkenne, den Einzelnen Belehrungen zu geben. Ich hätte nun den Beweis erbracht, dass ich gehorchen könne und hätte nun lange Zeit hindurch gut gewirkt. Er erzählte mir von seinem Hause, wo es sei, wie es aussehe, wie viele Geister ihm angehörten und wie ihre Beschäftigung sei und dass auch ich nun, wenn ich gehorsam wäre, mich in dieses Haus eingliedern könne. Das würde nicht heissen, dass ich dort wohnen dürfe, sondern ich wäre noch weit entfernt von diesem Hause; aber es würde immer ein Band von mir in dieses Haus hineingehen, und er werde mich jeweils zur Arbeit auffordern und mir Erklärungen bringen. Ich hatte wirklich Freude an dem allem, was man mir erklärte, und ich fing an, mich immer mehr dafür zu interessieren. Ich hatte vieles von meiner Rauheit abgelegt; es hat mir nicht mehr zugesagt. Ich hatte dann wirkliche Freude daran, meine Kräfte, die mir - wie ich doch jetzt erkannte - Gott gegeben hatte, auch wieder für Gott zur Verfügung zu stellen. So wurden wir auch über Gott belehrt, das heisst, wir hatten uns gesammelt, um in Ehrfurcht Gott zu loben und zu preisen. Wir haben zusammen jeweils diese Tempel besucht, haben zur Ehre Gottes gesungen und so Wunderbares erleben können. Heute kann ich nur jeden Geist bedauern, der sich nicht aufmacht, um nach diesen höheren Stufen zu greifen. So bin ich froh und glücklich darüber, dass ich in der Weise geführt werden konnte. So hat man mich für diese Stunde gebeten, eine Erklärung Vincenzo, 4. Juni 1958 69 zu geben. Ich habe es versucht zu tun und habe euch einen kleinen Ausschnitt aus meiner Tätigkeit gegeben, oder - ich möchte sagen - ich habe das Wichtigste zusammengefasst und euch erklärt, wie ich aufgestiegen bin, wie ich eingegliedert wurde in diese grosse, grosse Familie, in dieses Haus, das ich noch nie gesehen, aber von dessen Schönheiten ich so viel gehört habe und in das ich bestimmt auch einmal kommen darf. Jetzt werde ich meinen Weg dann und wann auch zu euch nehmen. Wenn es möglich ist, dass ich euch dienlich sein kann, werde ich es, wenn es mir erlaubt ist, tun. Nun sagt man mir, dass ich mich wieder verabschieden müsse, dass ich genug mit euch gesprochen hätte. So ziehe ich mich wieder mit meinen andern Geistern, die mich hierher begleitet haben zu dieser besonderen Stunde, zurück, wieder zu meinen Aufgaben. Und ich wünsche für euch alle Gottes Segen und Frieden. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Ich bin Josef. Meine lieben Freunde, ich bin bereit, eure Fragen zu beantworten so gut wie möglich. Wenn ihr irgendwelche Fragen habt in Bezug auf den Geist, der vor mir gesprochen hat, sollt ihr sie an mich richten. Lieber Josef, warum hatte sich dieser Geist dazu hergegeben, die Menschen im Wirtshaus zum Trinken und Streiten anzufeuern? War es Bosheit? Josef: Ja Bosheit möchte ich nicht sagen; das sind Leidenschaften. Die Leidenschaften, die in einem Menschen gewesen sind, nimmt der Geist doch mit sich, und in ihnen lebt er noch lange Zeit weiter. Nun geht es darum, diese Leidenschaften wegzubringen, und das geht nicht so schnell; das muss langsam überwunden werden. Vincenzo schilderte, dass um diese Menschen oder Häuser doppelte Bänder geschlungen wurden. Welches Band ist nun wirksam? Das nächstliegende? Josef: Es ist genau so, wie er es erklärt hat: Es findet ein Kampf statt zwischen Gut und Böse. Wenn die guten Geister Widerstand 70 Erlebnisberichte 1958-1959 leisten, wenn sie Ausdauer haben, dann ziehen sich die andern zurück, und dann hat das Gute die Möglichkeit einzuwirken. Es ist eben sehr, sehr oft so: Bevor der Mensch zu einem Entschluss kommt, herrscht um ihn ein geistiger Kampf. Die gute Gesinnung des Menschen verhilft natürlich dem Guten zum Sieg. Wenn der Mensch dazu neigt, das Bessere und Edlere zu tun, wird immer das Gute die Obermacht gewinnen. Es kommt auch immer darauf an, ob die Geister einen höheren Auftrag haben. Es gibt welche, die sich von sich aus zusammentun und einen Ring bilden - ohne höheren Auftrag. Wenn Geister aber in höherem Auftrag gesandt werden, haben sie ihre Unterstützung. Doch es ist so, wie es dieser Geist erklärte: Sie müssen auf diesen besonderen Schein, auf dieses Licht achten; es ist - ich möchte sagen - das Erkennungszeichen zur Auflösung. Wer entsendet im einzelnen Fall diesen Schein? Ist das der Führer des betreffenden Menschen? Josef: Es ist die höhere Geisteswelt, die diesen Schein sendet; es sind jene, die ihr Auge über all diese Dinge halten. Wie ihr wisst, gibt es überall Geister, die alles beobachten. Sie erhalten dann von höherer Seite die Kraft, die sie weitergeben. Denn diese Geister könnten nicht von sich aus diese Kraft auslösen; sie muss von weiter oben kommen. Ihr müsst euch bewusst sein, dass die höchsten Geister über eine ungeheure Kraft verfügen. Christus selbst stehen alle Kräfte zur Verfügung, um zu wirken. Er kann auch einen Blinden sehend machen; er hat diese Kraft, die andere Geister eben nicht haben. Die hohe Geisteswelt gibt diese Kräfte an ihre Geschwister weiter; sie muss sie senden oder damit einverstanden sein, dass diese Kraft gegeben werden darf. Je höher der Schutzgeist eines Menschen ist, desto grösser seine Kraft. Er kann so viel Unreines in der Umgebung des Menschen vernichten, dass viele Hindernisse gleich anfangs schon weggeräumt sind. Wie hat sich denn der eigentliche Schutzgeist dieser Menschen verhalten? Hat der sich etwas abseits gestellt? Vincenzo, 4. Juni 1958 71 Josef: Nein, dieser Schutzgeist ist immer im Kontakt mit den anderen Geistern. Er kann ja schon längst darum gebeten haben, dass seinem Schützling vermehrte Hilfe gebracht würde. Er von sich aus kennt die Grenzen genau, wie weit er seinen Einfluss geltend machen darf. Und wenn wieder von höherer Warte aus der Bescheid kommt, dass es in der Weise zu vollbringen ist, dann wird es eben geleistet. Der Schutzgeist tritt - ich möchte sagen - zur Seite und muss die Anordnungen, die von weiter oben kommen, annehmen. Aber es ist doch so, dass der Schutzgeist des Menschen eben immer in Kontakt ist mit diesen Geistern, die um einen Menschen sind, und darum bittet, dass man dieses und jenes zur Erfüllung bringe. Es ist also nicht ganz so, dass er etwa unwissend wäre oder plötzlich vor Tatsachen gestellt würde, sondern der Schutzgeist ist ja zum grössten Teil auch derjenige, der diese Verbindungen anknüpft. Danke. Und der Mensch selbst, der wird auch von diesem Kampf zwischen den guten und den bösen Geistern hin und her gerissen? Josef: Ja, darum gibt es ja oft auch diese Wankelmütigkeit der Menschen. Lieber Josef, Vincenzo hat erzählt, er habe jeweils den heiligen Antonius angerufen. Was geschieht in einem solchen Moment bei den vielen Menschen, die das auch tun? Josef: Ja, dazu möchte ich noch erwähnen, dass dieser Geist, der zu euch gesprochen hat, noch etwas vergessen hat zu erzählen. Als er in der geistigen Welt war, suchte er nämlich diesen Antonius, fand ihn aber nicht. Er musste darüber nachsinnen und sich fragen: “Warum haben wir denn zu diesem heiligen Antonius gebetet, und wo ist er denn?” Er musste zu höherer Erkenntnis kommen. Hier kann einem ein höherer Geist bestimmt die Antwort geben und einem sagen: “Ja mein Lieber, dieser heilige Antonius ist für dich noch weit entfernt, wenn du den richtigen und heiligen Antonius meinst.” 72 Erlebnisberichte 1958-1959 Ja aber in dem Moment, in dem Vincenzo zu ihm gebetet hatte, da hat er doch empfunden, dass seine Kraft gestärkt wird? Josef: Ja, natürlich. Aber wie wurde diese Kraft ausgelöst? Josef: Es ist so - sagen wir nun: Wenn ein Mensch in irgendeiner Bedrängnis ist und sich sagt und davon überzeugt ist: “Ich bete jetzt zum heiligen Antonius, dann wird mir ganz bestimmt geholfen”, so hilft ihm dieser Glaube. Ich möchte sagen: Die Persönlichkeit dieses Antonius spielt nun gar keine Rolle, sie ist auch gar nicht da. Aber durch den festen Glauben an ihn wird vom Betenden selbst die Kraft gesteigert. Er nimmt also in gewissem Sinne jetzt von seiner persönlichen Kraft; er steigert in sich die Kraft und nimmt diese von sich selbst. Das ist etwas, was die Menschen auch nicht immer verstehen können. Man muss auseinanderhalten, wann und wo ein geistiger Einfluss besteht, wo geistige Kraft auf einen Menschen übertragen wird und wo der Mensch von sich aus die Kraft ankurbelt und selbst ihr Erzeuger ist. Nehmen wir zum Beispiel einen Menschen, eine Mutter, die krank ist und sterben möchte, die keine Freude mehr am Leben hat und von sich aus gar nichts tut, um zu gesunden - und nun kommt plötzlich die Nachricht, dass ihr Sohn, den sie schon viele Jahre nicht mehr gesehen hatte, nach Hause kommt. Jetzt hat sie plötzlich in sich eine Kraft; sie will ihren Sohn sehen, sie will leben, sie will nicht mehr sterben. Jetzt kurbelt sie die noch vorhandene Kraft in sich an, und sie kann möglicherweise sogar gesund werden, je nach der vorhandenen Kraft. Ist diese Kraft natürlich vorher allzu sehr vergangen, dann wird es auch schwer sein, sie wieder in dem Masse anzukurbeln. Aber - ich möchte sagen - die überaus grosse Freude vermag in ihr diese Kraft anzukurbeln, um wieder zu leben. So ist es auch vielfach bei Menschen, die schwer krank sind und in der festen Überzeugung zu einem bestimmten Menschen gehen: “Dieser Mensch kann mir helfen. Er ist ein Heiler, nur er kann mir Vincenzo, 4. Juni 1958 73 helfen.” Er hilft - auch wenn er nicht einen Funken Kraft ausströmt auf diesen Menschen. Der Kranke selbst hat seine eigene Kraft angekurbelt und davon gezogen. Damit möchte ich aber nicht sagen, dass es nicht Menschen gibt, die anderen eine heilende Kraft übertragen könnten. Wenn ich etwas sage, sollt ihr nicht annehmen, dass in allen Dingen nur dieses massgebend sei, sondern es gibt so viele Dinge, und jedes muss von seinem Punkte aus wieder beurteilt werden. Dann wird durch eine solche Anrufung des heiligen Antonius nicht einmal ein Band zu ihm geknüpft? Josef: Nein. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Vincenzo und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 74 Erlebnisberichte 1958-1959 2. Juli 1958 Helene - gefangen in Erinnerungen an ein bequemes Erdenleben im Reichtum Wie sie lernt, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, vorwärtszublicken und eine Aufgabe im Heilsplan zu übernehmen [Grussworte des Kontrollgeistes] Helene: Gott zum Gruss. Man hat mir erklärt, dass man Musik spielen würde, bevor ich spreche. Nun, das erste Mal mich auf diese Weise kundzutun, ist etwas mühsam für mich - ich werde es versuchen. Meine lieben Geschwister, man hat mich aufgefordert, zu euch zu sprechen. Ich durfte schon längere Zeit hindurch unter euch verweilen, bei euren Versammlungen mit zuhören. Ich habe mir auch da und dort einen Menschen ausgewählt, bin zu ihm hingetreten und habe versucht, an ihm meine Aufgabe zu erfüllen. Ich soll nun zuerst ganz kurz schildern, wie ich gelebt habe. Ich hatte ein ziemlich schönes Leben, bin aber von Gott sehr weit weg oder sehr entfernt gestanden. Ich hatte nicht im Besonderen nach ihm gefragt, und als ich dann ins Jenseits kam, da war ich ja überrascht, dass das Leben nun weiterging. Man erklärte es mir: “Du lebst weiter.” Ich habe das schöne Haus und die schöne Umgebung, in der ich gelebt hatte, sehr vermisst. Meine Eltern haben mich begrüsst, nur ganz kurz, und ich war enttäuscht über ihr Aussehen. So armselig sahen sie aus, und dabei waren sie in ihrem Leben so reiche Leute gewesen. Da habe ich mir schon meine Gedanken gemacht und mich gefragt, wie wohl mein Aussehen wäre. Sie waren nicht lange bei mir, sie sind einfach verschwunden. Ich sah eine schöne, erhabene Gestalt neben mir, die mich anwies zu folgen, und man führte mich in ein Haus. Die Sphäre war nicht besonders schön, und das Haus - ich war enttäuscht, denn mein Haus zu Lebzeiten war so schön und so sauber, und die Helene, 2. Juli 1958 75 Gärten waren gepflegt. Ich war enttäuscht, dass ich nicht alleine leben durfte, sondern mit vielen andern zusammen sein musste. Sie hatten keine Sitten, keine Ordnung und nichts - dies hatte mich am meisten gestört. Ich sollte mit ihnen Zusammenleben. Ja, ich habe mich dann langsam an ihre Unordnung und ihre Unsitten gewöhnen müssen. Dann aber, nach einer gewissen Zeit, ist eine Bekannte zu mir gekommen. Ich hatte ihr im Leben keine besondere Beachtung geschenkt. Sie wohnte in der Nähe meines Hauses oder in meinem Dorfe. Sie war bei den Mitmenschen als eine hilfsbereite, gute Seele bekannt. Aber sie war ärmlich, und ich hatte von ihr keine Notiz genommen. In ihrem Leben nannte man sie Pia, und so möchte ich sie auch mit diesem Namen benennen. Sie suchte mich dann auf und erklärte, dass sie sich freue, mich besuchen zu dürfen. Ich sah nun, wie schön sie war, und das machte mich schon etwas unruhig, und - ich will es ehrlich gestehen - ich war neidisch auf ihre schöne Erscheinung. Dabei war sie als Mensch alles andere als schön gewesen; sie war ärmlich angezogen und gar nicht besonders schön von Gestalt. Nun, ich fragte sie, warum sie mich denn besuche, und sie sagte, sie möchte mit mir über die Zukunft im Jenseits sprechen, was ich zu tun hätte. Ich erwiderte ihr, ja, wenn sie mir eine Freude bereiten möchte, dann wäre es die, dass sie mit mir zusammen von den vergangenen schönen Zeiten aus meinem Leben sprechen würde, ich würde nichts anderes wollen als von meinen Erinnerungen leben. Denn ich hatte nichts anderes getan, als immer wieder zurückzuschauen; ich freute mich immer noch am Schönen, das ich als Mensch gehabt hatte, ich lebte nur von Erinnerungen. Da sagte sie zu mir: “Nein, Helene, du darfst nicht mehr von den Erinnerungen leben. Das ist jetzt vorüber, jetzt hast du dich ganz anders auszurichten. Du musst anders denken, nicht mehr dem Vergangenen nachstudieren.” Das gefiel mir schon nicht, von ihr solche Anweisungen entgegenzunehmen, und ich erklärte ihr kurz, wenn sie mir den Gefallen, mit mir von den Erinnerungen zu sprechen, nicht tun möchte, dann wünschte ich auch nicht, dass sie mich weiterhin besuche. Sie antwortete, gut, sie sei ja nicht von sich selbst aus gekommen, man 76 Erlebnisberichte 1958-1959 habe sie gesandt, und zwar habe ein Sohn von mir sie aufgesucht und sie gebeten, sie möge doch den Besuch bei der Mutter machen und einen Gruss bringen. An diesem Sohne hing ich doch ganz besonders. Ich wollte doch wissen, wie es ihm ging. Meine Eltern hatten mich begrüsst, meinen Sohn habe ich nicht gesehen. Nun brachte man mir nur kurz Grüsse von ihm. Da wurde ich natürlich etwas neugieriger und wollte wissen, ob es nicht möglich wäre, dass er selbst zu mir kommen könnte, da sie ja auch den Weg gefunden habe. Sie sagte kurz: “Nein”, und verabschiedete sich. Ja, da habe ich mir meine Gedanken darüber gemacht, und ich habe eingesehen, dass ich nicht richtig gesprochen hatte. Aber ich war ja so verzweifelt. Mit den anderen Wesenheiten zusammenzuleben, war für mich schrecklich, und Pia wollte auch nicht mit mir von den vergangenen schönen Zeiten sprechen. So musste ich eben warten. Anfangs habe ich es gleich getan wie die andern: Ich bin zu den Menschen hingegangen. Aber bald hatte ich keine Freude mehr daran. Ich konnte nicht bei ihnen sein, denn ich sah, wie sie lebten, und ich erinnerte mich zu sehr an mein Leben. Ich konnte nicht mehr zu den Menschen gehen, es hat mir Schmerzen oder Leid bedeutet. Also war ich eben in meinem Hause und in der Umgebung, wo ich gebannt war oder wo ich bleiben durfte, ein und aus gegangen. Nun kam wieder eine Bekannte zu mir. Sie hatte mit mir zusammen gelebt, und sie war auch nicht in meinem besonderen Milieu aufgewachsen. Sie aber erzählte mir, dass sie ebenfalls den Besuch von Pia gehabt habe und dass diese ihr Blumen gebracht, und zwar aus dem Garten meines Sohnes. Das schmerzte mich: Sie bekam Blumen vom Garten meines Sohnes, während ich von ihm nichts hörte. Da dachte ich: “Ja, ich werde versuchen, mich anders einzustellen.” Ich habe ja auch gebetet, ich bat Gott darum, er möge mir alles verzeihen, was ich unrecht getan. Ich habe gebeten, so mir die Kraft reichte dazu, aber ich hatte einfach so kein Verlangen zu beten; ich war mit mir selbst unzufrieden, nicht einig, ich war unglücklich. Beim nächsten Besuch von Pia habe ich zu ihr gesagt, ob sie doch wenigstens mit mir von den Erinnerungen des Lebens sprechen Helene, 2. Juli 1958 77 möchte. Dann hat sie es getan, sie hat mit mir gesprochen - aber danach ist sie lange Zeit nicht wieder erschienen. Ich habe versucht, sie durch andere Geschwister zu erreichen. Sie hat sich dann wieder aufgemacht zu mir und erklärt, sie sei getadelt worden, weil sie mit mir über meine Vergangenheit gesprochen habe; deshalb hätte sie nicht mehr kommen dürfen, und sie möchte nicht mehr darüber sprechen. Ich dachte: “Gut, ich spreche auch nicht mehr über das Leben, ich will auch nicht mehr darüber nachdenken.” So habe ich versucht, mich einzufühlen in die Geschäftigkeit der vielen andern Wesen, die mit mir zusammenlebten. Da musste ich sehen, dass Pia nun wieder kam. Sie näherte sich aber nicht mir, sondern andern Geistern, die mit mir zusammenlebten. Ich bin auf sie zugegangen und habe sie gebeten, doch zu mir zu kommen. Sie sagte, sie würde so lange nicht kommen, bis ich mich endlich aufmachen würde und meine Gedanken und meine Gesinnung ändere. Ich solle nun anfangen, anders zu denken und zu überlegen, dass ich nun im Reiche Gottes sei und auch meine Beschäftigung hätte, dass ich nach Arbeit suchen sollte und nicht so untätig lebte. Solche Reden hätte ich wohl von jemand anderem angenommen, es wäre mir gleich gewesen, wer es gesagt hätte; nur von dieser Pia mochte ich es nicht ertragen. Ausgerechnet die kam zu mir, und das konnte ich nicht ertragen, dass sie mir solche Anweisungen gegeben hatte. Gut, ich versprach ihr aber, es zu tun. Ich wollte mich etwas ändern und nach Arbeit suchen. Sie hat sich nicht näher mit mir eingelassen und ist dann lange Zeit nicht wieder gekommen. So habe ich doch eingesehen - musste es einsehen -, dass es nun eine Vergeltung gegeben hat, dass das beschwerliche Leben des Menschen seine Belohnung gefunden hatte und dass die vielen Überwindungen und das viele Gute, das die Menschen getan hatten, alles im Geistigen nun belohnt wurde. Ich sah auch an mir und an vielen andern, die ein schönes Leben gelebt, die aber am Leben vorübergegangen sind, deren Leben einfach sinnlos war: Sie hatten nichts Wertvolles fertiggebracht und infolgedessen keine Verdienste. So hatte man dann auch nicht die Bekanntschaft oder die Annäherung höherer Geistwesen. Sie haben sich immer mit denen beschäftigt und sich besonders derer angenommen, die im Leben viel Gutes ge- 78 Erlebnisberichte 1958-1959 tan hatten - die auch ihre Fehler gehabt, aber die doch in ihrem Innersten gut waren und nicht so sehr auf das bequeme und schöne Leben ausgegangen waren. So musste ich dann sehen, dass jene viel schneller von diesen Häusern oder von dieser Sphäre weggekommen waren. Da habe ich gedacht: “Gut, ich werde es auch so tun. Ich werde jetzt versuchen, zu überlegen, was man tun könnte, um einmal in dieser Umgebung, wo man lebt, den andern zu helfen - vielleicht erwirbt man sich auch dadurch seine Verdienste und die Aufmerksamkeit der höheren Wesen.” So habe ich es getan. Ich habe versucht, jene andern, die auch unglücklich waren, zu trösten. Die einen wollten ja auch immer wieder von Erinnerungen leben, wie ich es getan. Ich habe ihnen dann erklärt, dass man dieses wohl nicht mehr tun dürfe, dass man jetzt doch ganz anders denken und immer hilfsbereit sein müsse und überall hingehen solle, wo man unglückliche Geschwister sehe, und sie aufkläre und womöglich versuche, auch mit ihnen zu beten. Das habe ich getan und habe Anschluss gefunden. Andere sind mit mir gekommen, sie waren dann selber Meinung, und so wurde ich auch etwas freier und etwas zufriedener. Da habe ich wieder den Besuch von Pia bekommen, und sic hat mir Blumen meines Sohnes aus seinem Garten gebracht. Ich darf wohl erwähnen: Er war ein wirklich guter Mensch gewesen, und er war im Kriege gefallen. So habe ich erkannt, dass er weit, weit über mir im geistigen Reiche stand. Er war wirklich ein guter Mensch gewesen. Aber wir konnten ihn im Leben manchmal nicht verstehen, eben wegen seiner Handlungen und seines Verständnisses, das er den Mitmenschen entgegengebracht - da waren wir nicht einig. Nun habe ich gesehen, dass er richtig gedacht, gehandelt hat und dementsprechend jetzt auch sein Leben hatte. Pia sprach dann zu mir, ja, es sei richtig so, wie ich jetzt tun würde, und man könnte mir weiterhelfen, wenn ich noch eifriger und noch fleissiger wäre. Wenn ich jetzt den Wunsch hätte oder darum bitte, dass man mich führen würde, und ich jetzt nicht nur im Geistigen zu Geschwistern hinginge, sondern gerade das täte, was mir widerstehe, nämlich die Menschen aufzusuchen, ihnen beizustehen, Helene, 2. Juli 1958 79 und mit der ganzen Kraft auf sie einwirkte - dann sollte ich Weiteres erreichen. Ich wollte doch zu meinem Sohne kommen, ich wollte in diesen Garten und in dieses Haus zu meinem Sohne kommen - um den Weg zu ihm zu finden, war ich bereit, alles zu tun. Da hat Pia mir versprochen, mich im Erdenreiche zu begleiten, und wir suchten die Menschen auf. Wir machten die Bekanntschaft auch mit unglückseligen Geistern. Wir sind mit ihnen ins Gespräch gekommen und forderten sie auf, uns doch den Platz zu überlassen und die Menschen freizulassen. Die Unglückseligen wollten auch auf diese einwirken, und wir baten sie dann darum, sie möchten doch absehen davon und uns das Recht bei diesem oder jenem Menschen lassen, damit wir wirken könnten. Wir sahen auch, dass die Geister, die versucht haben, auf den Menschen so unglückselig einzuwirken, ja selbst sehr unglücklich waren. Wir haben uns oft recht lange mit ihnen unterhalten und Erklärungen gegeben. Wir hatten auch den Eindruck, dass sie ihre Gesinnung etwas änderten und eine andere Ansicht vertraten. Sie sind dann mit uns nicht mehr näher zusammengekommen, aber Pia erklärte: “In dem Moment, wo sie sich ändern und doch erkennen, dass ihr Tun nicht richtig ist, werden sie sofort Anschluss finden an jene Geister, die ihnen den Weg zeigen.” Aber unsere Aufgabe oder meine Aufgabe lag darin, da auf den Menschen einzuwirken, auf seine Gedanken, auf sein ganzes Tun. So habe ich dieses getan, lange Zeit hindurch. Pia hat mich dann wieder anderen Wesen vorgestellt, und sie haben mir erklärt, wo sie hingehören und welche Aufgabe sie hätten. So habe ich mich diesen Anordnungen gefügt, ich habe angefangen zu gehorchen, und ich bekam Freude an diesem geistigen Wirken. So tue ich es bis zum heutigen Zeitpunkt, und man hat mir versprochen: Wenn ich immer versuche, in der Weise zu wirken, werde man mich im Besonderen dafür zeichnen, und ich werde im Besonderen dafür unterrichtet werden und mein grosses Arbeitsfeld haben, wo ich in beglückender Weise wirken dürfe. Nun, ich versuche cs jetzt zu tun, so gut wie nur möglich. Ich darf aber euch, meine lieben Freunde, sagen, dass ich mich heute viel zufriedener und viel glücklicher fühle als zu jenem Zeit 80 Erlebnisberichte 1958-1959 punkte, als ich in das geistige Reich hineingekommen bin. Es brauchte diese Zeit zum Überwinden, zum Überlegen. Ich musste mein Denken ändern, und das Verlangen nach dem Schönen, nach diesen Erinnerungen, musste ich ganz weglegen. So habe ich mir den Weg zu den geistigen Höhen selbst gebahnt. Heute stehe ich unter einer geistigen Führung, und wir stehen den Menschen bei. Wir haben unsere ganz bestimmte Zeit, unsere Häuser oder Tempel, wo wir hingehen zur Ehre Gottes, loben, singen und beten - und dieses macht mir heute Freude. So habe ich in dieser Stunde versucht, von mir, von meinen Erlebnissen einen kleinen Einblick euch zu geben. Nun, ich kehre wieder zurück an meinen Arbeitsplatz und spreche Gottes Segen über euch. Gott zum Gruss. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Helene durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 81 20. August 1958 Wilhelm - erste Erlebnisse einer Seele auf dem Sterbebette und im Jenseits Wie das Erkennen von Fehlern des Erdenlehens und wahre Einsicht bei der geistigen Weiterentwicklung helfen [Grussworte des Kontrollgeistes] Wilhelm: Gott zum Gruss. Ich bin gebeten worden, zu euch zu sprechen, um von meinem Hinübertreten oder von meinem Sterben Schilderung zu geben. Ich durfte alt werden. Man sagte mir, es wäre Zeit, ich müsse sterben. Nun, ich hatte mich damit abgefunden; ich war zufrieden, denn ich war alt geworden. Meine Angehörigen standen um mich herum, und ich sah vielerlei Dinge. Ich sah meine Mutter und meinen Vater mir zuwinken, mir zulächeln, und sie machten zu mir die Bewegung, dass ich zu ihnen kommen soll. Ich freute mich über ihr gutes Aussehen, war zufrieden, und ich wollte ihnen sagen, dass ich komme. Dann sah ich eine andere Gestalt, sie war sehr schön und gestreng, ohne ein Lachen. Ich verstand es ja nicht so richtig und machte jeweils bei diesem Schauen meine Bemerkungen dazu. Und dann - ich weiss es noch genau - sagten meine Angehörigen: “Er fantasiert.” Doch ich habe nicht fantasiert, ich habe alles ganz deutlich gesehen. Danach sah ich einen Knaben. Vorwurfsvoll blickte er mich an. Ich erkannte ihn, es war ein Kollege von mir. “Aber der ist ja auch alt geworden, und er lebt noch”, dachte ich. “Warum muss ich ihn nun als Knaben sehen?” Das möchte ich euch erklären. Bald darauf hatte ich eine andere Schau darüber. Ich war körperlich so schwach und vermochte nicht viel zu reden, zu erklären; ich hatte nur meine Worte dazu gegeben. Eine alte Frau kam - ich kannte sie noch; ihr Gang war gebückt, sie hatte einen Stock und einen Korb. Nun sah ich, warum ich diesen Kollegen sehen musste: Jene Frau hatten wir die Hexenliesel genannt. Wir Buben waren ihr jeweils nachgerannt 82 Erlebnisberichte 1958-1959 und hatten ihr üble Namen nachgerufen. Ja, wir hatten uns der Steine bedient - oder was gerade auf der Strasse zu finden war - und damit nach ihr geworfen. Das hatte ich auch getan. Der Zusammenhang mit diesem Kollegen war so: Er war mit dabei, als ich mich dieser Übernamen bedient und Steine nach ihr geworfen hatte. Nun kam der Pfarrer von unserem Dorf dazu; er ging auf uns zu und erwischte als Ersten diesen Kollegen. Ich rief ihm nach, dass er die Steine geworfen und dass er ihr die Übernamen nachgerufen habe. Er bekam sehr gestrenge Züchtigungen vom Pfarrer und von seinen Eltern. Als wir uns wieder begegneten, da prügelte er mich durch, und nachher waren wir wieder gute Freunde. Dieses hatte ich eigentlich schon längst vergessen... Nun sah ich diese alte Frau und den Kameraden. Es war mir nicht recht, denn ich erkannte, dass ich gelogen hatte und dass er für mich bestraft worden war. Dann sah ich wiederum meine Eltern, die mir zuwinkten, und wieder diese gestrenge Gestalt neben mir. Die Eltern, die für mich zuerst noch weit entfernt gewesen waren, kamen sonderbarerweise immer näher. Nun sah ich Weiteres: Man hielt mir ein Schriftstück hin, das ich geschrieben hatte. Dieses Schriftstück - ich sah es - war wie mit Blut geschrieben, so rot. Dabei dachte ich: “Das stimmt ja gar nicht. Ich habe es wohl geschrieben, aber mit gewöhnlicher Tinte oder was man dazu verwendet hat, jedoch nicht mit Blut.” Und doch leuchtete dieser Brief oder dieser Zettel, der wie mit Blut beschrieben war. Nun kam das Weitere: Ich hatte einmal einem Nachbarn einen Brief geschrieben, ohne meine Unterschrift. Ich hatte ihn angeschuldigt und ihm nicht gerade die schönsten Namen geschrieben. Nun stand er plötzlich da und zeigte mit seiner Hand auf diesen Brief und auf mich. Jetzt blieb es kein Geheimnis mehr; er wusste also, ich hatte es geschrieben. Aber sonst hatte es ja niemand erfahren. Doch jetzt ahnte ich Schlimmes: Ich wusste, man sprach so viel vom Himmel, von Gott und von der Gerechtigkeit - und von der Vergeltung... Mir wurde angst: Jetzt kommt die Vergeltung. Und Weiteres sah ich. Noch einem begegnete ich, einem Nachbarn, den ich nie hatte leiden können, dem ich nichts zuliebe getan und den ich beschimpft hatte. Nun musste ich zusammen mit ihm Wilhelm, 20. August 1958 83 mit ansehen und mithören, was ich über ihn gesprochen und zu wem ich was geredet hatte. Es war so, wie wenn die Zeit zurückgedreht worden wäre. Die Menschen, zu denen ich geredet hatte, waren da, und der Nachbar hörte zu. Er war Zeuge dessen, was ich gesagt, was ich gelogen und was ich nicht hätte sagen dürfen. Ich war beschämt. Er zeigte mit dem Finger auf mich. Ja, ich wusste es; ich hätte ihn so gerne um Verzeihung gebeten, aber ich hatte keine Kraft dazu, denn ich spürte so sehr, wie die Kräfte aus meinem Körper schwanden. Es war mir so sonderbar, dies alles zu sehen. Noch vielerlei Dinge begegneten mir. Ja mein ganzes Leben, ich möchte sagen, die bedeutenden Ereignisse aus meinem Leben, das spielte sich alles ab in der Zeit meines Scheidens. Das Sonderbarste war, dass es einfach kein Geheimnis gab. Was ich gemocht hätte, dass es ein Geheimnis bliebe, war den andern einfach bekannt. Sie standen da, sie hörten zu und sahen alles, was ich getan hatte. Und mir wurde angst. Dann aber kamen meine Eltern immer näher und näher. Und die strenge Gestalt, die neben mir stand, war plötzlich nicht allein, sondern es waren ihrer drei. Sie alle hielten ihre Hände aus nach mir, und ich gab ihnen die meinen. So konnte ich aus dem Leibe scheiden. So nahmen sie mich und führten mich weg vom Haus, von dieser irdischen Welt in eine andere Umgebung. Ich konnte nicht klar erkennen, noch nicht so klar sehen, wo ich war, wo ich mich befand. Doch es beruhigte mich, dass ich meine Mutter und meinen Vater neben mir sah. Nun aber musste ich wiederum dasselbe erleben. Was ich vorher gesehen und erlebt, spielte sich erneut ab. Ich sah wieder diesen Kameraden und die alte, gebrechliche Frau, der wir das Leben so schwer gemacht. Ich sah wiederum diesen Brief, der wie mit Blut beschrieben war. Sie alle standen da, sie alle, an denen ich mich verfehlt, sie in irgendeiner Weise belogen oder betrogen hatte, und sie richteten ihre Finger auf mich. Ich konnte nicht aufrecht stehen, noch konnte ich meinen Blick aufwärtsrichten. Ich fühlte mich ja so geschwächt von dieser Trennung und diesem Kampf. Doch man richtete mich auf, gab mir einen Trunk, und ich fühlte mich gestärkt. Es war mir noch immer ganz bewusst, dass ich das nun zum zweiten Mal erlebte. Aber ich dachte mir dann auch: “Man hat 84 Erlebnisberichte 1958-1959 mein ganzes Leben hindurch doch immer von Gerechtigkeit und Liebe und vom verzeihenden Gott gesprochen.” Ich fand, so schlecht hätte ich doch nicht gelebt. Wo war denn das Gute? Oder durfte man das Gute, das man auch getan hatte, nicht sehen? Nichts von dem, was ich an Gutem getan hatte, durfte ich nun erleben, nicht das Geringste. Ich hatte doch auch Gutes getan, ich wusste es. Wo war nun die Vergeltung von diesem Guten? Und ich war betrübt. Dann sagte eine von diesen Gestalten zu mir: “Auch das Gute von dir findet die Belohnung.” Sie führten mich durch einen schmalen Weg, und es war mir, als öffnete man ein Tor. Ich kam in eine schöne Umgebung - die Atmosphäre war so beruhigend. Ich fühlte nicht mehr diese Angst in mir. Ich hatte den Eindruck, dass diese Umgebung, in die ich eintrat, so viel Frieden und Ruhe auf mich übertrage. Nun, hier wollte man mir die Vergeltung, die Belohnung kundtun vom Guten, das ich geleistet hatte. Ich sagte als Erstes: “Ich weiss doch auch, was ich getan.” Noch etwas eingeschüchtert von all dem andern war ich und sagte: “Ich habe doch den Eltern meiner Frau viel Gutes getan. Sie waren arme Leute, und ich habe sie in ein Haus überwiesen. Sie mussten nichts bezahlen, und ich gab ihnen dazu zwei Ziegen und zwei Schafe, und sie hatten zu leben. Ich hätte dies doch nicht tun müssen.” So hatte ich im Stillen auf die Vergeltung gehofft. Sie sahen, wie ich dachte, und erklärten mir: “Ja, das, was du in dieser Hinsicht getan hast, findet für dich auch die Vergeltung.” Sie zeigten mir ein kleines Haus mit einem kleinen Garten und erklärten, dass ich vorerst darin wohnen dürfe, dass das die Belohnung für das Gute sei. Nun, ich freute mich darüber und dachte, ob dann wohl alles andere schon erledigt wäre, ob ich nicht weiter bestraft würde. Ich war etwas unsicher; doch sah ich die friedlichen Gesichter um mich. Da stand plötzlich noch einer neben mir. Es war auch jemand, der in meiner nächsten Nähe gewohnt hatte. Sein halbes Leben hindurch war er blind gewesen. Ich war oft zu ihm hingegangen und hatte ihm manche Flasche Wein gebracht. Ich hatte ihn manchmal da- und dorthin geführt, weil man sich seiner zu wenig annahm. Ich ging oft zu ihm und erzählte, was ich gesehen, und erklärte ihm Wilhelm, 20. August 1958 85 Dinge, an denen er Interesse hatte. Ich widmete mich ihm, und er freute sich immer, wenn ich zu ihm kam. Er sagte mir dann jeweils: “Wilhelm, ich kann dir nichts anbieten, doch der liebe Gott möge dir das belohnen, was du an Nächstenliebe mir entgegenbringst.” Nun sah ich ihn. Er begrüsste mich und sagte: “Sichst du, ich hatte es dir ja gesagt: ‘Der liebe Gott belohnt die Nächstenliebe.’” Ich staunte ja nicht darüber, und doch war es sonderbar: Er war so schön, und mit seinen Augen sah er genauso gut wie ich. Ich freute mich, ihn zu sehen, und ich freute mich, dass man das doch anerkannt hatte und dass ich nun für diese Nächstenliebe belohnt wurde. Ja, ich wurde immer freier und froher. Ich erkannte jetzt: Zuerst hatte man mir das Unrecht vorgeführt, und es gibt kein Entweichen, für keine Dinge, für keine Lüge, für gar nichts - alles ist offenbar. Und die man belogen oder irgendwie betrogen hat, stehen da, und sie zeigen mit dem Finger auf einen und sagen: “Ja, siehst du, ich habe es gesehen, und ich weiss, dass du es warst.” Ich begegnete noch einem anderen; es war noch einer da, dem ich auch sehr viel gegeben hatte. Es mangelte ihm am täglichen Brot, und ich hatte Mitleid mit ihm, denn wir waren ja auch miteinander gross geworden. Er fand sich im Leben nicht so zurecht; es ging ihm nicht so gut, er war viel krank. Und so habe ich ihm geholfen und ihm gegeben, wo ich nur konnte. Das hatte ich eigentlich im Stillen gemacht; ich habe niemandem etwas davon gesagt - auch nicht meiner Familie. Ich hatte die Möglichkeit und diese Selbständigkeit, das in der Weise zu tun. Jetzt kam er eilends hin, um sich bei mir dafür zu bedanken. Ich freute mich natürlich. Plötzlich sah ich, dass nicht nur meine Eltern da waren und diese schönen Gestalten, die mich hierher begleitet hatten, sondern es war eine ganze Schar von Geistern da. Es waren viele, die ich aus dem Leben kannte und mit denen ich zusammen gelebt hatte. Die einen kamen sogar eilends hin mit der Bemerkung: “Nur schnell, nur schnell - ich kann nicht lange verweilen, ich will ihn nur begrüssen.” Und so eilte es, und ich musste diesen und jenen begrüssen. Sie umarmten mich, freuten sich und wünschten mir alles Schöne nun im Himmelreich. Ja, da waren sie, all jene, mit denen ich mich gut verstanden hatte. 86 Erlebnisberichte 1958-1959 Dann forderte man sie auf, sich wieder von mir zu trennen. Sie mussten sich wieder von mir verabschieden. So stand ich nun alleine mit diesen dreien, die mich vom Erdenreiche hinübergeleitet hatten. Sie sagten mir: “Siehst du, das Gute durftest du auch erleben. Es war so schön, dass sie kommen durften, um sich bei dir zu bedanken. Wir haben uns reichlich gefreut. Du hast ja auch eingesehen, was du falsch gemacht hast, und du hast auch eingesehen, dass es im geistigen Reiche nichts gibt, was man verheimlichen könnte. All jene kommen, die man beschuldigt hat. Es ist alles offen und klar; es gibt kein Leugnen - nichts. Die Tat, die man beging, wird gerade vorgeführt, und der andere sieht es.” Ich fragte dann, was ich nun wohl tun könnte, denn ich hätte ja die Einsicht dafür, dass ich das nicht hätte tun dürfen. Und ich hätte all diese Dinge doch in meinen jüngeren Lebensjahren getan; als ich älter und reifer geworden sei, hätte ich diese Dinge ja nicht mehr getan. Sie sagten mir: “Sichst du, du sollst die Belohnung erhalten für all das, was du an Gutem getan. Du kannst dich jetzt für eine längere Zeit in diesem kleinen Häuschen ausruhen. Du bist aber ganz allein, und du wirst keine Besuche erhalten. Dein Garten ist nicht gerade gross, aber du hast die Möglichkeit, weit umherzugehen. Aber du bist allein, und da hast du Gelegenheit, über all das nachzudenken: über dein gelebtes Leben und was du dir denkst, wie du dir das Zukünftige oder die nähere Zukunft gestalten möchtest.” Darauf verliessen sie mich. Ich möchte betonen: Ich habe mich sehr gefreut über dieses kleine Haus, das so schön war, und über diesen Garten. Ich habe im Garten gearbeitet, aber ich war nicht zufrieden, denn ich war alleine und konnte mit niemandem sprechen. So bat ich darum, dass ich davon befreit und erlöst würde; ich möchte lieber irgendwo anders leben und unter härteren Bedingungen wirken als hier. Ich dachte nach: “Ich bin so vielen begegnet; wo wohnen sie?” Ich dachte über Gott nach und über all das, was in der Religion gesprochen wurde. Und ich bat darum, man möge mich von hier befreien und mir den Weg zeigen. Von mir aus wünschte ich, mich nun in den Dienst des Nächsten zu stellen, etwas zu tun, womit ich andere erfreuen konnte. Und wie mehr ich mich so damit beschäftigte und es mir Wilhelm, 20. August 1958 87 wünschte, kamen diese drei wieder zu mir und freuten sich, dass ich auf solche Gedanken gekommen sei. Sie würden mir nun Vorschläge machen. Sie sagten, durch diese Einsamkeit hätte ich auch einen Teil vom Unrecht, vom Straucheln des Lebens, abgetragen. Aber alles wäre noch nicht gutgemacht. Einen weiteren Teil sollte ich nun durch die Arbeit, die ich zu leisten hätte, gutmachen. Ich könnte so von meiner Schuld abverdienen. Ein anderer Teil würde mir dann noch im zukünftigen Erdenleben auferlegt werden. Man klärte mich auf, dass ich wieder ins Erdenreich kehren müsste. Dann hätte ich noch einen geringen Teil jener Schulden als Mensch abzutragen. Sie erklärten mir auch, dass es ganz darauf ankomme, wie ich mich einsetze in dieser Arbeit, die sie mir zuweisen würden. Sie sagten mir, dass es nicht genüge, einfach nur zu schaffen, sondern ich würde entsprechend auch geistige Belehrungen erhalten und geschult werden. Durch Schulen sollte ich gehen, und meine Aufgaben müsste ich erfüllen. Ja man gab mir Hefte oder Bücher in die Hand, und ich musste darin von dem Gesagten und Erklärten meine Aufzeichnungen machen. Ich musste schreiben - ja, schreiben -, denn ich hätte es nicht behalten können, ich hätte es wieder vergessen. So habe ich es aufgeschrieben und eifrig gelernt. Durch verschiedene Schulen bin ich gegangen, und ich habe mich gefreut. Nach einer gewissen Zeit kamen sie dann wieder und sagten, dass nun mein Wissen für meine Aufgaben ausreiche. Ich müsste jetzt in den praktischen Arbeitsdienst kommen und dort anwenden, was ich nun gelernt hätte. So tat ich es. Man führte mich in die verschiedensten Sphären. Ich hatte mit Geistern Gottes zu arbeiten, mein Interesse zu zeigen. Als ich sah, wie diese erhabenen und schönen Wesen des Himmels sich einsetzten und es für notwendig hielten, so zu wirken, fand ich, dass es auch an mir wäre, das Äusserste herzugeben und so zu wirken. Zwischendurch erzählten sie mir von Gott. Sie legten mir dar, welche Stufen ich erreichen könnte, um dieses und jenes zu erleben. Ich hatte den Eifer dafür, und ich sagte auch: “Gut, ich arbeite zur Ehre Gottes. Ich will alles auf mich nehmen und arbeiten zur Ehre Gottes und auch zu meinem Heil und zum Heile aller meiner Geschwister.” So bin ich in diesem Arbeitsplan eingesetzt. Einmal wirke ich in einer etwas höheren Ebene, und einmal muss ich wie 88 Erlebnisberichte 1958-1959 der tiefer hinuntersteigen. Die Geister, die sich meiner angenommen haben und mir diese Belehrungen gaben, kommen alle aus einer ganz bestimmten Sphäre. Sie haben mir angedeutet, dass ich in ihrem Bereiche wirken könnte, dass sie mich aufnehmen würden in eine Gemeinschaft. Durch diese Aufnahme würde der Eifer grösser, und man könnte dadurch die göttliche Liebe und seine Weisheit eher erfassen, da man von den Geistern des Himmels zusätzliche Belehrungen bekommen würde. Wenn man dann seine Aufgabe erfülle und im vollsten Einsatz wäre, würde das seine Belohnung nach sich ziehen. Es gibt jedoch auch Geister, die wünschen nicht, so zu wirken, oder sie haben überhaupt diesen Eifer nicht. Ich wurde darum gebeten, euch dieses zu sagen. Es ist mir noch ganz gewiss in Erinnerung, denn es ist nicht ausgelöscht - diese Bilder sind lebendig. Wie man mir erklärt, werden solche Bilder an Leuchtkraft verlieren und unbedeutend werden, wenn man seinen Einsatz im Menschenleben zur Ehre Gottes und zum Heile des Menschen getätigt hat. Es würde dann nur solches in seiner Leuchtkraft stehen; alles andere würde unwichtig bleiben, zwar nicht erlöschen, aber doch unleserlich oder unkenntlich werden. Genauso verhält es sich mit den Geistwesen, die man wieder sieht und die mitgekommen sind. Wenn ihr heute ein Bild von irgendeinem Geschehen habt und nach vielen, vielen Jahren zeigt ihr dieses Bild einem andern Menschen, so wird er sich kaum daran erinnern. Einerseits ist das Geschehen da, andererseits aber in seiner Leuchtkraft schwach. Den andern, die mitbeteiligt waren, gehen mit dem Aufstieg jene Geschehnisse langsam, langsam vergessen; vergessen gehen sie für sie persönlich, nicht aber im ganzen Geschehen - im Ganzen bleiben sie bestehen. Nun ziehe ich mich wieder zurück, denn neben mir wartet der Bruder, der immer zu euch spricht. Diese Worte und diese Erklärungen sollte ich euch geben, auf dass ihr über euch nachdenkt und ihr euch klar werdet über alles. Was ihr glaubt, es wäre ein Geheimnis - im Geistigen ist alles da. Wenn man lügt und betrügt - im geistigen Reiche ist es da, und es ist alles klar und bewiesen. Dann schämt man sich wirklich... So, gute Freunde, ich wünsche euch Gottes Kraft, damit ihr überwinden und erkennen könnt, welchen Weg ihr gehen müsst; Wilhelm, 20. August 1958 89 damit ihr schon frühzeitig reif werdet und nicht erst, wenn ihr alt geworden seid. Gott segne euch. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Meine lieben Freunde, ich versuche die Fragen, die ihr habt, so gut wie möglich zu beantworten. Lieber Freund Josef, wie lautet der Name, den dieser Freund, der uns seinen Erlebnisbericht schilderte, auf Erden trug? Josef: Wilhelm. Danke. Dann möchte ich noch fragen: Wenn man einem Menschen vergeben hat, vergessen will und manchmal auch tatsächlich ganz vergisst, was er einem angetan hat, wird es ihm dann trotzdem vorgeführt? Josef: Wenn es seinem Seelenheile dient oder auch, ich möchte sagen, als Strafe kann ihm dieses Geschehen vorübergehend vorgeführt werden. Man wird dann aber - ich möchte sagen - nicht mit den Händen auf ihn zeigen oder nach ihm greifen - man wird vielmehr verzeihend neben ihm stehen. Danke, lieber Freund. Es würde Menschen sicher interessieren, wie solche Jugendsünden bereits im Erdenleben gutgemacht werden können. Josef: Ich möchte euch dafür eine Erklärung geben. Hat man Unrecht begangen und ist man einsichtslos - zeigt also keine Einsicht oder keine Reue -, wird man solches im geistigen Reiche wieder erleben. Anders verhält es sich mit Dingen, die unter den Menschen bereinigt worden sind. Sie werden kaum noch im geistigen Reiche vorgeführt werden. Man wird einander begegnen, aber in der Weise ohne irgendwelchen Schatten von Betrübnis. Christus hat ja selbst gesagt: “Bevor ihr hingehen und ein Opfer bringen wollt, geht hin zum Nächsten und bereinigt eure Schuld; vergebt zuerst untereinander” (vgl. Mat. 5, 23-25). Dieses Vergeben muss 90 Erlebnisberichte 1958-1959 eben wirklich von innen heraus kommen. Es ist sehr oft bei den Menschen so, dass sie einem Mitmenschen etwas vergeben oder behaupten, sie hätten ihm vergeben, doch sprechen sie noch jahrelang darüber. Das ist eben kein Vergeben. Wenn man einem Menschen vergibt, so soll es ausgelöscht sein. Man soll dann auch nicht mehr darüber sprechen. Wenn man immer wieder über das Vergangene spricht, ist man damit innerlich noch nicht fertig. Man ist dann nicht verzeihend auf ihn ausgerichtet, und es ist noch nicht in Ordnung. Lieber Freund Josef, was dieses Verzeihen betrifft, so wird noch eine Methode empfohlen. Bei der abendlichen Rückschau, die du uns nahegelegt hast, sollte man über solche Dinge nachdenken und starke Reue empfinden - das würde dann reinigend wirken. Kannst du das bestätigen? Josef: Ja, das kann ich sehr bestätigen. Weisst du, wir kennen die Menschen so: Sie legen sich nieder, beten zum lieben Gott, und der grösste Teil von ihnen findet, es wäre alles in Ordnung, was sie tagsüber getan haben. Sie finden gar keine Fehler an sich, und so können sie nicht besondere Reue empfinden. Die Menschen tun ja so viel Unrecht, aber sie sehen nicht ein, was sie an Unrecht getan haben. Daher kann ihnen dieses auch nicht vergeben werden. Ein Mensch aber, der geistig auf einer gehobenen Stufe steht, der es mit sich sehr genau und gewissenhaft nimmt, überlegt, was er tagsüber gesprochen hat, wer ihm begegnet ist und ob er durch irgendeine Redeweise Unfrieden oder Betrübnis und Ähnliches verbreitet hat. Ein solcher Mensch kommt dann zur Einsicht und bittet Gott um Vergebung für dieses Straucheln. Es ist ja so: Viele Menschen sehen eben die Fehler, die sie haben, nicht ein. Es braucht hier eine gewisse geistige Gehobenheit, bis es so weit ist, dass man seine eigenen Fehler sieht und sie zugibt. Danke, lieber Freund. Dann haben wir noch gehört, dass dieser Wilhelm in der Geisteswelt weiter studiert hat. Man hat ihm Bücher und Hefte gegeben. Ist das Gedächtnis dieser Seele noch nicht vollkommen? Wilhelm, 20. August 1958 91 Josef: Nein, es ist nicht vollkommen. Bedenkt, wenn eine Seele noch nicht allzu lange im Geisterreiche ist, ist es nicht so, dass ihr in der Weise alles anschaulich gemacht wird. Die betreffende Seele muss diese Dinge, die ihr von den höheren Geistern übertragen wurden beziehungsweise über die sie belehrt wurde, durch und durch bekommen, um zur Erkenntnis zu gelangen. Erst wenn die Seele einen gewissen Entwicklungsgrad erreicht hat oder auf einer bestimmten Stufe angelangt ist, liegen diese Dinge für sie zur Ergänzung [ihres Wissens] offenbar. Ihr könnt es vielleicht nicht verstehen, aber im Geistigen ist es eben so, dass nicht alle Wesenheiten dieselbe Intelligenz besitzen; dass aber diejenigen, die nicht so intelligent sind, wie ich schon öfters betonte, zu einer anderen Arbeit herangezogen werden, die genauso wichtig ist. Sie sind mit dieser Arbeit zufrieden, weil sie einsehen, dass sie genauso notwendig ist wie jene eines anderen Bruders - der Bruder auf der oberen Stufe verachtet ihn deshalb nicht. Sie sind ja alle eingereiht in Plänen in grosse Gemeinschaften, wo sie zusammen dieselbe Arbeit vollbringen. Sie sind glücklich in ihrer Arbeit, obwohl cs doch für jene ein Stein des Anstosses sein könnte, weil sie wissen: “Ich weiss, ich kann mehr leisten, bin aber nun zu einer solch niederen Arbeit verurteilt.” Der Bruder bejaht diese Verurteilung in der Zeit seiner Läuterung, sagen wir, gewisse Jahre hindurch; er wird vieles auf sich zu nehmen haben. In seinem Aufstieg erkennt er jedoch, dass er trotz seiner Last, die er abzutragen hat, anderes erfüllen könnte, um dem Höheren zu dienen. Die Geisteswelt hat es in der Weise wunderbar eingeteilt, dass sie jeden erfassen kann und ihn da hineinspielt, wo er das Äusserste an Kraft hergeben kann. Lieber Josef, wie wertet die geistige Welt Grausamkeiten, die Kinder begehen, wenn sie Tiere quälen, daran Freude haben und sich dabei nichts Besonderes denken? Josef: Es ist bei den Kindern so - ich hatte auch schon Erklärungen gegeben -, dass sie mit den Jahren in eine bestimmte Verantwortung hineinkommen. Wenn solche Kleinkinder nun Tiere quälen, so ist dies der niedere Drang, der in ihnen ist. Durch die Erziehung 92 Erlebnisberichte 1958-1959 müssen diese niederen Triebe unterdrückt werden. Das Kind wird dann langsam zur Erkenntnis kommen, dass es das lassen muss - es wird mit der Zeit vernünftiger, und dementsprechend vermag es dann das einzusehen. Dann kommt es natürlich noch auf seine ganze Wesensart an: Das eine neigt dazu, Freude zu haben, andere zu quälen, oder sagen wir in dem Falle, ein Tier zu quälen. Aber auch das kann durch die Erziehung unterdrückt oder überbrückt werden. Auch die Geisteswelt reiht die Kinder entsprechend in solche Stufen, Entwicklungsstufen, ein: So können die Kinder bis zu bestimmten Jahren einer Tat wegen nicht bestraft werden; dann aber, bis zu bestimmten Jahren, werden sie zu einem Teil belangt. Und danach, wenn sie, wie ihr sagt, die Volljährigkeit erlangt haben, zeichnet sie die Geisteswelt als für all ihr Tun verantwortlich. Im Falle von Wilhelm wäre er als Schulknabe bereits in einem Alter gewesen, in dem schon eine gewisse Verantwortlichkeit bestanden hatte? Josef: Ja. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Wilhelm und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 93 1. Oktober 1958 Pio - Unterschiede zwischen irdischem und geistigem Ansehen Wiedersehen mit dem Pfarrer und dem Doktor aus dem Dorfe [Grussworte des Kontrollgeistes] Pio: Gott zum Gruss. Ich wurde aufgefordert, zu euch zu sprechen. Vielleicht kann ich es nicht so gut. Na, ich versuche es. Man gibt mir Kraft und sagt mir auch manchmal das richtige Wort. Ich hatte ein hartes Leben gehabt und musste für viele sorgen. Aber ich hielt es für selbstverständlich, dass es für mich so hart war. Ich sah nämlich, dass auch meine Eltern ein solch hartes Leben gehabt hatten, und vielen Nachbarn und Bekannten erging es ebenso. Ich fand es ganz in Ordnung. Ich hatte meine Pflicht getan; ich hatte versucht, viel zu arbeiten, um etwas zu verdienen, damit meine Familie genug zu essen hatte. Nun, ich bin dann ins geistige Reich gekommen, und ich war überrascht. Man tat mir so viel Ehre an, und ich wollte diese grosse Ehre nicht annehmen. Ich glaubte, ich hätte es nicht verdient, denn ich fand es für selbstverständlich, so viel für seine Familie zu tun. Nun aber gab man mir schöne Kleider und sagte mir: “Du hattest ein hartes Leben, und jetzt wirst du es leichter haben; du hast es jetzt schön, du bist jetzt im Himmelreich, und es geht dir gut.” Ich ging dann mit schönen Engelwesen und besuchte einige Schulen. Man führte mich in schöne Gebäude und klärte mich über vieles auf. Natürlich hatte ich Freude an all dem. Man zeigte mir dann auch mein schönes Haus, das ich bald in Besitz nehmen durfte, und ich freute mich an ihm und an der ganzen Umgebung. Dann aber sagte man mir: “Du musst jetzt deine Freunde und Bekannten abholen, die mit dir zusammen gelebt haben. Zuerst musst du den Pfarrer deiner Gemeinde abholen.” Noch während der Pfarrer lebte, erklärte man mir alles über sein Leben. Natürlich wusste ich schon vieles davon, denn ich hatte ja nicht weit von ihm entfernt 94 Erlebnisberichte 1958-1959 gewohnt; aber alles wusste ich nicht. Man begleitete mich zu ihm hin und blätterte wie in einem Buch. Man erklärte mir genau alles von seinem Leben und deutete mir dann an, was ich besonders hervorzuheben hätte. Ich musste mir dieses genau betrachten, und ich musste genau wissen, wie ich ihm begegnen durfte und wohin ich ihn führen musste. Diese höheren Wesen würden in meiner Nähe stehen, aber der Pfarrer würde sie nicht sehen können. Man sagte mir, es würde genügen, wenn ich ihn abhole und an seinen Ort in der geistigen Welt hinbegleite. Gut, ich ging zu ihm hin. Schon viele Wochen, bevor er so schwer krank war, war ich sehr nahe bei ihm und habe alles beobachtet. Ich war dann auch an seinem Sterbebett und war bereit, ihn entgegenzunehmen, um ihn in die geistige Welt zu führen. Hinter mir standen seine Eltern, seine Geschwister. Aber sie durften nicht reden, sie konnten ihm nur zuwinken, zulächeln; aber reden durften sie nicht, reden sollte ich. Das tat ich in folgender Weise: Ich begrüsste ihn und erklärte ihm: “So, jetzt kommst du ins Jenseits.” Er war erstaunt, dass ausgerechnet ich, Pio, ihn begrüsste. Er wollte meine Begleitung nicht annehmen und mir nicht zuhören. Ich wusste genau, er erwartete eine bessere, höhere Gesellschaft. Ich habe mich dann auch etwas entschuldigt bei ihm und gesagt, es würde mir leidtun, dass nicht andere, Höhere, ihn nun begleiten und Anweisungen geben würden, aber es sei eben jetzt meine Aufgabe, und ich sei eben nicht mehr dieser arme Pio, von dem er jeweils geredet hätte. Er war etwas widerwillig, und es widerstrebte ihm, meine Begleitung anzunehmen. Ich sagte, dass es ihm nichts helfe, ich würde ihn jetzt führen. Dann, als er immer noch nicht so mit mir einverstanden war - denn er hatte immer noch eine gewisse Abneigung gegen mich, und ich fühlte genau, er hatte erwartet, dass man ihm besondere Ehre antue -, sagte ich ihm: “Ja weisst du, du hast vieles falsch gemacht in deinem Leben. Du hast Gelder bekommen, und du hättest sie den Armen geben sollen; diese Gelder sind dir ausdrücklich mit dem Wunsch abgegeben worden, dass du sie für die Armen verwendest. Was hast du gemacht mit diesem Geld? Du hast für dich Wein gekauft. Wenn du von diesem Wein noch den Armen gegeben Pio, 1. Oktober 1958 95 hättest, hätten wir das entschuldigt. Dem armen Pietro, der ganz nahe bei dir wohnte und so schwer krank war, dem hast du nichts gegeben. Dem Vincenzo, der auch nicht weit von dir weg war, dem hast du auch nichts gegeben.” Und ich sagte ihm weiter: “Du hattest einen Garten mit viel Gemüse und viel Obst. Die Engel des Himmels und der Heiland, den du stets so gepriesen, hätten erwartet, dass du von dem Überfluss den Armen gegeben hättest.” Er hat es nicht getan; er hat es verkauft. Das musste ich ihm sagen, und er staunte, dass ich darüber Bescheid wusste, dass ich all diese Dinge kannte. Ich wusste noch viele andere Dinge mehr, und ich sagte ihm, dass noch vieles sei, wo er sich verschuldet hätte. Dann wollte er wissen, warum ich denn das Recht hätte, dies ihm zu sagen; er würde es doch begrüssen oder verlangen, dass die Engel des Himmels mit ihm reden würden. Ich antwortete ihm: “Ich gehöre auch zu den Engeln des Himmels, und es ist meine Aufgabe, dir das zu sagen.” So forderte ich ihn auf mitzukommen, und ich führte ihn in ein geistiges Dorf hinein. Er durfte kein eigenes Haus bewohnen; er sollte mit vielen andern Zusammenleben. Ich führte ihn dahin, und er bewunderte mich, ich würde so gut aussehen, dabei sei ich doch der arme Pio gewesen; er könne es nicht glauben, dass ich so schön wäre, denn ich wäre ja so wenig zur Kirche gegangen, und er habe doch so viel gebetet und vom Heiland erzählt. Dann sagte ich ihm: “Ja weisst du, du hast viel gebetet und viel vom Heiland erzählt; du hast den andern gesagt, wie man leben muss, aber du selbst hast nicht danach gelebt. Du hast vom Heiland geredet, aber du selbst hast nicht nach seinen Gesetzen gelebt. Du kannst nicht erwarten, dass er dich belohnt, sondern du musst alles gutmachen.” Er war entrüstet. Und ich sagte ihm, dass es ihm nichts helfe, dass er eben zur Einsicht kommen müsse, dass, wer auf Erden ein Ansehen gehabt, es dann in der anderen Welt oftmals nicht mehr habe und dass die, denen man keine Aufmerksamkeit geschenkt habe, dann in der geistigen Welt eben mit bestimmter Aufmerksamkeit beschenkt würden. So begleitete ich ihn da in dieser Gemeinde, wo er zu leben hatte. Er fand auch Bekannte, für die er ja gebetet hatte und zu denen er gegangen war, wenn sie krank waren. Diese waren etwas überrascht, dass der Pfarrer auch da war, dass er nicht in einer schöneren 96 Erlebnisberichte 1958-1959 Welt wohnen durfte. Aber darüber möchte ich jetzt nicht reden. Er hatte zu bleiben, wo ich ihn hinführte. Man hatte es mir ja genau gesagt, wo ich ihn hinzuführen hätte. Dann kamen die Engel wieder zu mir und sagten: “Pio, jetzt wird es Zeit, jetzt musst du den ‘Doktor’ holen”, wie wir ihm sagten. “Du musst ihn jetzt führen.” Ich musste auch sein Lebensbuch genau betrachten. Ich kannte ihn ja auch; ich wusste, wie er gelebt hatte, aber ich wusste nicht alles. So hat man mir dann genau erklärt, was ich ihm zu sagen hätte. Es war dann auch so weit gekommen, dass ich ihm gegenüberstehen durfte. Ich begrüsste ihn, umarmte ihn und sagte: “Ich freue mich, Doktor, dass du hier bist. Du musst entschuldigen, ich war ja der arme Pio, aber jetzt bin ich nicht mehr arm; du siehst, ich bin ganz reich, so reich wie du, und ich habe die Aufgabe, dich in dein Haus zu führen.” Dann sagte ich ihm etwas aus seinem Leben: “Ja, weisst du, du hast mir, als ich krank war, manche Medizin umsonst gegeben. Und, weisst, du bekommst den Lohn dafür, dass du zu jener Frau gingst - zu Maria, die so viele Kinder hatte und deren Mann so früh weggestorben war - und ihr und ihren Kindern geholfen und auch Medizin gebracht hast, ohne Geld von ihnen zu nehmen. Ich weiss auch, dass du deine Frau zu den armen Leuten gesandt hast; sie musste dort Wache halten, und sie musste ihnen Essen und Kleider bringen.” - “Ach”, sagte er, “darüber spricht man nicht, Pio, du musst nicht darüber reden, das ist ja selbstverständlich, dass ich das gemacht habe.” Dann habe ich ihm ausdrücklich gesagt: “Nein, das ist nicht ganz selbstverständlich. Weisst du, es ist nicht lange her, da habe ich auch den Pfarrer begleitet, und ich habe ihm sagen müssen, dass er mit dem Geld, das er für die Armen bekommen hat, für sich Wein gekauft hat und dass er von seinem Obst, statt es den Armen zu schenken, verkauft hat. Und bei dir darf ich nun sagen, dass du so viel getan und kein Geld angenommen hast und dass es dir gutgeschrieben ist, was alles du und deine Frau getan haben.” Nun, er sah recht ordentlich und schön aus, dieser Doktor. Er hatte ein schönes Gewand an; es war anders als sein Gewand, das er als Mensch getragen hatte; es hatte andere Linien und andere Farben. Ich fand es sehr schön, und wir haben uns so gegenseitig betrachtet und verglichen und gefunden, dass wir beide ein gutes Pio, 1. Oktober 1958 97 Aussehen haben. Dann sagte dieser Doktor zu mir: “Wie kommst denn du dazu, eine solche Stellung einzunehmen? Ja, ich kann das schon begreifen, du musstest ja viel arbeiten für deine Familie, du konntest dir gar nichts leisten; du hast ja wirklich tapfer gesorgt, und das wird jetzt deine Belohnung sein. Aber, sag einmal, wie nennt man dich denn, bist du hier immer noch der Pio?” Ich antwortete ihm: “Nein, man sagt mir nicht Pio.” Er sagte mir ganz leise ins Ohr: “Bist du auch ein Engel?” Ich erklärte: “Ja, man sagt mir, dass ich zu ihnen gehöre, zu diesen andern. Aber weisst, du und ich, wir werden noch vieles zu lernen und zu überwinden haben, und wir haben noch harte Arbeit zu leisten. Aber wir stehen wenigstens in einem guten Ansehen, im Gegensatz zu denen, die ich geholt habe und die ich noch holen muss, die bei den Menschen ein gewisses Ansehen hatten; doch dieses gilt hier nicht. Wüssten es doch die Menschen, dass in der jenseitigen Welt andere Verhältnisse sind.” Und ich sagte ihm: “Komm, ich begleite dich jetzt. Weisst du, wir wohnen ja zusammen in einem Hause.” Wir hatten zusammen ein schönes Haus, und wir freuten uns, Zusammenleben zu dürfen und den gemeinsamen Aufgaben gegen überstehen zu können. Ich hatte das Gefühl von einer grossen Freiheit, war ich doch früher diesem Doktor gegenüber voller Hemmungen; ich hatte doch geglaubt und gesagt: “Du bist so ein gescheiter Mensch, und ich bin der arme Pio.” Ich hatte mich ja kaum getraut zu reden, und jetzt habe ich den Eindruck, ich wisse genauso viel wie dieser Doktor, und wir kamen uns wie Freunde und Brüder vor. Dann zogen wir gemeinsam in das Haus. Als wir hineinkamen, erwartete uns eine kleine Schar von unseren geistigen Brüdern, von jenen Engeln. Sic erklärten uns, dass sie Freude gehabt hätten an unserem Leben und dass sie es sich zunutze machen möchten. Wohl hätten wir noch einiges gutzumachen; wir würden jetzt dementsprechend weiter belehrt und in die Schulen und zu den Aufgaben geführt, damit wir in der Ordnung Gottes dienen könnten. So hatten wir zusammen eine grosse Freude. Wir verabredeten auch miteinander, dass wir zukünftig miteinander diejenigen, die mit uns zusammen gelebt hatten, holen würden. Die andern Brüder waren ganz damit einverstanden. Die aus unserem Dorfe sollten sehen, 98 Erlebnisberichte 1958-1959 dass der arme Pio nun genauso schön und gut aussah wie der angesehene und gute Dottore. Nun, ich habe einen kleinen Teil von meinen Erlebnissen erzählt. Weiteres wird euch unser geistiger Bruder Josef erklären, wenn euch Dinge nicht klar sind. Ich habe Freude an meiner Aufgabe und versuche, sie mit ganzer Kraft zu erfüllen, zum Segen für alle. Ich verabschiede mich und sage euch allen: Gottes Segen über euch. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Meine lieben Geschwister, ich versuche eure Fragen, die bereitliegen, so gut wie nur möglich zu beantworten. Lieber Josef, warum wurde der gute Doktor nur von Pio abgeholt? Ich habe gedacht, mindestens seine Eltern oder Verwandten oder gute Freunde oder Engel würden auch kommen. Josef: Ja, diese haben sich nachher auch gleich eingeschaltet. Lieber Josef, Pio hat sich gegenüber dem Pfarrer als ein Engel Gottes bezeichnet. Hatte er darin recht? Josef: Ja es ist vielleicht nicht so ganz richtig ausgedrückt nach eurer Auffassung; ihr habt da eure besondere Vorstellung. Dabei meinte dieser Geist einfach, dass er zu den gehobenen Wesen gehört. Denn alle Wesen, die im Aufstieg begriffen sind und sich bemühen, den Heils- und Ordnungsplan Gottes zu befolgen, sind heilige Geister. Sie werden als heilige Geister bezeichnet - und es hat vielleicht nach eurem Sinne nicht diese Bedeutung. Ich möchte vielleicht so sagen: Es wurde ihm veranschaulicht, dass er gehoben wurde in seiner Stellung und er nun von den Engeln Gottes als Bruder aufgenommen wurde und dementsprechend seine Behandlung hatte. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Pio und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 99 5. November 1958 Barbara - hartes Leben hinter Klostermauern Herzenskälte und sozialer Dünkel in einem Frauenkloster und deren Auswirkungen in der jenseitigen Welt [Grussworte des Kontrollgeistes] Barbara: Gott zum Gruss. Ich wurde darum gebeten, zu euch zu sprechen. Ich möchte etwas aus meinem Leben erzählen und dann vom Leben im Jenseits. Als ich noch sehr jung war, hatten meine Eltern mich ins Kloster geschickt. Es gehörte zum guten Ton, dass Töchter wie Söhne aus gutem Hause ins Kloster gingen. So musste auch dementsprechend die Mitgift sein für das Kloster, in das man eintrat. Ich hatte es als ziemlich hoch empfunden, was man mir mitgab. Von diesem Kloster wurden die Bedingungen gestellt; das war zu jener Zeit zum grössten Teil so. Ich möchte erwähnen, dass es Klöster gab, wo ein jeder hinkommen konnte und wo die Eintretenden wirklich ganz arm waren. Sie mussten ihren Unterhalt mit Beten verdienen. Doch jene, die solche Klöster wählten, waren aus ärmsten Verhältnissen. Mich aber sandte man ins Kloster und gab mir diese Mitgift mit. Ich war von früher Jugend an religiös; ich konnte ja auch gar nicht anders sein, ich wurde ja so erzogen. Nun, wie ich in das Kloster kam, sah ich gleich, dass man grosse Unterschiede machte zwischen denen, die weniger, und denen, die sehr viel gebracht hatten, und dass dementsprechend die Stellung war. Die Schwestern, die jeweils in dieses Kloster kamen, brachten nicht nur Bargeld, sondern sie hatten auch Vermächtnisse von grossen Liegenschaften, die dem Kloster gehören sollten. Alle waren eingeteilt oder eingestuft, je nach dem Vermögen, das man brachte. Diejenigen, die aus - ich möchte jetzt sagen - ganz gutem Hause kamen und ein besonderes Ansehen hatten und dementsprechend ihre grossen Vermögenswerte mitbrachten, waren dann in führende 100 Erlebnisberichte 1958-1959 Stellungen gekommen. Ich bekam, wie ich erwähnte, eine ansehnliche Mitgift; aber das, was ich brachte, reichte nicht für eine führende Stellung. Dazu muss ich sagen, dass ich auch niemals Gefallen gehabt hätte an einer solchen führenden Stellung in diesem Kloster. So war damals in einer solchen Stellung ganz besonders eine Schwester - ich möchte ihr den Namen Agnes geben. Mein Name, den ich dazumal führte, war Barbara. Nun möchte ich von unserer Arbeit erzählen, was wir zu tun hatten. Wir stickten die wunderbarsten Messgewänder auf Brokat, auf Leinen; wir stickten Tischdecken, Vorhänge, all diese kostbaren Sachen; es wurde uns gelehrt. Wir wurden auch streng gehalten. Es wurde sehr darauf geschaut, wie viel man schafft und wie sauber man schafft. Wir hatten früh Tagwacht, wir haben uns aber mit der Zeit daran gewöhnt. Es war dies gewöhnlich oder meist vier Uhr. Bald darauf ging es zur Kirche respektiv zur Messe. Dann konnten wir zurück in unsere Zelle, und wir konnten eine Stunde beten. Dann gongte es zum Frühstück. Dieses bestand aus Tee und zwei Scheiben Brot. Nachher mussten wir zur Arbeit gehen. Man gab uns eine Zwischenverpflegung; sie bestand aus einer Scheibe Brot. Um elf Uhr war normalerweise das Mittagessen. Aber bevor wir zu dem gehen durften, hatten wir uns wieder zum gemeinsamen Gebete zu sammeln. Auch während wir an unserer Arbeit waren, stickten und nähten, beteten wir grösstenteils den Rosenkranz. Ich habe gesagt, dass wir eine Zwischenverpflegung bekamen, die aus einer Scheibe Brot bestand. Die jungen Schwestern hatten sehr oft Hunger, und die älteren, die sich schon an das kärgliche Essen gewöhnt waren, verabreichten manche Scheibe Brot einer hungernden Mitschwester. Wurde man aber entdeckt dabei, dann hiess es zwei bis drei oder noch mehr Wochen Verzicht auf die Zwischenverpflegung. Also, man bekam nichts für sich oder für die Schwestern, die Hunger hatten. Alle drei Monate war grosse Wäsche im Kloster. Da hatten die Jüngeren alle mitzumachen. Da war die Verpflegung etwas besser; wir bekamen Suppe und Brot. Die Arbeit war streng, und am Abend waren wir so müde, dass wir oft kaum noch unsere Gebete zu verrichten vermochten. Denn da galt es nicht erst um vier Uhr Barbara, 5. November 1958 101 aufzustehen; um zwei Uhr mussten wir aufstehen. Wir hatten nicht nur die Wäsche vom Kloster zu besorgen; von vielen, vielen Pfarreien wurde die Kirchenwäsche an uns gesandt. Wir hatten die leinenen Messgewänder der Priester zu waschen - alles, was die Kirche [an Textilien] benötigte, wurde uns gesandt zum Waschen. Wir mussten auch die Spitzen ersetzen oder flicken. So hat diese Waschzeit drei Wochen nacheinander gedauert. Dann kam die Zeit des Bügelns. Hier bekam man als Zwischenverpflegung eine halbe Scheibe Brot mehr. Wir hatten diese Arbeit auf uns genommen, und wir dachten immer: Wir tun es dem Herrn zuliebe, ihm zu Ehren wollen wir es tun. Was wir aber sahen, war, dass diese andern, bessergestellten Schwestern, die mit grossen Vermögenswerten ins Kloster eingetreten waren, nie zur Wäsche noch zum Bügeln antreten mussten. Sie assen nie mit uns, sie hatten eine bessere Tafel. Man gab uns sehr oft und deutlich zu verstehen, dass es allein mit der Mitgift, die wir gebracht hatten, nicht möglich wäre, ein solches Kloster zu erhalten und so viel gute Werke zu tun. Wir haben uns das Schweigen angewöhnt. Wir durften oft Wochen hindurch kein Wort zueinander sprechen. Dabei galt uns gerade dies als eine Erholung, wenn uns irgendwie die Möglichkeit geboten wurde, miteinander zu reden. Es war dies oft eine strenge Zeit für uns, zumal wir sehen mussten, dass die andern, diese führenden Schwestern des Klosters, dem Schweigegebot gar nicht nachkamen. Was mich meinerseits besonders schmerzte, war, dass wir auch im Kloster Mitschwestern hatten, die aus bescheidenen Verhältnissen kamen, die sozusagen keine Mitgift hatten bringen können. Sie mussten von allem Anfang an die niedrigste Arbeit tun; nur zum Putzen, für die Küche wurden sie ausgewählt. Dieses war etwas, was mich schmerzte, dass man in einem Kloster, wo das Dienen doch nur dem Nächsten gelten würde und man, wie man uns sagte, für den Herrn zu leben hätte, solche Unterschiede machte. Misslang einmal einer solchen Mitschwester etwas in irgendeiner Form, wurde sie vor allen so gedemütigt, und man entzog auch ihr bei dieser schweren Arbeit, die sie leisten musste, die Zwischenverpflegungen. Nun, wir haben ausgeharrt, haben unsere Augen nach oben gerichtet und auf Gottes Gerechtigkeit gehofft. Wir wussten, 102 Erlebnisberichte 1958-1959 wir stehen im Dienste Gottes, und es gab für uns ja keine Möglichkeit, je aus diesen Mauern herauszukommen. Wir hatten ja auch verzichtet auf jede Beziehung mit unseren Verwandten. Wir wussten nichts von unseren Eltern noch von unseren Verwandten, ob sie noch lebten oder wie es ihnen erging - gar nichts. Wir mussten entbehren, mussten in Demut und Bescheidenheit leben. So habe ich versucht, mich darin zu üben, so gut ich es konnte. Auch ich wurde des Öftern bestraft von dieser Schwester Agnes, auch weil meine Arbeit, die ich verrichtete, anfangs nicht so sauber, so sorgfältig war und weil ich dann und wann auch von meiner Zwischenverpflegung einer andern Schwester gegeben hatte. Auch hatte man mich sehr oft gedemütigt, aber ich habe es ertragen - immer in Gedanken an den Herrn, wie wir es gelehrt worden waren. Ich starb in diesem Kloster. Und als ich dann in die jenseitige Welt kam, begegneten mir meine Eltern. Sie sagten mir als Erstes: “Liebes Kind, sei dir klar, in dieser Welt ist man nicht mehr durch die Geburt geadelt, sondern das gute Herz und das edle Wirken edeln den Menschen.” Ich wusste, was man mir damit zu sagen hatte; doch ich hatte es längst vergessen, von woher ich gekommen und wer ich gewesen war. Aber meine Eltern hatten es noch nicht überwunden. Ich hatte das Gefühl, dass sie leidend waren. Ich durfte sie anfangs nur kurz begrüssen. Dann kamen Engel Gottes und führten mich weg, brachten mir schöne Gewänder. Ich war noch so an Bescheidenheit gewöhnt, dass ich nicht verstehen wollte, dass dies möglich sei. Man sagte mir: “Du hast ja noch vieles umzulernen, aber du wirst es tun, und für das, was du aus deinen Kräften geleistet hast, für die Bejahung, sollst du belohnt werden.” Ich hatte alles angenommen, stillschweigend getragen - und dafür sollte ich belohnt werden. Freilich, erst war ich beglückt über das Schöne, das mir begegnete. Aber bald kam trotzdem Trauer über mich; denn ich musste einsehen, dass das, was ich gelernt hatte oder worüber ich belehrt worden war, falsch war. Als man mich unterrichtete, fragte ich mich immer wieder: “Ja, wie ist denn das möglich, dass es so kommen konnte?” Und die Engel sprachen zu mir: “Es braucht alles seine Zeit. Du hast das Beste getan, was du konntest, und so wollen wir dir eine Auf Barbara, 5. November 1958 103 gäbe geben und dich belehren und dich in die Ordnung, in unsere Ordnung, einreihen. Du sollst einmal lernen, frei zu werden, aufzublicken zum andern, denn ihr durftet nicht aufblicken, ihr wart nicht frei.” Dies musste ich tatsächlich lernen. Doch die Engel waren mir dabei eine grosse Stütze, und bald gewann ich an dieser Freiheit. Was mich im Weiteren bedrückte, war, dass ich meine Eltern nicht sehen konnte; man hatte mir erklärt: “Vorerst genügt es, dass sie dich begrüssten; nun müssen sie verzichten, dich zu sehen.” Es dauerte sehr, sehr lange, bis es überwunden war und ich zu ihnen hingehen durfte, mit ihnen reden, ihnen Trost bringen und ihnen auch ein führendes Wesen sein durfte. Was ich weiter erlebte und was mich wiederum traurig stimmte, war Folgendes: Die Schwestern, die führend gewesen waren im Kloster, die so grosse Vermögenswerte mitgebracht hatten und zu dieser Stellung gekommen waren und von denen meiner Ansicht nach lange nicht alle besondere Intelligenz besessen hatten - mit Ausnahme dieser Schwester Agnes -, sie waren auch im Jenseits, denn sie waren ja bedeutend älter gewesen als ich, und sie hatten es jetzt nicht schön. Ich durfte sie alle zusammen sehen. Den grössten Eindruck machte mir der Zustand dieser Schwester Agnes; sie rief in mir das grösste Mitleid hervor. Sie hatte neben sich ständig - ich möchte es so sagen, um es euch verständlich zu machen - die Fotografie ihres Lebens; sie war immer neben ihr: Man sah sie also als Nonne, und zwar mit so gestrengem Blick und so unliebsam. Und alle andern, die ihr begegneten, verhöhnten sie. Sie lebte mit den andern Schwestern ihres Ranges in einer tiefen Sphäre. Ich durfte zu ihr hingehen. Ich sah aber nicht nur sie und die andern, sondern auch die leidenden Geister, die in derselben Sphäre waren und die immer diese Nonnen verhöhnten. Bei allen war das Lebensbild neben ihnen. Man konnte es sehen, wer sie gewesen waren. Und diese andern, sie waren ja gar nicht fromm, glaubten nicht an Gott, kannten keine Demut und Bescheidenheit, und so lachten sie. Die Nonnen, sie beteten, sie baten um Verzeihung. Man gab mir aber zu verstehen, dass sie trotz ihres Gebetes, das sie in diesen niederen Sphären verrichten, keine Erhörung finden werden, bis alles ausgemerzt sei, was sie an Leid ihren Mitschwestern angetan, und bis sie ihren Hochmut 104 Erlebnisberichte 1958-1959 abgelegt hätten. Denn wenn die andern Geister kamen und sie als Nonnen begrüssten und verhöhnten, dann sprachen diese von ihrer Herkunft, von ihrem hohen Stande oder ihrer hohen Geburt, die sie im Erdenreich gehabt hatten, und glaubten dann, dadurch bei den andern Eindruck zu machen. Doch so fing das Höhnen nur von Neuem an. So hatten sie, obwohl sie beteten und Gott immer um Verzeihung baten, viele, viele Jahre in dieser unglückseligen Welt zu leben, bis ein Engel des Himmels zu ihnen ging. Ich durfte mit andern Schwestern, die mit mir zusammen das gleiche Los ertragen hatten und in gleicher Weise die Belohnung bekamen wie ich, diesen Gottesengel begleiten, um den Schwestern in dieser niederen Sphäre die Botschaft zu bringen, dass sie in einem neuen Erdenleben das Weitere abtragen könnten, dass es nicht möglich sei, in der Geisteswelt alles gutzumachen. So wurde ihnen offenbart, dass sie in diesem neuen Erdenleben aber in arme Familien hineinkommen würden und dass dann keine Rede mehr wäre von einer hohen Geburt, vom vielen Geld und von den vielen Werten, die man besitze, und dass es nie gelingen würde, auch das ganze Leben hindurch nicht, zu Ansehen zu kommen und mehr zu haben, als man gerade benötige. Diese Schwestern kamen zu uns hin, knieten vor dem Engel und auch vor uns nieder, baten uns, wir möchten ihnen helfen. Uns war es unangenehm, und wir wollten sie aufrichten, denn wir wollten sie nicht kniend vor uns sehen. Es erinnerte uns daran, dass wir im Kloster vor ihnen hatten niederknien und um Vergebung bitten müssen, wenn wir etwas Unrechtes getan hatten. So war es uns nicht angenehm. Doch der Engel Gottes gab uns ein Zeichen, dass wir sie nur machen lassen sollten, sie sollten diese Erniedrigung finden. Sie wurden dann von den Engeln Gottes für das neue Erdenleben vorbereitet, und es wurde ihnen klargelegt, dass die Geisteswelt es nicht schwer habe, sie in solche Länder, zu solchen Eltern hinzubringen, wo die Voraussetzung zu einem Reichtum von Anfang an fehlen würde. Man würde dementsprechend über sie wachen, dass alles so geschehe, dass sie in dieser Armut und auch in Erniedrigung zu leben hätten, wie sie ihre Mitschwestern erniedrigt hatten. Was ich noch eben erwähnen wollte und mir entgangen ist, zu sagen: dass ich eine Schwester in Erinnerung hatte, die nun auch mit Barbara, 5. November 1958 105 mir zusammen in der glücklichen Welt ist. Sie war aus bescheidenen Verhältnissen gekommen und hatte in diesem Kloster Aufnahme zu niedrigsten Arbeiten gefunden und war oft vor uns hingestellt und erniedrigt worden. Auch diese Schwester war nun dabei, und sie war viel schöner gekleidet, als wir es w aren. Sie hatte eine ganz besondere Auszeichnung: Es war so leuchtend, so schön um sie, und ihr Antlitz war so fein. So konnten die einst führenden Schwestern nun sehen, auf welche Art Gott belohnt und bestraft. In den niederen Sphären wurden sie ja auch unterrichtet über all das, was sie falsch gelehrt worden waren und was sie an Falschem weiterverbreitet hatten. So kam die Richtigstellung. Und ebenso wurde es ihnen in unserer Anwesenheit offenbart, dass sie sich für das neue Erdenleben bereit machen sollten. Wir leben in unserer glücklichen Welt, und auch wir wissen, dass für uns ein neues Erdenleben bestimmt sein wird. Nur hat man bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keiner der Schwestern, mit denen ich zusammen bin, erklärt, wann es sein werde, da wir immer noch im Heilsplane Gottes wirken; man sagte uns: “Man gönnt euch eine lange Zeit der Ruhe und des Erlebens im göttlichen Reiche.” So freuen wir uns, und wir sind eifrig. Wir sind aber freier geworden, und wir können wirken. Es ist nicht von besonderem Vorteil, wenn Menschen in einer solchen Gebanntheit leben müssen, wenn sie in ständiger Furcht und Angst sind, sodass die Bescheidenheit und Demut in gewissem Sinne als Zwang auf einem lastet; dies ist ein Hemmnis im Reiche Gottes, denn dadurch kann man nicht das zur Entfaltung bringen, was von uns gefordert wird. So bedurften wir zuerst lange Zeit der wirklichen Ruhe und der Freude. Wir alle zusammen - so, wie eines nach dem andern ins Reich Gottes gekommen ist - sind eingetreten in diesen herrlichen Garten. Da konnten wir miteinander reden, so viel wir wollten, Probleme behandeln; wir konnten über Menschen sprechen, über unsere Arbeit im Himmelreich. Wir hatten die Gelegenheit, uns der hohen Kunst im Himmel zu widmen, und so war dieses Leben für uns so herrlich und so schön. Wir mussten von den himmlischen Boten aufgemuntert werden, den Weg ins Erdenreich zu nehmen zu einer besonderen Aufgabe. Wir hatten kein Verlangen, hinzu 106 Erlebnisberichte 1958-1959 kehren zu den Menschen. Man musste es uns immer wieder erklären, wo eine Aufgabe sei und wie sic erfüllt werden müsse. So geschah es. Wir hatten also nach eurer Zeitrechnung Jahrzehnte der Erholung, der Freude, des Freiwerdens. Dann erst wurde jedem Einzelnen die Arbeit zugewiesen, der es sich zu widmen hat bis zum Zeitpunkt seines Wiedergeborenwerdens. So lebe ich glücklich im Jenseits, und ich habe den Zugang gefunden zu den verschiedensten Geistfamilien, wo jedes seine Aufgabe erfüllt - im Grossen da, im Kleinen dort. Wir sind jeweils gern gesehene Gäste, denn wir kommen bei diesen geistigen Verwandten und Freunden nicht nur in ihre Häuser hinein, sondern wir bieten ihnen gleich unsere Dienste an und sagen, dass wir ihnen Gefälligkeiten erweisen möchten. So ist es mir ergangen. Als ich Besuche machte in diesem Hause, dem eure Gemeinschaft angehört, und erklärte: “Ich biete euch meine Dienste an”, da erwiderte man mir: “Es ist gut, Schwester, wir könnten dich gebrauchen.” So führte man mich hierher, um euch einiges zu erzählen, Einblick zu geben in eine Zeit, die für euch weit zurückliegt und in der viel Leid in manchem Herzen war, das so eingeschlossen hinter Mauern lebte. Aber heute sehen wir, dass in dieser Welt vieles gelockert wurde, vieles nicht mehr in jener Art und Weise besteht. Wir können es auch erfassen, dass es so gehen wird: Allmählich wird immer mehr gelockert und dem Menschen auch immer mehr an innerer wie äusserer Freiheit und an Selbstbestimmung gegeben, sodass es heute wohl nicht mehr geschieht, Kinder in solcher Weise ins Kloster zu bringen, wie man es einst zu meiner Zeit, als ich lebte, getan hatte. Nun, liebe Freunde, ich kehre zurück, möchte aber Gottes Segen über euch aussprechen; möge er für jedes glückbringend sein. So möchte ich aus einem himmlischen Garten, den ich so oft besuche, jedem ein kleines Andenken überreichen. Es sind nicht lauter Blumen; es gibt noch viele Dinge in den Gärten Gottes, die auch ein Menschenauge erfreuen könnten. Gott segne euch. Gott zum Gruss. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Barbara durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 107 3. Dezember 1958 Christel - Lehrmeisterin des eigenen Vaters Geistige Befreiung nach einem Erdenlehen mit körperlicher Behinderung Kontrollgeist: Gott zum Gruss. Liebe Freunde, es wird als Erstes wieder ein Geist kommen und euch von seinem vorletzten Leben erzählen. Wir wählen stets solche Wesenheiten aus, die dementsprechend ihre Erlebnisse schildern können. Dies alles ist mit so vielen Belehrungen verbunden. So bitten wir euch, aufmerksam zuzuhören, und wenn sich Fragen ergeben, können diese nachher an Bruder Josef gestellt werden. Bis zum Wechsel der Trance soll man wieder Musik spielen. Gott segne euch die Stunde. Gott zum Gruss. Christel: Gott zum Gruss. Liebe Geschwister, ich spreche zum ersten Mal durch den Mund eines Menschen. Man hat mich beauftragt, von meinem vorletzten Leben zu euch zu reden. Nun, mein Vater war Bäckergeselle. Ich hiess Christel. Meine Mutter verlor ich sehr früh; ich kannte sie nicht. Mein Vater sorgte für mich, so gut es ging. Ich aber war nicht so wie andere Kinder, ich konnte nicht sprechen; und wir waren arm, sehr arm. Ich erinnere mich an die Zeit, wo ich - auch das in grösster Armut - den Haushalt so gut wie möglich selbst besorgte. Mein Vater war sehr um mich besorgt. Ich konnte nicht lesen, nicht schreiben, ja nicht sprechen. Ich verstand aber, was die Leute redeten über mich, und es schmerzte mich sehr oft, zu hören, in welcher niederen Art sie über mich sprachen. Es tat mir weh. Wir hatten eine ganz bescheidene Wohnung - wenn man dem nach euren Begriffen überhaupt Wohnung sagen darf. In grösster Armut waren wir. Mein Vater aber hatte für mich Ziegen gekauft, und so ging ich mit diesen Ziegen jeweils auf die Berge. Dort war eine Hütte. Wenn das Wetter gut und warm war, blieb ich lange Zeit auf der Alp und schlief mit meinen 108 Erlebnisberichte 1953-1959 Ziegen im Stall. Mein Vater hatte es mir angedungen, nicht im Freien zu schlafen mit den Tieren, sondern sie in den Stall zu nehmen. Hier fühlte ich mich auch viel sicherer. Ich lag nur auf Stroh, und meinen Kopf legte ich manchmal auf den Leib einer Ziege, die mir besonders lieb war. So lebte ich. Mein Vater brachte mir das Brot; er besuchte mich so viel wie möglich. Milch hatte ich selbst zur Genüge. So lebte ich von Milch und Brot. Mein Vater wollte dafür sorgen, dass, im Falle er vor mir zu sterben hätte, ich doch irgendwo eine gute Unterkunft bekommen könnte. So hatte er von seinem schmalen, kärglichen Lohn etwas zur Seite getragen. Oft gelang es auch, ein Tier zu verkaufen. Für mich war es jeweils mit Schmerzen verbunden, ein Tier weiterzugeben. Doch der Vater gab mir zu verstehen, dass er für mich sorgen möchte. Nun, ich weiss noch, dass er, obwohl er mich liebte, manchmal zu viel Alkohol trank. Es schmerzte mich auch, den Vater in diesem Zustand zu sehen. Doch ich konnte nicht reden. Ich fühlte aber besonders, was recht und was unrecht war. Nun, der Vater hatte dafür gesorgt, dass ich nach seinem Tode in eine Obhut komme; ich musste in ein Kloster gehen. Es waren Freunde in der Gemeinde oder im Dorfe, die mich dann in dieses Kloster brachten, die die Tiere verkauften und mir erklärten, dass es nicht gehe, dass ich ganz alleine wäre, und dass es der Wille des Vaters gewesen sei. So musste ich in dieses Kloster eintreten, nicht etwa als Nonne - das wäre ja gar nicht möglich gewesen. Ich möchte euch dieses Kloster nur kurz schildern. Es war ein sehr grosses Gebäude. Im einen Teile waren Nonnen, im andern Teil waren alles solche - ihr nennt sie behinderte - Menschen. Sie lebten dort oder warteten auf ihr Sterben und waren so in der Obhut dieser Nonnen. Da waren Blinde und solche gleich wie ich, die nicht reden konnten; es gab auch solche, die gelähmt waren oder die sonst allerlei Beschwerden hatten. Es waren also Menschen, die man nicht in der Öffentlichkeit leben lassen konnte oder die keine Angehörigen mehr hatten. Je nachdem wie eines fähig war, etwas zu leisten, wurde es, obwohl man doch Geld dafür bezahlte, zum Arbeiten herangezogen. Eigentlich wäre es so gewesen, dass man den Unterhalt selbst verdient hätte. Christel, 3. Dezember 1958 109 In diesem Kloster, bei diesen Menschen gefiel es mir nicht, denn ich sehnte mich besonders in der ersten Zeit nach Freiheit. Ich war nun innerhalb dieser Klostermauern und konnte nicht mehr hinaus. Da ich früher Tag und Nacht im Freien lebte und mit den Tieren zusammen war, war es für mich etwas sehr Schweres, mich von dem zu trennen. Und es bedeutete für mich einen grossen Schmerz, dieses zu überwinden. Meine Arbeit in diesem Kloster war die Betreuung der noch schwerer Behinderten, also der Gelähmten, solcher, die immer im Bette zu liegen hatten. Sie mussten gepflegt werden wie kleine Kinder. Das musste ich lernen, und ich habe dieses auch bestimmt gut gemacht; ich war immer willig, das mir Aufgetragene zu tun. Ich habe immer verstanden, was man zu mir sprach, doch ich konnte nicht reden. So pflegte ich diese armen, kranken Menschen, und ich sah noch viel grösseres Leid als das meine. Mit der Zeit vermochte ich dann auch zu überwinden; es blieb mir ja gar nichts anderes übrig. Ich nahm mich dieser Gelähmten an, und ich führte die Blinden; ich tat jede Arbeit, die man mir zuwies. Nun, ich wurde früh von dieser Welt abberufen. Ich zählte vierzig Jahre, dann durfte ich nach kurzer Krankheit Abschied nehmen. In der geistigen Welt empfing mich mein Vater. Er freute sich, und er sprach: “Christel, ich habe so gebetet, ich bin da- und dorthin gelaufen, um zu diesen höheren Wesenheiten zu kommen, um es ihnen klarzumachen, dass sic meine Christel von dieser Welt abberufen sollen.” Er erklärte mir: “Du hast es mir zu verdanken, dass du diese Kranken pflegen durftest. Man hatte dich noch zu viel geringerer Arbeit ausersehen als zu derjenigen, die du tun musstest. Und auch da bin ich wieder zu diesen Geistern des Himmels gegangen und habe sie angefleht, dass sie dir gnädig wären. Es wurde mir erlaubt, auch viel in deiner Nähe zu sein.” So sprach der Vater zu mir, und er erzählte mir, er hätte gelernt, wie man die Geisteskraft auf einen Menschen übertrage; er hätte mir Trost gespendet, und ich hätte ja nicht umsonst so viel an ihn gedacht. So sei er stets in meiner Nähe gewesen. Nun aber möchte ich erklären, dass er sehr erstaunt war darüber, dass ich sprechen konnte, genau wie er und jedes andere, mit dem er zusammen lebte. Er fand sogar, dass ich wunderschön sei. Er rühmte mein Aussehen und meine blonden Lockenhaare. Immer 110 Erlebnisberichte 1958-1959 wieder strich er mir mit den Händen über mein Haar und sagte mir: “Christel, du bist so schön wie ein Engel.” Ich freute mich, ich konnte sprechen, ich war frei. Ich hatte meine menschliche Bürde abgelegt, und es war mir gleich vieles klarer geworden; ich konnte meine vergangenen Leben sehen. Der Engel, der sich zu uns stellte, sagte dem Vater: “Weisst du, deine Christel hat dieses Leben so tragen müssen, denn sie hatte es nicht anders verdient; sie hat nun durch dieses Leben viel abgetragen.” Der Vater horchte nicht so auf diese Worte des Engelsboten, er war einfach überglücklich. Der Engel erklärte mir dann, dass meine Wohnung nicht die Wohnung meines Vaters sei, dass ich in einer anderen Sphäre wohne, die schöner sei als die des Vaters. Ich hätte nun eifrig Schulen zu besuchen und müsse mich um den geistigen Aufstieg sehr bemühen. Nun, ich tat alles, was mir angeordnet wurde. Ich musste dem Vater erklären, dass ich nicht immer zu seiner Seite sein dürfe. In der ersten Zeit aber war es mir gestattet, denn er hatte nur den einen Wunsch, dass ich zu allen seinen Bekannten in der Geisteswelt hinkomme. Damit waren jene gemeint, mit denen er zusammen lebte; er wollte mich all denen vorstellen. Er hatte eine überaus grosse Freude an mir, und die Engel sagten mir: “Lass ihn vorerst tun, dann werden wir dir sagen, wie du deinen Vater höherführen kannst.” So blieb ich eine Zeit bei ihm. Dabei möchte ich noch mit einflechten, dass mir vorher auch eine Zeit der Ruhe oder des Schlafes gegeben wurde und ich mich nachher dem Vater gewidmet hatte. Er ging mit mir nun zu seinen Bekannten. Ja, es waren solche darunter, die ich auch im Leben gesehen hatte, mit denen ich zusammengekommen war. Und der Vater sagte immer: “Das ist meine Christel! Ihr seht, sie ist ein wunderschöner Engel. Als Mensch konnte sie nicht sprechen, jetzt hat sie Gott zum Engel gemacht.” Überall ging er hin und sprach dasselbe, aus seinem Stolz oder seiner Freude heraus. Ich sagte ihm: “Du sollst nicht so reden, du sollst einfach sagen: ‘Das ist meine Christel.’ Du sollst nicht immer sagen, dass ich schön bin; ich möchte das nicht hören.” Es half nichts; der Vater liess sich nicht belehren. Er ging mit mir durch die ganze Sphäre, und sein Bekanntenkreis war so gross - er kannte so viele -, und immer musste ich dasselbe hören, und sie alle bestaunten mich. Christel, 3. Dezember 1958 111 Nun, ich sah auch gleich, dass das Leben, das der Vater nun führte, wohl nicht so ganz richtig war. Ich aber wollte nur die Anweisungen der mich führenden Engelsboten vernehmen. Sie holten mich wieder, führten mich in mein Haus, in diese schöne Umgebung, und sie unterrichteten mich zugleich über den Vater. Sie legten mir seine Eigenarten oder seine Einstellung auseinander, sie sagten mir: “Siehst du, in seinem Leben war er ein gutmütiger Mensch; er war aber oft sehr schwach. Und er hat kein Verantwortungsgefühl, das kennt er nicht; er ist auch nicht zuverlässig.” Man klärte mich darüber auf, dass man ihm eine Arbeit zugewiesen habe und dass er von dieser Arbeit schon längst davongelaufen sei; man habe ihn mit viel Liebe und Geduld darauf hingewiesen, dass er wieder zu seiner Arbeit zurückzukehren habe. Man erklärte mir, dass man es ihm auch in der Zeit, als ich noch als Mensch gelebte hatte, klarmachen musste, dass ihm, wenn er nicht bei seinen Aufgaben bleibe, der Weg zu mir ins Kloster versperrt würde. Dann habe er sich jeweils wieder aufgerafft und sei wieder etwas vermehrt den Aufgaben nachgegangen - aber von Gewissenhaftigkeit keine Rede. Er tat, was ihm gefiel; er redete viel mit all seinen Geschwistern und hat somit seine Pflichten vergessen. Man machte mir klar, dass die Gotteswelt gegen jene Wesenheiten, die in einer solchen tiefen Entwicklungsstufe sind und bei denen sie sieht, dass sie nicht bösartig sind, nicht gewaltsam vorgeht. Es gibt aber böswillige Geistwesen, die werden dann aus einer Gemeinschaft ausgeschaltet oder vielmehr gebannt. Aber nicht bösartige Geister wie mein Vater bleiben eben so lange in ihrer Sphäre oder mit ihren Geschwistern zusammen, bis sie selbst das Verlangen haben, etwas mehr zu leisten, und bis sie zur Erkenntnis kommen, dass man durch Leistungen zu Verdiensten gelangt und zu einem schönen, höheren Leben. Wie ist dies aber einem solchen beizubringen, der einfach zufrieden ist mit dem, was um ihn ist, und der nur Freude hat am vielen Reden und der Gelegenheit findet, sich zu unterhalten in diesen übergrossen, unendlichen Scharen von Geistern? So hatte man mich unterrichtet, damit ich gleich wusste, wie es um die geistige Entwicklung des Vaters stand. Mir wurde aber auch angedeutet, dass ich durch das vergangene Leben, das so voll Leid 112 Erlebnisberichte 1958-1959 und Schmerz gewesen war, meine Schuld, die ich in jenes Leben mitgenommen hatte, abgetragen habe - es sei alles aufgelöst, vergeben, gutgemacht. Man erklärte mir, dass ich dadurch, dass ich nie böswillig gewesen war, sondern immer bereitwillig alles getan hatte, was man mir sagte, einen geistigen Fortschritt erreicht und so den Weg für mich selbst zu diesen geistigen Höhen geebnet habe. Ich musste in die Schulen gehen, und zwar waren diese Schulen sehr streng. Man klärte mich darüber auf, dass anderen Wesenheiten zwischen dem Unterricht mehr an Freiheit gegeben wird; das heisst eine Freiheit, über die man selbst bestimmen kann, ob man sich diesem oder jenem widmen oder ob man zu den Menschen gehen möchte, um dort bei ihnen eine Aufgabe zu suchen und ihnen zu helfen. Viele gehen ja nur zu den Menschen, um Unterhaltung zu suchen. So hatte ich diese strengen Schulen zu durchlaufen, und trotzdem hatte ich immer noch Zeit, meinen Vater zu besuchen. Ich konnte ihm ja nichts von dem erzählen, worüber ich unterrichtet wurde; ich konnte ihn nur mahnen, dass er doch jetzt bei seinen Aufgaben bleiben soll. Und ich ging mit ihm zu seinen Aufgaben hin, ich wollte sie mit ihm erfüllen, denn er lief ja immer wieder davon. Man hatte mir vorher auf das Genaueste erklärt, worin seine Aufgabe bestand. Sie war so einfach: Er hatte unter seinesgleichen ganz bestimmte Wesenheiten, die er ebenfalls auf ihre Zuverlässigkeit, auf ihre Pflichttreue, auf ihre Aufgaben hätte aufmerksam machen müssen. Er brauchte sich also nur umzusehen und den andern zu fragen: “Was hat man dir eigentlich als Aufgabe aufgetragen?” Das war seine ganze Aufgabe. Doch dieses konnte er nicht; er fragte ja alles andere und unterhielt sich nur mit ihnen. Nun tat ich es mit ihm und ging zu seinen Bekannten, wie er sic nannte, und zu seinen Freunden hin. Ich fragte sie mit ihm: “Ja, was musst du denn hier für eine Aufgabe erfüllen?” Und so musste ich erleben, dass so viele es überhaupt nicht mehr wussten. Sie hatten sich auch abgekehrt und sich anderen Interessen zugewandt, sodass sie nicht einmal mehr wussten, was sie zu tun hatten. Mir aber wurde es klar, ich sah in sie hinein: Ich sah die Worte, die zu ihnen gesprochen worden waren, was sie zu tun hätten. So konnte ich es ihnen sagen; und sie mussten mir zustimmen, dass man solche Worte zu Christel, 3. Dezember 1958 113 ihnen gesprochen, dass sie dem aber gar keine Bedeutung beigemessen hätten und dass sie es gar nicht für so wichtig finden würden, dass man das auch befolge. Nun, ich erklärte ihnen, dass dies ja nur die kleinsten und geringsten Aufträge seien und dass sie eben versuchen müssten, dem nachzukommen. So hatte ich mit meinem Vater diese Besuche da und dort gemacht. Ich musste ihn auch immer wieder darauf aufmerksam machen, dass er nicht immer wieder von mir sprach. Denn er vergass ständig, was er fragen sollte, sondern sagte immer wieder: “Das ist meine Christel, und sieh, wie sie ein schöner Engel ist.” Nur damit hatte er sich befasst. Es war für mich schwer, ihn davon abzubringen, und mit grosser Mühe kam ich dann mit ihm so weit, dass er sagen konnte: “Dies ist meine Christel; im letzten Leben war sie meine Tochter”, und dass er sich damit begnügte. Dann lernte auch er so ganz langsam seine Freunde fragen: “Ach, was hat man denn dir beim Eintritt hier in diese Welt für eine Aufgabe gegeben?” Er musste mit ihnen nach diesen Aufgaben suchen und sie zu diesen hinführen. So tat ich es, viele, viele Jahre hindurch, bis die Engel Gottes zu mir kamen und sagten: “Liebe Schwester, wir wünschen, dass du in ein neues Erdenleben trittst, und zwar nur für ganz kurze Zeit, ein halbes oder ein ganzes Jahr, je nachdem; es wird genügen.” Ich sagte, wenn es im Willen Gottes sei, so werde ich dazu nicht Nein sagen, obwohl ich Gefallen hatte an diesem Wirken in der Geistes-wclt. So wurde ich für das neue Erdenleben vorbereitet. Ich durfte nur kurze Zeit in diesem Erdenreiche leben; ein gutes halbes Jahr genügte, und ich wurde wieder in die Geisteswelt abberufen. Ich habe noch unterlassen zu sagen, dass ich vorher meinen Vater unterrichtet, von ihm Abschied genommen und ihm erklärt hatte, dass ich ihn dann später wieder einmal besuchen werde, dass er aber jetzt nicht nach mir fragen und mich nicht suchen solle; sondern wenn es Bestimmung der höheren Welt sei, würde ich den Weg zu ihm wieder finden. Er versprach es mir, und wir hatten uns dann auch dementsprechend verabschiedet. So hatte ich also nur ein gutes halbes Jahr in diesem Erdenleben zu sein und wurde dann wieder in die Geisteswelt zurückberufen. 114 Erlebnisberichte 1958-1959 Und zwar kam ich ja in das Paradies der kleinsten Kinder. Dort wurde ich von den Engeln Gottes betreut mit unendlich viel Liebe. Ihre Schönheit, ihre Geduld kann man nicht in einer solchen Sprache schildern, wie die Menschen sie reden. Nun, ich wuchs heran in diesem Kinderparadies, betreut von Engeln Gottes. Ich hatte nur Schönes zu erleben; nur mit Liebe bin ich, wie alle meine Geschwister, grossgezogen worden. Wir wurden auch zu besonderen Festen geführt und durften dort Gedichte sprechen, ganz kleine Gedichte; wir brachten jeweils eine kleine Fackel hin oder einige Blümlein, machten einige Schritte zu einem Tanz. Die Welt, in der wir lebten, war so herrlich und so schön. Man umgab uns mit ständiger Liebe, sodass ein jedes, das dort in diesem Kinderparadiese aufwuchs, so von Liebe durchdrungen ist, dass es kaum möglich ist, dass in ihm in der Geisteswelt Gefühle zum Ausdruck kommen könnten, die in irgendeiner Weise den göttlichen Gesetzen nicht entsprechen würden. Denn nur in der Liebe aufzuwachsen, in der Umgebung dieser wunderbaren duldsamen Engel Gottes, ist auch ein wunderbares Geschenk für ein Wesen. Als ich dann, nach eurer Zeitrechnung, gegen sieben Jahre alt war, führte man mich zur Erde zu meinen Eltern, und man sagte mir: “Siehst du, das ist das Haus, in dem deine Eltern leben und wo sie immer noch von dir sprechen. Dann und wann” - gemeint waren die besonderen christlichen Festtage - “darfst du zu ihnen hingehen und darfst ihnen bringen, was du wünschest.” Unter diesen Wünschen eines siebenjährigen Kindes sind bescheidene Dinge zu verstehen; so tragen sie oftmals nur ein Blümlein hin, ein kleines Lichtlein, einen farbigen Stein, ein buntes Blatt oder irgendwelche Dinge, die eben in diesem Paradies der Kinder sind, die sie erreichen können. Als ich dann sieben Jahre alt war, wurde ich aus dieser Sphäre weggeführt. Ich blieb immer noch im Kinderparadies, kam jedoch in eine andere - wie soll ich sagen - Abteilung oder Sphäre der gleichen Ebene. Dort musste man von Neuem die Schule besuchen; denn das, was man früher gelernt hatte, war eben entschwunden, aber mit Leichtigkeit wiederzugewinnen. So wuchs ich denn weiter heran, und als wiederum einige Jahre vorüber waren, musste ich auch diese Sphäre verlassen. Wir waren Christel, 3. Dezember 1958 115 jeweils eine schöne Schar Gleichaltriger. Nach einer herrlichen Abschiedsfeier, nach Gesang, nach vielen guten Wünschen und gemeinsamen Spielen verliessen wir dann diese Welt, und wieder begann ein neuer Abschnitt für uns. Man erklärte uns, dass wir auch zu lernen hätten, ganz genau so wie die heranwachsenden Kinder im Erdenreiche. So hätten auch wir immer wieder jeweils zu lernen, was man uns zumuten kann zu tragen, bis dieses Wissen wieder zusammengetragen sei. So blieb ich dann in der Gotteswelt, in dieser herrlichen, schönen Sphäre. Man erklärte mir, dass ich dank meines guten Willens und dadurch, dass ich in der Umgebung von liebenden Wesenheiten aufgewachsen sei, diese Höhen erreicht hätte. Durch ihre liebevolle Erziehung ist man von derselben Kraft durchdrungen. Es ist ähnlich wie bei den Menschen auf Erden: Wenn Eltern mit ihren Kindern in grosser Harmonie, Geduld und Liebe Zusammenleben, nehmen sie diese Liebe, diese Harmonie auch später mit in ihr Leben hinaus. Auch Enttäuschungen aus dem Elternhaus trägt ein jeder mit hinaus in sein grosses Leben hinein. Darum: was in Liebe wächst, wird stark und gut - was in wahrer, geistiger, reiner Liebe wächst. Heute sind mir in der Geisteswelt wiederum neue Aufgaben gestellt. So wurde auch ich eingeladen zu einem Fest. Wie euch schon bekannt ist, wird in der himmlischen Welt viel gefeiert, und man geht hin und lädt diese und jene Seele ein, aber immer gleich mit einer gewissen ‘Berechnung’, von ihr eine Gegenleistung zu bekommen. Und diese Gegenleistung habe ich nun gebracht. Nun, meine lieben Geschwister, ich verabschiede mich wieder von euch. Wenn Fragen in euch sind, habt ihr Gelegenheit, sie zu stellen, und sie werden euch bestimmt beantwortet. Ich möchte nur eines euch anempfehlen, dass auch ihr, wo ihr steht und wo ihr lebt, versucht, immer wieder guten Willens zu sein. Jede Böswilligkeit unterbindet, denn sie hindert jeden an seinem Aufstieg. Guten Willens sein, und wenn einer noch so ein schweres Leben hat und gezeichnet ist, er aber sein Schicksal bejaht und mit den Mitmenschen verständnisvoll ist, so kann es ihm ergehen, wie es mir ergangen ist. Die Himmelsleiter ist so unendlich gross, und die Engel Gottes, die einen auf dieser Himmelsleiter führen, vermögen einen hinaufzu 116 Erlebnisberichte 1958-1959 ziehen zu diesen Höhen, so man sich eben verdient gemacht hat. So möge es mit euch sein. Wenn sie euch von dieser Erde holen und mit euch auf dieser Himmelsleiter schreiten, möge es doch geschehen, dass sie mit euch viele Sprossen überhüpfen können, damit auch ihr den Himmel erlebt in seiner wahren Schönheit, in seinem Frieden, in seinem Glück. Dies ist mein Gruss an euch. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Meine lieben Freunde, ich bin bereit, eure Fragen zu beantworten, so gut ich kann. Lieber Freund Josef, galt der Sinn für das kurze Leben von Christel nur den Eltern oder auch dieser Seele? Josef: Ja, in erster Linie war es für diese Seele, dann aber wurden dementsprechend die Eltern eben ausgesucht, die dieses Leid zu tragen hatten. Also das eine wird mit dem andern verbunden. Kann man also annehmen, dass es bei dem kurzen Leben eine karmische Bewandtnis hatte? Josef: Teilweise ja. Es war ein Leid für die Eltern. Aber indem diese Seele in diesem Paradiese und nur im Schönen aufwachsen durfte und mit so viel Liebe gepflegt wurde, wurde sie gestärkt. Sie hatte also nicht die Versuchungen durchzustehen, wie Menschen sie zu erleben haben und dabei immer wieder fallen. Das heisst nicht, dass diese Seele nicht wieder im Erdenreich geboren werde; sondern die Gotteswelt wählt sich solche aus, zeichnet den Plan dementsprechend für sie und stärkt sie; sie lässt sie mit göttlicher Kraft so durchdringen, dass ihre Gefühle eben so fein sind. Aber dann, im gegebenen Momente - sagen wir: nach vielen, vielen Jahrzehnten oder es können sogar zwei- oder dreihundert Jahre sein -, werden sie dann wieder in das Erdenreich gesandt werden müssen. Danke, lieber Josef Ist es möglich, dass eine Seele, die im Kinderparadiese aufwachsen durfte, dann in einem späteren Menschen Christel, 3. Dezember 1958 117 leben ein sehr schweres Leben durchmachen muss und wieder fallen kann, das heisst ihre Prüfungen nicht besteht? Josef: Ich möchte sagen, es könnte möglich sein. Denn diese Welt hat so viele Gefahren, und der Mensch wird darin schwach. Ihr wisst, dass er hier eben den luziferischen Gesetzen ausgesetzt ist und die Versuchungen sehr gross sind, sodass diese Möglichkeit des Fallens schon besteht. Nur ist es so: Wenn ein Geist diese Höhen erreicht hat, ist er auch in seinem Gottesglauben so gestärkt und wird von der Gcistcswclt dementsprechend in eine Umgebung hineingeführt, wo diese Möglichkeiten nicht in dem Masse vorhanden sind. Aber ich kann nicht sagen: “Ja, das kann nie geschehen”, sondern es könnte wohl geschehen, dass irgendetwas Bedeutungsvolles eben an den Menschen herankommt, das ihn so beeindruckt, dass er sich vom Glauben an Gott entfernt oder den Gottesglauben verwirft. Diese Möglichkeit kann auch bestehen. Aber man hofft doch, dass es deren wenige sind, wenn einer diese Höhen erreicht hat. Lieber Josef, es würde mich interessieren, ob Christel in ihrem zweiten Leben, das nur so kurz dauerte, getauft worden ist. Hat die Taufe Einfluss auf das Geistesleben? Josef: Meine lieben Freunde, es ist doch so, dass die Taufe, die die Menschen vollziehen, einfach eine äussere Handlung ist. Sie möchten sich damit zu einer Gemeinschaft bekennen. Aber das Kind, das geboren wurde, ist ein Kind Gottes und gehört der geistigen Kirche Christi an. Die Taufe ist eine menschliche Handlung; ihr sollt also nicht glauben, dass für ein Kind, das nicht im Namen Gottes und im Namen Jesu Christi getauft worden ist, der Himmel nicht offen wäre; sondern der Himmel ist ebenso offen für es. Denn bedenkt doch, es gibt ja so viele Religionsrichtungen. Es gibt Menschen, die gewissen - ich möchte sagen: nicht bekannten - Gemeinschaften angehören und die ihre Kinder zu Hause selbst taufen; auch sie sind doch in festem Glauben: “Ja, jetzt habe ich das Kind getauft, jetzt steht ihm der Himmel offen.” Der Himmel ist für alle offen; es kommt darauf an, wie man sich im Leben verhält. 118 Erlebnisberichte 1958-1959 Aber jedes, das hier in dieses Erdenreich eingetreten ist, ist ein Kind Gottes und trägt die Kindschaft Gottes. Sie wurde durch Jesus Christus gebracht. Lieber Freund Josef, ich nehme an, dass bei einer Taufe eines kleinen Kindes auch Geistboten zugegen sind und vielleicht doch ihre Geschenke bringen zu diesem Feste. Josef: Wisst ihr, es gibt für solche Kleinkinder geistige Feste, von denen die Menschen keine Ahnung haben. Es ist nicht immer so, dass die Geister Gottes Anteil nehmen an den Festen, die die Menschen feiern; sondern sie haben ihre eigenen Feste und wirken zu der Zeit, wo Menschen es nicht wissen und keine Ahnung haben davon, weil dies auch gar nicht notwendig ist. Die Geisteswelt kann der Taufe, die die Menschen vornehmen, nicht so eine Bedeutung zumessen, weil der damit verbundene Gedanke nicht richtig ist. Denn es gibt ja Kinder, die werden nicht getauft, und ihnen steht der Himmel gleichwohl offen. Ja sollten sich denn die Geister nun der Handlung wegen zu einem solchen Kinde hinbegeben, weil die Menschen sich entschlossen haben, dieses Kind zu taufen? Die Geister Gottes begleiten auch sonst diese Wesenheiten und sind ihnen Führer und Schützer, so wie es ihnen aufgetragen ist und wie es gezeichnet ist. Lieber Josef, hatte die Vergesslichkeit des Vaters einen Zusammenhang mit seinem geistigen Stande, oder war er vielleicht nur etwas willensschwach? Josef: Ja, seine Willensschwäche war eben bedingt durch seinen Entwicklungsstand. Er hatte diesen Fehler, und er kam nun mit solchen Geschwistern zusammen, die die gleichen Fehler hatten. Wie kann der Mensch seinen Willen stärken, wenn er willensschwach ist? Denn hier liegt ja das Problem: Er hat ja Mühe, sich anzustrengen. Christel, 3. Dezember 1958 119 Josef: Er kann sich aber schon anstrengen, indem er auf die Worte seiner Mitmenschen horcht, die ihn mahnen, was der richtige Weg ist. Wisst ihr, es gibt willensschwache Menschen, die gutmütig sind. Aus ihrer Gutmütigkeit heraus kann sich etwas bilden oder etwas wachsen; aus dieser Gutmütigkeit heraus vermögen sie keine ungerechten Handlungen zu machen, und sie werden pflichtgetreu all das tun, was ihnen gesagt wird, und dementsprechend haben sie dann auch ihre Verdienste. Anders ist es natürlich, wenn man leichtlebig ist. Es gibt also auch in dieser Beziehung eben verschiedenste Abstufungen. Lieber Geist Josef, war die Behinderung von Christel auch für den Vater zur Belehrung? Josef: Oh ja. Weisst du, diese Tochter war doch für ihn eine grosse Last. Er hatte schon ein schweres Leben. Du musst dir vorstellen, was eine solche Behinderung in jener Zeit, wo das geschehen ist, bedeutete, wie die Menschen gegeneinander ruchlos waren und verständnislos. Das war dazumal schlimmer. Heute, wenn ein solcher Mensch unter euch lebt, habt ihr Bedauern mit ihm und versucht, ihm das Leben zu erleichtern. Das alles hat die Höherentwicklung mit sich gebracht. Das Veredeln des Menschen, das höhere Denken des Menschen, hat sein Empfinden verfeinert, und er hat dementsprechend Verständnis für einen solchen Menschen. Aber zu jener Zeit hat man solche Menschen eben verachtet. Wie lange liegt dieses Leben zurück? Ist es mehr als zweihundert Jahre? Josef: Ja, es ist etwas mehr. Lieber Josef, was kann der Grund sein, dass ein Mensch nicht sprechen kann? Ich meine nicht im Fall von Christel, sondern ganz allgemein. Josef: Weisst du, wenn Menschen grosse Verfehlungen begangen haben, bestimmt immer die Geisteswelt, wie es wiedergutzumachen 120 Erlebnisberichte 1958-1959 ist. Denn auch hier - ich möchte jetzt nicht sagen, was damals geschehen ist - möchte ich euch im Geiste zurückführen, sagen wir, dreihundert oder fünfhundert Jahre zurück. Wenn ihr etwas über jene Zeit nachdenkt, müsst ihr erkennen, dass damals eben dieses Verständnis und dieses Wohlwollen dem andern gegenüber nicht vorhanden war, dass man eben mit schlimmen Mitteln gegeneinander vorging und sich dementsprechend eben belastete. Wie konnte das, was Christel nach ihrem ersten Leben in der jenseitigen Schule erworben hatte, wieder verloren gehen, sodass es nach dem zweiten Leben wieder neu erlernt werden musste? Josef: Wenn ein Wesen in die irdische Welt eintritt, weiss es nichts mehr von seinem früheren Geistesleben. Es weiss also nicht, wo, in welcher Sphäre es gelebt, welche Stellung es eingenommen hatte; durch den Eintritt in dieses Erdenreich ist ihm dieses Wissen genommen worden. Wenn nun diese Wesen wieder von der Erde abtreten, haben sie sich wiederum an jene Verhältnisse anzupassen, müssen wiederum dasselbe neu erlernen. Wenn sie früher eifrig durch solche Schulen gegangen sind, wird es ihnen nicht schwerfallen, das früher Erlernte wieder zu erfassen. Lieber Josef, Christel hat von der Himmelsleiter gesprochen. War das symbolisch gemeint? Josef: Ja, das ist ja klar, dass dies eben symbolisch gemeint ist. Die Himmelsleiter bedeutet einfach die Stufen. Diese Christel wurde nach dem Tod des Vaters in ein Kloster gebracht, in dem andere gebrechliche und schwach begabte Menschen gepflegt wurden. Wir haben schon im letzten Erlebnisbericht von Barbara [s. S. 99 ff.] von einem Kloster gehört, und es wurde da von den Werken der Kirche gesprochen. Nun hat zweifellos die Kirche sehr viele Werke getan. Es interessiert mich sehr zu wissen, gerade im Zusammenhang mit dem letzten Vortrag, wem denn eigentlich diese Werke jeweils gutgeschrieben wurden. Christel, 3. Dezember 1958 121 Josef: Es kommt darauf an, aus was für Motiven oder aus welchem Drang heraus die betreffenden Menschen diese Werke aufgebaut haben. Wenn es nur zu ihrem Ruhm getan worden ist, kann ihnen dies nicht persönlich gutgeschrieben werden, sondern es ist auch wieder etwas, das sich durch die Entwicklung entfaltet hat. Denn es ist so: Die Gotteswelt versucht, die Handlungen des Menschen immer auf eine geistige Höhe zu bringen; das heisst, auch wenn der Mensch aus irgendeiner Gesinnung heraus etwas tut, sagen wir, aus einer Gesinnung heraus, die weder gut noch schlecht ist, so sucht die Gotteswelt dann aus dem Geschaffenen wieder etwas Besseres hervorzubringen. Die Gotteswelt schafft weiter, baut weiter auf auf dem, was Menschen aufgebaut haben. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Christel und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 122 Erlebnisberichte 1958-1959 7. Januar 1959 Hannes - das harte Herz Ein einstiger Gastwirt gewinnt Verständnis für die Untugenden und Bedürfnisse seiner Nächsten Kontrollgeist: [Der Beginn der Tonaufnahme fehlt.] Es wird zuerst ein Geist zu euch sprechen, der seit ungefähr 35 Jahren im Jenseits ist. Es ist ein Geistwesen, das aus den unteren Läuterungssphären zu euch spricht. Das möchte nicht heissen, dass es ein böswilliges Geistwesen ist, sondern wir wollen auf diese Art euch auch wieder einen Einblick geben in die wunderbaren geistigen Gesetzmässigkeiten. Wir wollen euch zeigen, wie man den Einzelnen emporführt und was er eben miterleben muss im Jenseits und dass es so ist, dass man in der geistigen Welt bei einfachen, ungebildeten Menschen, von denen man eigentlich noch nicht so viel erwarten kann, dies alles berücksichtigt. Ich möchte euch nur bitten, aufmerksam zuzuhören; denn aus diesen Erklärungen, die euch diese Wesenheiten geben, könnt ihr vieles lernen. Ihr habt so am besten Einblick in die Gesetzmässigkeiten. Die Sprache dieses Geistes wird nicht so sein, wie wir es wünschen. Aber wir lassen es auf diese Weise zu, damit ihr auch den Beweis bekommt, wie sich ein solches Wesen kundtun kann - dass es eben in der Weise geschieht, wie er als Mensch gedacht und geredet hatte, und dass er sich in so kurzer Zeit eben noch nicht so sehr verbessert hat; er strengt sich wohl an. Es soll euch verständlich sein, dass wir nur solche Geister zulassen, die guten Willens sind zum Aufstieg. Wir haben sie genau überprüft, und sie stehen nun unter unserer Kontrolle. Würde ein Geist in seinem Sprechen in irgendeiner Weise ausfällig werden, würden wir sofort einschreiten, und wir würden die Trance unterbrechen. Wenn nun dieses Wesen in seiner Erzählung vielleicht etwas ulkig spricht, so dürft ihr schon etwas - ich möchte sagen - lachen, Hannes, 7. Januar 1959 123 ihr dürft euch erfreuen daran, aber ihr sollt dafür sorgen, dass der gehobene Rahmen bleibt. Denn würde das nicht der Fall sein, würden wir sofort abbrechen. So lassen wir wiederum ein Wesen auf diese Weise zu, damit ihr davon Belehrungen habt, damit ihr Einblick bekommt in die Geisteswelt und in das Wirken und Leben dieser Geister des Aufstiegs. Nun, Gottes Segen sei mit euch allen. Gott zum Gruss. [Das im Folgenden berichtende Geistwesen sprach in einer ausgeprägten Mundart, die mit deutscher Schriftsprache vermengt war. Dieser eigentümliche Sprachstil wurde weitgehend in seiner Ursprünglichkeit belassen, um die Eigenart des Geistwesens zu veranschaulichen.] Hannes: Gott zum Gruss. So hat man mich gelehrt, das soll ich zu euch sprechen. Meine lieben Geschwister, mein Name ist Hannes. Ich muss euch erzählen: Ich lebte in diesem Erdenreich, und ich hatte ein Gasthaus. Ich hatte hier zum Rechten gesehen, so wie ich glaubte, dass es gut wäre. Sehr oft ist der Pfarrer zu mir gekommen und hat gesagt: “Hannes, du, der liebe Gott ist mit dir nicht zufrieden. Du kommst nit in d Kirche, du kannst nit in Himmel komme. Und du hast kei guts Herz, du musst dich ändern!” Da hab i gsagt: “I ka nit i d Kirche komme, aber mei Theres kommt in die Kirche; die betet für mich, und das soll gnüge!” Nun, i hab halt schon so zum Rechte gschaut, das heisst: für mich! Ma hat mer dann - und der Pfarrer hauptsächlich - Vorwürf gmacht. I hab den arme Leut zu viel Branntwein ggebe, und i hab all denen die Groschen genommen. Das hätt i nit sollen. Und nun, i bin au krank worden, und i musste sterben. Da hat mer de Pfarrer gsagt, i müsste mi au vorbereiten; i werd nun emal vor de Herrgott kommen, und der werd dann mit mir reden. Ja, es ist so weit komme, i bin von der Welt weg. Und da ist mer zerst mei Muetter begegnet, und da hat sie gsagt: “Bue, der Herrgott is nit zfriede mit dir. Du hast kei guets Herz ghabt als Mensch. Du muesst viel guetmachen.” Jo, i hab mir gar kei so Vorstellig gmacht, wies ebe könnte ussehen da uf der andere Seit. Dass der Herrgott nit zue 124 Erlebnisberichte 1958-1959 mer kommt, das hab i schon denkt; das isch nid möglich, dass der zue mer kommt. Nun hat mer die Muetter afa Vorwürf mache. Sie hats mer gsagt: “Ja, du hast e schöns Häuserl ghabt. Und das fahrende Volk, das jeweils in der Nähe vo deinem Häuserl gkommen ist, hast du immer weggjagt. Und zwar warst du zu grob.” Da hab i gsagt: “Ja, i muesst sc wegjage, denn sie han mer meine Hüehner gnomme; i hab müesse, sie han mer gstohle überall, und das konnt i nit habe. Da hab i sie halt weggjagt!” Dann ist denn mei Muetter auf die Seite ggangen, und dann is en anders, schönes Wese gko - i hab scho gwisst, ma hat ja immer vo den Engle erzählt; und wenn man als Mensch glebt hat, hat ma immer gsagt vo den Engle, aber es war mer ned so verständlich. Nun hab i’s erlebt. Und der hat mer dasselbe gsagt, er hat gsagt: “Hannes, du hast kei guets Herz ghabt. Warum hast denn jeweils dies fahrende Volk fortgjagt? Das hättest nit tuen solle!” Ich hab nun gsagt: “Jo, die hätten mer alles zsammgstohle.” - “Jo”, hat der Engel zu mir gsagt, “und wenn d no e paar sone Hüehner weniger gha hebst, was wär das wohl gweä!” Ja das konnt i no nit so richtig verstehe. Dann hat er mir no viele andere Sachen gsagt - die darf i gar nit sage! Er hat mir auch vorghalte, ebe, dass ich hab vo den arme Leut die letschte Grosche gnomme; das hätt i au nit tue solle. I hätt schaffe solle, schaffe hätt i solle! I hab gfunde, es wär guet so, wenn i so mei Gasthof tuene pflege und die Leut komme könne; i hab mit ene viel gredet und so Unterhaltung gmacht. Und meine Frau, die Theres, isch in die Kirche ggange. Nun hat der Engel gsagt: “Ja jetzt, Hannes, jetzt gehts anders. Jetzt muesst du guetmache, was da verschuldet hasch im Lebe - hasch so nes harts Herz ghabt. Jetz muess ma sorge, dass das Herz muess guet werde. Das muesch du jetzig im Jensits lehre.” - “Jo”, hab ich gesagt, “jo, jo, wenn’s sein muess, mue ma mir’s halt sage und zeige, wie das muess gah.” Dann hat er gsagt: “Ja guet, du kommst jetzt mit mir.” Da hat er mi au in e Häuserl gfüehrt, und es hat mer eigentlich nit so gfalle. Mei Häuserl, won i glebt ha, isch schöner gwese. Dann ist eigentlich nie richtig Tag gwese, ist nit richtig Nacht gwese; i bin nit us mir selber komme, was für Ziit, was wird. Eimal hatt i das Gefühl, es wird Winter; dann hatt i s Hannes, 7. Januar 1959 125 Gfühl wieder, es wird Herbst; i bin selbst nicht drauskomme, wie’s ist. Aso, es war so etwas bedrückt und schwer. Aber das Häuserl, ja, es ist nit so in Ordnig gwese, wien i’s gern ghabt hätt. Dann hab i halt Hand aglegt und hab die Sache schöner zweg gmacht und hab das Häuserl instand gstellt. Und dann hats mer so einigermasse gfalle. Es isch aber nit lang gegangen, und dann sind andere zu mir komme und i mei Häuserl nei, haben sich festgsetzt in mei Häuserl. Hab i gsagt: “Das Häuserl ist mein, und i habs zrechtgstellt. Ihr sollt fort, ihr sollt euch selbst nach einem solchen Häuserl umsehen! Das ist mei Häuserl, und in diesem Häuserl bleib ich!” Mit aller Müh und Kraftanstrengung hab ich s fortbracht. Dann ists ne Weil gegangen, und dann sind andere wieder kommen und haben gsagt: “Du hast n schöns Häuserl, da hats noch Platz für mich!”, und da haben s sich einfach festgsetzt und wollten s da bleiben. Da hab i gsagt: “Nix gibts, nix gibts, der Hannes bleibt in dem Häuserl, und ihr machts, dass ihr da wegkommt.” So hab ich’s getan, und dann gings e Weil, und da kam dieser Engel zu mir und sagte: “Hannes, siehst, das ist es, dein hartes Herz. Warum gibst du ihnen nicht Gelegenheit, da im Häuserl zu bleiben? Du kannst dich mit ihnen unterhalten. Du sollst nicht so engherzig sein. Du sollst sie nicht fortschicken, lass sie doch in deinem Häuserl, hast doch Platz genug!” - “Jo, schon, aber sie haben keine Ordnung”, hab i gsagt, “sie machen alles durcheinander und bringen solch Sachen herbei, das mir nit gfällt. I will Ordnung haben in mei Häuserl.” Dann hat der Engel gsagt: “Ja du musst mit ihnen reden; du musst sie zur Ordnung erziehen, und du musst schauen, dass du mit ihnen auskommst.” Jo, dann hab i s e Weil glasse, und dann hats mer doch nit passt; ich konnte noch so viel reden, sie haben doch nie Ordnung ghabt - und da hab i s halt wieder fortgschickt. Ich musste ganz energisch dahinter, dass sie mer fort sind. Da bin i wieder e Weil schön allei gwesen, und das hat mer gfallen, und i hab das Häuserl wieder instand gstellt. Dann sind s halt wieder kommen und haben sich wieder eingnistet, und i hatte wieder das gleiche Malheur und musste sie wieder fortschicken. 126 Erlebnisberichte 1958-1959 Da ist der Engel wieder komme und hat gsagt: “Jetzt, Hannes, jetz hab i dir doch gsagt, du sollst sie bei dir lassen. Warum schickst sie immer fort?” I hab em’s klargmacht: “I will Ordnung haben, i hab scho als Mensch immer Ordnung ghabt, und i kann das nit haben, dass man das Häuserl durcheinandermacht; und das Gerede, das kann i nit haben!” - “Na”, sagte der Engel, “du musst dich dran gwöhnen, du musst sie bei dir lassen, du darfst sie nicht fortschicken. Du musst dich mit ihnen unterhalten, du musst sie zur Ordnung erziehen. Wenn du so gut Ordnung machen kannst, dann musst du sie heranziehen zum Arbeiten, und dann müssen sie mit dir Ordnung machen.” Dann hab ich gedacht: “Jo, jo, wenn du weg bist... - i werd sie jo scho wieder los!” So hab i’s halt gemacht, hab sie wieder fortgschickt. Und so ists gegangen. Längere Zeit hab i’s immer wieder probiert, und ich hab s immer wieder loskriegt. Dann nachher ist der Engel wieder komme. Wenn i jeweils gedacht hätt, dass er komme könnt, dann hätt i s dann scho no e Weil dort glassen und hätt s - ja, i hätt s dann nachher gschickt. Nun, dann ist mer des nit glunge. Da kommt er und bringt noch en anderen Engel mit. Und der hat etwas energischer ausgsehn. Also i hab glei gsehn: “Also mit dem ka ma nit so reden wie mit dem andern, dem i gsagt hab: ’I will mei Ordnung haben.’” Der hat mi gleich an der Hand gnommen und e wenig gschüttelt und hat gesagt: “Hannes, das Theater, das gibts nicht, das macht man nicht; jetzt will ich dafür sorgen, dass du deine Gäste bekommst!” Und dann sind sie komme, scharenweise sind sie kommen! Und i musste sie im Häuserl lassen. Da hat der Engel gsagt: “I geh nit fort, i bleib da, und i wer aufpassen, dass du die nit fortsendest. Jetzt ist Schluss, du musst jetzt gehorchen lernen!” Jo, dann hab i sie halt glasse... Dann haben diese beiden da sich mit meinen Gästen unterhalten und haben ihnen Belehrung gegeben. Ich hab dann mal zughört, aber man hat nie gsagt zu mir: “Hannes, du musst auch kommen und zuhören.” Und dann hab ich halt das gmacht, was mir gfallen hat. So ists e Weil ggangen, und dann sind die beiden auch wieder weg - und ich hab mei ganz Häuserl voll ghabt! Nun, i hab mer überlegt: “Musst ne jetzt folgen, oder sollst se wieder rausschmeis- Hannes, 7. Januar 1959 127 sen?” Dann hab i mir überlegt und hab dacht: “Gut, wenn da so ne Häuserl ist, ist bestimmt noch ein anders Häuserl auch irgendwo rum.” I hab dann mei Häuserl verlassen und bin auf d Suech ggange von em andern. Da hab i verschiedene gsehn, und die waren alle voll bsetzt, und da hätts mer auch nit gfallen, hätts mer nit gfallen, und eine Unordnung haben s ghabt. Das hat mer gar nit gfallen, und da bin i wieder zrugg zu meim Häuserl und hab dacht: “Ja nu, da muesst zfricden sein mit deinem Häuserl, hast doch wenigstens ein sauberes Häuserl und hast deine Ordnung.” Ich hab ihnen dann schon gsagt, was recht ist und was nicht und was ich haben will und was nicht! Dann sind die beide Engel nach längerer Zeit wieder kommen - auch der, der so etwas energisch dreingschaut hat. Er hat mi wieder gnommen und gschüttelt und hat gsagt: “Ja siehst, wir sehen deine Gsinnung schon. Es ist der gar nid Ernst, die da in deinem Häuserl z bhalten, du möchtest sie wieder loshaben. Jetzt machen wir es mit dir anders; jetzt kommst du mit mir, jetzt verlassest du das Häuserl. Jetz isch Schluss, Hannes, jetz isch Schluss! Und die, die da in dem Häuserl sind, die sollen jetzt bleiben. Du kommst jetzt mit uns!” Oh je! Dann bin i eben mitgange. Und dann haben s mer erklärt, jetzt müss i in ein grosses Haus nei, und zwar hats dort dann viele, viele, mit denen ich dann den Platz zu teilen hätte. Und ich wär dann da nicht der Erste wie in dem Häuserl, wo ich hätte regieren können; da musst ich mich dann schön unterordnen. Da ist er mit mir gegangen. Aber diese neblige Schicht, wo’s weder Tag noch Nacht oder Sommer noch Winter war, ist geblieben; das hat me eigentlich nit gfallen. Dann hat ma me i so ne grosses Haus neigfüehrt; es hat so ausgsehn wie - ich erinnere mich noch, als ich glebt hab als Mensch -, wie so ne Fabrik; es hat so kleine Fenster ghabt. Das hat mer gar nit gfallen. Aber won i neiglaufen bin, da hats wirklich viele ghabt. Hmm! Da hab i dacht: “Hättest du dich ghalten, wo du gwese bist, da müesstist di jetzt nit rumschlagen mit denen allen!” Da hat ma ein grufen und hat ihm gsagt: “So, siehst du, das ist der Hannes. Der hilft dir jetzt arbeiten, der muss jetzt da schaffen und auch zum Rechten schauen.” Man hat ihm noch andere Dinge er 128 Erlebnisberichte 1958-1959 zählt - i habs nit verstanden und habs nit ghört, was man gsagt hat. Also i musste ghorchen, das hab i gmerkt, das hab i gwusst! Dann musst i denn in diesem Haus bleiben, und man hat mir dann verschiedene Arbeiten zugwiesen. Ich musste im Garten zum Rechten sehen, und man hat mir so eine gewisse Schar Mitgenossen - oder wie ich das nennen soll - vorgestellt. Ich musste mich dann mit diesen beschäftigen und mich mit ihnen unterhalten. Man hat mir genau gesagt, wie und wohin ich mit ihnen gehen darf und so fort. Ja, ich musste mich dreinschicken. Dann aber hat derjenige, der mich jeweils so geschüttelt hat - der ist der Vorsteher gwese vo dem grossen Haus -, mich jeweils ab-gholt, und da muesste ich immer zu ganz bestimmte Zeit mit de andere in e Schul gehen. Uuh - in e Schul musst ich gehen! Und dann mussten wir ja wie die Menschen, wie die kleinen Kinder auf Erden - man hat uns Dinge erzählt, und dann durften wir wieder heimgehen, und dann mussten wir das fast auswendig lernen, mussten wieder hingehen, da haben s uns gfragt: “Na, Hannes, weisst du noch, was i erzählt hab?”, und da musste man alles erzählen. Und manchmal hat man’s gwusst und manchmal eben nicht. Und da musst ma einfach in d Schuel ga, so lang, bis mer das - ich möcht sage - grad uswendig könne händ, was man uns gsagt hat. Man hat uns erklärt, das dauert soundso lang, und dann, wenn wir auf das alles Antwort gebe könne, dann würde mer wieder in e Schuel höher neikomme, und dort würde man dann wieder Neues lerne könne und so. I hab dann gfragt, ob da alle, die in Himmel kommen, zuerst da in die Schul müssen; und ich hätt mir de Himmel doch anders vorgstellt. Ja, alle müsse lerne, alle müsse lerne. Und da hat man’s eso erklärt: Ma hat Zeichnunge gmacht, ma hat uns so nen Art e Kugel zeichnet, und bei der Kugel hat man so Streifen gmacht, und da hat ma gsagt: “Ja das is jetz e Plan, oder das is jetz e Stufe”, und da hat man das genau so bis nach obe eso zeichnet und hat gsagt: “Da komme jetz die Seele hin, die schon soundso viel glernt habe, und da komme die ganz fromme hin, und da kommen ebe die hin, die no eben so n hartes Herz ghabt haben.” Und so hat man alles erklärt. Sie haben uns die Zeichnung gmacht; da haben wir’s e wenig besser verstanden, indem sie dies alles gezeichnet haben. Man musste dann Hannes, 7. Januar 1959 129 lernen, es ist dann ganz energisch gworden. Man konnte dann nicht mehr machen, was man wollte. So hab i dann so einige Schulen gmacht. Dann hat man mi aus dem Haus rausgnommen und hat gsagt: “So jetzt, jetzt, Hannes, jetzt führen wir dich an ein Ort, wo’s besser ist; jetzt wirds heller. Jetzt kannst sehen, was Tag ist und was Nacht oder Nebel ist oder so.” Ja, und dann hat man mi plötzli so neigfüehrt, plötzli war i da, und s war so schön hell. Grüene Wiese hab i gsehn, das war vorher gar nid vorhanden! Und sogar Blueme hab i gsehn und Farben, alle Farben, die Häusle sind in verschiedene Farbe gwese. Ja, da hats mer scho besser gfallen! Und dann hat man mer erklärt: “Siehst, Hannes, auch da musst du jetzt zeige, dass du ne guets Herz hast. Als Mensch hast no kei guets Herz ghabt, und als du ins Jenseits komme bist, hast no die gleichen Fehler ghabt; da hast au alles selber wolle habe und hast den andere nüt wolle gebe. Jetzt muesst no zeigen, ob d jetzt so weit bist und den anderen au etwas gebe kannst oder ihne gönnst!” Jo - da war so ne ganz e länge Strass, dahinter grosse Garte und ei Häuserl am andern. Und in einem Häuserl, da waren vielleicht zwei oder drei. Jetzt hat man mi auch wieder in e Häuserl neigfüehrt; das war schön, das war wirklich schön, und da war i allein. Aber i hab schon dacht: “Aha, jetz bin i allein, und nachher kommen s dann und wollen s wissen, ob i jetzt mit den andern zsammen sein will!” Und so wars. Da sind s komme! Da hab i aber gsagt: “Willkomm!”, und hab s reinglasse und hab mit ihne gsproche. I hab mit ihne das erzählt oder von dem gredet, was me in de Schuel gredet, erzählt händ, was me glehrt worde sind. Da hab i dacht, i well wisse, ob die mehr könne als ich, ob die mehr wissen als ich. Da hab i festgstellt, dass die eigentlich no mehr wisse. Und dann hab i gsagt: “Ja, bleiben s nur und können s dableiben, solang s wollen, und da sollen s mir auch erzählen, was ihr wisst und könnt und so weiter.” Gut, diese sind geblieben, und ich hab mich dran gewohnt. Da han mer uns geeinigt: Wir wollen gmeinsam zsammenbleiben, keiner will den andern fortschicken, und wir wollen etwas tun. Da war eines dabei, ein weibliches Wesen, und hat gsagt: “Ja, es ist nit ei 130 Erlebnisberichte 1958-1959 gentlich nur so getan mit dem, was wir da sprechen und so. Ich weiss genau, wir müssen jetzt trachten, nach aufwärts zu kommen. Der Himmel ist gross, und da hat es viele Wohnungen; ich möchte da nicht die schlechteste Wohnung haben. Ich hab s Gfühl, es gibt eben noch schönere Wohnungen, und wir müssen frömmer werden, wir müssen beten, und wir müssen uns bemühen, e gute Gesinnung z pflegen. Wir müssen versuchen, das, was wir haben, das Gute, was wir erkennen, irgendwie abzutreten oder zu verbreiten. Ich glaube, dass das das Wichtigste ist, dass wir da dann zu grösserem Reichtum kommen, denn im Himmel ist das so.” Man hat mir dann erklärt, dass sie das gelernt hätten. Wir haben uns geeinigt, und dann musste ich noch vieles lernen - die haben noch vieles erzählt. Da sind s mit mer ggangen da in der Sphäre, won i neigfüehrt worde bin, und mer haben die andern in den andere Häuserl bsuecht und haben uns mitenander unterhalten, haben gfragt: “Könnt i dir en Dienst erweise, könnt i für dich etwas tue?” Und da haben die eine gsagt: “Ja” - dort hat man gsagt: “Nein.” Und man hat sich dann aber versuecht z verstehn, und man ist wie eine Gemeinde geworden, trotzdem da die kleinen Häuserl waren, wo nur eine kleine Anzahl von Geistern miteinander zu leben hatten. Aber wir waren alle zsammen einig und eine Familie. Dann hat jeweils einer von dieser Gemeinschaft - oder wie ich es nennen soll - das Wort geführt, und er hat mit uns gesprochen, und wir haben uns geeinigt, was wir nun aus eigener Kraft tun wollen. Das haben wir dann gut gmacht. Dann sind sie wieder kommen, diese beiden, auch der, der mi jeweils da gschüttelt hat. Und denn hat er gsagt: “Hannes, ja jetzt bist auf dem Weg, wo d aufsteigen kannst. Mer sind schon ganz ordentlich zfriede mit der. Jetzt musst aber das Häuserl wieder verlasse.” Und er wollte mich wieder woanders neiführe. Dann hat er mi aber zerst - mit den andern au wieder - in eine Schuel bracht und hat uns wieder Zeichnunge gmacht vom Himmel, wie mer de Himmel verstehen müessen. Er hat vo de viele Seele gsproche, wo da in den Himmel neikommen, und was da alles zuerst greinigt werden soll und so weiter. Ich hab dann schon nen Einblick bekommen, und i wusste dann: “Es gibt nit anders, als man muss folgen, man muess, Hannes, 7. Januar 1959 131 wenn man vorwärtskommen will, man muess folgen, und man muess überlegen und überwinden können.” Dann sin mer alle zsammen, von allen Häuserln, sin mer weg-gführt worden. Man ist mit uns glaufen, e schöne Strass entlang. Und wie mer so glaufen sind, hab i gfunden: “Es wird immer no schöner, es wird immer no heller.” Und wo me vorher nur so einige Blümchen gsehn haben, auf einmal warens ein ganzer Haufen von Blumen und viel mehr. Mer haben schöne Bäume gsehn, blühende Bäume, Bäume mit Früchten. Und da haben wir e Vorstellung kriegt: “Ah, jetzt eigentlich tret i erst in den Himmel nei, vorher bin i gar nid im Himmel nei gweä!” Dann hat man uns gsagt, ja, jetzt hätten wir die schlimmste Zeit überstanden. Aber jetzt, wenn s auch schöner werd, müssten wir aber auch grössere Anstrengungen unternehmen, und jetzt müssen mer fest und hart arbeiten. Mer müssen jetzt alles zeigen, was mer glernt haben und was mer können. Und da hat man uns gnau gsagt: “Da, Hannes, du hast diese Aufgabe, und der hat die Aufgabe.” So ist alls genau verteilt worden. Und da haben wir uns geinigt: “Wir wollen alles genau machen, alles genau!” Wir haben dann schon eingsehen: “Es gibt nit anders, man muess ghorchen, muess ghorchen. Jetz ist man im Himmel, ma muess ghorchen!” Und das habn mer tan. So sind s dann, diese Engel, immer wieder kommen und haben gsagt: “Ja, wir sind zfrieden mit euch, aber für das kannst schon noch etwas mehr Eifer zeigen; du kannst das schon, du hast Kraft genug”, und so. Mer waren ja zfrieden da, wo man uns heigstellt hat. Und zwar haben mer jetzt nicht nur e kleins Häuserl, wir haben all zsammen e schöns, grosses Haus, wir haben viel Wald dazu und haben Tiere dazu und Wiesen und Felder und alles. Dann hat man uns auch erklärt, dass wir jetzt unsere Aufgaben auch bei unseren Geschwistern im Erdenreich zu erfüllen haben, dass wir also auch dorthin gehen müssen. Man hat uns genau en Plan gezeichnet - ja, genau gezeichnet, wie mit einer Feder -, und man hat uns den Plan gegeben. Man hat uns gesagt: “Das ist deine Aufgabe, du gehst dahin, und du gehst dahin. Du hast diese Menschen und diese Häuser!” Alles hat man uns erklärt und aufs Gnaueste gsagt, was man zu tun hat und auf was man achten muss. 132 Erlebnisberichte 1958-1959 Das haben mer gmacht und sind wieder zruggkommen und mussten genau Rapport geben über alles, was gschehn ist, was mer gsehn haben, was me gfunde haben, was nid recht ist. Und so sind wir denn eigentlich so zu dene Erkenntniss komme und haben dann eingsehn, was damit gmeint war, dass man als Mensch e guets Herz haben soll und dass me nit sotti einfach nur immer zuerst alles für sich nehme, wie’s einfach üblich ist. So hat man uns das gnau erklärt, und wir habens dann auch erfasst. Wir haben uns getreu immer zusammengfunden und haben dann betet und gesungen und haben alles gmacht, was man uns gsagt hat. Dann, als ich so mitten drin war, da ist eine ganze Anzahl von ganz nobel gkleideten schönen Engel gekommen. Die haben da erhobenen Hauptes - möcht ich sagen - herumgschaut und haben dann einige rausgegriffen und gesagt: “Du stehst mal hier, und du, und du, euch brauchen wir jetzt.” Da haben sie auch mich rausgholt, und man hat mir eben diese Aufgabe ggeben, die ich jetzt heute Abend erfüllte; sie haben gesagt: “Du, du hast jetzt das zu erzählen, so gut du kannst, wie du da rüberkomme bist, wie’s der ggange ist, was denn für ne Meinung ghabt hast und wie du dich behauptet hast, wie ma di glasse hat und wie ma aber doch wieder eingschritten ist und di gholt hat.” Und das musst i jetzt ebe alles erzähle. Und in der Schul, der won i au jetzt noch gehen muess, da hat man mi schon unterrichtet, dass i wieder ins Erdenreich gehen muss - aber noch lange nit, noch lange nit; dass i no viel z lerne hab bis dahin, und das muess i no alles - ich möcht fast sage - auswendig lerne. I muess alles durch und durch noch aufnehme. I hab no viel z lerne; aber i bin bereit, ich weiss nun, wie’s ungefähr im Himmel aussieht und dass ma’s schön habe kann. Aber ma hat uns auch gsagt: “Die, die bös sind, die, die hinterlistig sind und die schlecht sind, die leben dann in einer ganz bösen, bösen Welt. Da kommen dann die Engel, und die schütteln dann nicht bloss, da geht es dann noch anders zu!” Dann hab ich dacht: “Ah, ja ich will versuchen, mir Mühe zu geben.” Ich hab so zurückdacht an mei Leben und was der Pfarrer alles gsagt hat - und so einiges davon hat gstimmt, und andres hat wieder nit gstimmt. Aber also, i weiss jetzt, wie’s im Himmel, da Hannes, 7, Januar 1959 133 won i duregschritte bin, ungfähr aussieht. Und das möcht i eben euch sagen, mei liebe Leut: Ihr sollt e guet Herz haben für alles, alles, e guet Herz. Und wenn ihr e guet Herz habt, dann habt ihr schon viel erreicht. Ihr werdet sehen. Aber man versteht eben viel unter dem “man soll e guet Herz haben”. Jetzt sagt man mir, es sei gnueg, was i eu alles erzählt hab. I hab nit so gut gsprochen, das müesst ehr verstehen, das kann i no ned - i werds scho noch lerne. Vielleicht gibts noch mal Glegenheit, aber i muss au da noch lerne, hab noch so viel, so viel zu lerne, so viel, so viel! Na, i geh wieder, und i hab no so viel, was ich noch zu lernen hab und zu tuen hab und z machen hab. I verabschied mich jetzt wieder, und wenn ihr was z fragen habt, dann steht euch schon jemand zur Verfügung, der euch das beantwortet. I kann euch nichts sagen - also: Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Meine lieben Geschwister, bewegen euch Fragen über das, was euch geboten wurde? Dann bitte ich euch, sie zu stellen. Lieber Josef, wir haben heute das erste Mal gehört, dass Wesen in diesen unteren Läuterungsstufen wirklich so handfest angefasst oder direkt geschüttelt werden von ihrer Aufsicht, von einem höheren Wesen. Josef: Ja, ihr müsst dies nicht in dem Sinne verstehen, dass dies in gröbster Weise getan wird. Man muss diese Wesen oft etwas anfassen, damit sie die Macht erkennen, die über ihnen ist. Es wurde euch ja berichtet, dass auch ein Engel da war, der sehr gütig und sehr milde war mit diesem Bruder. Dieser kam ja von unten herauf - aber er war nicht schlechten Willens; er hatte eben seine besondere Eigenart, aber man erkannte, dass er mit der Zeit doch auf die richtige Bahn zu bringen ist, dass man aber von ihm nicht zu viel verlangen kann. Man versucht nur das aus solchen Wesen herauszuholen, was möglich ist. Dies erkennen die Engel Gottes genau. Der andere Engel, der diesen Bruder nun etwas geschüttelt hat, ist ein gestrengerer Geist Gottes, der über dem andern steht. Diese Mil 134 Erlebnisberichte 1958-1959 den - wenn wir es so sagen möchten -, die Milde und Güte walten lassen, werden vorgeschoben; es sind oft Geister, die - sagen wir - noch nicht in der Weise den Engelsgrad erreicht haben; aber sie dienen im Heilsplane Gottes. Und nicht einem jeden Wesen ist es eigen, energisch vorzutreten. Dem einen liegt dies, es ist seine Gabe, alles energisch anzufassen, während ein anderes Wesen eben wieder mit einer gewissen Milde und Weichheit auftreten kann. Bei diesem Heimgekehrten war es nun eben notwendig, auf diese energische Weise vorzutreten, um von ihm den notwendigen Respekt zu erhalten. Dann hat es ihm einen grossen Eindruck gemacht, dass er so angefasst wurde? Josef: Ja, nicht nur das hat ihm Eindruck gemacht, sondern die ganze Erscheinung dieses Geistes. Denn dieser unterschied sich in seinem Aussehen und in seinem Ausdruck sehr von dem andern. Lieber Josef wir haben uns sehr gefreut über die Äusserungen von Hannes. Es scheint mir, dass es nicht nur für ihn, sondern für viele Geister in der jenseitigen Welt sehr schwer ist, mit andern Zusammenleben zu müssen. Josef: Oh ja. Es ist genau wie bei euch auf Erden. Aber es geht eben so, sie müssen sich daran gewöhnen - da gibt es kein Pardon. Josef: Ja. Es hat so ausgesehen, als ob das Haus, das Hannes gegeben wurde, ihm immer gehören sollte. Aber hatten die andern, die später gekommen sind, nicht auch das Gefühl, dass dieses Haus ihnen gehöre? Josef: Ja weisst du, es ist so: Der Erste, der von einem Gegenstand oder von einem Hause Besitz ergreift, der glaubt natürlich, Eigen Hannes, 7. Januar 1959 135 tümer davon zu sein. Und wenn nun Weitere kommen, so glaubt er, dass diese in zweit- oder drittrangigem Besitzrecht sind. Nun, das ist eben seine Auffassung. Es ist dies ja alles so wunderbar eingeteilt, und man prüft diese Geister. Wenn ihr aufmerksam zugehört habt, habt ihr doch gesehen, wie lange diesem Wesen Zeit gelassen wurde. Denn dieser Geist war doch noch so - ich möchte nicht gerade sagen: von Habgier ergriffen, aber er wollte seinen eigenen Besitz haben; er wollte zuerst für sich sorgen und niemand um sich haben, weil er das Gefühl hatte, er könnte zu Schaden kommen, man könnte ihn schädigen. Also, es fehlte ihm am Verständnis für den andern, an der Gastfreundschaft und auch an der Liebe. Überhaupt, er musste eben auf diese Weise so geführt und erzogen werden. Es sieht so aus, als ob er das Gute, das er jetzt tut, aus Pflicht tut, aber noch nicht aus Liebe. Josef: Ja, das ist so, es wird dies eine Zeit dauern. Doch wird er dann eben von all dem so durchdrungen, dass es ihm nachher zum Verlangen wird, es zu erfüllen. Was er jetzt vielleicht als Pflicht betrachtet, wird ihm dann mit der Zeit zum Verlangen, es auszuführen. Wir haben gehört, dass dieser Geist wieder ein Stück in seiner Entwicklung vorwärtsgekommen ist. Muss er nun das, was er im Jenseits gelernt hat, in einem nächsten Erdenleben noch erhärten? Josef: Es ist doch so: Jedes Wesen, gleich aus welcher Stufe es kommt, hat, wenn es wieder ins Erdenleben eintritt, kein Wissen mehr von den Schulungen, die es im Jenseits mitgemacht hat. Es weiss ja nicht, woher es kommt. Ein medialer Mensch kann es erahnen, erfühlen; er kann durch geistige Begleitung zu diesen oder jenen Ermahnungen und Einsichten kommen. Aber dieses sind im Grossen und Ganzen eben Ausnahmen. Wichtig ist aber: Was ein Geist im Jenseits erlernt und in vielen Prüfungen erreicht hat, muss er nun in einem neuen Erdenleben unter Beweis stellen. Hier 136 Erlebnisberichte 1958-1959 zeigt sich, ob er das Gelernte durchbringen kann oder ob diese Belehrungen doch nicht so durch und durch gedrungen sind, sodass er schon von den kleinsten Blendungen, die im Erdenreiche sind, überfallen wird; dann sind diese Belehrungen noch nicht so gefestigt. Nun, ihr könnt euch vorstellen: Wenn ein Geist in der geistigen Welt durch Schulen geschritten ist und Belehrungen erhalten hat und er im nächsten Erdenleben trotzdem überall durchfällt, dann wird die Läuterung anders ausfallen als bei einem Wesen, das diese Schulung noch nicht genossen hat. Dieser Bruder, der euch von seinen Erlebnissen berichtet hat, hatte ja - ich möchte fast sagen - trotz seiner Schwächen eine schöne Aufstiegsentwicklung; er musste nicht zu harten Arbeiten herangezogen werden, oder er brauchte nicht gebannt zu sein an ganz düstere und dunkle Orte. In erster Linie hat man mit ihm Verständnis gehabt; man wusste, man kann von ihm nicht so viel verlangen, man gibt ihm Gelegenheit im Jenseits. Wenn er dann aber dieses gelernt hat und man ihm zumuten kann: “Ja, jetzt sollst du es aufgenommen haben”, und er ins neue Erdenleben tritt und überall durchfällt, dann wird es ihm, wenn er wieder zu uns kommt, bestimmt nicht mehr so vorzüglich gehen, sondern man wird ihm sagen: “Du warst so gestärkt, wir haben von dir etwas anderes erwartet”, und dementsprechend fällt dann auch die Bestrafung aus; oder entsprechend seinen Belastungen, die er in seinem täglichen Leben auf sich legte, wird er in diese Läuterungssphären geführt und hat das eben mitzumachen. Lieber Josef, als dieser Geist zu höheren Erkenntnissen gelangte, konnte er - nachdem er ja vorher in einer nebligen Umgebung war - plötzlich Wiesen und Blumen sehen. War diese Gegend dieselbe, und war nur sein Auge geläutert, oder war er an einem ganz andern Ort? Josef: Nein. Es ist so, dieses ist für euch vielleicht eben auch nicht so gut verständlich: Eine Sphäre hat soundso viele Stufen, und - sagen wir - in der untersten Stufe ist es eben neblig und dunkel. Steigt ein Geist etwas empor, weicht dieser Nebel und diese Dunkelheit; Hannes, 7. Januar 1959 137 und wenn er - sagen wir - die oberste Stufe dieser Sphäre erreicht hat, so wird dieser Nebel weg sein. Also, er muss einmal die verschiedenen Stufen oder Ebenen seiner Sphäre durchschreiten, und diese sind nicht gleich. In den unteren Stufen ist die Umgebung - wenn ich das nach euren örtlichen Begriffen sage - von den Geistern Gottes so gestaltet worden, es ist in der Form verdichtet und das Licht entzogen worden. Die Wesen hier werden dann nach einer gewissen Läuterungszeit aus dieser Ebene heraus in eine höhere geführt, wo es wieder lichter und heller ist. Ich möchte aber einwenden, dass die Gottesengel - und es sind besondere Geister, die das tun - diese Sphären verändern können. Die Sphären im Geisterreiche Gottes ändern sich ja auch so ganz langsam. Wo in gewissen Ebenen oder in Verbannungen grössere Dunkelheit herrscht, kann nach bestimmten Zeitabläufen Licht hineinfliessen. Es wird also nicht mehr eine solch schwere Stufe sein, wo man eine solch schwere Entwicklung zu durchgehen hat. Das will aber nicht bedeuten, dass nun Menschen, wenn sie nach ihrem Erdenleben ins Jenseits kommen, davon profitieren könnten. Ich möchte so sagen: Die geistigen Sphären werden genau nach der Entwicklung der Menschen, nach ihrem Fortschritt oder Vorwärtsschreiten geändert, verändert oder umgewandelt. Jeder muss das erleben, was er erleben muss! Der eine muss eben von den Engeln Gottes etwas hart angefasst werden, ein anderer muss in die Gebanntheit, während man wieder einem andern liebevoll begegnen darf, ihn in ein Haus führen und dort pflegen darf. Es kommt ganz auf sein Leben an, auf seine Entwicklung, durch die er gegangen ist. Es wird jedem Gerechtigkeit zuteil. Ich danke dir, lieber Josef. Aber die geistige Welt betont doch immer, dass der Mensch den freien Willen hat - und nun betonst du ganz energisch, dass er muss... Josef: Da verstehst du etwas nicht richtig. Es ist doch klar, dass die Gotteswelt eine wunderbare Ordnung hat. Gott, das heisst seine Geisteswelt, muss oft da oder dort eingreifen, weil sich der Einzelne nicht vorwärtsfindet; so muss man ihn auf diese Bahn führen. 138 Erlebnisberichte 1958-1959 Ich möchte folgenden Vergleich ziehen: Es ist wie bei einem schwer kranken Menschen, der gerettet werden kann, wenn man ihn operiert. Wenn er sich nun weigert und seine Angehörigen aber erkennen, dass es zu seiner Rettung sein muss und er es gar nicht mehr erfassen kann, weil er nicht mehr in der Lage ist, klar zu sehen, was für ihn gut ist, so entscheiden sie für ihn und veranlassen eine Operation. In diesem Sinn entscheiden auch die Engel Gottes. Die betroffenen Geistwesen werden dann nachher ihre Zustimmung geben und zur Erkenntnis kommen, dass es für sie gut ist, was angeordnet wurde - genau wie der Schwerkranke, der nach einer Operation Erleichterung findet und wieder gesund wird und der dann seinen Angehörigen dankbar ist, dass sie diesen Schritt veranlasst haben. Es geschieht gar nichts Unrechtes, in keiner Beziehung! Dieser Hannes hat Mundart gesprochen wie in seinem Erdenleben. Kann man daraus entnehmen, dass die Geister in diesen niedereren Stufen noch mehr erdgebunden und somit an ihre frühere Sprache gebunden sind? Josef: Du musst bedenken, dass dieser Geist doch noch nicht allzu lange vom Erdenreiche weg ist. In den vielen Schulen, durch die er schreiten muss, wird er auch Unterricht erhalten, durch den er wieder eine gute Sprache findet. Lieber Josef wird Hannes noch anderswo Gelegenheit erhalten, Menschen von seinen Erlebnissen und Erkenntnissen zu berichten? Josef: Dies ist ein Geist, der - ich möchte sagen - immer noch sehr unter der Kontrolle der Engel Gottes steht. Man hat ein Auge auf ihm, weil man seinen guten Willen erkennt, aber auch seine Schwächen kennt. Er muss jetzt durch diese Schulen gehen; er muss genau das erfüllen, was ihm anempfohlen wird - das ist die geistige Schule. Und er sieht es ein, er hat sich dazu bekannt und hat beschlossen, es zu erfüllen; und er wird es auch in der Weise tun. Die Engel Gottes sind immer da; wenn solche Geistwesen etwas Un Hannes, 7. Januar 1959 139 richtiges machen, werden sie es ihnen sagen: “Das hast du falsch gemacht, das muss man so tun.” Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Hannes und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 140 Erlebnisberichte 1958-1959 4. Februar 1959 Amado - Vergeltung für unlautere Geschäfte und Hartherzigkeit Auf ruheloser Wanderschaft in einer unseligen Welt Kontrollgeist: Gott zum Gruss. Ich bin die Kontrolle. Meine lieben Freunde, es spricht wiederum ein Geist zu euch, und wir bitten um eure Aufmerksamkeit. Dies alles wird zugelassen zu eurer Belehrung. Gott zum Gruss. Amado: Gott zum Gruss. Liebe Geschwister, man hat mich beauftragt, zu erzählen, wie ich in die Geisteswelt kam und wie ich als Mensch gelebt. Ich möchte dies in kurzen Zügen tun, so gut es mir gelingt. Im Erdenreiche als Mensch liebte ich Geld und Gut, und ich hatte mir diese Mittel auch verschafft, wo es nur möglich war; denn für mich waren es Geschäfte. Ich wollte verdienen, ich wollte reich werden, und es kümmerte mich wenig, wem ich das Geld wegnahm - ob es den Armen oder dem Ärmsten war. Geschäft war für mich Geschäft, und so hatte ich einen Reichtum zusammengebracht. Ich hatte als Mensch nie ans Jenseits gedacht, an ein Weiterleben nach dem Tode. Ich hatte eine Mutter, sie war fromm, sie war gut. Mein Vater hingegen hatte die Geschäfte genauso getätigt wie ich, nur hatte er nicht so viel Glück - wenn man von “Glück” reden darf nach meiner heutigen Erkenntnis. Ich hatte Geld verdient - vom geistigen Standpunkte aus betrachtet nicht auf erlaubte Weise. Nun, ich wurde krank, und ich musste Abschied nehmen von dieser Welt. Als ich im Jenseits die Augen öffnete, stand meine Mutter vor mir: “Amado, du hast viel gesündigt”, sprach sie zu mir, “und deine Welt, wo du nun zu leben hast, wird nicht besonders schön sein. Du hast viel gutzumachen; du musst durch die Läuterung gehen, und es wird dir nicht angenehm werden.” Die Mutter weinte rich- Amado, 4. Februar 1959 141 tig, nicht nur wegen mir, sondern auch wegen Vater, Sie sagte, auch er sei irgendwo, und es sei ihr nur dann und wann erlaubt, zu ihm zu gehen. Sie habe aber besonders Bedauern mit mir; denn es sei sonst üblich, dass Engel Gottes die abgeschiedenen Seelen begrüssen, und bei mir sei nun keiner da gewesen. Es sei aber eine Notwendigkeit, dass die Engel Gottes um einen seien, denn nur durch sie würde man höhergeführt. Sie seien die Baumeister der göttlichen Welt, und sie müssten sich um den Einzelnen kümmern, ihm den Weg bereiten, ihm beistehen und helfen in allen Dingen. Diese Baumeister hätten so viele und wunderbare Aufgaben. Ja ich konnte keine richtige Vorstellung davon haben; ich war mir noch nicht so recht über meinen Zustand bewusst. Ich erkannte, dass ich weiterlebte. Ich tastete meinen Körper ab und sah, dass ich dieselben Hände und den gleichen Körper hatte wie vorher. Nur die Kleider waren nicht mehr dieselben, wie ich sie auf Erden trug; es war eine andere Art Stoff, und ich hatte ein ganz anderes Aussehen mit diesen Kleidern - obwohl, man trug ja auch als Mensch keine hellen Kleider, aber hier hatte ich das Gefühl einer gewissen Last. Als ich meine Augen geöffnet, hatte ich den Eindruck, als wäre ich krank. Meine Mutter sagte mir: “Du lebst jetzt weiter, du bist befreit vom irdischen Leibe, und deine Schmerzen, die du am irdischen Leibe hattest, spürst du nicht.” Und doch: Ich hob meinen Arm - als Mensch hatte ich einen gesunden Arm gehabt -, und hier fühlte er sich nun so schwer an. Ich versuchte zu laufen, und auch das fiel mir eigentlich sehr schwer. Ich empfand mich selbst als eine grosse Last. Es fiel mir schwer zu atmen, überhaupt mich zu bewegen. Nun, ich dachte mir: “Es wird anfangs so sein; nachher wird es wohl besser werden, wenn man sich an dieses geistige Klima und an diese Umgebung gewöhnt hat.” Die Mutter sagte zu mir: “Ja du wirst es schwer haben. Weisst, deine ganze Sündenlast trägst du mit dir. Du glaubst nun, dass deine Kleider dir diese Schwere verursachen, dabei ist es die Last, die du dir im Laufe deines Lebens aufgebürdet hast; die bekommst du jetzt tatsächlich zu spüren.” Die Mutter erklärte nun, sie könne nicht so lange bei mir bleiben, sie würde mich jetzt begleiten und mir einige Hinweise geben. Als fromme Frau und Mutter machte sie mich in erster Linie auf das 142 Erlebnisberichte 1958-1959 Gebet aufmerksam. Ich sollte zu Gott beten, ich sollte bitten, dass mir vergeben würde und dass die heiligen Engel zu mir kommen und mir Beistand geben würden. Ja, ich hatte anfangs keine solche Verbindung. Es bedeutete mir einfach nichts, zu beten, ich konnte es nicht, ich fand daran nichts Erbauendes, und mein Glaube war genauso gering wie als Mensch. Wohl erkannte ich, dass man da unter einer anderen Herrschaft lebt, aber es war mir einfach zuwider, ich konnte nicht beten. Ich dachte mir: “Gut, ich lasse einfach Zeit vorübergehen, dann werde ich vielleicht ruhiger, und dann wird es vielleicht schon Gelegenheit geben, und ich kann mich aufraffen dazu.” Aber noch konnte ich die Worte meiner Mutter nicht befolgen; ich tröstete sie sogar und sagte ihr: “Du sollst dich nicht um mich kümmern; ich werde jetzt mein Los eben tragen und werde damit schon fertig werden.” Die Mutter antwortete, dies sei nicht so einfach; ich solle einmal überlegen, wie unendlich lange dies dauern werde. Im menschlichen Leben habe man sogenannte Lebensabschnitte vor sich: Wenn ein Mensch jung ist, dann macht er sich Pläne für die Zukunft, was er alles erreichen und was er durchsetzen möchte, wohin er gehen und dass er eine Familie gründen möchte und so weiter. Er hat Pläne - man kann nicht sagen: ein Ziel; er kennt ja eigentlich das Ziel gar nicht, aber er macht sich Vorstellungen von etwas, und das vermag dem Menschen Kraft und Zuversicht zu geben. “So ist es im Menschenleben”, erklärte mir die Mutter, “und man klammert sich daran, dass es morgen besser wird. Und hier, in den Verhältnissen, wo du jetzt bist, kann man nicht mit dem Morgen rechnen; man kann nicht damit rechnen, dass es morgen besser wird, wenn man überhaupt nicht weiss, wie lange dieser Zustand geht. Im Menschenleben schätzt man die Jahre, wie alt man wird, und man kann dementsprechend so seine Pläne machen für das Leben; aber nun im Geisterreich kann man diese Pläne nicht machen, auf keinen Fall mit sich allein. Pläne machen”, so sprach sie zu mir, “kann man, wenn einem diese Baumeister, die Engel, zur Verfügung sind und sie mit Ratschlägen dastehen.” So sah sie für mich einfach keinen Ausweg; sie sah kein Morgen, auf das man sich freuen könnte, wo sich etwas erfüllen würde, und Amado, 4. Februar 1959 143 sie sagte: “Siehst du, in dieser Welt, wo du lebst, sind Häuser - wenn man von Häusern reden darf. Es gibt Strassen, es gibt Ströme, es gibt Wiesen” - Wiesen, die aber nicht das saftig schöne Grün aufweisen wie im Erdenreich; ja ich müsste sagen, sie sind so halb ausgedörrt, und dann und wann gibt es wieder ein Stückchen, wo etwas Grün hervordringt. Es gibt Wälder, doch sie sind niemals so schön wie auf Erden; dort sind sie viel schöner. Und doch - was wollte ich machen? -, dies sollte jetzt meine Welt sein. Ich dachte zurück an meinen Reichtum, den ich ja meinen Kindern zurückgelassen hatte. Aber ich selbst hatte gar nichts, aber gar nichts hatte ich. Die Mutter wanderte nun mit mir, und so kamen wir zu einem breiten Strome. Wir konnten hinübersehen auf die andere Seite, und da machte sie mich aufmerksam: “Siehst du, dort ist es hell und schön. Es gibt auch Wälder, auch Wiesen, aber sie sind in einem herrlichen Grün. Dort gibt es Blumen, dort ist die Welt viel schöner als im Erdenreich. Du kannst aber so, wie du jetzt bist, niemals über diesen Strom gehen, denn das ist die Grenze, das trennt dich von jenem Schönen. Was du jedoch kannst: Du kannst nur hinüberblicken zu den andern, die am Ufer stehen und herüberblicken, her über zu den Unseligen.” Und die Mutter offenbarte mir: “Siehst du, ich bin über diesen Strom gekommen. Komm, wandere mit mir ein Stück diesem Strom entlang, und du wirst sehen, auf welche Art und Weise ich ihn überbrücken konnte.” So wanderte sie mit mir, und so weit ich sehen konnte, auf meiner Seite, wo ich stand, war nichts als Einöde, Armut. Auf der andern Seite, da waren frisches Grün, schöne Bäume - eine schöne Welt. Ich ahnte es: Dort war Reichtum vorhanden. Nun kam ein Schiff über den Strom, und die Mutter sagte mir: “Mit einem solchen Schiff oder Kahn bin ich gekommen, und ich werde mit einem solchen wieder auf die andere Seite gehen. Ich kann nicht bei dir bleiben, ich muss wieder zurück.” Man rief sie, gab ihr das Zeichen, dass sie einsteigen soll; denn wir befanden uns in der Nähe des Schiffes. Die Mutter verabschiedete sich und bat mich, doch zu versuchen, innig und inständig zu beten und über das Leben nachzudenken. Das sagte die Mutter, und ich konnte 144 Erlebnisberichte 1958-1959 verstehen, dass sie so sprach; mir aber bedeuteten die Worte nichts. Ich konnte nicht beten, ich hatte keine Verbindung, kein Verhältnis zu Gott. So verabschiedete sich meine Mutter von mir, und mit vielen andern zusammen, die auch am Ufer dieses Stromes gewandert waren, stieg sie in das Schiff, und es ging auf die andere Seite mit ihnen. Sie winkten uns zu, und wir konnten auch sehen, wie sie ausstiegen. Sie winkten uns noch lange, lange zu. Ich setzte mich zuerst nieder am Ufer und blickte so in die Weiten, in jene andere, schöne Welt, die für mich nun geschlossen war. Es war mir klar, dass ich zu viel an Unrecht getan haben musste und diese Welt eben für mich noch weit entfernt war. So sann ich lange, lange, bis ich mich dann doch entschloss, diese Umgebung, die nun meine Heimat sein sollte, näher zu betrachten. So versuchte ich doch in erster Linie Kontakt zu bekommen, denn ich war ja nicht allein hier, es waren ja so viele da. Ich dachte mir: “Ach, sie sind alle die gleichen Sünder, sie sind alle gleich weit entfernt von Gott, zu dem wir nun hinzukehren haben.” Ich überlegte mir, dass es ihnen genauso schwer sein würde wie mir und genauso unmöglich, sich jetzt plötzlich zu ändern in ihrem Denken, und man jetzt eben auszuharren hätte. Nicht eine Spur leichter wurde mir meine Bürde, sondern ich fühlte mich einfach so schwer. Aber ich gewöhnte mich daran, ich konnte meine Last also tragen. So nahm ich Kontakt auf mit den andern. Aber - vielleicht hatte ich Pech - wo ich auch versuchte, mit einem zu reden, wandte man sich nur von mir ab; nicht etwa deshalb - wie ich das Gefühl hatte -, weil jene höher oder über mir stehen würden, sondern einfach, weil sic missmutig, ungeduldig und unzufrieden waren und selbst nicht ein und aus wussten. Da habe ich es einige Male probiert, und immer wieder passierte es mir: Niemand wollte eigentlich von mir etwas wissen. Es war mir aufgefallen, dass man gar keinen näheren Kontakt unter diesen Wesenheiten sah; es waren sozusagen die meisten Einzelgänger. Wo zwei oder drei zusammen waren, da hielten sie zusammen, aber kümmerten sich nicht um andere, gaben anderen auch kaum eine Antwort. Also ich war mir bewusst: Ich lebe jetzt in einer Welt der Unseligkeit. Mein irdischer Reichtum ist zerronnen, und geistige Schätze Amado, 4. Februar 1959 145 habe ich keine. Ich sollte also wandern und sah nun, wie die einen der Wesenheiten hier in Gärten lagen; sie hatten sich so etwas zurechtgemacht, und ich hatte das Gefühl, dass dieses Stück Garten nun ihr Eigentum wäre. Ich bin auch da und dort in ein Haus eingetreten und habe gefragt, ob wohl ein Platz frei wäre. Man hat mich kaum angesehen, mir kaum Antwort gegeben, aber man hat mir zu verstehen gegeben, dass man von mir nichts wissen wollte und ich also unerwünscht sei. So wanderte ich also weiter und fand einen Garten. Garten ist vielleicht zu viel gesagt; es war ein Stück geistige Erde, das begrenzt war. Und ich versuchte mich da auf diese Erde niederzulegen, denn ich musste einmal meine Last niederlegen; ich fühlte mich ja überaus müde. So lag ich da einige Zeit auf dieser Erde. Dann kam einer auf mich zu, ganz energisch, und komplimentierte mich aus diesem Garten hinaus, und zwar ganz unsanft - von Anstand, wie man es unter den Menschen so einigermassen gewohnt ist, war keine Rede. Ich musste also fort, er jagte mich davon. Und, was wollte ich tun? Ich sagte ihm, ich sei der Meinung gewesen, dass dieses alles doch Eigentum des lieben Gottes sei und dass doch wohl ein jeder das Recht hätte, sich auf den Boden zu legen, der doch Eigentum vom Herrgott sei. Man hatte diese Worte kaum beachtet oder gehört; ich bekam es nur zu spüren, dass ich unerwünscht war und dass ich mich davonmachen sollte. Also davonmachen - meine Last war ja schwer... So ging ich weiter, und ich ging in die Nähe des Waldes. Also “Wald”... - es waren Bäume, so halb abgedorrt. Da fand ich auch einen Flecken, der frei war, und ich legte mich da nieder. Es dauerte wiederum nicht lange, kam man wieder, und man schickte mich wieder fort, und zwar sehr unliebsam und energisch. Ich sagte ihnen, man sollte doch etwas mehr Anstand haben und Verständnis und dass es doch wohl nicht mehr als recht wäre, dass auch ich Anteil hätte und mich niederlegen dürfte. Da sagte man zu mir, sie seien schon längst hier, dies wäre ihr Eigentum und es hätte kein anderer Einlass hier. Ja in Streit kommen konnte und wollte ich nicht, und ich ging weiter. Ich wanderte noch kreuz und quer. Da sah ich auf dem Boden ein grosses Stück Tuch oder Stoff liegen, das bestimmt einmal einer Seele als Überwurf gedient hatte. Ich dachte 146 Erlebnisberichte 1958-1959 mir: “Nun, ich bin nicht mehr so empfindlich, was ich da über meine Schultern lege, sondern es soll recht und gut sein für mich. So habe ich wenigstens etwas, das ich auf diesen rauen Boden zu legen habe, und ich kann mich dann doch einmal etwas ausruhen.” Ich hatte die Absicht, mich eigentlich in diesem Stück Stoff zu verhüllen. Ich nahm es mit mir, und vorsichtigerweise wanderte ich von diesem Flecken weit weg, denn ich dachte: “Vielleicht ist es ja wieder so, dass einer kommt und sagt: ‘Das gehört mir.’” Ich hatte aber dieses Stück Stoff vorsichtshalber vorher eine Zeit beobachtet, ob da wohl jemand in der Nähe wäre, dem es gehören würde, doch ich fand niemand, der da seine Aufmerksamkeit auf dieses Stück Stoff richtete. So habe ich es mir angeeignet und bin dann eben weiter weg gewandert und habe wieder einen neuen Flecken gefunden, wo ich glaubte, meine Ruhe zu haben. So habe ich dieses Stück Stoff auf den Boden gelegt und mich sozusagen darin eingewickelt. Ich wollte einmal Ruhe finden und hoffte nun, dass mich die andern vielleicht nicht als Neuling erkennen und mich in Ruhe lassen würden. Nun, es ging wiederum nicht lange, kam man zu mir und zupfte unsanft an diesem Tuch. Das betreffende Wesen, das dies tat, sprach: “Na, da liegt einer und sieht aus wie ein Gespenst.” Nun, ich hatte ja alles gehört, und was wollte ich machen? Ich versuchte, meinen Stoff zu behalten, und sagte: “Ich habe ihn gefunden, glaubte, dass er niemandem gehören würde und er mir gute Dienste leisten könnte.” Da sprach der andere: “Das würde dir gefallen! Dieses Stück Stoff ist mein Eigentum, ich brauche es, gib es her.” Kaum gesagt, hatte er es schon mit sich genommen, und ich war wieder da - und hatte nichts. Ich fing so langsam an, darüber nachzudenken: Überall werde ich verjagt, nirgends bin ich willkommen; nicht einmal einen lumpigen Stoff gönnt man mir, auch den nimmt man mir noch weg. Und so dachte ich: “Ja, so hast es du getan mit deinen Geschäften, alles war dir recht, um Geld zu gewinnen, alles hast du genommen; und jetzt geht es dir in selber Weise: Alles wird dir genommen. Eine Verachtung liegt auf mir. Und nirgendwo finde ich Ruhe, ich werde gehetzt und finde keinen Platz - und doch bin ich dazu verurteilt, in dieser Welt zu leben. Ich werde also gehetzt von meinen eigenen Amado, 4. Februar 1959 147 Brüdern, die in gleicher Art belastet sind wie ich.” Ich machte mir ja weitere Gedanken darüber, was die Mutter mir über die Engel gesagt hatte; ich überlegte mir, wenn diese Baumeister der Geisteswelt, die den Seelen die Wege ebnen und ihnen zur Arbeit verhelfen, kommen, so müsse es doch bestimmt so sein, dass einmal da oder dort eine Seele geholt würde, die bestimmt nun abgetragen habe und höhersteigen könne, und dass dann so ein Stücklein Erde frei würde. In dieser Hoffnung, dass ich doch einmal all das, was ich auf mich geladen hatte, ablegen könne, wanderte ich aufs Neue. Denn ich musste ja gehen, nirgendwo liess man mir Ruhe. Wandern konnte ich schon, so viel ich wollte; da liess man mich in Ruhe. Aber das war es ja: Das Wandern machte mir Mühe, denn meine Last war zu schwer. So dachte ich mir: “Gut, ich gehe jetzt in diesen Wald hinein, sicher ist hier nicht jeder Flecken besetzt.” Ich sah ja unendlich viele, wie sie herumlagen; sie stöhnten, sie weinten, andere knieten und beteten und flehten zu Gott um Vergebung und um Hilfe. Nun, ich fand auch noch einen kleinen Flecken, und ich legte mich da hin. Doch ich hatte wieder keine Ruhe. Von allen Seiten tönte es: “Du hast hier nichts verloren, mach dich auf und geh davon! Wir haben selbst zu wenig Platz, was willst du uns noch den Platz wegnehmen.” Ich glaubte nun, Recht zu haben und mich behaupten zu dürfen, und sagte: “So ihr das Recht habt, hier zu bleiben, so habe ich das Recht, hier zu bleiben, denn schliesslich hat man mich hierher gesandt.” Und sie antworteten: “Nein, du brauchst gar nicht hier zu sein, denn du kannst wandern. Diese Welt ist unendlich gross, und du findest noch genügend Platz. Du bist jetzt eben an einer Stätte, die dicht besetzt ist. Du kannst aber weitergehen, weiter dem Strom entlang, dann wirst du noch genügend freien Platz finden.” Ja, das war es ja gerade: Wandern sollte ich, was mir zur Last war. Ich sollte so richtig die Bürde des Lebens zu spüren bekommen, die ich mir aufgeladen, und das Unrecht, ach, wurde mir so vor Augen geführt. Ich musste jeweils an diese und jene denken und brachte die Bilder nicht mehr los, wie ich da und dort einen Menschen auch betrogen hatte. Und was sollte ich machen? Ich wusste, ich war voller Schuld; aber ich sah keinen Ausweg. So kamen diese andern 148 Erlebnisberichte 1958-1959 auf mich zu, sie standen auf und wurden - ich möchte fast sagen - handgreiflich gegen mich; sie jagten mich fort, es wäre anderswo genug Platz, und sie wären schon längst hier, ich solle nur dem Strom entlanggehen. Dann ging ich mühsam. In diesem Walde fand ich ein Stück Holz, es diente mir als Stütze, denn meine Last war schwer. Ich wanderte, wanderte, und mit dieser Last beugte ich mich, ich kniete nieder und betete: “Lieber Gott, wenn es dir möglich ist, erleichtere mir doch meine Last. Ich will gerne bereit sein, hier zu leben und gutzumachen, doch nimm etwas von der Schwere meiner Bürde.” So kniete ich nieder und betete. Ich kam mir schlimmer vor als ein Bettler auf Erden; ich war verwahrlost, ganz verwahrlost. Ich raffte mich wieder auf, ging abermals ein Stück des Weges, kniete wieder nieder und betete aufs Neue: “Gib mir Kraft, Vater im Himmel, wenn es so ist, dass du so gütig bist, und schick mir jene, die mir helfen, die mich stützen.” Ich konnte mich umsehen, wie ich wollte, ich sah nichts anderes als leidende Geschwister; ich sah alle in einer Not und Bedrängnis, wenn auch nicht genau in derselben Art. Mit der Zeit erreichte ich jenen Platz, der nicht mehr so dicht gefüllt war. Aber es vergingen, wenn ich es vielleicht nach menschlicher Berechnung sagen soll, Jahrzehnte, bis ich diesen Platz gefunden hatte, der etwas gelichtet war. Ich fand ihn, und ich war so müde; ich legte mich nieder, und meine Last war um kein Jota geringer. Nun, die Abstände, in denen sie hier lagen, waren grösser. Dann rief man mir zu: “He du, Bruder, du bist ja derselbe Sünder wie wir. Ja, hätten wir es gewusst, wir hätten anders gelebt. Aber nun, hier haben wir unsere Ruhe und werden von den andern nicht mehr gejagt und geplagt. Hier können wir tun, wie wir wollen; wir können ja immer liegen, so spüren wir die Last weniger.” Ich fand das jedoch furchtbar; ich konnte doch nicht auf eine Unendlichkeit hinaus immer am Boden liegen und nicht sehen, was das Morgen bringt, nicht wissen, was morgen ist. Und so gab es für mich doch nichts anderes: Ich freundete mich immer mehr mit dem Gedanken an, mein Unrecht einzusehen und Gott zu bitten, dass er mir Hilfe sende. Ich hatte den Wunsch, dass meine Mutter wieder in meine Nähe komme. Nun aber, ich dachte: “Ich bin ja so weit Amado, 4. Februar 1959 149 weggelaufen, und wenn die Mutter kommt und ihr Kahn wieder am selben Ort hält, wo sie das erste Mal zu mir gekommen ist, findet sie mich ja nicht in dieser ungeheuren Schar von Unseligen.” Und so betete ich: “Ach, liebe Mutter, komm doch zu mir.” Nun, als wir so traurig beisammen waren und jeder in seinem Gebete versunken war und man um Hilfe flehte, da rief auf einmal einer, der da lag: “Seht dort, dem Strom entlang, ich sehe ein Schiff! Das ist doch sonst nicht üblich, dass sie hierherkommen.” Und plötzlich konnten sie alle, die sich auch so müde und krank fühlten, aufstehen. Auch ich stand auf, ja, ich hatte das Gefühl, von meiner Last wäre weggenommen worden. Und wir humpelten und krochen, und so fanden wir zum Strand. Das Schiff kam uns ja entgegen. Es war so hell in seinen Farben, und die Gestalten darauf winkten uns zu und kamen uns immer näher; sie waren so farbenreich gekleidet. Bald hörte man Worte, und ich passte gut auf, ob wohl auch mein Name zu hören wäre. So hörte ich da einen neben mir, der rief: “Nun, meine Schwester kommt!”, und ein anderer: “Meine Mutter kommt!”, ein Weiterer: “Mein Vater”, und so fort. So riefen sie. Plötzlich hörte ich meinen Namen laut, laut rufen: “Amado, Amado.” Und ich eilte, ich eilte in die Nähe dieses Schiffes, ich spürte nichts mehr von meiner Last. Wir hatten nur zu staunen - das Schiff war bekränzt, es war so schön, im vollen Licht. Die Wesenheiten stiegen aus und eilten auf uns zu. Ich sah auch meine Mutter, und ich fand sie noch viel schöner als das letzte Mal; sie war viel schöner gekleidet, mit Blumen geschmückt. Ich staunte. Sie kam und nahm mich in die Arme und sagte zu mir: “Amado, die schlimmste Zeit ist für dich vorüber. Wenn das nächste Mal der Kahn anlegt, wirst du mitgenommen. Doch dieses Mal gelingt es noch nicht; ich habe nur den Auftrag, dir diese Kunde zu bringen.” Ich freute mich, und ich sah, die andern jubelten auch, sie jauchzten und sangen - sie fühlten sich plötzlich gesund. Ich sah, wie einem neben mir, der behauptet hatte, dass er nicht stehen könne, dies plötzlich ohne Weiteres gelang. Und so war eine unglaubliche Freude des Wiedersehens mit den Verwandten, die man ja so unendlich lange nicht mehr gesehen hatte. 150 Erlebnisberichte 1958-1959 Nun, ich fragte: “Mutter, bleibst du lange bei mir?” Und sie antwortete: “Eine Zeit lang. Wir alle, die wir gekommen sind, ziehen wieder gemeinsam zurück. Man wird uns kundtun, wenn es so weit ist, dass wir wieder ins Schiff zu gehen haben.” Aber vorerst öffnete sie nun ihren Mantel und entnahm daraus wunderbare Früchte, Früchte, die ich nicht kannte, die man wenigstens im Erdenreiche nie gegessen hatte. Sie gab mir davon, und ich ass; und nicht etwa ich allein erhielt etwas. Wo wir hinblickten - ach, könntet ihr dieses Bild sehen! -, da knieten sie, diese herrlichen, schönen Gestalten neben diesen Ärmsten und öffneten ihre Taschen. Die einen hatten Balsam bei sich; mit diesem köstlichen Balsam strichen sie den leidenden Seelen über die Stirn, rieben ihnen die Hände und Füsse, das, worüber sie klagten, dass es sie schmerze. Sie kräftigten sie, gaben ihnen zu trinken und sagten: “Wenn du jetzt davon trinkst, wirst du von deiner Krankheit nichts mehr spüren, auch nichts mehr von deiner Last.” So gab mir die Mutter zu essen und zu trinken. Ich erhob mich, und ich jauchzte und sprang, und ich war so leicht - nichts war mehr da von einer Last. Wir waren alle zusammen glücklich, wir, die wir in dieser Abgeschiedenheit waren, die wir von den andern verjagt worden waren und unter diesen Schmerzen, unter diesen Lasten so hatten wandern müssen, denen doch nichts anderes übrig geblieben war, als zu gehen - wir waren die Gejagten. Nun war Befreiung gekommen. Dazu ist zu sagen, dass eben ein jeder von uns den Weg gefunden hatte, dass er sein Unrecht eingesehen, zu Gott um Vergebung, um Verzeihung gebetet und sich gesagt hatte: “Ich bin gerne bereit, hier zu leben, es ist mir ganz gleich, nur befreie mich von der Schuld und von der Last, die auf mir liegt.” Nun sind sie gekommen, die Unseren, und haben uns befreit. Sie haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass die Engel Gottes kommen würden. Sie würden dann mit uns zu reden haben, und sie würden das Weitere unternehmen. Doch nun genüge diese frohe Kunde, die sie gebracht; sie hätten uns nun gestärkt. Und so wanderten wir in Freude dem Strom entlang. Die andern, die uns sahen, die Unglückseligen, zu denen noch niemand gekommen war, blickten uns wehmutsvoll nach. Ihre Hände griffen nach uns, und sie Amado, 4. Februar 1959 151 baten uns: “Denkt doch auch an uns - gedenkt auch unser! Wenn ihr frei seid, versucht für uns zu wirken.” Wir lächelten, und wir versprachen es zu tun. Nun sagte die Mutter, es wäre wohl bald wieder so weit, wir müssten uns wieder in die Nähe des Schiffes begeben. Ich hatte ja so unendlich viele Fragen an sie, wo sie denn bis jetzt gewesen und warum sie nie früher zu mir gekommen, und warum ich so gejagt worden sei und wieso sie mich in dieser Abgeschiedenheit unter diesen unendlich vielen Seelen gefunden habe. Sie erklärte es mir und gab mir Antwort auf alles. Dann gab es ein Glockenzeichen, und wir mussten uns verabschieden; doch dieser Abschied fiel uns nicht schwer, denn wir waren erfreut. Es war uns jetzt ganz klar, dass die Befreiung, die gänzliche Befreiung, nicht mehr weit sein könne, und wir waren überaus glücklich, unsere Bürde losgeworden zu sein. So gingen sie, traten wieder auf das Schiff, und wir winkten ihnen nach. Sie sangen, und wir riefen ihnen zu: “Auf Wiedersehen!” So entschwand uns das Schiff, das heisst, wir konnten ja auf die andere Seite sehen; wir konnten sehen, wie sie ausstiegen, und wir sahen diese gewaltigen Massen von Wesen auf der andern Seite. Aber jene mussten glücklich sein, denn die Farbenpracht war über diesen breiten Strom hinweg zu erkennen. Wir wollten uns jetzt nicht mehr so auf dieser geistigen Erde wälzen; wir waren nun gesund und frei. Wir berieten zusammen, was zu tun sei; wir hofften ja und warteten nur noch auf die gänzliche Befreiung. Einige meiner Geschwister setzten sich unten an den Strom. Sie gingen am Ufer auf und nieder und warteten jetzt, bis sie geholt würden. Ich dachte mir: “Ja, das kann doch noch eine Zeit dauern”, und ich ging dann wieder einwärts zu jener unseligen Stätte hin, zu den Unglücklichen, denn ich dachte mir: “Meiner hat sich niemand angenommen, ich bin nur fortgewiesen worden, ich bin nur gejagt und geplagt worden. Vielleicht hat es Seelen, denen geht es genauso.” Ich wusste: Ja das, was ich erlebt hatte, war die Vergeltung. Ich hatte als Mensch andere gejagt, geplagt, ich hatte ihnen genommen, was ich konnte, und so ist es mir dann gegangen. Den Lumpenstoff hat man mir genommen, gejagt hat man mich von einem Platz zum andern, und mit unendlichen Mühen hatten ich und 152 Erlebnisberichte 1958-1959 meine gleich belasteten Geschwister einen Platz gefunden, eine Stätte. Wir haben sie erst dann gefunden, als wir auf dem Weg des Schmerzes etwas abgetragen hatten, als wir durch unseren Schmerz und unsere Last zur Einsicht gekommen waren, als wir auf die Knie niedergesunken waren und Gott um Hilfe angefleht hatten. Von jenem Zeitpunkte an hatte für uns ein neuer Tag begonnen. Wir konnten um ein Morgen ahnen und hoffen, dass es besser würde. Und so war es auch. Ich aber habe mich zu diesen Ärmsten hinbegeben und habe dort einen flehen hören. Ich bin zu ihm hin und habe ihn getröstet. Auch er sagte: “Gott ist für mich ja so unendlich weit entfernt, ich kann ihn ja nie finden.” Und ich musste ihm sagen: “In deiner Seele ist er noch weit entfernt. Er wird dir dann nahe sein, wenn du einsichtig wirst, wenn du erkennst, dass du wirklich Unrecht getan hast. Wenn du das Verlangen hast, dass Gott dir Hilfe gibt, dann wirst du auch auf morgen hoffen können.” Ich ging von einem zum andern. Der eine konnte das nicht verstehen, der andere hingegen hörte mir aufmerksam zu und fragte: “Ja, ist es dir gleich ergangen wie mir?” Und ich musste ihm gestehen: “Bestimmt. Meine Last war bestimmt noch schwerer als die deine. Ich habe so die Erlösung gefunden, durch die Änderung meiner Gesinnung, durch das Verlangen, in Gottes Nähe zu kommen, ihn anzuflehen um Hilfe. Und diese Hilfe erhielt ich.” Derjenige, der mich so gefragt hatte, war bemüht und sprach: “Auch ich will es tun, genau wie du es getan.” Ich sagte ihm: “Ich bin gelaufen mit meiner Bürde, bin wieder niedergesunken und habe gefleht.” Und auch er versprach es zu tun. Dann hörte ich meinen Namen rufen, und zwar nicht von meiner Mutter, sondern von den andern, mit denen ich in dieser Ein öde lebte. Sie riefen mir zu: “Schau einmal dem Strom entlang, ein wunderbar geschmückter Kahn nähert sich dem Ufer! Ist wohl für uns die Zeit nahe?” In grosser Eile gingen wir zu diesem Kahne hin, doch wir sahen niemanden, den wir kannten. Nicht unsere Mütter oder Verwandten waren da, wie wir erhofft hatten. Da kam es mir in den Sinn; meine Mutter hatte doch gesagt: “Amado, die Engel Gottes werden kommen und das Weitere mit dir erfüllen.” Also waren das die Engel Gottes, und wir waren etwas scheu; wir waren Amado, 4. Februar 1959 153 nicht so wie bei den Unseren, wir waren gehemmt, denn wir sahen in ihre Gesichter. Sie waren streng, ihre Augen gross, leuchtend, geradeaus gerichtet - strenge Gesichter, edle Gestalten waren es. Wir hatten uns alle zu einer Gruppe zusammengetan; wir hatten nichts anderes und hielten einfach die Hände empor zum Zeichen der Ergebenheit und des Flehens, dass wir um ihre Hilfe bitten würden. So kamen sie zu uns hin, und ein jeder von uns wurde an den Schultern gefasst. Es waren genauso viele Engel da wie befreite Seelen. Sie nahmen uns am Arm, und es war mir schon nicht so gemütlich - während ich mich bei meiner Mutter geborgen und wohl gefühlt hatte. Der Engel sprach zu mir von meinem Leben, von meinen Lasten und Schulden, die ich mir aufgeladen hatte, und er sprach von Gottes Gerechtigkeit. Er sagte mir, wie lange ich nun hier in dieser unseligen Welt habe leben müssen, und er sprach: “Jetzt kommst du mit mir auf den Kahn, genau wie die andern. Dann gehörst du zu jenen seligen Geistern, die du jeweils beneidet hattest.” Jeder von uns erhielt nun ein neues Gewand. Die Engel hatten ein solches über ihrem Arm, und sie zogen es uns an - und sonderbar: Bei der ersten Berührung fühlten wir uns nicht mehr so dunkel und so düster. Ich hatte das Gefühl, meine Hände seien so schön geformt wie nie zuvor. Ich glaubte, es hätte sich in allen Dingen eine Wandlung an mir vollzogen. So mussten wir, die wir zusammen gelebt hatten, einander doch Komplimente machen und sagen: “Ja du siehst nun plötzlich jung aus, ich hätte dich fast nicht mehr erkannt - ist das möglich!” Also nicht nur die Hände hatten sich veredelt, sondern unser Gesicht hatte einen ganz anderen Ausdruck bekommen. Es waren nicht mehr diese harten, vergrämten Gesichtszüge, sondern sie waren weich geworden. Wir wurden plötzlich schön zum Ansehen; ein jeder behauptete dies wenigstens vom andern. Und die Engel, die neben uns standen, sie freuten sich über unser kindliches Reden. Ihr könnt wohl nicht ahnen, wie es uns zumute gewesen war. So hatte also jeder ein neues Gewand erhalten. Es war nicht mehr dieses eintönige und schmutzige Kleid; es war ein farbenreiches, schönes Gewand. Diese Gewänder sehen nicht aus wie diejenigen der Menschen, wie sie sie tragen. Die Stoffe sind farbig durchwirkt, 154 Erlebnisberichte 1958-1959 sie sind schön - ich kann es nicht erklären, und ihr könntet es nicht verstehen. Wir freuten uns, und wir hatten das Gefühl, dass man uns wie gekrönt hätte, wir kamen uns wie die Fürsten vor. Und so nahmen sie uns auf ihren Kahn, und wir durchquerten den Strom. Wir waren neugierig, was alles auf dieser anderen Seite war, auf die wir jeweils so wehmutsvoll hinübergeblickt hatten und von der wir wussten: “Dort ist man glücklich.” Da standen sie nun, unsere Verwandten, unsere Lieben, meine Mutter. Und wie der Kahn hielt und die Engel mit je einem Schützling ausstiegen, da kamen diese Verwandten. Es kamen so viele Engelwesen, von denen ich erst später erfuhr, in welcher Beziehung man mit ihnen steht. Meine Mutter hatte einen grossen Kranz geflochtener Blumen für mich, und sie legte ihn mir auf die Schultern. Jedes der Angehörigen hatte Blumen für das neu Angekommene, und es war ein Jubel, eine Freude! Es wurde geklatscht, es wurde gesungen, und es waren so viele da. Wir brauchten uns gar nicht zu schämen. So wie wir früher ausgesehen hatten, hätten wir uns zu schämen gebraucht; aber es wäre ja ganz unmöglich gewesen, in einem solch düsteren Aussehen in eine solche schöne Welt zu kommen. Jetzt jedoch waren wir gleich wie die andern, genauso schön gekleidet. Man führte uns nun zuerst zu einem Tempel hin. Er war ganz in der Nähe, in einem kleinen Wald oder in einer kleinen Allee. Dort traten wir ein und trafen wiederum wunderbar gekleidete Engelwesen; sie standen den Wänden entlang. Als wir, eines nach dem andern, mit einem Engel eingetreten waren, fingen sie an zu singen, und wir nahmen da Stellung auf. Vor uns stand ein ganz erhabenes Engelwesen. Es sprach nicht viel der Worte; es begrüsste uns in dieser neuen Welt und erklärte uns, dass diese Welt, in die wir eingekehrt seien, nicht eine Welt sei, wo man nicht zu arbeiten brauche. Da, wo wir bis jetzt gewesen waren, hätten wir nicht arbeiten müssen, aber unser Los sei schwer gewesen. Jetzt wäre es uns leichter, und wir hätten verschiedenenorts Zugang, aber unsere Aufgaben würden erst jetzt beginnen. Jetzt müssten wir uns um geistigen Reichtum bemühen, um wenigstens etwas zu gewinnen, was üblicherweise von einem Menschenkind verlangt wird, dass es dies schon mitbringt ins Reich Gottes. Der erhabene Engel erklärte uns, Amado, 4. Februar 1959 155 wir würden nun zu den Aufgaben hingeführt; es würden anfangs nicht schwere Aufgaben sein, doch mit der Zeit, je nach unserem Können, nach unserem Eifer und unseren Leistungen, würden wir immer zu schwereren Problemen und Aufgaben hingeführt. Man fragte uns, ob wir gewillt seien, diese Aufgaben, die an uns gestellt werden, zu erfüllen. Ein jedes von uns musste mit seinem Begleiter, also mit dem Engel, vor diesen erhabenen Fürsten hintreten, ihm die Hand reichen und ihm versprechen: “Ich will es tun, ich will gehorchen, ich will dienen für Gott und für alle.” Jedes gab dieses Versprechen, und wir zogen aus diesem Tempel hinaus und wurden dann eingewiesen in die Häuser zu unseren Familien, wo wir künftighin zu wohnen hatten, wo wir ein und aus gehen, von wo aus wir zu den Aufgaben hingehen. So, meine lieben Freunde, habe ich versucht, eigentlich ja nur mit wenigen Worten das Geschehen im Jenseits nach meinem Erdenleben zu schildern. Ihr könnt nicht ahnen oder fassen, was es bedeutet, wenn man - sagen wir - in einer solch kurzen Zeit etwas zu schildern hat, was vielleicht siebzig oder achtzig Jahre gedauert hatte. So können wir Geister euch ja nur einen Einblick geben in die schwere Zeit, die man durchgehen muss, wenn man im Erdenreiche versäumt hat, den Willen Gottes zu erfüllen, und seine Gesetze missachtet hat. So habe ich meine Aufgabe an euch erfüllt auf Wunsch des Engels, unter dessen Führung ich stehe. Ich ziehe mich zurück, und ich erbitte für euch den Segen Gottes, dass ihr die Erkenntnis gewinnt, das richtige Leben zu leben. Gott möge euch segnen. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Meine lieben Freunde, dieser Geist hat ausführlich von seinem Erlebten erzählt. Die Zeit ist vorgerückt, und ich weiss nicht, ob ihr müde seid, ob es besser ist, wenn wir auf eure Fragen ein anderes Mal zurückkommen, oder ob es euch jetzt genehm ist. Lieber Josef, ich glaube, es wird nicht allen Zuhörern so leicht verständlich sein - besonders jenen, die noch nicht so lange diese Vorträge hören -, dass es im Jenseits auch Dinge wie ein Schiff gibt oder dass man Früchte essen kann. 156 Erlebnisberichte 1958-1959 Josef: Ja, das ist eben so; das erklären wir ja immer wieder, und das sind die Schwierigkeiten, die alle haben, die neu dazukommen. Darum solltet ihr euch jener Freunde annehmen und ihnen die entsprechenden Erklärungen geben, denn mir ist es ja nicht möglich, dieses jedes Mal zu wiederholen und zu erklären. Ich kann nur sagen: Wenn ihr euch den Himmel als schön vorstellt, müsst ihr euch auch all das vorstellen, was eine Welt wirklich vielfältig und herrlich macht. Lieber Freund Josef was für Aufgaben mussten diese Seelen dann ausführen im Jenseits? Josef: Der erste Weg geht In die Schule. Sie haben doch zuerst vieles über den Heilsplan zu erlernen, denn sie sind ja noch zum grössten Teil in Unkenntnis darüber. Besuchen sie dann diese Schulen, werden ihnen daneben Aufgaben geringer Art übertragen, zur Betreuung von Menschen oder zur Führung von Geistern im Jenseits - ich meine nun nicht Geistwesen von einer unseligen Sphäre; es gibt ja verschiedene Sphären, und es ist den Geistern auf verschiedene Weise zu begegnen. Also sie werden in solcher Weise angefordert. Sie werden auch zu den Menschen geschickt; sie haben auch hier ihren guten Einfluss auszuüben. Auf diesem Wege kommt es bei einem Geiste sehr zum Ausdruck, ob er nun wirklich gekräftigt ist und er seinen Mut und diese Überzeugungen, die er im Geisterreiche beweist, auch in der Nähe des Erdenreiches - wo er wieder vieles sieht und ihm vieles wieder so bekannt wird - wirklich durchsetzen kann. Wenn dies nämlich nicht gelingt, dann müssen diese Wesenheiten dementsprechend wieder geschult werden. [Ende der Tonaufnahme. Ergänzung aus der Erstveröffentlichung in der Zeitschrift “Geistige Welt”.] Ist dieser Geist Amado nun schon dem Hause Linus angeschlossen, dass er die Aufgabe bekam, uns seine geistige Laufbahn zu schildern? Amado, 4. Februar 1959 157 Josef: Nein, das ist nicht so zu verstehen. Die Engel Gottes besprechen sich jeweils darüber, welche Seele euch ein lehrreiches Beispiel schildern könnte, und ziehen dann eine solche heran. Man pflegt im Reiche Gottes die Freundschaft - ich möchte sagen - von Haus zu Haus, und es bedarf da nicht einer besonderen Zugehörigkeit. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Amado und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 158 Erlebnisberichte 1958-1959 4. März 1959 Agnes - das Patenkind der Schlossherrschaft Wie sie geistige Verdienste durch den Verzicht auf ein Leben im Schloss und mit dem Übernehmen einer Lebensaufgabe erringt Kontrollgeist: Gott zum Gruss. Liebe Geschwister, wir werden euch diese Stunde wiederum einen aufsteigenden Geist senden, der zu euch spricht. Wir haben diesen Geist im Besonderen ausgewählt, da ihr aus den Erzählungen viel lernen könnt. Wir möchten, dass ihr den Unterschied kennenlernt zu einst, wie die Menschen leben mussten und wie sie heute leben, damit ihr mit eurem Los, eurem Schicksal, eher zufrieden seid. Gott möge euch diese Stunde segnen. Gott zum Gruss. Agnes: Gott zum Gruss. Liebe Geschwister, man hat mir den Auftrag gegeben, aus meinem früheren Leben zu erzählen. Es ist schon lange her, als ich auf dieser Erde lebte, und man musste mir helfen, die Erinnerung an jenes Leben wieder aufzufrischen, denn ich hatte ja so vieles vergessen. Nun möchte ich aber versuchen, so gut wie nur möglich einen Teil des Lebens zu schildern, euch einen Ausschnitt zu geben. Man hat mich darum gebeten, es kurzzufassen, damit euch noch Gelegenheit für Fragen gegeben werden kann. Ich hatte frühzeitig meine Eltern verloren. Der Vater war im Kriege umgekommen, und meine Mutter starb, als ich fünfzehn Jahre alt war. Wir waren arm, denn dazumal, wo ich lebte, gab es sozusagen nur arme und ganz reiche Leute. Meine Mutter war in Stellung in einem Schloss gewesen und hatte Beziehungen zum Schlossherrn wie auch zur Herrin aufrechterhalten. Meine Mutter musste dort unter ihnen beliebt gewesen sein, denn sie beide waren mir Pate. Als meine Mutter krank geworden, kümmerten sich der Schlossherr und die Herrin um mich. Sie hatten ihr das Versprechen Agnes, 4. März 1959 159 gegeben, dass sie mich im Schlosse aufnehmen würden. So war es geschehen, mit fünfzehn Jahren kam ich in das Schloss. Nun, ich brauchte von allem Anfang an nicht schmutzige Arbeit zu tun, denn auch ich hatte eine gewisse Vorzugsstellung. Aber trotzdem, die Kälte, diese Herzenskälte, hauptsächlich von der Herrin, war mir doch etwas zuwider. Sie nannten sich, beide zusammen, fromme Menschen, und sie kämpften dazumal für ihren Glauben. Ich war der Ansicht, dass ich auch fromm sei, aber ich hatte eine andere Einstellung. Ich glaubte, dass man Gott und dem Erlöser zuliebe vieles tun und auf sich nehmen müsse. In diesem Schlosse war ein grosser Reichtum. Langsam, langsam hatte man mir eine Arbeit zugewiesen, das heisst, ich durfte alles kontrollieren. Zum Beispiel, sagen wir, was an schmutziger Wäsche ein- oder ausgegangen war, was ersetzt werden musste. Wenn irgendein Stück aus einem Schrank genommen wurde, musste ich dies aufzeichnen. Ich musste genau Bescheid wissen, wie viel schmutzige Wäsche auf der Seite war. Die Herrin machte sehr oft Kontrolle. Es kam vor, dass etwas zu fehlen schien, denn es ging auch manchmal etwas durch meine Hände, das ich zu notieren vergass. Dann hatte man mich dementsprechend etwas abgekanzelt, und es tat mir weh, denn ich stand jeweils so da, als ob ich irgendetwas entwendet hätte. Doch es wurde nichts von mir entwendet, und ich hatte auch immer mein Auge offen, dass von den anderen auch nichts weggenommen wurde. Glücklicherweise hatte sich zum allergrössten Teil immer alles wieder aufgeklärt. Aber nicht nur das lag in meinen Händen. Ich musste zudem die Lebensmittel kontrollieren, wie viel jeden Tag gebraucht wurde, und den Vorrat immer auf das Genauste aufschreiben. Es wurde sozusagen genau berechnet, wie viel jeden Tag gebraucht werden durfte. Ich musste immer Bescheid wissen über alle Lebensmittel, beispielsweise wie viel Getreide noch vorhanden ist. Die Herrin machte immer wieder Kontrolle, und es war eben nicht immer alles zu ihrer Zufriedenheit. So lebten wir hier in diesem Schloss. Wir brauchten nicht zu hungern, aber ich möchte kurz einen Überblick geben, wie sparsam es auch zuging, obwohl ein gewaltiger Reichtum da war. Zum Händewa- 160 Erlebnisberichte 1958-1959 sehen hatte man Sand; zum Frühstück gab es Suppe, zum Mittagessen gab es wiederum Suppe und Mais oder sonst irgendetwas Bescheidenes. Zwischendurch konnte man Tee trinken. Auch Brot billigte man uns zu, das heisst, wir durften soundso viel für das Gesinde [Knechte und Mägde, Dienerschaft] aufbringen. Mehr darüber durfte man nicht gehen, doch die einen hatten jeweils grösseren Appetit, und so mussten wir einteilen, damit es reichte. Gebacken wurde alle vierzehn Tage einmal, dann musste dieser Vorrat angelegt werden. So hatte ich immer genau die Übersicht, wie viele Laibe Brot da waren, und musste genau kontrollieren, dass es auch vierzehn Tage reichte. Zwei- bis dreimal im Jahr - wenn es gut ging, dreimal - kam der Schlachter, wie wir ihn nannten, ins Schloss. Es wurden Tiere getötet. Und dann, um diese Zeit, war sozusagen ein Fest im Schloss: Man konnte Fleisch essen und sehnte sich jeweils danach. Dieses Fleisch durften wir in diesen bestimmten Tagen oder Zeiten in vermehrtem Masse essen, weil wir sonst durch unsere einseitige Nahrung an Skorbut erkrankt wären. So wurde uns das zugebilligt, weil sie es uns geben mussten. Es wurde immer alles sorgfältig überdacht und berechnet: wie viel Fleisch nun in den Kamin kam, damit es das Jahr hindurch dann und wann - oder sonntags - eine Bereicherung gab. Auch gab es doch Besuche, und dann wurde eben von diesem Fleische aufgetischt. Es war nicht nur für uns allein ein Fest, wenn diese Schlachter kamen, sondern auch für die Nachbarn und für die Armen. Man wusste es schnell weithin, wenn es im Schlosse so weit war. So kamen sie vor das Tor mit ihren Gefässen, um zu bitten. Und es wurde jedem, der kam, etwas gegeben. Darauf waren diese beiden streng bedacht, dass man jedem, der kam, etwas gab. Der Schlossherr war gütiger als die Herrin. Er war es eigentlich, der diese Befehle gab und der genau wissen wollte, ob auch wirklich ein jedes mit etwas Essbarem gehen durfte. Es durfte keiner weggeschickt werden. Dieses gehörte zum guten Ton, zum Ansehen und machte den Schlossherrn beliebt. Es wurde also vielleicht mehr aus Berechnung getan als aus Nächstenliebe und Erbarmen. Den Lohn, den man bekam, möchte ich noch ansprechen. Ich habe natürlich das Verhältnis von dazumal zu heute nicht, aber man hat Agnes, 4. März 1959 161 es mir ungefähr ausgerechnet. Man hat mir gesagt, dass ein Diener oder eine Dienerin in besserem Verhältnis - ich möchte sagen, jemand, der eine wichtige Aufgabe erfüllte - einen Lohn zwischen zwanzig und dreissig Franken pro Jahr bekam. Dieser Betrag wurde jeweils immer am Neujahr ausbezahlt. Es gab dann ein Fest, denn vorher waren ja die Schlachter da, und Fleisch war vorhanden. So wurde dies zum Anlass genommen, und man bekam den Teil, den man verdient hatte. Dabei ist zu bemerken, dass die Herrschaft auch für die Kleider aufgekommen war. Man bekam alle zwei Jahre ein paar Schuhe. Diese Schuhe durfte man nur zum Ausgehen tragen, und nicht etwa im Schloss oder in der Umgebung. Daher wurden diese Schuhe nicht so sehr strapaziert, denn man hatte nicht so viele Möglichkeiten auszugehen. Diese Schuhe wie auch die Hausschuhe wurden im Schlosse selbst angefertigt. Dafür waren jeweils für einige Wochen die Handwerker gekommen und hatten sozusagen nach Mass diese Schuhe geschaffen. Aber ich glaube kaum, dass ihr heute mit solchem Schuhwerk zufrieden wäret. Die Hausschuhe, die wir trugen - wir bekamen zwei Paar pro Jahr -, waren nicht aus Leder, sondern aus festem, dichtem Stoff, dessen Qualität oder Art ich nicht schildern kann. Denn der Fussboden musste geschont werden, da man teilweise sehr schöne Fussböden hatte - teilweise nur. Diejenigen, die in der Küche und in der Wäscherei beschäftigt waren, hatten dementsprechend ihr Schuhwerk, das für sie angeschafft wurde; es musste immer wieder an seinen Platz gestellt werden, wenn die Arbeit vollendet war. Es herrschte also Ordnung. Jedes musste seine Schuhe an seinen Platz stellen, und es hätte sich keines getraut, die Schuhe eines andern anzuziehen. Man hatte in dieser Beziehung voreinander Respekt, einander geachtet, einander nicht geschädigt. Auch in dieser Beziehung musste ich alles genau kontrollieren. Denn es gab ja noch Diener und Boten, welche jeweils ausserhalb des Schlosses zu tun hatten. Von ihnen möchte ich jetzt aber nicht sprechen. Mir oblag die Kontrolle von jenen Angestellten, die innerhalb des Schlosses zu arbeiten hatten. So könnt ihr euch vorstellen, was das für eine Arbeit war: bei einem jeden vorbeizugehen und immer alles genau zu kontrollieren. 162 Erlebnisberichte 1958-1959 Die Stoffe für die Gewänder, die man trug, wurden nicht im Schlosse gewoben; sie wurden uns von Handelsleuten zugetragen. Die Gewänder wurden dann auf Wunsch angefertigt nach Farbe und Festigkeit des Stoffes, denn man brauchte nicht zu allen Zeiten denselben strapazierfähigen Stoff. So bekam man pro Jahr ein Arbeitskleid und alle zwei Jahre ein schönes Kleid. Es war auch meine Aufgabe, jedes zu kontrollieren, ob es auch seine Kleider in Ordnung hielt. Dies war sozusagen meine ganze Arbeit, die ich zu leisten hatte. Sie war also nicht so streng, denn ich hatte - wie meine Mutter - eine Vorzugsstellung, zumal ich auch das Patenkind des Schlossherrn und der Herrin war. Ich hatte freilich viele Gelegenheiten, da und dort hineinzuschauen und vieles zu sehen, was mir nicht gefiel; und ich störte mich sehr daran, dass man einerseits glaubte, so fromm zu sein, und anderseits oft eine grosse Härte an den Tag legte. Doch wenn ich überall so herumschaute, musste ich feststellen, dass es mir gut ging. Es gab Angestellte im Schloss, die für einen geringeren Lohn hart arbeiten mussten. Ihre Arbeit wurde nicht geschätzt, obwohl es viel mühsamer war, sie zu tun. Ich dachte oftmals darüber nach: Wäre ich diese Herrin, ich würde es anders tun. Auch hatte ich Gelegenheit, in Kontakt mit den Handwerksleuten zu kommen. Sie kamen ja ins Schloss: der Zimmermann, der Schuhmacher, der Wagner. Sie alle kamen, die man dazumal brauchte - Raum war genug. Auch bei ihnen musste ich jeweils zum Rechten sehen, denn meine Herrin und der Herr liebten es, dass ich über alles genau Rapport gab. Eine Zeit lang kam ein Handwerker zu uns ins Schloss, der eine grosse Familie hatte. Eines Tages sagte er mir, er sei aufgeboten worden und müsse nun auch in den Krieg gehen. Er sagte zu mir: “Agnes” - so war mein Name -, “bete du für mich, dass ich wieder zurückkomme, denn du weisst, ich habe so viele Kinder. Sie müssen doch ihr Brot haben.” Ja, man sah viel Elend; es war Krieg, Krieg, Krieg. Die Leute hatten mit einer gewissen Achtung oder Ehrfurcht zu all jenen emporgeschaut, die im Schlosse waren, denn sie hatten ein sichereres Leben. Wir waren ja sozusagen behütet und gut aufge Agnes, 4. März 1959 163 hoben. Wenn auch die Mahlzeiten nicht reichlich waren, so mussten wir nicht hungern. Wir wollten auch nie darüber klagen, denn wir sahen und hörten zu viel von all dem Elend überall, weit herum. Es war dann so, dass dieser Mann schwer verwundet aus dem Kriege zurückkam - er war schwer krank und wurde heimgebracht. Nach seiner Frau, wie sie mit ihren vielen Kindern zu leben hatte, fragte ja niemand. Aber ich konnte es doch ermöglichen, dann und wann etwas heimlich zusammenzutragen, es einem Läufer mitzugeben, dass er es in das Haus jenes Handwerksmannes brachte. Nun kam eines Tages eine schwere Kunde: Die Frau war nach dem zehnten Kinde, das sie geboren hatte, gestorben. Und in dieser Familie war schon grenzenloses Elend: kein Geld, kein Gut, kein Brot - nichts. Ich war dazumal etwas über dreissig Jahre alt. Der Mann, verletzt und so zum Behinderten geworden, vermochte später seine Arbeit jedoch wieder aufzunehmen, da seine beiden Hände gesund geblieben. Wenn er auch humpeln musste, seine Arbeit konnte er verrichten. Ich fand ihn immer einen aufrichtigen und guten Menschen. Er kam ins Schloss, erkundigte sich nach Arbeit, klagte mir sein Leid und sagte: “Ich weiss nicht, was ich machen soll - ich habe zehn Kinder und keine Frau.” Er fragte mich: “Möchtest nicht du in mein Haus kommen?” Ja, es war etwas Schweres, und mein Herz war so von Mitleid ergriffen. Ich hatte von einem religiösen Leben einfach eine ganz andere Vorstellung. Ich glaubte behaupten zu dürfen, dass ich fromm war. Ich versuchte auch immer unter dem Gesinde dafür zu sorgen, dass Ruhe herrschte und sich kein Streit entfachen konnte. Ich wollte meinen Teil dazu beitragen, denn ich hatte eine grosse Verehrung für den Erlöser, unseren Erlöser Jesus Christus. Ich dachte manchmal über sein schweres Leiden nach und glaubte, dass es eben des Menschen Pflicht sei, das Seinige zu leisten. Dieser Mann hatte mich gebeten, in das Haus zu kommen und seine Frau zu werden. Eigentlich brauchte es für mich keine lange Überlegung, denn ich dachte mir: “Dort kannst du Hand anlegen. Was geschieht denn mit all diesen Kindern?” Man kümmerte sich ja nicht darum, was mit ihnen geschah, denn es war Krieg, und jeder hatte sein Elend. So habe ich mich entschlossen zu gehen. Dies sagte ich meiner Herrin. 164 Erlebnisberichte 1958-1959 Selbstverständlich wollte sie mich davon abhalten und sagte: “Was fällt dir ein, du kommst in grenzenloses Unglück! Du wirst hungern müssen, während du doch hier ein sorgloses Leben hast.” Auch der Schlossherr kam zu mir und sagte: “Überleg dir diesen Schritt gut, den du tun willst. Es wird für dich viel Tränen geben, viel Arbeit, und in dieser Art zu arbeiten, bist du dich nicht gewohnt.” Ich antwortete: “Ich werde es tun, mit Gottes Hilfe. Ich werde Gott bitten, dass er mir die Kraft dazu gibt.” Ich wusste, dort, in jenem Hause, war nichts vorhanden. Es gab keine Vorratskammern mit Getreide, es wurden nicht alle vierzehn Tage so viele Brote gebacken wie bei uns, es kam kein Schlachter dreimal im Jahr... ich wusste es. Aber dennoch habe ich mich aufgerafft. Ich hatte das Geld, das ich jeweils erhalten hatte, sorgsam gehütet und zusammengetragen, und es gab doch etwas weniges, das ich mitnehmen konnte. Trotzdem hatte man mir auch vonseiten meiner Kollegen und Kolleginnen abgeraten - ja, man hatte über mich gelacht und gespottet, dass ich das tun würde. Doch je mehr sie sich darüber aufhielten, umso fester wurde mein Entschluss. Ich bat den Schlossherrn, mich auf einen bestimmten Zeitpunkt, den wir vereinbarten, zu entlassen. “Gut”, sagte er, “so soll dein Wille geschehen, und gehe in Gottes Namen.” So kam die Zeit, und ich packte meine Sachen zusammen. Ich durfte alles mitnehmen, was für mich jeweils angefertigt worden war. Man durfte die Dinge, welche noch gut erhalten waren, behalten oder verschenken. Die Zeit war ja nun vorbei, dass ich irgendwann etwas Neues bekommen würde. Ich versuchte daher zusammenzubringen, was nur möglich war, und wollte dann diese Dinge, die ich nicht brauchen konnte, verkaufen; denn ich wusste, es mangelte vielerorts. Nun erlebte ich eine grosse Überraschung. An dem Tage, der bestimmt war, das Schloss zu verlassen, erklärte mir der Schlossherr: “Du hast nun viele, viele Jahre bei uns gedient, und wir haben die Patenschaft für dich übernommen. Du hattest dich bei uns nicht zu beklagen. Wir haben nun für dich”, so sagten sie es mir damals, und ich weiss kein anderes Wort dafür, “die ‘Fuhre’ bereitet.” Ich hatte keine Ahnung davon. Die Fuhre stand da: Es waren zwei grosse Wagen, und ich durfte sie betrachten. Da waren Gebrauchsgegen Agnes, 4. März 1959 165 stände, die natürlich im Schlosse längst überflüssig waren, aber doch recht gut erhalten, und darunter sogar wertvolle Sachen. Ich erhielt einen halben Wagen mit Getreide und Lebensmitteln verschiedener Art. Und man versprach mir, für die nächsten zwei Jahre das Brot zu backen und es mir zu schicken. Ich war selbstverständlich ganz überrascht, denn das hatte ich nicht erwartet. Mein Auszug ging einerseits unter Jubel und Freuden und andererseits auch unter Tränen vor sich. Man hatte mir diese grosse Freude bereitet. Vier Pferde hatten meine Fuhre gezogen. So gingen wir. Ich setzte mich, wie dazumal üblich, neben den Fuhrmann und zog nun in das armselige Haus. Natürlich war der Mann sehr erstaunt - er hatte ja, genau wie ich, keine Ahnung davon und war überrascht. Und die Kinder, sie standen da, wie eine Stufenleiter, vom grössten bis zum kleinsten - zehne waren es -, und man freute sich natürlich riesig. Mich erwartete eine grosse Arbeit. Ich war es ja gewohnt, Ordnung zu halten. Nun musste ich mir in erster Linie abgewöhnen, all diese Dinge aufzuschreiben, wie ich es immer getan hatte, als ich über die Dinge Nachschau halten musste. Aber ich hatte ein gutes Mass; mein geübtes Auge konnte gut schätzen, wie lange die Dinge reichten. Es kam mir das zugute, was ich auf dem Schloss gelernt hatte. Der Schlossherr war voller Güte und sandte mir noch zwei Helferinnen, die das Haus zurechtzustellen hatten; denn es gab vieles zu säubern und in Ordnung zu stellen und die Gebrauchsgegenstände, die ich bekommen hatte, einzurichten. Ich hatte am Schluss - das darf ich wohl sagen - ein ganz schönes Heim geschaffen, trotz dieser armseligen Umgebung. Es war alles sauber gemacht. In der ersten Zeit brauchte ich nicht in Kummer zu sein; zumal wir ja mit Brot versorgt wurden, und so hatten wir doch zu essen. Ich tat meine Arbeit, und es war so: Trotz dieser grossen Bereicherung, die ich erhielt, was natürlich für eine solche Familie von grosser Bedeutung war, hatte ich viel, viel Arbeit mit den zehn Kindern. Ich musste sehr, sehr einteilen, denn ich habe es gesagt: Es kam ja auch nicht von Zeit zu Zeit der Schuster, noch die Händler, um nachzufragen wegen der Stoffe. Aber vom Schlosse bekam ich doch dann und wann etwas. Es liess sich so einigermassen leben - und 166 Erlebnisberichte 1958-1959 bestimmt durfte ich mich nicht beklagen. Ich hatte wohl ein besseres Leben als viele, viele andere, aber nicht dasselbe, wie ich es auf dem Schloss gehabt hätte. Ich war aber glücklicher, zufrieden, denn ich wusste: “Ich habe eine Erfüllung in meinem Leben.” Ich liebte diese Kinder, obwohl es auch viel Unannehmlichkeiten gab und man vieles zu überwinden hatte. Aber ich konnte jeweils alles überbrücken, und es ging wunderbar. Mein Mann war eine gute Seele und verständnisvoll mit mir. Er zeigte auch den Kindern gegenüber Verständnis. So hatte ich mein Leben erfüllt. Ich durfte gegen siebzig Jahre alt werden und musste die Welt vor meinem Manne verlassen. Die Kinder waren alle erwachsen und hatten selbst wieder Kinder. In den letzten Jahren meines Lebens war es mir auch besser ergangen. Aber davon habe ich jetzt nicht zu reden, sondern von dem, was mich in der geistigen Welt erwartete. Als ich dort angekommen war, stand eine ganze Reihe von Geistern da. Eine Seele, die erste Frau meines Mannes, bestürmte mich, kam auf mich zu, umarmte mich und dankte mir. Sie dankte mir für diese Aufgabe, für das Werk, das ich erfüllt hatte. Und gleich hatte sie mir einen Kranz von Efeu um meinen Kopf gelegt. Sie hatte mir auch einen Strauss der wunderschönsten Blumen in den Arm gelegt. Ich hatte ja so herumzuschauen und war neugierig auf diesen Himmel. Man sagte es mir einfach ganz kurz: “Jetzt bist du im Himmel, und jetzt stehst du vor den Engeln. Nun beginnt für dich ein anderes Leben. So hart, wie du auf Erden gearbeitet hattest, brauchst du hier nicht mehr zu arbeiten, und du wirst Belohnung finden für das, was du getan hast.” So ging es fort, und man sprach auf mich ein. Ich sah von Weitem noch eine Seele. Sie hatte ein bescheidenes Sträusschen in den Händen, wollte auf mich zuschreiten, konnte aber nicht, denn man liess ihr keinen Vortritt. Ich war so umringt: Meine Eltern waren da und so viele, die ich kannte. Sie freuten sich und umjubelten mich. Diejenige, die mich auch begrüssen wollte, und zugleich noch ein weiterer, männlicher Geist, der bescheiden hintanstand, waren mein früherer Schlossherr und die Herrin. Sie wollten auf mich zukommen und mich begrüssen. Ich war etwas erstaunt, dass sie nicht schöner gekleidet waren und nicht ein besseres Aussehen hatten. Denn nach meiner Ansicht waren sie doch, Agnes, 4. März 1959 167 trotz allem, was ich miterlebt hatte, wirklich gute Menschen. Sie hatten doch ein gutes Herz, denn ich dachte doch an das, was sie an mir getan hatten. Dann habe ich mir den Weg zu ihnen gebahnt, und sie beide umarmten mich und freuten sich. Aber ich musste erkennen, dass sie kein glückliches Aussehen hatten. Ich war eigentlich darüber enttäuscht und fragte sie: “Was ist es denn, dass ihr euch nicht freut, dass ich da bin?” Sie antworteten: “Oh doch, wir freuen uns. Wir haben ja nur noch auf dich gewartet.” - “Auf mich? Warum?”, wollte ich wissen. “Ja, man hat uns gesagt, erst wenn du kommst, dann wird sich uns ein schönerer Himmel öffnen.” Ich hatte es anfangs noch nicht richtig verstanden, denn ich wurde wiederum zu sehr bestürmt von den andern. Aber ich hatte in mir doch diese Dankbarkeit. Ich musste mich doch diesen beiden gegen über dankbar erweisen, denn sie hatten mir im Leben durch ihre Güte einen grossen Teil der schwersten Bürde abgenommen. Ich versuchte nun, ihnen jetzt den Dank zu erweisen, denn ich ahnte, dass es darum ginge, dass sie sich auf mich berufen würden, und so war es auch. Ich bat die anderen, die mich umringten, sie möchten mich freigeben. Ich möchte gern zu diesen beiden hin, denn ich wäre ihnen zu so viel Dank verpflichtet. So war es. Die beiden sagten zu mir: “Nur du kannst uns das Tor zum schöneren Himmel öffnen. Du sollst sagen, was wir dir an Güte und an Liebe entgegengebracht.” Kaum hatten sie dieses gesagt, da mischten sich schön gekleidete Engelwesen ins Gespräch ein, und zwar sehr eifrig. Ich war doch etwas erstaunt über diese energische Redensart. Die Engel fingen an Dinge aufzuzählen, die im Schlosse geschehen seien, und erzählten Geschichten, von denen ich ja nicht Bescheid wusste. Ich ahnte nicht, dass ihnen dies im Himmel so schwer angezeichnet würde. Ich wusste ja nicht, dass sie sich mit so etwas belastet hatten. Ich hatte mich nicht mit solchen geschäftlichen Dingen und mit Politik befasst und damit belastet. Ich wusste davon nichts. Ich sah ja nur ihr gutes Herz, das sie mir gegenüber zeigten. Freilich, ich beanstandete oftmals die Herrschsüchtigkeit und die allzu grosse Genauigkeit der Herrin, dachte mir aber: “Es ist ja nicht meine Sache, sie deswegen zu verurteilen.” 168 Erlebnisberichte 1958-1959 Nun, diese Engel sprachen ganz energisch von vielen Dingen, die geschehen waren - wie viel Reichtum sie sich erworben hätten und dass das doch nicht so ganz auf ehrliche Art geschehen sei. Man hätte viel mehr leisten können, wenn man schon ein so grosses Gut gehabt habe. Die Engelwesen wussten viel vorzubringen. Dann gab mir eine Seele - es war die erste Frau meines Mannes - ein Zeichen, ich solle doch für die beiden Fürbitte einlegen, ich solle für sie sprechen. Ich weiss nicht, wie es gegangen ist: Plötzlich konnte ich so gut reden. Ich sagte ihnen: “Ach, habt doch Erbarmen”, und ich zählte alles auf, was sie mir gegeben hatten. Der Verdienst meines Mannes sei zu klein gewesen, um die zehn Kinder grosszuziehen. Ich hätte es nicht machen können, wenn sie mir nicht immer Brot geschickt hätten, und dass ich auch Stoffe bekommen hätte und so weiter. Ich hörte nicht auf, aufzuzählen, was sie mir alles gegeben und geschenkt hatten und wie traurig mein Leben sonst gewesen wäre und dass ich es nicht hätte erfüllen können, wenn sie mir nicht beigestanden wären. Mit meinem so eifrigen Reden konnte ich die Engel erweichen. Ihr Aussehen hatte plötzlich einen viel weicheren Zug angenommen; es war nicht mehr so hart. Ja, ich möchte sagen, sie fingen an leise zu lächeln, wie wenn sie meine Redeweise bewunderten. Es waren drei Engelwesen nebeneinander, die vorher so energisch gesprochen und alles aufgezählt, was die Herrin und der Schlossherr falsch gemacht hatten. Dann sagten sie plötzlich: "Nun gut, liebe Seele, du hast es so weit gebracht, und deiner Fürbitte soll Folge geleistet werden. So führe sie in den Himmel.” Ich hatte nur zu staunen... Ich wusste ja nicht, wohin ich sie geleiten sollte, denn ich war selbst fast benommen von dem, was alles auf mich einstürzte, aber aus meinem Innersten heraus wollte ich ihnen ja nur den schönsten Himmel geben. Dann schritten diese drei uns voran, und wir gingen einen Pfad oder Weg entlang. Er war so schön golden beleuchtet, und es wurde immer heller und lichter. Zuerst war ja nur ein schmaler Weg, doch wurde er nicht nur lichter und heller, sondern auch immer weiter und breiter, bis wir plötzlich alle zusammen in einer prachtvollen Stadt waren. Dann kamen sie, diese Gottesengel, und erklärten den beiden: "Nun ist eure Zeit der Läuterung vorüber. Das Gute, das ihr im Leben an euren Mitmenschen getan Agnes, 4. März 1959 169 habt, soll auch seine Belohnung finden. In der Geisteswelt werdet ihr nun euren Aufgaben zugeführt; ihr werdet arbeiten müssen.” Sie waren damit einverstanden, denn sie sahen die Notwendigkeit. Sie hatten sich inzwischen eine gewisse Bescheidenheit und Demut angelegt; sie waren nicht mehr so herrisch, wie sie als Menschen gewesen waren. Ich glaube, dass sie es in der Zeit, seit sie in der Geisteswelt sind, gelernt haben, wie man sich in würdiger Weise dem Nächsten gegenüber benimmt und dass man den Nächsten genauso als den Bruder betrachtet, ihm das Beste wünscht, so wie man es für sich selbst auch will. Über diese Helligkeit, über diese Farbenpracht waren wir erstaunt - und ich besonders. Die beiden mussten sich nun von mir verabschieden; sie durften einen anderen Weg gehen. Mir erklärte man, dass ich nun mit anderen zusammenkommen werde. Ich wurde zu weiteren Besprechungen vorgeladen. Man hatte für mich sozusagen ein Programm aufgestellt und mir angedeutet, dass ich jetzt doch etwas der Ruhe bedürfe. Man führte mich dann in einen wunderschönen Garten hinein, der umgeben war von vielen Bäumen. Er war nicht sehr gross, und es kam mir so vor wie ein Garten mitten in einem Walde, der voll der prächtigsten Blumen war. Hier hatte ich eine Liegestätte, hier sollte ich mich ausruhen. Ich legte mich nieder, und die drei Engel, die sich von den andern beiden verabschiedet hatten, versprachen, wieder bei mir vorbeizukommen und mich weiterhin zu führen. Über das, was weiter mit mir geschehen war, soll ich euch nichts sagen, denn ich hatte die Aufgabe, mein gelebtes Leben kurz zusammenzufassen, euch etwas davon zu erklären. Das alles, was ich gesagt habe, soll euch ein Hinweis fürs Leben sein. Wenn wir euch betrachten, zum Beispiel euer Heim, das ihr habt, eure Arbeit, die ihr tun dürft, eure Freiheit, die ihr besitzt - diese wunderbare Selbständigkeit kannten wir seinerzeit als Menschen ja gar nicht. Wohl waren Menschen damals auch frei, aber es war nicht diese Freiheit, wie ihr sie habt. Wenn ein Mensch dazumal etwas sprach, dann zählte sein Wort nicht, wie heute das Wort bei euch Menschen zählt, die ihr in einem freien Staat leben dürft. Zur Zeit, als ich lebte, war es nicht so geordnet: Wenn eine Frau wegstarb, wurde für 170 Erlebnisberichte 1958-1959 die Kinder nicht gesorgt, dass sie etwa in ein Waisenhaus gehen durften. Sie wurden mit der Zeit schon versorgt - jedoch mit Gewalt, und es wurde weder auf ihr körperliches noch auf ihr seelisches Heil Sorgfalt gelegt. Es waren also ganz andere Zustände. Und bedenkt, die allermeisten von euch verfügen über Bequemlichkeiten; auch habt ihr euer Vergnügen, das ihr euch leisten dürft. Ihr seid so frei in vielen Dingen, und bedenkt, dass wir seinerzeit, wenn wir von einem Dorf zum andern gehen wollten, lange, lange, Stunden, zu laufen hatten, dass wir Nächte hindurch liefen. Gut hatten es die Reichen, sie hatten ihre Pferde, und sie hatten Reiter, ihre Boten. Da ging es anders zu. Wollte man von irgendwoher eine Nachricht empfangen, so musste man zuvor viele Stunden laufen, um sie zu bekommen. Und überhaupt, für die Männer von dazumal war es - besonders in der Zeit von Kriegen - ein grosser Kampf, Arbeit zu bekommen und genügend Brot auf dem Tisch zu haben. An Komfort, wie ihr ihn habt, war nicht zu denken - niemals war genügend Wasser vorhanden, um sich sauber zu waschen. Heute gibt es Menschen, die haben ein so schönes Leben, so viele Bequemlichkeiten. Dass sie arbeiten müssen, ist selbstverständlich, denn das will der liebe Gott. Trotzdem schätzen sie dieses schöne Leben nicht und sind nicht zufrieden. Es ist für sie selbstverständlich, wenn sie nach Hause kommen, dass sie kein Wasser zu schöpfen brauchen, dass sie es nicht zu tragen haben - Wasser ist für sie einfach da. Es sind heute so viele Bequemlichkeiten selbstverständlich. Ihr braucht weder abzuzählen noch zu wiegen, wie lange das Getreide oder das Brot reicht. Ihr habt euren Überfluss, Süssigkeiten. Bedenkt einmal, nichts solches gab es in jener Zeit, als ich zu leben hatte. Und wenn ich noch weiter ausführen darf: Ihr könnt euch, wenn ihr arbeitet, je nach eurem Einkommen, nach eurem Ermessen, Kleider leisten. Ja, das gab es seinerzeit auch nicht. Von einem solch gepflegten Aussehen, wie heute die Menschen sind, waren seinerzeit ja nur die Schlossherren und Schlossherrinnen, und auch die nicht immer. Ihr ahnt ja nicht, in welch bequemem Leben ihr seid, welch schönes Leben ihr habt. Denkt einige Jahrhunderte zurück an das Elend, das dort gehaust. Dann werdet wieder zufrieden und verlangt nicht Agnes, 4. März 1959 171 immer nach mehr, sondern nur nach so viel, dass es verhältnismässig ist, damit euer gutes Herz immer warm bleibt. Und vergesst nie, dass es auch Menschen gibt, die nicht so viel haben wie ihr oder die krank sind. Man kann ihnen oder sonst armen Leuten beistehen. Euch Menschen ist Gelegenheit gegeben, etwas zu tun, auch wenn bei euch selbst diese Armut nicht mehr vorhanden ist. Was heute am meisten nottut, ist: den Menschen das Seelenheil zu bringen. Kranken sie nicht am irdischen Gute, so kranken sie in ihrer Seele. So viele sind unzufrieden und leben im Unglück, in der Untreue. Ja, liebe Freunde, daran krankt die Menschheit von heute zu einem grossen Teil; früher war es auf eine andere Art. Aber ich glaube, dass kaum eines von euch tauschen möchte, in eine Zeit, die nur einige Hundert Jahre zurückliegt. Man sagt mir, dass ich genug zu euch gesprochen habe, und ich verabschiede mich wieder. Ich stehe im Dienste Gottes; ich bin den helfenden Geistern zugeteilt, die an euch ihre Aufgabe erfüllen. So möge Gottes Segen euch begleiten. Möget ihr zufriedene, glückliche Menschen werden. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Meine lieben Freunde, ich möchte versuchen, eure Fragen zu beantworten. Lieber Josef dürfte man wissen, in welchem Land Agnes gelebt hat? Josef: Könnt ihr das nicht aus der ganzen Schilderung heraus erahnen? In Deutschland? Josef: Ja. Erlebnisbericht des auf steigenden Geistwesens Agnes und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 172 Erlebnisberichte 1958-1959 1. April 1959 Saphir - himmlisches Dasein und Lehramt Das Unterrichten aufsteigender Geistwesen in verschiedenen Stufen als erfüllende Aufgabe im Jenseits [Grussworte des Kontrollgeistes] Saphir: Gott zum Gruss. Liebe Geschwister, ich bin beauftragt, euch von meinen Erlebnissen im geistigen Reich zu erzählen. Ich lebe mit acht Geschwistern zusammen in einem wunderschönen geistigen Haus, das man eher als kleines Schloss bezeichnen könnte. Es liegt auf einer Anhöhe und ist dort das einzige Haus weit und breit, umgeben von herrlichen Gärten und Wäldern. Wir geniessen von da aus eine wunderschöne Aussicht. Wir erblicken von unserer Anhöhe aus eine Stadt und verschiedene grössere und kleinere Dörfer. Von den Wäldern herüber kommen allerlei herrliche Tiere zu uns. Alle meine Geschwister haben eine besondere Vorliebe; während sich das eine besonders an den prachtvollen Pferden erfreut, liebt ein anderes Hunde oder auch Tiger und Panther. Ja, so mannigfaltig ist die Tierwelt hier, die sich uns angefreundet hat. Ihr dürft euch nicht vorstellen, dass den Tieren hier eine Wildheit anhaftet, wie sie ihnen in der Erdenwelt eigen ist. Diese Wildheit ist bei uns vollkommen aufgelöst, die Tiere sind bei uns zutraulich und wunderschön. Es kommen uns jeweils kleinere und grössere Herden entgegen; aber auch prachtvolle Vögel sind in unserer Nähe, an deren Gesang wir uns besonders erfreuen. Alle diese Tiere verstehen einander, keines tut dem andern ein Leid an. Das kleine Kätzchen spielt mit dem grossen Tiger - nichts von Wildheit ist bei ihnen zu sehen. Wenn die Zeit es uns erlaubt, machen wir Rundgänge; oft mit den Tieren zusammen, denn sie kennen uns und sind uns zugetan. Jeder hat ja eine Vorliebe für die einen oder anderen Tiere. So sammeln wir sie um uns und gehen oft mit ihnen ein Stück in den Wald hinein. So haben wir ein wunderschönes Leben. Saphir, 1. April 1959 173 Ihr sollt aber nicht glauben, dass wir nichts anderes zu tun hätten, als uns mit den Tieren abzugeben und uns mit ihnen zu vergnügen oder Ausschau nach ihnen zu halten. Wir bekommen auch Besuche von Engeln des Himmels, die uns belehren. Denn jedem von uns obliegt eine Aufgabe, die wir mit grosser Freude erfüllen. Die Aufgabe besteht nämlich darin, dass wir Vorträge zusammenstellen, wozu jedem das Thema bezeichnet wird, das ganz auf seine Wesensart abgestimmt ist. Es handelt sich dabei nicht um wissenschaftliche Belehrungen, sondern wir bereiten uns für die Belehrung der Geister in verschiedenen Aufstiegsstufen vor. So haben wir uns mit Themen zu befassen, die für das Seelenheil des Einzelnen ausschlaggebend sind. Erst wenn jene Geister dann eine bessere Entwicklungsstufe erlangt haben, darf man ihnen das erweiterte Wissen bringen. Ich habe gesagt, dass jeder nach seiner Wesensart - was ihm am besten liegt - seine Themen behandeln darf. So hat der eine seine Vorträge ständig auf die Sanftmut abzustimmen, wenn er davon durchdrungen ist. Er hat dann die verschiedenen Aufstiegsstufen zu besuchen und jene Seelen gruppenweise zu belehren. Wir neun Geschwister unterrichten aber nicht zusammen in ein und derselben Sphäre, sondern wir wechseln ab. Anderseits hat einer beispielsweise nur über den Frieden zu sprechen und über die Gefahren und Übel, die sich aus dessen Missachtung ergeben. Er hat also genug Gesprächsstoff, womit er jenen Seelen die Gesetze Gottes erklären kann. Was ihr jeweils von unserem Bruder vernehmt, wird nun von uns im Einzelnen noch viel deutlicher und ausführlicher unterrichtet. So haben die einen unter uns die aufsteigenden Geschwister zu unterrichten: zum Beispiel im Mut, in der Energie, in der Ausdauer und was alles dadurch erreicht werden kann. Wir sind, wie ich betonte, unser neun Geschwister, und ein jedes hat eine sehr würdevolle Aufgabe zu erfüllen - denn es ist notwendig. Wenn ihr Menschen euch untereinander so betrachtet, stellt ihr bei den einen eine schläfrige Natur fest; sie haben keine Energie, keine Durchschlagskraft, keinen Mut, gar nichts dergleichen. Sie gehen teilweise so unruhig, so unsicher, so mutlos durch ihr Leben und können keinen rechten Weg für sich erkennen. Man soll aber 174 Erlebnisberichte 1958-1959 nicht glauben, dass dies nur bei den Menschen so wäre. Es ist ja der Geist im Menschen, der die Mutlosigkeit, die Freudlosigkeit und dergleichen zum Ausdruck bringt. Also hat es im Geisterreiche eben auch genügend dieser Seelen, die energielos und mutlos sind. Viele von ihnen kommen nicht einmal schwer belastet ins Jenseits, das bedeutet, sie hatten keine so schweren Sünden begangen, dass sie in eine düstere Welt geführt werden müssten. Bei ihnen geht es vielmehr darum, sie zu schulen, sie zu kräftigen, sie zu belehren. So ist es unsere Aufgabe und die Aufgabe anderer Geschwister, in deren Art es liegt, durch ihre Energie wegweisend für sie zu sein. Wir haben mit solchen Wesen über alles zu sprechen, was im Menschenleben vernachlässigt wurde durch ihre Energielosigkeit und Freudlosigkeit, die für den geistigen Aufstieg so hinderlich sind. Wir machen ihnen klar, dass Menschen voller Mut und Energie, die tatkräftig nach den Gesetzen Gottes leben und imstande sind, Neues zu schaffen und mit einem gewissen Opfermut Neues zu erforschen, viel für ihren geistigen Aufstieg beitragen. Man kann also diese Geister in der Weise belehren. Wo es aber während längeren Zeitabschnitten nicht gelingt, sie mit diesen Belehrungen zu durchdringen, werden sie dennoch Gelegenheit bekommen, zu beweisen, dass sie doch etwas gelernt haben. Freilich gibt es viele Geistwesen, die versagen. Erkennt man, dass sie trotz Belehrung nicht fähig sind, in dem Sinne etwas zu leisten, dann werden sie in der ihnen entsprechenden Stufe eingeordnet. So haben wir die Aufgabe, zu diesen Seelen zu gehen. Wir wechseln aber ab. Während der eine in die Tiefen steigt, geht ein anderer, der dort seine Aufgabe schon verschiedentlich verrichtet hat, zu jenen andern Geschwistern in den höheren Stufen des Aufstieges. Ich möchte noch darauf hinweisen, wie unsere Belehrungen gehalten sind. Ein Geist, der die Sanftmut lehrt, ist in seinem Wesen selbst ganz und gar davon durchdrungen; so auch ein Geist, der die Friedfertigkeit lehrt, auch er ist ganz davon durchdrungen. Nun will ich euch schildern, wie wir zu unserer Aufgabe gekommen sind. Wir haben unsere schöne Sphäre erreicht durch erfüllte Erdenleben. Erst dann sind wir von der Gotteswelt zusammengeführt worden. Also wir neun, die wir in unserer Entwicklung eben Saphir, 1. April 1959 175 bürtig waren, durften geschlossen an eine Aufgabe gehen. So wurde uns dieses schöne Haus übergeben, von wo aus wir an unsere Aufgaben gehen. In der ersten Zeit wurde unsere Tätigkeit als Lehrer von höheren Geistwesen streng überwacht, und wir wurden weiter belehrt. Wir mussten auch immer zuerst unseren höheren Geschwistern Einsicht geben in das, was wir zur Belehrung vorbringen wollten. Wir durften also anfangs nicht einfach von uns aus ein Thema wählen. Es wurde genau geprüft, was wir den andern vorzutragen gedachten. Die Engel Gottes wussten uns ja noch in vielem zu ergänzen. Sie besassen genaue Kenntnis, was in all den Sphären des Aufstieges wichtig und notwendig war und was man dort nicht zu betonen und nicht zu berühren hatte. Mit der Zeit hatten wir uns dann selbst dahin geschult, dass jeder genau wusste, in welchem Sinne er da und dort unterrichten darf. Das ist aber lange, lange gegangen. Und all diese Zeit lebten wir in Frieden zusammen an diesem schönen Ort, und es war unser Bestreben, eine gute Stellung im Heils- und Ordnungsplan Gottes einnehmen zu dürfen. Dann aber kam man zu uns und sagte, die Notwendigkeit erfordere es, dass wir alle in ein neues Erdenleben eintreten sollten. Wir erkannten wohl die Notwendigkeit, wussten anderseits aber auch um die Gefahren eines Menschenlebens. So mussten wir unser schönes Haus verlassen. In der Zeit unserer Abwesenheit, das heisst unseres Lebens im Erdenreich, sollte es jedoch unbewohnt bleiben. So kamen wir in ein neues Menschenleben. Aber nicht in der Weise, dass wir uns in diesem Leben gefunden oder gar befreundet hätten, sondern wir waren über ganze Länder hinweg, über weite Distanzen, voneinander getrennt. Wir hatten also nicht die leiseste Ahnung mehr von unserer einstigen Freundschaft in der Gotteswelt, noch von unserer Aufgabe dort. Was wir im Erdenleben zu vollbringen hatten, war eine ähnliche Aufgabe. Denn wenn einer schon in der Geisteswelt voller Mut und Energie war und eine Führernatur, war ihm all das auch im Erdenleben geblieben, und er errang sich selbst wieder eine führende Stellung. Da man geistig auf einer erhöhten Entwicklungsstufe stand, war man von allem Edlen 176 Erlebnisberichte 1958-1959 und Guten durchdrungen, und man setzte sich dafür ein. Freilich stand man auch den Versuchungen gegenüber, genau wie jeder andere Mensch. Aber keines der neun Geschwister kam dabei zu Fall, dass es sich schwerwiegende Belastungen zugezogen hätte. Alle hatten die Versuchungen nach bestem Können überbrückt, und alle hatten ihre Lebensaufgabe an den Mitmenschen erfüllt. Derjenige, der im Geisterreich über die Duldsamkeit Unterricht gegeben, hatte durch ein duldsames Leben den Mitmenschen zu zeigen, was gottgewollt ist. So musste sich jeder auf seine Art bewähren. Wir kamen uns aber im Leben auf Erden nicht nah, wir wussten nichts voneinander, nichts von unserem Zusammensein in der schönen Gotteswelt. So war denn einer nach dem andern wieder zurückberufen worden. Die Heimkehr in dieses schöne, herrliche Haus fand jedoch nicht sogleich statt. Wir trafen uns zuerst in einer Ebene, die nicht an jene Schönheiten heranreichte. Hier kam eines nach dem andern an. Im Verlauf von etwa fünf Jahren waren alle neun Geschwister wieder beisammen in der Gotteswelt. Bei jedem erkannte man gleich seine im Leben vollbrachten Leistungen wie auch sein gelegentliches Versagen; man hatte sich deswegen gegenseitig getröstet und aufzurichten versucht. Die Gottesengel waren auch da und haben getadelt, was man falsch gemacht hatte, uns aber auch für das Gute gelobt, das wir getan hatten. So mussten wir vorerst auf das schöne Haus verzichten. Wir sollten in ein und derselben Ebene eine bestimmte Zeit zubringen, und zwar jeder für sich ganz allein. Jedem wurde als Aufenthalt ein kleiner Wald zugewiesen, in einer Umgebung, die wohl auch schön war, aber, sagen wir, es strömte dort nicht ein solch helles Licht ein. Es war jedoch eine sehr angenehme und wohltuende Atmosphäre. Jedes von uns sollte in seinem Alleinsein über das gelebte Leben nachdenken. Wir sollten einsehen, was wir nicht recht gemacht hatten. Ja, es tat uns leid. Man sah es ja ein, und jedes von uns hatte sich vorgenommen, diese Fehler bestimmt nicht zu wiederholen; in der Weise hatte ein jedes sich sozusagen selbst gebildet. Anderseits hatte man ja der Schwere der zu erfüllenden Aufgaben Rechnung getra Saphir, 1. April 1959 177 gen. Wir hatten also eine Zeit zur Besinnung und zur inneren Einkehr. So lebten wir einzeln, jedes für sich, in einem kleinen Walde, wo wir keine Begegnungen hatten, weder mit unseren Geschwistern noch mit Engeln Gottes oder den Tieren. Es wurde uns aber gesagt, dass man uns aus dem Walde herausführen werde, wenn unsere Zeit abgelaufen sei, und dass wir dann wieder in unser schönes Haus zurückkehren dürften. Als es so weit war, rief man uns alle wieder zusammen. Und dann ging unser Weg direkt in dieses schöne Haus, in welchem wir seither wieder wohnen. Als wir uns ihm näherten, kam uns alles wieder bekannt vor. In der ersten Zeit waren wir noch sehr beeindruckt von allen Geschehnissen unseres Menschenlebens. Wir hatten auch noch unsere Bindungen zu gewissen Menschen, die zu lösen uns nicht so leicht fiel. Wir hatten also noch vieles zu überwinden und zu überbrücken. Als wir das herrliche, prachtvolle Haus wiedersahen, sprach sozusagen jeder dieselben Worte: “War ich nicht schon einmal hier? Es kommt mir so bekannt vor...” Aber in unserem Bewusstsein war es noch nicht; wir konnten noch nicht mit Sicherheit sagen, dass wir schon einmal hier gelebt hatten. Als wir dann gemeinsam in unser Haus einkehrten, waren es wieder dieselben Engel Gottes, die schon früher hier ein und aus gegangen waren. Wir erkannten sie wieder, und sie erklärten uns: “Es ist jenes Haus, das ihr schon einmal bewohnt habt. Vor eurem letzten Menschenleben seid ihr alle zusammen hier gewesen.” Nun wurde uns alles wieder klargemacht: was wir hier geleistet hatten und dass wir einst von hier ausgegangen waren. Wir hatten das Schauen in jene Zeit zurückerlangt, und jeder wusste wieder genau, welche Aufgabe er hier erfüllt hatte. Diese Erkenntnis ist uns durch den Willen und den Wunsch der höheren Geisteswelt zurückerstattet worden. So hatten wir uns wieder zusammengetan. Die Himmelsboten kamen und erklärten uns gleich, wir hätten wiederum in ähnlicher Weise eine Aufgabe zu erfüllen. Wir sollten erneut die Geschwister in den Aufstiegsstufen unterrichten. In gleicher Weise nahmen die Engel abermals Einsicht, aber nur etwa zwei-, dreimal. Dann sagten sie: “Durch das letzte Leben seid ihr 178 Erlebnisberichte 1958-1959 zu weiteren Kenntnissen gekommen. Ihr habt Erfahrungen gesammelt, die euch nun als Geist zugutekommen, und ihr habt euch im Geiste weiter gestärkt. Von nun an werden wir das von euch Vorgetragene nicht mehr kontrollieren. Ihr sollt jetzt unser Vertrauen haben und das Richtige tun.” Obwohl wir offensichtlich keiner eigentlichen Kontrolle mehr unterstanden, wurde das, worüber wir die Geschwister in den Aufstiegsstufen unterrichteten, in der Nähe von höheren Boten abgehört. Hätte jemand unrichtig gehandelt, wäre er auch zurechtgewiesen worden. Was wir aber früher gelehrt hatten, genügte jetzt nicht mehr, sondern jetzt wurden wir selbst auch noch auf anderen Wissensgebieten geschult. Bis jetzt hatten wir unsere Geschwister über die Tugenden unterrichtet; wir alle waren davon durchdrungen und konnten das bereits auswendig. Es sollte also nicht mehr weiterhin so sein wie zu der Zeit, als wir zu unserer Freude mit den Tieren so viel Zeit verbracht und uns des schönen Daseins erfreut hatten. Unser Aufgabenkreis wurde nun grösser und anstrengender. Jetzt kamen höhere Lehrer zu uns. Sie belehrten uns über so vieles: über das Leben in der Gotteswelt, über die Art und die Zusammensetzung der Schwingungen und weitere göttliche Gesetze. Wir wurden darüber zusätzlich belehrt, hatten dieses Wissen aber vorderhand noch nicht weiterzutragen. Es diente vorläufig einfach zur Ergänzung unseres Wissens. Wir waren von den Tugenden durchdrungen und bisher gezeichnet gewesen als besondere Geister des Friedens, der Sanftmut, der Hilfsbereitschaft, der Duldsamkeit. Nun sollten wir nicht länger nur so einseitig bleiben in unserem Wissen und in unseren Aufgaben. Jetzt wurde uns klargemacht, es würde einem auf unserer Stufe ein noch umfassenderes Wissen zugemutet. Es wurde uns vieles erklärt, und wir durften den Unterricht anschaulich geniessen. Man führte uns in verschiedene Himmel hinein, wo Engel Gottes am Werke waren. Hier begegneten wir keinen Seelen mehr, die sich in der Läuterung befanden, sondern hier waren lauter Engel Gottes, die in diesen herrlichen Sphären eifrig wirkten. Es ist klar, dass wir nicht alles sogleich verstehen konnten. Ja, wir mussten einsehen, dass es noch sehr, sehr lange gehen würde, bis Saphir, 1. April 1959 179 wir alles nur einigermassen erfasst haben würden. Hier brauchte es ein unvorstellbar umfangreiches Wissen, um nur einigermassen begreifen zu können, was alles vor sich ging. Es gab dort Geschwister, denen es teils auf diesem Gebiete, teils auf einem anderen besonders lag, es schneller zu erfassen. Wir waren gemeinsam ausgebildet worden, und so vermochten wir es auch, bis zu einem gewissen Grade, zu verstehen. So waren wir also alle wieder zurückgekehrt in dieselbe Sphäre, in unser Haus, von wo wir in ein neues Erdenleben ausgegangen waren. Nach unserer Rückkehr waren uns - wie bereits erwähnt - höhere Belehrungen zuteilgeworden; es war uns weiter erklärt worden: “Hier habt ihr eine gewisse Zeit zu verweilen und euch aufs Neue schulen zu lassen. Wenn ihr diesen Anforderungen gerecht geworden seid, werdet ihr alle gemeinsam dieses Haus verlassen und in eine andere Ebene ziehen dürfen - wieder eine Stufe höher, die wiederum mannigfaltiger und prächtiger sein wird. Dieses euer Haus hier wird dann andere Geschwister aufnehmen und bis dahin offen bleiben.” So wird die Engelswelt wieder andere Geschwister zusammenbringen, wenn ihre Entwicklung so weit ist. Dann werden sie dieses Haus bewohnen und die von uns ausgeführte Aufgabe weiterführen. So gehöre ich zu jenen Geistern, denen man versprach, nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne den Weg in eine höhere Welt zu öffnen. Nun habe ich meinen Auftrag bei euch ausgeführt. Wenn euch daraus Fragen entstanden sind, möchte ich euch bitten, sie an meinen Bruder zu stellen, der sich nach mir melden wird. Ich verabschiede mich wieder von euch und erflehe über euch alle den Segen Gottes. Gott zum Gruss. [Grussworte von Geistlehrer Josef] Lieber Josef, es war die Rede von Geistern der Sanftmut, Geistern des Friedens, Geistern der Duldsamkeit. Wir haben auch schon von Engeln der Sanftmut und der Duldsamkeit gehört und anderseits von Engeln der Strafe und des Kampfes. Es ist klar, dass es Umstände gibt, die der Duldsamkeit bedürfen, aber auch sol- 180 Erlebnisberichte 1958-1959 che, die einen Kampf erfordern. Beides scheint doch in der Ordnung Gottes zu liegen; doch gerade im christlichen Bewusstsein ist es oft schwierig, zu unterscheiden, wann nun die Duldsamkeit angezeigt ist und wann um etwas Wichtiges gekämpft werden muss. Josef: Hier lässt sich keine allgemeine Regel aufstellen. Das muss im Empfinden des Einzelnen liegen. Er wird ja beobachtet, ob er gerecht zu urteilen vermag; wo Duldsamkeit am Platze ist, wo man zurückhaltender sein soll oder wo man sich zur Wehr setzen muss. Es ist doch so: Man muss versuchen, in seinem Wirken harmonisch zu bleiben. Ich möchte jetzt sagen: Nicht gar in allen Dingen, wo es um die Gerechtigkeit geht, soll man die Fäuste ballen, sondern vielmehr die Fühler ausstrecken und die Ansichten der andern anhören und überlegen, wie man zusammen an das gewünschte Ziel kommen könnte. Es geht manchmal wirklich um Dinge, wo die Geisteswelt raten würde: “Ja, gehe nur sehr kämpferisch vor. Du musst um diese Sache kämpfen, dann wirst du das Ziel erreichen.” Ist man sich nicht sicher, dann soll man in aller Ruhe darüber meditieren und Gott bitten: “Zeige mir den rechten Weg, räume mir alles aus dem Weg, was mir und dem, wofür ich kämpfe, schadet. Fördere alles, was im Guten liegt.” Dann kommen die Geister Gottes, denen es vorher nicht eilte, und sagen: “Geh jetzt dahin und sage das, von dem du glaubst, dass es richtig sei.” Die Geister Gottes sind ja so geduldig - es eilt ihnen gar nicht. Sie überlegen und betrachten die Menschen. Erst dann fangen sie langsam damit an zu wirken. Je nachdem, was sein muss, räumen sie alles aus dem Wege, auf dass alles gut und harmonisch geht und der Mensch sein Vorhaben ohne Schwierigkeit erfüllen kann. Oder wenn es nicht geschehen darf, legen sie ihm Hindernisse in den Weg, sei es beispielsweise durch Krankheit. Das sind dann die Antworten geistigerseits. Nach der christlichen Überzeugung wäre die Duldsamkeit besonders gottgefällig. Lieber Josef, kannst du dazu etwas sagen ? Saphir, 1. April 1959 181 Josef: Liebe Schwester, die Duldsamkeit kann man nicht mit allem vermischen. Sie muss dort angewendet werden, wo sie gerechtfertigt ist. Und anderswo ist es eben notwendig, dass man mit einer gewissen Strenge vorgeht. Hier muss man eben genau wissen, wo man duldsam zu sein hat. Man hat duldsam zu sein gegenüber alten, kranken, hilflosen Menschen. Duldsamkeit ist erforderlich, wo man geistig und körperlich schwachen Menschen gegenübersteht. Von einem gesunden Menschen aber darf man wohl verlangen, dass er gewisse Leistungen vollbringt, und man darf nötigenfalls energisch vor ihn hintreten. Wenn man ein Unrecht erleidet, muss man es dann auf sich nehmen und erdulden, wie uns dies die christliche Religion lehrt? Josef: Ja, das ist schon richtig. Wenn es geschehen ist und man nichts mehr ändern kann, dann hat es keinen Sinn, sich dagegen aufzulehnen, sich dem niederen Denken hinzugeben und für den andern schlechte Wünsche aufzubauen. Was nicht mehr geändert werden kann, soll man als Prüfung bejahen und ertragen. Seht, liebe Freunde, es ist schwer, überall die richtige Entscheidung zu treffen. So könnt ihr sehen, wie viel es braucht - auch für den Geist -, stets das Richtige zu erkennen, was gefördert werden muss und was man zu unterbinden hat. Es ist nicht so einfach. Die Gotteswelt verlangt von einem Menschen, der sich um die geistigen Höhen bemüht, dass er nicht einfach so mit seinen Leidenschaften und Süchten dahinlebt. Wer Anspruch auf geistige Vollwertigkeit erhebt, von dem darf man auch etwas Verständnis verlangen. Man darf ihm sagen, was sich gehört und was sich nicht gehört. Ist jedoch einer den Leidenschaften oder Süchten verfallen, soll man ihm auch sagen dürfen, dass man sein Tun nicht für vollwertig nimmt und ihn dafür entschuldigt. Wenn er darüber nicht aufgebracht ist, dann gibt er sich vielleicht Mühe, seine Untugenden oder Leidenschaften abzulegen. Wer sich aber gar nicht anstrengt, sich zu verbessern, der wird dann eben dafür gezeichnet, dass er gar keinen guten Willen hat. Wenn man sich schon auf die christliche Lehre beruft, muss man sich ständig um den rechten Weg bemühen und 182 Erlebnisberichte 1958-1959 darf nicht sagen: “Ich kann einfach nicht anders” - das geht nicht. Solchen Menschen gegenüber muss man auch nicht duldsam sein, sondern ihnen darf man sagen, was sich gehört und dass man sich in ihnen getäuscht hat. Es kommt natürlich immer darauf an, in welchem Verhältnis man zum andern steht. Dies ist freilich zu beachten. Wenn man dem andern infolge einer Abhängigkeit das Problem nicht sagen kann, wenn man um sein Brot kämpft und bangt, dann kommt nur die Duldsamkeit in Frage. Entweder verlässt man einen solchen Menschen, oder, wenn es nicht möglich ist, dann bleibt nichts anderes übrig, als auszuharren, sich in der Duldsamkeit zu üben und Gott um Kraft zu bitten, dass er hilft, die Rauheiten des andern zu ertragen. Ich komme nun wieder auf die Frage zurück: Wenn man überzeugt sein will, ob man richtig handelt, braucht man nur den Mitmenschen zu fragen: “Glaubst du, ist es nicht falsch, wenn ich immer von dem und dem rede? Ist es nicht aufsässig und unharmonisch, wie ich mich andern gegenüber benehme?” Die Mitmenschen wissen es am besten und können sehr gut Bescheid geben, denn selbst weiss man es nicht. Ein jeder Mensch ist mit sich selbst am meisten zufrieden. Er hat das Gefühl, dass das, was er macht, das einzig Richtige wäre, und vermag keinen Tadel hinzunehmen. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Saphir und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Erstveröffentlichung in der Zeitschrift “Geistige Welt” 183 1. Juli 1959 David - ein himmlischer Baumeister Ein Künstler erbaut durch eifriges Schaffen für seine Geschwister eine neue Siedlung Kontrollgeist: Gott zum Gruss. Ich bin die Kontrolle. Liebe Freunde, nach mir meldet sich ein Geist - er lebte ein gutes Leben und durfte in eine dem entsprechende Welt eingehen. Was er euch zu erzählen hat, dient zu eurer Belehrung. Gott segne euch diese Stunde. Gott zum Gruss. David: Gott zum Gruss. Gestattet mir, dass ich mich vorstelle: Mein Name ist David. Ich möchte euch von meinen Eindrücken im Geisterreich erzählen. Natürlich war ich sehr erstaunt, als ich in dieser andern Welt erwachte, denn ich war als Mensch der Auffassung, dass man am Jüngsten Tag auferstehen würde und man so lange irgendwo ruhen müsste - im Grabe oder sonst wo. Ich machte mir keine besondere Vorstellung von diesem Jüngsten Tag. Ich nahm es einfach an; es leuchtete mir am besten ein, dass es so sein könnte. Ich habe mich bemüht, im Leben gerecht zu sein. Mein Herz war gut, mein Gemüt ebenfalls. So freute ich mich über diese Schönheiten, denen ich begegnete. Meine Mutter kam mir gleich entgegen, und sie sprach ihre Freude darüber aus, dass ich nun auch in dieser andern Welt angekommen sei. Es sei so schön hier, und ich sollte nun an den Freuden mit ihr teilhaben. “Ja”, sagte ich, “ich bin eigentlich erstaunt, hier so viel Ähnliches zu sehen wie zu Hause.” Ich war auch erstaunt, sofort, eben in diesem Zustande, dies alles erfassen zu können, so klar zu denken - dass es eben nicht so ist, wie ich glaubte, dass man da im Grabe oder sonst irgendwo zu ruhen hätte bis zum Jüngsten Tag. Ja, es war schön hier, meine Umgebung gefiel mir gut, und es erinnerte mich so sehr an zu Hause. 184 Erlebnisberichte 1958-1959 Nun, ich fing an, mich für die Gebäude, für diese Stätte zu interessieren, denn diese Stadt, in der ich angekommen war, bestand aus verschiedenen Siedlungen. Meine Mutter und mein Vater führten mich in dieser Stadt umher und erklärten mir die verschiedenen Siedlungen. Ich musste feststellen, dass diese sich in ihrem Äusseren so sehr unterschieden. Sie haben jeweils einen ganz anderen Stil. Dies alles interessierte mich sehr, denn ich hatte gleich das Gefühl, dass die Bauten in dieser anderen Welt mit grösserer Aufmerksamkeit, mit mehr Geduld und vielleicht auch noch mit mehr Liebe erbaut worden sind als vergleichbare Bauten auf Erden. Ich interessierte mich hauptsächlich für das Material und wollte wissen, in welcher Art, in welcher Form es bestehen kann. Da kam meine Mutter zu mir und sagte: “David, du denkst noch etwas zu irdisch. Du musst nun dein Denken wandeln und versuchen, himmlisch zu denken. Du kannst die Dinge, die du hier erblickst, nicht mit irdischen vergleichen, denn hier ist alles himmlisch. Du musst versuchen, deine Gedanken himmlisch zu gestalten.” Ich erwiderte ihr: “Mutter, du hast gut reden. Wenn man vom Erdenreich in diese andere Welt kommt, ist man nicht sofort imstande, himmlisch zu denken, sondern man fühlt, denkt und handelt eben irdisch, so wie man es von zu Hause gewohnt war.” Ich lenkte meine Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Siedlungen und musste feststellen, dass es mir nicht möglich war, die Art des Materials, aus dem die Häuser und alles andere gebaut worden waren, zu erfassen oder zu zerlegen [analysieren]. Ich bejahte es, da es eben himmlisches Material ist, konnte es aber noch nicht so ganz verstehen. Man gab mir auch zu bedenken, dass ich ja noch gar nicht in der Lage sei, dies zu erfassen; es sei jetzt eben himmlisches Schaffen. Ich könne dieses Material nicht untersuchen und daher nicht feststellen, welcher Art es sei. Dazu müsste ich noch länger im Himmelreich sein, um dann verstehen zu können, wie und aus welchen Stoffen all diese Gebäude hergestellt worden seien. Nun gut, ich gab mich damit zufrieden. Ich war ja vor Tatsachen hingestellt - die Gebäude waren da. Aber diese Verschiedenheiten interessierten mich: Ganze Siedlungen glichen dem Stil des byzantinischen Zeitalters. Andere fielen nach eurer Berechnung in das David, 1. Juli 1959 185 karolingische Zeitalter, weitere zählten zur Renaissance. Ich sah Siedlungen, sie waren aus dem Zeitalter der Gotik, des Barock, ja auch des Romanischen. Diese Siedlungen unterschieden sich voneinander durch ihren jeweils besonderen Stil. Sozusagen alles konnte ich beim Durchwandern der Siedlungen sehen. Da wollte ich wissen: “Ja wie ist denn das möglich? Das scheint ja alles so irdisch! Entweder haben diese Seelen von der Erde ihre Inspirationen ins Himmelreich genommen und die Städte dort gemäss jener Zeit nachgebaut - oder ist es so, dass die Seelen nach ihrer Entwicklung, ihrer Stufe aus den himmlischen Bereichen inspiriert wurden, um auf der Erde ihre Häuser entsprechend zu bauen?” Ja, ich hatte Fragen über Fragen, und meine Mutter wusste mir nicht so richtig Antwort zu geben. Sie sagte nur immer: “David, du denkst viel zu irdisch. Du musst dich nun dem höheren Denken zuwenden.” Ja, ich versprach, das wohl zu tun. Aber jetzt interessierte mich: “Warum ist diese Siedlung hier im Baustil gleich wie jene von dazumal im Erdenreich? Alles ist ja auch hier vorhanden.” Mir gefielen hauptsächlich die Siedlungen, welche das Äussere vom byzantinischen Zeitalter hatten - diese vielen Türme gefielen mir. Es ist so schmuckvoll, so schön. Auch die Siedlungen aus dem romanischen Zeitalter mögen das Ihre an sich haben. Ich möchte sogar sagen: Es verhält sich bei jeder Entwicklung so. Und ich kam bei einer Siedlung aus der Zeit der Völkerwanderung vorbei. Dementsprechend waren die Gemeinschaftshäuser aufgebaut. Und in jeder solchen Siedlung war ein Tempel vorhanden, der wiederum sehr an all das erinnerte, was einstmals Menschenhände im Erdenreich erbaut hatten. Ich hatte aber das Gefühl, dass es hier im Himmelreich kostbarer und schöner gestaltet sei; dass im Erdenreich diese Schönheit bestimmt nicht zu finden ist, obwohl dort noch viel Schönes aus alten Zeiten vorhanden ist. In der Hauptsache sind es ja die Kirchen, wo diese Kunst zum Ausdruck kommen durfte. Solche Kirchen wie im Erdenreich findet man jedoch in der anderen Welt nicht. Man hat hier grosse Tempel und Gebetshallen - fast unendlich viele. Aber sie passen sich genau an die Gebäude an, in deren Umgebung, in deren nächster Nähe sie 186 Erlebnisberichte 1958-1959 stehen. Sie bilden also etwas Geschlossenes, etwas Gemeinsames. Und weite Wege liegen wieder frei bis zu einer andern Siedlung, und doch bildet das Ganze zusammen eine Stadt. Nun, ich wollte weiter wissen: “Die Erde hatte ja auch ihre grossen Künstler gehabt. Wenn es nun so ist, dass man sozusagen dasselbe im Himmelreich findet, was Menschenhände im Erdenreich bauen und gebaut haben - wie steht es denn um die grossen Musiker? Wo steht Beethoven, wo ist Bach, wo ist Mozart, wo sind die weiteren Komponisten?” Meine Mutter musste mir darauf Antwort geben, und sie konnte mir nur sagen: “Jeder lebt mit seinesgleichen in seiner Welt, in seiner Siedlung, und jeder übt sich weiter in seiner Kunst.” Ich wollte weiter wissen: “Was ist denn jetzt ihre ganz genaue Beschäftigung? Komponieren sie, spielen sie, singen sie, oder was tun sie?” Ja darüber konnte mir meine Mutter nicht genau Antwort geben, aber sie sagte mir, ich würde schon noch Gelegenheit finden, meine Neugierde stillen zu können. Ich sagte meiner Mutter deutlich, dass mich das sehr interessieren würde. Ich wollte zudem auch noch wissen, wieso und woher sie gekommen, wohin sie gelangt sind, welche Tätigkeit sie ausüben und was sie noch für Möglichkeiten hätten, auf die Menschen einzuwirken. Meine Mutter antwortete mir, es würde mir schon Gelegenheit gegeben, mich darüber unterrichten zu lassen. Ich habe mich besonders an diesen vielen schönen Gebäuden erfreut und mir darüber auch meine Gedanken gemacht. So habe ich die Möglichkeit, mich in dieser grossen Stadt frei zu bewegen, und ich bin mit meinem Leben zufrieden - auch mit den Freundschaften, die ich geschlossen habe, und überhaupt mit allen diesen Bekannten, mit denen ich zusammen lebe. Ich kann es auch nicht lassen, mich dann und wann ins Erdenreich zu begeben. Ich belästige allerdings keine Menschen. Ich interessiere mich vielmehr für ihre Kunst und für ihr Schaffen. Dann ziehe ich Vergleiche zwischen diesen Bauten: den Häusern von heute im Menschenreich und den Gebäuden dieser anderen Welt. Ich habe natürlich sofort die Feststellung gemacht: Im Himmelreich spielt Zeit keine Rolle. Aber im Menschenreich bedeutet Zeit Gold - richtet sich alles nach der Zeit. Wenn sie heute für ein Haus den ersten David, 1. Juli 1959 187 Spatenstich machen, muss sozusagen die nächste Woche das Haus fertig sein, denn Zeit, Zeit ist für sie Geld. Und wenn wir heute diese Häuser betrachten - ach, die Menschen, sie versuchen sie einigermassen an die Umgebung anzupassen. Vielleicht richten sie sie auf die Landschaft aus und so weiter; aber das ist sozusagen gerade alles. Sie sind auf Bequemlichkeiten eingestellt und überhaupt auf alles, was schnell geht. Und wenn man im Himmelreich nur schon das Äussere eines Hauses betrachtet, muss man feststellen, mit welcher Sorgfalt all dies gemacht wurde - wie wunderbar, wie exakt. Und dass im Himmelreich doch die Kunst noch etwas gilt, während man im Erdenreich, wenn man Zeit hat, sich nur etwas der Kunst widmet, denn zuerst kommt das andere. Meine Mutter, die mich immer begleitete, erklärte mir wieder: “Du sollst nicht über solches nachdenken. Du hast dich jetzt mit himmlischen Sachen zu befassen. Denke nicht immer über diese Dinge nach.” Und ich erwiderte ihr: “Ich kann nicht, denn es muss dir verständlich sein, Mutter: Wenn man noch nicht so lange vom Erdenreich Abschied genommen hat, ist man einfach nicht fähig, himmlisch zu handeln und zu denken, sondern man denkt und handelt eben irdisch, beschäftigt sich damit. Und jetzt geht mein Denken eben dahin. Ich möchte nicht im Besonderen neugierig sein, doch es soll zu meiner Bereicherung dienen. Ich möchte wissen, warum denn hier alles zu finden ist, was ich im Erdenreich auch erlebt und gesehen und womit ich mich beschäftigt habe.” Nun gut, ich durfte mich also diesen Gedanken hingeben und fand da und dort Aufklärung. So betrachte ich eben diese grossen Häuser der Menschen und suche das Ebenbild nun in meiner Stadt, denn in anderer Form ist es auch da vorhanden. Ich habe Ähnliches gesehen - ich möchte betonen: Ähnliches, denn es ist viel gewaltiger, viel mächtiger; jedoch ist alles viel sorgfältiger erbaut worden als im Menschenreich. Meine Mutter hatte ein besonderes Anliegen, dass ich, wenn ich nicht fähig sei, anders zu denken, mich doch mit dieser himmlischen Angelegenheit beschäftigen möchte. Sie erklärte mir: “Wer gewisse Fähigkeiten hat und in der Lage ist, ein Haus zu erstellen, 188 Erlebnisberichte 1958-1959 kann es genau wie im Erdenreich tun: Man muss womöglich zuerst die Bewilligung einholen und die Pläne der Engelwelt zur Einsicht vorlegen - ihr den Wunsch unterbreiten, dass man ein solches Haus oder eine ganze Siedlung bauen möchte.” Ich dachte mir: “Ja, warum nicht?”, und stellte mir vor: “Für alle Ewigkeit bleibe ich nun in dieser Stadt. Warum kann ich denn nicht eine ganze Siedlung bauen?” Das wäre für mich wunderbar, denn ich hätte so viele Inspirationen und könnte so das eine mit dem andern verbinden. Ich dachte daran, einen neuen Stil zu schaffen. “Gut”, sagte meine Mutter, “fange an, einen Plan zu zeichnen. Aber bevor du gleich an eine ganze Siedlung denkst, beginne einmal damit, nur ein Haus zu zeichnen.” Ich tat es so, denn man hatte mir ja keine andere Beschäftigung aufgetragen. Ich durfte mich also in dieser grossen Stadt frei bewegen, und ich sah viel Wunderbares. Ich merkte mir das. Ich zeichnete ein Haus und legte dafür aus den verschiedenen Zeitepochen jeweils etwas zusammen, was - wenigstens für meine Augen - ein harmonisches Bild ergab. Man hatte mir aber gleich gesagt: “Du kannst nicht einfach da, wo du willst, ein Haus erstellen. Dafür brauchst du die Bewilligung der höheren Engelswelt. Denn da könnte ja jeder kommen und sagen: ‘Ich will ein Haus bauen, wie ich es denke und wie es mir genehm ist.’ Das würde doch ein unendliches Durcheinander geben.” An die genaue Ordnung musste ich mich erst gewöhnen, und ich machte mich bereit, den Plan vorzulegen. Die höheren Engel kamen zu mir, und sie hatten Interesse und freuten sich, dass ich mich mit solchen Dingen gleich von Anfang an beschäftigte. Sie hatten allerdings an meinem Plan, den ich gezeichnet hatte, ziemlich viel auszusetzen. Der eine erklärte mir, dass diese Form nicht gut aussehe, dass dies unharmonisch sei, es so nicht möglich wäre und so weiter. Ich fing nun langsam an, zu verstehen und zu begreifen, und hatte dann auch schnell wieder andere Inspirationen. Die Engel zeichneten mir in grosser Geschwindigkeit ein Haus und erklärten mir, wie es ungefähr sein müsse. Ich dürfe nun meine Phantasie walten lassen, es ausschmücken, aber es müsse ungefähr in dieser Form bleiben. David, 1. Juli 1959 189 Gut, so machte ich mich eben wieder aufs Neue daran, und dieses Mal besuchte ich die andern in den Siedlungen, denn es war ja überall ein reger Betrieb. Ich erkundigte mich nach solchen, die in dieser Beziehung Fähigkeiten und Verständnis hätten, und das gelang mir. Ich hatte dann eine schöne Gruppe Gleichgesinnter zusammen, und wir hatten uns gemeinsam an eine solche Arbeit gemacht. Wir hatten die Grundrisse und die Bedingungen, die man an mich gestellt, festgehalten und auf dem weitergebaut, unsere Zeichnungen gemacht und sie wiederum vorgelegt. Man war sehr zufrieden damit und sagte, dass es nicht zu verwerfen wäre, es sei sehr gut. Man bat darum, dass ich dieses gezeichnete Haus, beziehungsweise wir hatten mehrere gezeichnet, der Engelswelt übergebe. Da war ich etwas enttäuscht, denn man gab mir die Pläne nicht zurück und erklärte, dass ich mich nun wieder aufs Neue an die Arbeit zu machen hätte, wieder Neues schaffen solle, dass man aber an den Plänen für spätere Zeiten festhalten möchte. Ich solle nun versuchen, etwas anderes zu zeichnen, wieder aufs Neue beginnen, es aber allein tun. Ich hätte mit Hilfe der andern Brüder doch gewisse Inspirationen bekommen und könne nun selbst ein eigenes Werk zur Ausführung bringen. Eigentlich war ich stolz darauf, dass man mir dies zutraute, dass ich doch das selbst fertigbringen könne. Ich ging aufs Neue an die Arbeit, und ich rief auch die Mutter wieder zu Hilfe und sagte ihr: “Es ist hier wirklich nicht so einfach.” Da erklärte mir die Mutter: “Weisst du, hier wird die Kunst gepflegt. Du musst das Äusserste, was in dir liegt, hergeben und grosse Anstrengungen unternehmen. So wirst du ganz bestimmt etwas schaffen können. Auch wenn das andere zur Seite gelegt wurde, wird es sicherlich irgendwo seine Verwendung finden.” Die Mutter glaubte zu wissen, dass das von uns Gezeichnete nicht in diese Stadt passen würde, dass es aber ganz bestimmt in irgendeiner anderen Stadt gebaut würde. Ich wusste nicht recht, ob sie mich damit nur aufmuntern wollte. Also habe ich mich wieder darangemacht, Neues und noch Besseres hervorzubringen. Da sagte sie mir: “Siehst du, die Kunst, sie kennt keine Zeit. Die Kunst ist Liebe. Ob sie im Jenseits oder im Diesseits gepflegt wird, die Bedin 190 Erlebnisberichte 1958-1959 gungen sind dieselben. Das kunstvoll Geschaffene ist unvergänglich. Es ist ein Hauch von Unvergänglichkeit in der Schöpfung Gottes.” Nun wusste ich, dass ich mein Äusserstes dazu beizutragen hätte, und so ging ich daran. Ich zeichnete ein Haus und mehrere dazu - ich hatte eine ganze Siedlung zusammen und mit dazu eine wundervolle Gebetshalle. Ich stand ja in Kontakt mit meinen Geschwistern, und wir begaben uns jeweils gemeinsam in diese Hallen. Dort beteten wir, wir sangen, wir lobten und priesen Gott. Dort fand auch die gemeinsame Unterrichtung statt; die höheren Wesen des Himmels gaben uns Anweisungen. Sie gaben Erklärungen vom Geschehen im Erdenreich wie auch vom Geschehen im Jenseits, von den unteren Stufen bis zu dieser Stadt, wo ich wohnte; von ihrer Tätigkeit selbst und von ihren Bemühungen und Anstrengungen und wie sie die Einzelnen anspornen. Also hatte ich, in dem Sinne eben, eine ganz schöne und wunderbare Siedlung mit einer Gebets- oder Andachtshalle zu schaffen. Wie lange ich daran arbeitete - für mich gab es keine Zeit mehr. Ich habe aufgehört, irdisch zu denken, und mich dann wirklich ganz diesem schöpferischen Schaffen hingegeben. Ich habe die Weiten der Städte besucht, die einzelnen Bauten aufs Genaueste betrachtet. Ich hatte das, was mir besonders gefiel, miteinander verbunden, zu einem Ganzen zusammengetragen und den Plan dafür aufgestellt. Es hat lange gedauert. Wie lange, kann ich nicht sagen. Ich habe dann auf Anweisung meiner Mutter die Pläne meinen höheren Geschwistern unterbreitet. Sie haben sie entgegengenommen und mir erklärt, dass sie mir Bescheid darüber bringen würden, und man liess mich warten. Sie sind mit meinen Plänen einfach weggegangen, und ich habe mich dann da und dort zu diesen Siedlungen begeben und angefangen, mich für das Schaffen von dort zu interessieren. Ich dachte mir: “Man kommt wohl wieder zurück und wird mir erklären, ob meine Arbeit gut ist.” Wenn nicht, dann würde ich wieder von Neuem beginnen. Hatte ich doch nun eine Ahnung, was man von der Kunst im Himmelreich verlangt. Wie lange es dauerte, bis man mich rief, wusste ich auch nicht; ich kannte keine Zeit mehr. Aber ich erlebte es. David, 1. Juli 1959 191 Wir begaben uns gemeinsam in jene Tempelhalle, die zur Siedlung gehört, in der ich wohne. Es wird einem angedeutet, dass man sich zur Lobpreisung zur Hauptsache in die Halle seiner Siedlung zu begeben hat. Und es wird einem auch angekündigt, wenn man frei ist, in Hallen anderer Siedlungen zu gehen. Denn jede Halle, jede Siedlung ist ganz anders und für sich bewunderungswürdig. Also war ich dann mit meiner Mutter ahnungslos in meine Halle gegangen, und hier sind sie alle wie gewohnt da gewesen, die uns gemeinsam in der Lobpreisung unterstützten, mit uns sangen und jubelten, uns Erklärungen gaben und erzählten. Dann, als dies alles vorüber war, kamen, ich möchte fast sagen, persönliche Belange des Bruders, der Schwester, die Besonderes geleistet haben, zur Sprache und entsprechende Erklärungen. Hier wird über diese Leistungen gesprochen. Andere werden aufgefordert, in der Gemeinschaft diesen Bruder, diese Schwester in ihrer Leistung zu unterstützen oder an ihrem neuen Schaffen mitzuwirken. So war ich erstaunt, als man mich herbeirief und mir die Pläne aushändigte und erklärte, dass die neue Siedlung genehmigt worden sei und dass sie in einer bestimmten Entfernung von dieser Stadt entstehen dürfe. Ich war darüber hocherfreut. Nun ja, ich habe mein Denken schon etwas umgestellt. Ich war ja sehr interessiert und hatte auch einiges dazugelernt, beispielsweise wie es möglich ist, ein Haus zu bauen. Da hat man mir dann entsprechende Geschwister zur Verfügung gestellt und erklärt: “Siehst du, jeder, der dir zur Seite steht, ist in seiner Art ein Künstler. Sie werden dir bei dieser neuen Siedlung helfen.” Ich war erfreut und mit mir meine Geschwister, dass wir an der Erweiterung und Verschönerung dieser Stadt mitwirken durften, dass wir eine neue Siedlung erstellen konnten und sozusagen nur wenige Abänderungen nötig waren, die mir meine höheren Geschwister gemacht hatten. Ich habe mich voll und ganz damit einverstanden erklärt und sogar gebeten, wenn man mir von höherer Seite weitere Inspirationen geben dürfe, wäre ich dafür dankbar. Aber man liess mich schalten und walten, und so durfte ich mich mit meinen Geschwistern an den Bau dieser neuen Siedlung machen. Man erklärte mir auch, dass so viele schon bereit seien und dafür bestimmt, in diese Häuser einzuziehen. 192 Erlebnisberichte 1958-1959 So bin ich mit meinen geistigen Brüdern und Schwestern an der Arbeit an dieser neuen Siedlung und bekomme immer wieder von höheren Baumeistern Besuche, die da und dort etwas zur Verbesserung beitragen. Ich freue mich, diese Arbeit leisten zu können, und meine Mutter freut sich noch mehr. Sie sagt: “Siehst du, David, so hast du durch deinen Willen und durch dein eifriges Schaffen die Möglichkeit erhalten, vielen, vielen Wesenheiten ein schönes Haus zu geben. Sie werden hier eintreffen und mit dir in Verbindung treten. Du wirst ihnen als der Erbauer dieser Siedlung vorgestellt.” Ja, und noch bin ich an dieser Arbeit. Wie lange es noch geht, bis diese Siedlung fertig ist, kann ich nicht sagen, denn für mich gibt es keine Zeit wie bei euch Menschen. Ich habe Mitleid mit ihnen, denn es eilt ihnen so. Sie gehen am Schönsten vorüber und haben keine Liebe, keine Zeit. Es ist schade darum. Aber es muss wohl so sein, denn das ist eben irdisch, irdisches Handeln, Schalten und Walten nach den irdischen Gesetzen. Ich wünsche mir, dass die Menschen nicht vergessen, was nach dem Sterben ist, und dass sie im irdischen Reich versuchen, sich schon etwas in ihren Gedanken aufs Himmlische umzustellen, damit es ihnen nicht so schwerfällt, wie es anfangs auch mir ergangen ist. Es war für mich nicht leicht, von meinem irdischen Denken ins himmlische Denken hineinzukommen. Aber ich hatte ein Ziel, das ich erreichen wollte, und das durfte ich tun. Wenn es mir gestattet ist, meinen Freunden dies zu sagen, dann möchte ich es klarlegen: Denkt an das Unvergängliche, was die Menschheit hat an Kunstvollem, an Werten, von dem meine Mutter gesagt hat: “Dies ist ein Hauch von Unvergänglichkeit in der Schöpfung Gottes.” So habe ich meinerseits versucht, euch etwas davon zu erzählen. Es sind bestimmt viele Fragen in euch aufgetaucht. Aber dafür bin ich nicht zuständig, sie zu beantworten. Ich möchte euch nur eines sagen: Zurück ins Erdenreich - nein, das möchte ich nicht. Da bleiben, im Himmelreich, und Baumeister sein ist viel schöner. Wir haben keine Plage um das Geld und das Brot. Man muss jedoch auch suchen; das Material etwa, das man zum Bauen braucht, ist nicht immer sogleich vorhanden. Aber es ist nicht mit einem Leben im Schweisse des Angesichts verbunden wie beim Menschen. Das David, 1. Juli 1959 193 Bauen im Himmelreich ist eine Leichtigkeit. Es ist etwas Wunderschönes, denn man tut es ja nicht nur für sich selbst. Man weiss, dass man auch seinen Anteil in diesem Himmelreich hat, und ist interessiert an der ganzen Schönheit. Und darum geht es. Ich möchte im Himmelreich nur Schönes schaffen, um meine Geschwister, die zu mir kommen, zu erfreuen. Es ist meine Aufgabe, mit meinem Schaffen andern Freude zu bereiten. Und Menschen können es in ihrem Reiche ja ähnlich tun. Wenn sie auch in ihrem täglichen Schaffen nicht überall imstande sind, dem andern eine Freude zu bereiten, so haben sie nebenbei noch genug Zeit, neben ihren Pflichten, dies zu tun - sei es mit Worten, die sie sprechen, oder mit ihren Gefühlen. Liebe pflegen ist eine Kunst; auch sie ist “ein Hauch von Unvergänglichkeit in der Schöpfung Gottes” - pflegt sie. Nun, ich kehre wieder zu meinen Geschwistern zurück und wende mich meiner Arbeit zu. Wer weiss, vielleicht ist es mir wieder einmal gestattet, etwas zu erzählen, wie weit ich bin. Vielleicht erhalte ich die Nachricht, dass ein Bruder oder eine Schwester von euch in meiner Siedlung angemeldet ist. Das würde mich freuen. Wer weiss, hoffen wir... Gott segne euch. Gott zum Gruss. [Ende der Tonaufnahme. Ergänzung aus der Erstveröffentlichung in der Zeitschrift “Geistige Welt”.] Josef: Liebe Freunde, wir haben euch Gelegenheit gegeben, wieder einen Geist besonderer Art zu vernehmen, der euch von seinem Schaffen erzählt hat. Ihr könnt daraus ersehen, dass ein Wesen, das gut und gerecht gelebt hat, im Himmelreich eine wunderbare Arbeit ausführen darf. Es ist so, wie euch immer erklärt wurde: In einem solchen Fall finden die Fähigkeiten des Einzelnen im Himmelreich ihre weitere Entfaltung. Nun, ich stelle mir vor, dass verschiedene Fragen in euch aufgetaucht sind, und ich bin gerne bereit, euch darauf zu antworten, so gut es mir möglich ist. Hat diese Seele nach ihrem Übertritt in die geistige Welt auch eine Zeit der Ruhe und des Schlafes haben dürfen? 194 Erlebnisberichte 1958-1959 Josef: Freilich, auch das. Wisst ihr, liebe Freunde, das sind Geschehnisse, die nicht immer wieder extra hervorgehoben werden. Dieser wunderbare Schlaf, der bald kürzer, bald länger dauert, wird jeder guten Seele zuteil. Lieber Josef, ist es dir möglich, uns das Material, aus dem himmlische Bauwerke erstellt werden, zu erklären? Josef: Ich glaube, es ist schwer für mich, euch das klar und begreiflich zu machen. Es wurde euch gesagt, dass das Material auch zusammengesucht werden müsse. Das ist so gemeint, wie ich euch schon unterrichten durfte, dass ein gewaltiger Strom an Gotteskraft durch alle Sphären zieht, worin alle Bausteine oder Grundstoffe vorhanden sind. Diese müssen entsprechend in der Zusammensetzung gewählt werden, um das zu erhalten, was man benötigt. Anstelle eures festen Materials ist im geistigen Reich eben alles licht und feinstofflich. Ich kann euch das nicht näher umschreiben. Doch müsst ihr euch vorstellen, dass die Materialien einer himmlischen Wohnung, eines Hauses aus Lichtfäden oder Lichtstrahlen bestehen. Damit es aber Bestand hat, müssen für alle Einzelteile wieder die bestimmten Farben jener Lichtfäden verwendet werden. Das muss also verstanden sein, und es geht nicht so, wie es unberufene Geister manchmal versuchen und es dann keinen Bestand hat, sich wieder auflöst. Es muss alles nach den geistigen Gesetzen zusammengestellt werden, sonst hat es nicht die nötige Festigkeit oder Beständigkeit. Durfte David schon so bald nach seinem Eintritt in die Gotteswelt eine so wichtige und schöne Arbeit antreten? Josef: Es ist schon zuerst eine gewisse Zeit verstrichen, was er unterlassen hat, extra anzudeuten. Da er sich schon als Mensch mit dem Bauen von Häusern beschäftigt hatte, hat er sich auch nachher zu seiner Lieblingsbeschäftigung hingezogen gefühlt und sich sozusagen nur dafür interessiert. Und da er ein guter Mensch war, hatte er eben das Glück, in eine Sphäre hineinzukommen, wo er gerade diese schönen, verschieden ausgeprägten Siedlungen antraf. Ihr David, 1. Juli 1959 195 müsst euch aber nicht etwa alle himmlischen Städte so vorstellen. Dieser Geist sprach nur von seiner Stadt, was er erlebt und erschaut hat. Zwischen den Siedlungen sind auch riesige Gärten; darin können sich die Wesenheiten von andern Teilen der Stadt treffen. Ihr müsst euch eine solche Stadt nicht so dicht bevölkert vorstellen wie bei euch, wo sich Haus an Haus reiht. Im Himmelreich ist alles viel ausgedehnter, es ist viel mehr Platz da. In einer solchen Stadt stehen alle Bewohner auf der gleichen Entwicklungsstufe, es haben aber nicht alle dieselbe Intelligenz. Es wird darauf geachtet, dass sie ihrem Empfinden nach zusammen harmonieren und dadurch fähig sind, sich gegenseitig in ihrem Tun zu unterstützen. Sie haben ihre - er nannte sie Gebets- oder Andachtshallen. Ich möchte dazu ergänzend sagen: Es sind Hallen, wo die Wesenheiten von Engeln Gottes im Heils- und Ordnungsplan unterrichtet werden, und es ist selbstverständlich, dass zur Ehre Gottes gesungen und dass Gott geehrt und gepriesen wird. Die Zusammenkünfte finden hauptsächlich in diesen Hallen statt, und nur in besonderen Fällen kehren die Engel Gottes in ein anderes Haus ein. So werden alle, für die sich die Gottesengel besonders interessieren, zusammengerufen und in diese Tempelhallen geführt. Hier wird dann auch von ihrer Tätigkeit gesprochen, wie euch erzählt wurde, und die Einzelnen werden angespornt. Es wird vereinbart und besprochen, was Neues zu schaffen wäre für ihren weiteren geistigen Aufstieg. Wenn ein solcher Geist reinkarniert wird, überträgt er dann - sofern keine schwerwiegenden Belastungen da sind - sein Wissen und Können nach Möglichkeit ins Irdische. Es wird oft gestattet, dass einer seine Fähigkeiten sogar durch verschiedene Leben hindurch immer verbessern kann. Ihr müsst euch aber nicht vorstellen, es gäbe nur in eurer Welt den Fortschritt, sondern er geht sozusagen auf gleicher Stufe auch im Geistigen vor sich, wo dieselben Interessen vorhanden sind. Dies gilt beispielsweise auch für die Technik - auf Erden ist nur alles der materiellen Welt angepasst. Gewiss gingen die Interessen der Mutterseele und ihres Sohnes auseinander; aber entwicklungsgemäss sind sie sozusagen auf gleicher geistiger Höhe, und darum durften sie zusammen in dieser 196 Erlebnisberichte 1958-1959 Stadt bleiben. Also, die Mutterseele hat sich ganz bestimmt nicht für den Häuserbau interessiert; einem weiblichen Wesen liegen andere Aufgaben besser. Infolge seiner grossen Verdienste im menschlichen Leben durfte er in diese schöne Sphäre eingehen und seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen. Doch hatte er auch Verschiedenes gutzumachen; er musste auch durch die Läuterung gehen. Davon hat er nicht gesprochen, sondern nur von seiner interessanten Betätigung, von der er voll und ganz eingenommen ist. Ihr könnt daraus ersehen, dass ein solcher Geist eben gern das zum Ausdruck bringt, was ihm naheliegt. Obwohl einer schon einige Jahrzehnte im Geisterreiche ist, wie dieser Geist, beschränkt sich sein Wissen doch nur auf seine Tätigkeit, solange er sich nur darauf konzentriert. Da er aber imstande ist, eine wertvolle Arbeit zu leisten, und sich mit den andern Wesen, mit denen er zusammenwirkt, versteht und es keinen Anlass zu irgendwelchen Klagen gibt, darf er diese Arbeit wohl tun. Denn die höheren Geistwesen wissen ganz genau, wen sie wohin zu führen haben. Es kommt zwar vor, dass man einen Geist aus seiner Umgebung herausholt, weil er Anlass zum Ärgernis gibt. Doch wird er nicht aus der Sphäre verbannt; er verbleibt dort. Aber diese ist ja so gross und bietet so viele Möglichkeiten, um ihn an einem ruhigen Ort zur Besinnung zu bringen. Auf eine weitere Frage, inwieweit dieses Kunstschaffen vielleicht der Inspiration höherer Geistwesen zuzuschreiben sei, antwortete Josef: Er hatte dieses Talent im menschlichen Leben, und es blieb ihm auch im geistigen Reich. Er durfte hier dem, was er im menschlichen Leben erlernt und gewusst, was er gefördert und gepflegt hat, wieder begegnen, nur dass er in dieser Stadt den geistigen Formen gegenüberstand. Nun, dieses Wertvolle und Schöne, das ein Wesen sieht, erweckt in ihm selbst wieder Ideen und veranlasst es zu weiterem Schaffen. Es ist dies nichts anderes als ein Zusammenfliessen von diesen wunderbaren geistigen Kräften, die diese Wesen eben zu solch grossen Leistungen unterstützen. Es sind eben die wunderbaren Gaben Gottes, die den Einzelnen zu diesem künstlerischen Schaffen befähigen. Es muss aus ihm David, 1. Juli 1959 197 selbst kommen. Es gibt Sphären in diesen hohen himmlischen Bereichen, wo die Engel Gottes untereinander in den Künsten wetteifern. Es werden an sie die höchsten Anforderungen gestellt und ihre Leistungen - wie bei den Menschen - immer wieder der Kritik unterzogen, auf dass sie immer noch höhere und glänzendere Leistungen vollbringen. Aber darin unterscheiden sie sich von den Menschen, die nur danach trachten, umjubelt und anerkannt zu werden. Im Himmelreich wirkt man nur für Gott und die Bereicherung der Schönheiten des Himmelreiches. Man tut es nicht aus persönlichem Ehrgeiz, sondern zur Ehre Gottes und zur Freude aller Geschwister, die sich wieder in diesem Schaffen ergänzen. Ihr sollt nicht glauben, in diesen höheren Himmeln verharre alles auf ewige Zeiten, wie es einst geschaffen wurde. Das wäre ja langweilig. Sondern es herrscht immer eine freudige Spannung, wenn diese höheren Wesenheiten an ihre schöpferische Arbeit gehen. Man ist in einer freudigen Neugierde, was wohl wieder Neues geschaffen wird, und alle Geschwister erfreuen sich immer wieder an den neuen Schönheiten, die das Himmelreich so vielseitig und interessant machen. Immer stehen einem wieder neue Überraschungen bevor, die grosse Freude bereiten. Ihr könnt euch das gar nicht vorstellen. Nochmals nach den geistigen Geschwistern dieser Siedlung befragt, antwortete Josef: Ihr dürft euch nicht vorstellen, dass sie - ich erklärte es schon -, weil sie in der gleichen Siedlung wohnen, alle gleich intelligent wären. Ausschlaggebend ist, dass sie zusammen harmonieren und geistig gleichstehen, damit sie sich gegenseitig unterstützen können. Hier spielt nicht die Intelligenz eine vorherrschende Rolle. Wohl wird sie auch gefördert, aber zur Schöpfung Gottes gehören ja auch gute Wesen, die nicht fähig sind, höhere Dinge zu erfassen, und die bei einer einfacheren Arbeit glücklicher sind. Das muss so sein. Ihr sollt nicht glauben, sie wären deshalb benachteiligt. Sie erkennen wohl, dass nicht jeder in führender Stellung sein kann und dass sie 198 Erlebnisberichte 1958-1959 dazu nicht befähigt sind. Aber was im Gottesreich für alle gilt, das ist die Wertschätzung der Persönlichkeit. Also auch der, der eine geringere Arbeit tut, geniesst diese Wertschätzung. Bei vielen ist zu aussergewöhnlichen Leistungen keine Vorliebe da, weil sie doch einfach eine gewisse Schwäche spüren, die sie an der Ausführung hindert. Denn wer im Himmelreich an einem vorgeschobenen Posten steht, muss ein gewissenhafter, exakter Könner sein. So werden sich niemals andere Geister hervortun und sagen: “Das kann ich auch.” Sie werden alle auf ihr Können genauestens geprüft. Und es wird niemand einer solchen Gemeinschaft und Sphäre zugeteilt, in dem sich Gefühle von Neid bemerkbar machen könnten. Wenn ich recht verstehe, wurde hier ein neuer Stil geschaffen. Ist anzunehmen, dass dieser auch im Erdenreich Anwendung findet? Josef: Dass mit der Zeit im Erdenreich etwas in ähnlicher Art entsteht, ja. Das ist dann so, dass die im Jenseits daran beteiligten Geister derart davon durchdrungen sein werden, dass sie das Neue bei ihrer Wiedergeburt in die irdische Welt hineintragen. Es kann bis dahin aber noch einige Hundert Jahre dauern, bis das im Entstehen Begriffene ins Erdenreich getragen wird. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens David und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung und Erstveröffentlichung in der Zeitschrift “Geistige Welt” 199 2. September 1959 Stasia - Beurteilung der heutigen Zeit aus dem Blickwinkel einer einstigen Hebamme Über die Verfehlungen und Laster der Menschen wird entsprechend ihrem Entwicklungsstand gerichtet Kontrollgeist: Gott zum Gruss. Liebe Geschwister, es wird wiederum ein Geist zum ersten Male hier sprechen, und es wird in seiner natürlichen Art geschehen, um euch den Beweis zu geben, wie sich die Geister anfangs in der jenseitigen Welt benehmen, wie ihr Empfinden ist und zugleich auch, wie wir sie zu belehren haben. Wenn ihr aufmerksam zuhört, könnt ihr vieles daraus entnehmen. Wenn dieser Geist vielleicht auf etwas humorvolle Weise zu euch redet, so möchte ich doch wiederum betonen: Versucht trotz allem, was gesagt wird, dieser Stunde die Weihe und die Würde zu bewahren. Wir sind bereit und stehen da, und wir werden dafür sorgen, dass alles seinen richtigen Verlauf nimmt, so wie wir es angeordnet haben und es wünschen. So wollen wir hoffen, dass ihr durch die Belehrungen dieser Stunde wieder neuen Einblick in das Geschehen der Geisteswelt bekommt und es euch zu eurer Belehrung dienen möge. So walte Gottes Segen über euch alle. Gott zum Gruss. Stasia: Gott zum Gruss. Mein Name ist Stasia. Ich heisse jetzt aber nicht mehr Stasia, sondern Elenora; aber ich erzähle aus meinem Leben als Gstasi - so nannte man mich. Meine über mir stehenden Geschwister haben mir den Befehl gegeben, hier aus meinem früheren Leben zu erzählen und meine Meinung über die heutigen Verhältnisse der Menschen zu sagen. Natürlich ist es nicht das erste Mal, dass ich meinen Weg zur Erde genommen habe, aber ich hatte bisher nicht die Möglichkeit, so wie hier zu reden; hier hat man mir die Wege gebahnt dafür und es ermöglicht, dass es geschehen kann. 200 Erlebnisberichte 1958-1959 Ich habe mich im Lauf der Zeit immer für den Fortschritt interessiert, überall, über alles, und ich sehe, wie schön es heute die Menschen haben - im Gegensatz zur Zeit, wo ich gelebt hatte. Man hat mir gleich erklärt, dass ich nicht etwa der Auffassung sein sollte, dass diese Lichter, die hier brennen, und das Schöne, das hier ist, etwa zu meiner Ehre bereitgestellt worden wären. Nein, das sollte ich nicht glauben. Man zünde keine Lichter an zur Ehre des Geistes, der spricht, sondern die Lichter leuchten zur Ehre dessen, in dessen Namen die Menschen versammelt sind. Also wollte man schon dafür sorgen, dass ich nicht etwa eine besondere Meinung bekomme von mir und glaube: “Ach, die haben zu meiner Ehre dies alles so geschmückt und die Kerzen angezündet und...” Nein. Also ich weiss es: Nicht zu meinen Ehren wurde es getan, sondern die Kerzen leuchten zu Ehren dessen, in dessen Namen ihr zusammen seid. Ja, ich bewundere das Schöne, und ich staune darüber, wie es die Menschen heute haben - wenn ich zurückdenke an meine Tätigkeit, wie man da zu arbeiten hatte und sozusagen keinen Lohn bekam, ja, keinen Lohn. Ich hatte wohl auch meine Arbeit erfüllt nach meinem besten Können: Ich war Kindshelferin [Hebamme] - die Gstasi war ich. Mein Handwerk oder meine Aufgabe hatte ich von meiner Mutter gelernt. Ich hatte keine Schulen besucht; das gab es nicht. Als Kindshelferin hatte ich Gelegenheit, unter viele Menschen zu kommen; und zwar gab es in meiner Zeit sozusagen nur arme Menschen, ganz arme. Ach, die einen hatten vielleicht ein paar Viecherl mehr, dann waren sie schon reich. Und die Häuser - wenn man von “Häusern” reden kann im Vergleich zu heute - waren ja nur so Stallungen. Die Menschen hatten ja keine Betten so wie heute; sie schliefen auf Stroh und auf Laub, und - ach! - von diesem schönen weissen Stoff, auf dem die Menschen heute liegen, war keine Rede. Es sah anders aus in meiner Zeit, doch man lebte auch und war zufrieden - im Gegensatz zu heute, wo wir sehen, wie oft die Menschen alles haben müssen und unzufrieden sind und unglücklich, weil sie dieses und jenes nicht haben und weil sie nicht so viel Ferien bekommen, wie sie wünschen. In meiner Zeit gab es keine Ferien. Man war froh, wenn man gerade den Magen voll hatte, und man war doch zufrieden. Stasia, 2. September 1959 201 Aber jetzt möchte ich doch etwas von meinen Aufgaben und von meinem Leben erzählen. Ich habe gesagt, ich hätte Gelegenheit gehabt, überall hineinzuschauen, und hätte sozusagen nur mit armen Menschen zu tun gehabt. Ich musste jeweils erscheinen, wenn es wieder so weit war und eine Mutter ihr Kindlein zur Welt bringen sollte. Ich musste dann vorher alles Mögliche zusammenschaffen, dass man wenigstens das Kindlein irgendwo hinlegen konnte. Und die Mütter, die hatten ja kaum was zu essen. Rübenbrei hatte man, das war dazumal so üblich. Aber die Leute wussten jeweils: “Wenn die Gstasi kommt, die bringt immer was Gutes mit für die Mütter.” Aber woher brachte ich es denn? Ja, woher? Man wusste wohl, wenn da und dort so ein Viecherl fehlte, wer es genommen hatte: Es war die Gstasi. Aber ich hatte es nicht etwa für mich gebraucht, sondern ich brauchte es für diese Mütter und dann auch noch für die Kinder, die da waren und die eh nichts zu beissen hatten. Ich hatte mir durch meine Tätigkeit einen gewissen Respekt in der weiten Umgebung verschafft, und so wusste ich dann jeweils, wohin ich gehen konnte, um ein Viecherl zu holen. Ich hatte auch ein ganz bestimmtes Haus, dort war man bessergestellt. Es waren dort vornehme Leute, und ich habe mich gut ausgekannt. Von jenem Gesinde hatte man mir jeweils beim Gatterl das Tor offengelassen, und dann konnte ich hingehen und mich hie und da bedienen. So hatte ich dann wieder die Möglichkeit, von diesen Viecherl eine Suppe zu kochen und sie den armen Frauen mitzubringen. Ich selber habe nie davon gegessen, ich habe sie immer hergegeben. Und das möchte ich sagen, meine Einstellung damals war folgende: Ich wusste ja wohl, dass man diese Viecherl nicht nehmen darf, das war ja gestohlen; aber wenn ich mich zu diesem Schritte aufmachte, habe ich immer zu mir gesagt: “Na, lieber Gott, ich bitte dich, schliesse die Augen, schau nicht hin, ich muss es tun.” Und dann tat ich es eben und nahm die Viecherl. Zu Hause hatte ich auch so ein kleines Gatter, und dort hatte ich sie jeweils hineingesteckt. Ich wusste dann schon, wenn es Zeit war, dass ich da- oder dorthin zu gehen hatte. So war einmal die Weihnachtszeit genaht, und gerade auf diese Zeit war es fällig, dass in der Umgebung vier, fünf Frauen ein Kind 202 Erlebnisberichte 1958-1959 lein bekommen sollten. Es war Weihnachten, und ich wusste, sie hatten nichts. Da hatte ich eben schon frühzeitig vorgesorgt und einige Viecherl in mein Gatterl gesteckt. Dann aber hat man mir einen üblen Streich gespielt... Das ist mir noch so gut bekannt, denn als ich ins Jenseits kam, in diese andere Welt, kam das zur Sprache. Ja, das war eine Begrüssung! Da kamen sie von allen Seiten und riefen: “Na, die Gstasi kommt, die Gstasi kommt, begrüsst doch die Gstasi!” Und da kam einer auf mich zu - wir nannten ihn den Zacherl - und sagte: “Na, Gstasi, ich bitte dich, vergib mir. Weisst, ich war es, ich hab dir die Viecherl wieder geholt, dazumal an Weihnachten, wo du nichts geben konntest. Ich war es. Aber kannst du es mir vergeben?” Und ich sagte: “Ja, ich erinnere mich noch.” Aber ich hatte das schon längst vergessen; denn es war darüber schon wieder so viel Neues geschehen. Aber offenbar musste es ihn irgendwie belastet haben oder ihm Eindruck gemacht haben, denn er bekannte es mir. Er sagte mir, er sei von den höheren Wesen ausgescholten worden, weil er diese Viecherl wieder zurückgeholt habe. Er habe ihnen dann gesagt: “Die Gstasi hat sie ja gestohlen, sie hatte sie mir gestohlen - ich musste meinem Herrn Rechenschaft abgeben, und ich hatte wegen ihr viel zu wenig. Ich konnte meinem Herrn nicht immer sagen: ‘Der Fuchs ist gekommen.’ Wir wussten ja genau, dass es die Gstasi war.” Dann sagte Zacherl mir, dass er dafür eben ausgescholten worden sei und man ihm erklärt habe, dass er das nicht hätte tun dürfen, denn die Gstasi habe es nicht für sich persönlich geholt. Die vielen Frauen und Kinder hätten an Weihnachten nichts zu essen gehabt, und jene, denen diese Viecherl gehörten, hätten auch sonst genug zu essen gehabt und in Saus und Braus gelebt. Er hätte sich also nicht einmischen müssen. So wurde er dafür bestraft, weil er mir das, was ich eigentlich zu Unrecht erworben hatte, wieder abgenommen hat. Dafür wurde er bestraft, und er musste mich um Verzeihung bitten. Dann sagte ich: “Ja, es ist ja nicht meine Sache, dir zu vergeben. Du musst eben den lieben Gott bitten, dass er dir vergibt. Ich weiss ja auch, dass ich das nicht hätte tun dürfen, aber ich hab es nicht für mich getan.” Er war dann zufrieden, als ich ihm sagte, ich hätte ihm vergeben. Ich erinnerte mich aber an jene Zeit Stasia, 2. September 1959 203 zurück: Es war Weihnachten gewesen, und ich konnte nur mit leeren Händen kommen. Rübenbrei musste ich diesen Müttern und Kindern bringen, sonst hatte ich nichts. Ich musste bekennen, dass ich einen Vorrat gehabt hatte, aber dass man mir denselben wieder abgenommen hatte. Man schimpfte dann mit mir über diese Tat jenes Menschen, der so etwas gemacht habe, während man doch in der ganzen Umgebung wusste, dass ich dieses ja niemals für mich besorgte, sondern für die andern. Als ich in die andere Welt kam, war ich selbst natürlich auch etwas - ich will nicht sagen: eingeschüchtert, aber es war mir auch etwas bange. Nun war mir alles ganz klar, das heisst, vor meinen Augen lag alles da, es lagen ganze Haufen, bergeweise, was ich da und dort eben mitgenommen hatte. Und ich wusste, dass ich dafür Rechenschaft zu geben hatte. Da kamen sie auch, diese Engel, und sagten: “Ja, Gstasi, wir wussten, dass du dieses nicht für dich nahmst. Du weisst um das Gebot: Man soll nicht stehlen. Du hast es genommen, zwar nicht den Armen. Aus Mitleid hast du dich bedient und es den Armen gegeben. Dafür wollen wir dich nicht strafen. Aber du hast anderes gutzumachen, wo du dich auch verfehlt hast, wo man dir hätte zumuten können, dass du es hättest besser machen können; dafür wollen wir mit dir strenger ins Gericht gehen. Aber beim anderen wollen wir nachsichtig sein mit dir.” Dies möchte aber nicht etwa eine Entschuldigung, eine Aufmunterung sein für die Menschheit von heute, denn heute wird ganz anders geurteilt. Mir waren die Worte der Engel natürlich eine Erleichterung. Zwar hatte ich auch vieles abzutragen. Ich hatte in meinem Leben oftmals vielleicht etwas zu rau geredet und hatte nicht den richtigen Trost gegeben, wo er am Platze gewesen wäre. Denn zu meiner Zeit starben viele Kindlein, und ich, ich machte darüber nicht viele Geschichten. Ich sagte jeweils: “Ach, danke Gott. Wenn es sein Wille ist, wirst du schon wieder eines bekommen. Du hast ja eh zehn oder fünfzehn. Schau für die, dass die gut gedeihen; es ist ja genug, was du hast.” Ich hatte meinerseits jeweils das Mögliche getan, aber es war nicht so wie heute, dass so viele Kindlein, die zur Welt kommen, leben und gedeihen dürfen. Zu meiner Zeit hatte man ja gar 204 Erlebnisberichte 1958-1959 nicht die Möglichkeit, dieses zu erreichen. Die Umstände waren so primitiv in jeder Art und Weise, und die Mütter waren unterernährt. Es fiel einem auch nicht so schwer, wenn man ein Kindlein nicht durchbrachte. Aber da und dort hatte doch eine Mutter sehr geweint, wenn ihr dann ihr Kindlein genommen wurde. Und da war die göttliche Welt nicht so ganz einverstanden mit mir, dass ich da nicht die richtigen Worte gebraucht oder gefunden hatte; ich hätte eben das Leben mehr schätzen sollen. Ich meinerseits, ich dachte ganz vernünftig, und man hat es mir auch nicht als eine Belastung gezeichnet, aber man machte mir Vorwürfe; ich hätte doch anders reden sollen, mich noch mehr um diese Menschen kümmern sollen. Das kann ich ja jetzt besser verstehen, wenn ich sehe, wie heute die Menschen leben. Aber dazumal fehlte mir das Verständnis dafür; man nahm eben einfach alles so, wie es kam, und hatte sich auch schnell damit abgefunden. Heute dagegen sind so viele Menschen depressiv veranlagt. Zu meiner Zeit gab es nicht so viele dieser Krankheiten. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen heute eben viel zu viel um sich haben und sich nicht abfinden können mit Tatsachen; sie grübeln zu viel. Dazumal mussten sich die Menschen mit den Dingen abfinden. Freilich war es auch so, dass der eine ein froheres Gemüt hatte und der andere weniger. Aber dass man um Dinge solche Geschichten machen kann, wie heute es Menschen tun - nein, also das gab es nicht. Ich glaube - so von meinem Standpunkte aus gesehen -, das ist eine moderne Krankheit. Wir waren in unserer Art eben etwas rau. Wir haben jeweils den Einzelnen aufgerüttelt, ja, energische Worte zu ihm gesprochen und ihm erklärt, dass er zufrieden sein soll und so weiter. Ja, ich müsste fast sagen: Mit rauen Worten hat man ihn wieder ‘zusammengestellt’ und ihm den Standpunkt klargemacht. Dann hat er sich wieder aufgerafft, und es ist auch wieder weitergegangen. Wenn wir die Möglichkeit haben, heute die Menschen zu beobachten, so sehen wir, was für Geschichten die machen können über irgendwelch lächerliche Dinge. Sie werden nicht fertig damit, sprechen stundenlang, ja tagelang darüber und erzählen jahrelang immer wieder von dem gleichen Zeugs. Das gab es in meiner Zeit Stasia, 2. September 1959 205 nicht; man musste sich mit den Dingen abfinden, und man war froh, wenn man ein Lager hatte unter dem Kopf. Man hatte auch ein Gottvertrauen; man blickte auf und war bescheiden und zufrieden. Ja, es wäre oftmals gut, wenn diese heutigen unzufriedenen Menschen diese Rückschau haben könnten, dann würden sie vielleicht wieder mit etwas mehr Vertrauen und Zuversicht an ihre Arbeit gehen und auch dankbareren Herzens sein. Ja, dies habe ich nur so nebenbei erklären wollen. Dass ich in meinem Leben auch nicht immer alles recht gemacht habe und eben, wie ich betone, vielleicht oft zu rau gewesen war in meiner Wesensart, darüber wurde ich dann belehrt in der geistigen Welt. Aber wenn ich jetzt so diese Zeitspanne betrachte und zurückblicke, so erkenne ich, wie enorm langsam man eigentlich zu einem Verständnis gelangte, wie lange es ging, bis man überhaupt einmal verstanden hatte, was die höhere Geisteswelt einem sagen wollte. Wir wurden in Schulen gesteckt, und wir hatten dort lange in ein und derselben Stufe zu verweilen; wir hatten immer wieder zu wiederholen. Heute kann ich es kaum fassen, dass ich so lange gebraucht habe, um mich mit diesem Wissen vertraut zu machen. Dann hat man mich aber wieder aufgeklärt und gesagt, dass zu jener Zeit, als ich gelebt hatte, die Entwicklung eben so furchtbar langsam vor sich gehen musste; es lag eben in den Verhältnissen jener Entwicklung. Heute haben die Geister, die wie ich in jener Zeit im Erdenreich lebten, die Möglichkeit, die Menschheit zu betrachten und ihr Denken und überhaupt ihr Schaffen zu beobachten. Und so haben wir zu staunen, was diese Menschen alles leisten in einem Tage. Etwas, wofür wir Wochen gebraucht haben, leisten sie in einem Tag. Da erklärt man uns wieder: “Seht, das ist die Entwicklung, ihr Schaffen geht viel rascher vor sich. Überhaupt sind alle diese Errungenschaften nur durch das intensive Arbeiten, durch den Eifer entstanden; dadurch haben die Menschen nun einen solchen Entwicklungsstand eingenommen.” So werden wir dem Menschen gegenübergestellt, und dann fragen wir natürlich auch: “Ja, ist es eigentlich gut für diese Menschen, in diesem Gehetz zu leben? Hat das denn nicht auch seine Nachteile?” Man klärt uns darüber auf und sagt: “Freilich, für viele ergeben sich 206 Erlebnisberichte 1958-1959 Nachteile daraus” - eben das, was mir so besonders auffällt: Sie sind mit nichts zufrieden, nichts ist schön genug, sie haben immer zu wenig von ihren freien Stunden. Dabei möchte ich nicht unterlassen zu sagen: Wenn sie diese freien Stunden sinnvoll verwenden würden, dann wäre es richtig; aber der grosse Teil der Menschheit strebt ja nur nach dem Vergnüglichen. Er will viel freie Zeit für seine Entspannung, für sein Vergnügen, und das schadet dem Geiste und dem Körper. Es muss alles richtig angewandt werden. Dem geistig ausgerichteten Menschen kann man mehr Freizeit geben, weil er diese freie Zeit sinnvoll zu gestalten versteht. Den Luftibussen aber kann man nicht so viel freie Zeit geben; die müssen eingegliedert werden in den Arbeitsprozess, damit sie auf eine Bahn geführt werden und nicht auf Abwege kommen. Aber dieses der heutigen Menschheit beizubringen, ist schwer, weil die heutigen Menschen es eben verallgemeinern und sich sagen: “Jeder hat das Recht, soundso viel, ja noch mehr freie Zeit zu haben.” Von jedem wird verlangt, viel zu arbeiten, energisch zu arbeiten; und wenn einer die körperliche Kraft nicht aufbringt, dann wird er zur Seite geschoben. Er wird als rückständig betrachtet, und man schaut über ihn hinweg. Das ist die Menschheit von heute; das sind die Nachteile der heutigen raschen Entwicklung. Uns wird dann erklärt: “Ja, natürlich soll man nicht nur das Negative betrachten, man soll nun auch das Positive sehen und bejahen. In jeder Beziehung, auf jedem Gebiete wird immer wieder etwas Gutes geschaffen. Die Menschheit sollte nun auf dieser Bahn des Guten gestützt und gelenkt werden.” Denn es ist klar, dass unter den vielen Menschen, die sich mit all diesen neuen Errungenschaften beschäftigen, auch solche sind, die eigentlich innerlich nicht reif sind dafür. Es leben also, von unserem Standpunkte aus betrachtet, Menschen in diesem Zeitalter, die nicht fähig oder nicht reif sind, das alles zu erleben und mitzumachen, die in ihrer geistigen Entwicklung eben noch rückständig sind. Bei diesen sollte die Entwicklung langsamer vor sich gehen, dann könnte viel Unheil verhütet werden; denn dieser Fortschritt, der von der Menschheit getan wird, ist für viele ein Hindernis. Dann wird uns erklärt: “Seht, immer wieder, je nachdem, wie das Rad der Entwicklung Stasia, 2. September 1959 207 läuft, ist dem Menschen seine Aufgabe gestellt, und je nachdem, wie die Entwicklung geht, wird er beurteilt.” Es wurde mir und allen meinen Freunden erklärt: “Seht, dazumal, als ihr gelebt habt, habt ihr gestohlen; ihr habt viel gestohlen, ihr seid dafür aber nicht in der Art bestraft worden, wie heute ein Mensch bestraft wird, wenn er das gleiche Übel oder Laster ausübt. Er wird viel mehr bestraft; er hat eine andere Schulung, lebt in einer anderen Entwicklung, hat eine andere Anschauung. Folglich wird über ihn anders gerichtet.” Ihr könnt also daraus ersehen, dass vieles, was in früheren Zeiten an Unrecht geschehen oder getan worden ist, viel nachsichtiger beurteilt wurde, dass die Bestrafung nicht unbedingt so hart ausgefallen ist. Man hatte also die Dinge in allen Einzelheiten betrachtet. Natürlich, für Quälerei von Menschen, für Mord und solche Untaten, da gab es kein Pardon; die sind dazumal genauso verurteilt worden, wie sie heute verurteilt werden. Aber es gibt ja so viel - ich möchte sagen - Kleinigkeiten, und doch sind sie von grosser Wichtigkeit. Dazumal wurde man dafür nicht so bestraft, aber heute schon. Wir Geister - und auch ich - haben nun die Möglichkeit, dies zu lernen; wir müssen jetzt unter die Menschen gehen. Dabei haben wir immer unsere Begleiter, und diese sagen uns: “Seht, diese Menschen haben jetzt diesen Entwicklungsstand. Hier gibt es Verfehlungen auf diese Art, und die Strafe ist dieser Art. Drehen wir das Rad zurück: Dieselben Verfehlungen wären zu eurer Zeit nicht in diesem Ausmass zum Tragen gekommen; sie wären entschuldbar gewesen, und dementsprechend war auch die Strafe nicht in diesem Mass. Dafür gab es andere Verfehlungen.” Die Strafe wurde immer wieder abgestimmt, entsprechend der Entwicklung. Ich sage das euch nur, weil ihr heute in einer Zeit lebt, wo man von euch etwas verlangt. Es wird euch viel geboten auf allen Gebieten, und je mehr euch geboten wird, desto mehr wird von euch verlangt zu tun. Es werden nicht etwa Vergnügungen verlangt, sondern das geistige Schaffen. Denn das ganze Tun kommt aus einem geistigen Antrieb. Eine geistige Kraft ist mobilisiert, schafft, und es muss das Gleichgewicht gehalten werden. Denn schliesslich ist es doch Gottes Macht, er gibt dazu sein Wort, dass dieses Wissen heute den Menschen erreichen darf. Aber dafür haben diese Menschen 208 Erlebnisberichte 1958-1959 ihrerseits dementsprechende Leistungen zu vollbringen. Sie wollen ein schönes und bequemes Leben haben - ich meine die Menschen in denjenigen Ländern, wo man nicht so grosse Sorgen und Nöte kennt, eben da, wo man nach so viel Freizeit ruft, nach Bequemlichkeit und danach, dieses und jenes zu haben. “Ja”, sagt man, “sie sollen es haben; sie sollen haben, so viel sie wollen - aber je mehr du verlangst, desto mehr wird von dir verlangt.” Wenn dann solche zu uns kommen, und das erleben wir immer wieder, dann stellt man sie uns gegenüber. Wir sind dabei, wenn die Geister Gottes aus den himmlischen Höhen kommen und diese Heimgekehrten wegen ihrer Missetaten, ihrer Rohheiten anklagen, wegen ihrer Untreue, ihrer Falschheiten, ihrer Lügenhaftigkeit, ihrer Unehrlichkeit und so weiter. Da geht man strenge mit ihnen ins Gericht, weil man ihnen sagt: “Und was hattest du verlangt? Hattest du nicht äusserste Ehrlichkeit für dich verlangt? Hattest du nicht das Beste für dich beansprucht? Genau mit demselben Mass, mit dem du ausgemessen hast, messen wir bei dir nach.” Was euch Menschen nicht so bewusst ist: Wenn man nämlich drüben ist und vor diesen richtenden Engeln Gottes steht, da wird man ganz klein. Man getraut sich nämlich dann nicht so zu reden; man wird ganz still, denn sie, die da stehen, sind so mächtig. Man bekommt ihre Macht zu spüren, und man ängstigt sich und weiss, dass man gefehlt hat. Man wird klein dadurch, dass sie einem alle Fehler vorhalten, auch die, die man schon längst vergessen hat, derer man sich nicht mehr bewusst ist, und man fragt sich: “Ja ist das wahr, hab ich das getan?” Und dann kommen sie und - schwups: Man erlebt es wieder, man wird zurückversetzt in jene Zeit, und die Leute sind da, mit denen man gehandelt hatte. Man erlebt alles, und es gibt kein Ableugnen. So ist es. Es ist nicht für jeden so einfach, wenn er auf der anderen Seite eintritt. Diejenigen, die ein gutes Leben geführt haben, brauchen sich nicht zu ängstigen; sie werden es schön haben. Wir haben schon viele schöne Begrüssungen miterlebt, so wie ich es erlebte, als sie von allen Seiten zu mir kamen und mich begrüssten: “Die Gstasi kommt, die Gstasi kommt!” So ist es auch bei jenen Menschen, die gut gelebt haben, die auch Ansprüche stellten ans Leben, aber die das Gleichgewicht Stasia, 2. September 1959 209 gehalten, die auch gegeben haben. Auch dann wird man von allen Seiten kommen und die Heimgekehrten begrüssen. Es gibt eine Freude, und man feiert kleinere Feste, man lädt sie da ein und lädt sie dort ein. Man hat so viele wunderbare Möglichkeiten, sich in diesen geistigen Welten zu unterhalten; je nachdem, wo man ist, kann der Himmel wunderschön sein. So wollte ich euch eigentlich nur einmal einen Hinweis geben auf meine Zeit, wie einfach man damals gelebt hatte und wie viele Verfehlungen einem nicht so schwer angekreidet wurden - aber dafür wieder anderes, das beim heutigen Menschen wieder weniger beachtet wird. Also, es ist immer eine Sache der Entwicklung. So sollt ihr auch sehen, wie die Geister eingereiht werden zu den Aufgaben. Der eine hat - ich weiss nicht, wie lange - immer dieselbe Klasse zu besuchen, weil er immer noch nichts weiss. Ein anderer kann schneller zu einer gewissen Arbeit herangezogen werden, und er vermag sie auch gewissenhaft auszuführen. Dann, wenn eine gewisse Zeit vorüber ist, wird man zusammengerufen, in ganzen Gruppen, und zieht dann mit diesen Scharen hin zu den Menschen, so wie es jetzt in dieser Stunde geschehen ist, wo man mir die Möglichkeit gegeben hat, hier zu sprechen und es euch zu erzählen. Wir gehen da einher auf dieser Erde zu den Menschen und betrachten jeden einzelnen, sei es im Geschäft, sei es an einem Konzert, sei es, wo es wolle; wir finden sie überall. Man stellt uns einfach bei einem Menschen hin und sagt: “Da schau, das Buch ist offen, hier ist das Plus, und hier ist das Minus, dieses ist die Belastung, und das wird ihm gutgeschrieben”, und so weiter. Dann dreht man das Rad zurück und sagt: “Zu deiner Zeit wären die Verfehlungen so bestraft worden.” Auf diese Weise können wir lernen. So ziehen wir zu den Menschen hin, und so langsam, langsam vermögen wir dann ein selbständiges Urteil zu geben. Das ist dann unsere Arbeit. Aber wenn wir nun einen Menschen beurteilen, ist das nicht das letzte Wort. Wir selber haben daraus Gerechtigkeit zu lernen, und wir erhalten eine ganz andere Anschauung, eine ganz andere Einsicht in die Entwicklung der Menschheit. Da kommen unsere Begleiter jeweils zu uns und prüfen das, was wir sagen, auf seine Richtigkeit und korrigieren uns. Oftmals haben wir richtig 210 Erlebnisberichte 1958-1959 entschieden und oftmals auch nicht. Wir stehen einfach so lange in dieser Aufgabe drin, bis es lückenlos klappt. Es darf keine andere Einschätzung mehr geben als diejenige, die richtig ist; man muss erkannt haben, was richtig ist. Und das erreicht man schon. Mit viel Geduld steht die Gotteswelt einem bei, und man lernt die neue Zeit mit ihren Menschen kennen. Natürlich gibt es auch solche, die in meiner Zeit gelebt und bereits eine gewisse geistige Stufe eingenommen haben, die also nicht so lange brauchten wie wir, um zu diesen Erkenntnissen zu kommen. Man soll das also nicht verallgemeinern. Es gab immer gewisse Ausnahmen, solche, die schneller begriffen, die auch geistig höher standen und besondere Führung und Unterricht erhielten. Aber ich möchte von der Masse reden, von der Masse, die sich entwickeln muss. Die wurde in dieser Weise belehrt, und es dauerte lange, bis das Licht in sie hineingedrungen war. So, meine lieben Geschwister, habe ich etwas erzählt von meiner Tätigkeit und dass ich auch meine Belohnung erhielt für das Gute, das ich getan hatte, dass ich aber auch getadelt wurde. Ganz besonders auf Folgendes möchte ich hingewiesen haben: Die Verfehlungen der Menschen werden nicht zu allen Zeiten gleich beurteilt; aber wie höher und wie schneller die Entwicklung geht, desto energischer fällt auch das Urteil über sie aus - das möchte ich nicht vergessen haben zu sagen. Darum gibt es so viele Geister, die die Wichtigkeit des höheren Lebens betonen. Ja, das ist es, und viele fassen es nicht. Aber es ist nicht meine Aufgabe, davon zu sprechen, und ich kann es nicht. Ich habe mich gefreut, unter euch zu sein und euch so zu betrachten. Mein letztes Wort ist nur: Sei zufrieden mit deinem Leben, genau wie es ist. Und wenn du viel, viel Unangenehmes zu ertragen hast, so glaube ich, könnte ich dir sagen: Es ist nicht mehr so unangenehm wie das, was du bestimmt einst schon getragen hast. Sei froh, und denke zurück an jene Zeiten, als die Menschen nicht in diesen schönen, gepflegten Betten gelegen sind, wo sie vielleicht sogar nur am Boden geschlafen haben, auf etwas Stroh, wie es damals üblich war. Wenn du dann heute heimgehst, dann richte dich auf, danke, und sei glücklich und froh. Und wenn du krank bist, steht man dir auch zur Seite. Zu meiner Zeit, da kam es darauf an: Man gab einem ein Tränklein; nützte es, so war es gut, Stasia, 2. September 1959 211 sonst... was soils, es waren ja noch so viele, genug andere, vorhanden. So war das Denken von dazumal. Und heute, wie machen die Menschen Geschichten, Geschichten! Wir verstehen es nicht. Aber es muss eben an dieser Entwicklung liegen... So sagt man mir, ich hätte genug gesprochen und ich brauche dar über nicht zu philosophieren. Das möcht ich auch nicht. Ich verabschiede mich, und ich beobachte euch. So möge der Segen Gottes über euch sein. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Liebe Geschwister, ich bin bereit, eure Fragen zu beantworten, so gut wie nur möglich. Lieber Geistfreund Josef, die Gstasi sprach von Menschen, die mit der heutigen Entwicklung nicht zurechtkommen, sondern Schaden nehmen. Könntest du etwas darüber sagen, warum diese Menschen gerade jetzt inkarniert wurden und nicht früher, wo alles noch langsamer ging? Josef: Ach, bestimmt lebten sie auch zu jener Zeit auf Erden, als diese Entwicklung langsam vor sich ging, aber die Zeit - wenn man von “Zeit” sprechen darf - für ein neues Erdenleben ist für sie eben wieder herangerückt, und so müssen sie sich mit diesem Neuen vertraut machen und sich hier einleben. Wenn nun dieser Geist behauptet hat, diese neue Zeit wäre für viele nicht gut, so müsst ihr es vielleicht einmal so betrachten: Es gibt wirklich Menschen, sie eignen sich nicht, in diese Zeit geboren zu sein; doch das ist dann für sie eben eine Prüfung. Wenn ich sage, sie eignen sich vielleicht nicht, so heisst das: Sie möchten auch Besitz haben von all dem, was heute diese Entwicklung bringt. Und daran scheitern sie sehr oft. Es ist doch der Glanz oder die Macht des Geldes, es ist doch Besitztum, das dem Menschen oftmals Schwierigkeiten bringt; sein Verlangen nach Besitz bringt ihn zum Straucheln. Er kann sich nicht in diese Zeit hineinfinden, weil seine Ansprüche eben zu gross sind. Er dürfte eben seine Ansprüche nicht auf diese Bahn stellen. Trotzdem ist es gottgewollt, dass er in diese Zeit hineingeboren wird. Er kann ja an seinen Geschwistern lernen; es wird ihm so vie- 212 Erlebnisberichte 1958-1959 les geboten. Und wenn einer Gott bejaht, so kennt er auch die Gesetze. Für viele Menschen ist diese Zeit nichts anderes als eine schwere Prüfung, und es ist viel schwerer für sie, durchs Leben zu kommen, als für andere, und dementsprechend wird auch das Urteil in der geistigen Welt anders sein. So mag das Leben von heute für viele Menschen eine schwere Prüfung sein. In jenen früheren Zeiten aber, als die Menschen in grösserer Armut lebten und nicht ein so ausgeglichener Wohlstand herrschte wie heute, trug man diese Armut gemeinsam. Das mag auch mit eine grosse Rolle gespielt haben. Aber wo und zu welchem Zeitpunkte ein Geist auch geboren wird, er hat die Möglichkeit der Anpassung. So kann er sich auch in diese neue Zeit doch einigermassen hineinfühlen und kann durch diesen Fortschritt vor allem für sich selbst auch gewinnen. Danke, lieber Josef. Ich habe bemerkt, dass diese Gstasi, obwohl sie ja schon lange in der Jenseitswelt ist, beim Sprechen immer noch ihre damalige Ausdrucksweise hatte. Josef: Ja, dies geschah, um euch in natürlicher Weise vorzuführen, wie verschieden die Geister, die in diese andere Welt zurückkehren, in ihrem Denken und Sprechen sind. So kann das Reden dieser Schwester heute bestimmt auch anders sein, aber es wurde einfach das Rad so zurückgedreht; sie erzählte ja von ihrem früheren Leben. Und wenn sie zugleich das Leben von heute betrachtete, so kam auch hier ihre persönliche Eigenart zum Ausdruck. Das soll euch die Vielfalt und die Verschiedenheit unter den Geistern beweisen. Danke. Lieber Freund Josef, was für eine Arbeit führt Gstasi nun im Heilsplan aus, wo ist sie eingereiht? Josef: Sie ist da eingereiht, wie sie es angedeutet hat: Sie besucht Menschen und nimmt zusammen mit Engelwesen ihre Beurteilung vor, und zwar bei jenen, wo das Leben vollendet ist oder der Vollendung entgegengeht. Indem dies getan wird, kommt ein Geist - so wie diese Schwester - zu höheren Kenntnissen. Davon wird die Stasia, 2. September 1959 213 geistige Welt ihren Nutzen tragen, und sie wird diesen Geist zu einem späteren Zeitpunkt zu anderen Aufgaben einreihen, wenn für ihn nicht bereits wieder ein neues Erdenleben bestimmt ist. Diese ganze Belehrung durch die Engelswelt dient ja nicht nur seinem Höhersteigen in der geistigen Welt, sondern es gibt eine Kräftigung für das neue Erdenleben; denn dieses Wissen, das ein Geist auf diese Art und Weise aufnimmt, wird ihm bleiben; es wird ihm langsam mit seinem menschlichen Heranwachsen zurückgegeben, und er wird dann so auch im menschlichen Leben seinen Profit davontragen. Indem Geister Menschen beobachten, lernen sie den Willen Gottes kennen. Es ist eine Notwendigkeit im Leben des Menschen, dass man den Willen Gottes erkennt. Denn dieser Wille Gottes ist ja überall, in allem. Danke, lieber Freund. Ist dies eine angenehme Arbeit oder Aufgabe für diese Geistwesen? Josef: Ja, freilich. Ihr müsst euch aber klar sein: Bevor solche Wesenheiten zu diesen Aufgaben geführt werden, müssen sie sich willig zeigen, das zu tun. Denn es gibt in dieser Beziehung auch welche, sie bejahen am Anfang den Auftrag, der ihnen gegeben wird, aber sie lenken ihr Interesse dann bald auf anderes. So hat dann die Geisteswelt, die über sie wacht, sie wieder zurechtzuweisen. Ihr müsst nicht glauben, dass diese Geistwesen sich sogleich in allem genau an die Worte halten, die ihnen gegeben wurden; es ist genau wie beim Menschen, der erzogen werden muss. Wenn man vom Menschen eine Arbeit verlangt und ihm sagt: “Es muss genau nach diesem Schema gehen, du musst es genau so tun”, so kann es welche geben, die sich sagen: “Nein, ich mach es so, das gefällt mir besser, und ich glaub, das wird auch richtig sein.” Das ist Menschenart, und vielleicht geht dies bei euch, aber bestimmt auch nicht überall. Im geistigen Reiche geht so etwas nicht; da steht alles unter einer gestrengen Ordnung. Wenn ein Geist an seinen Platz gewiesen wird und ihm gesagt wird: “Du hast hier zu bleiben, und du hast nun deine Beobachtung in der Weise zu machen”, dann kann er sich nicht einfach abkehren und sagen: “Das interessiert 214 Erlebnisberichte 1958-1959 mich weniger, ich interessiere mich viel mehr für die Kunst”, oder: “Ich interessiere mich, was da die Menschen für Fortschritte gemacht haben, und ich möchte betrachten, was sie in früheren Zeiten gehabt haben”, und so fort. Dass sich einer ganz von den Anweisungen abkehren kann, das gibt es nicht. Er muss sich an die Anweisungen halten, dann erfüllt er seine Aufgaben. Und das ist eben nicht so selbstverständlich, denn diese Geister sind ja alle in der Läuterung; ihnen muss der Weg gezeigt werden. So stehen ja die höheren Wesen da und beobachten alles auf das Genauste und weisen den einen oder andern zurecht. So kommt dann derjenige, der versucht zu rebellieren, nicht so schnell vorwärts. Ihr müsst euch nicht vorstellen, dass alle Geister in ihrer Entwicklung gleich schnell aufsteigen. Das kommt ja wiederum auf die persönliche Anschauung des Einzelnen an, auf seinen Willen. Der, der sich anstrengt, kommt eben schneller vorwärts, genau wie in eurem menschlichen Leben. Und derjenige, der einfach gleichgültig ist und sich sagt: “Ja, es kommt schon”, und so weiter, ja, bei dem dauert es eben länger. Dann gibt es unter diesen Wesenheiten gewisse Abstufungen, das heisst, es gibt solche, mit denen man sich dann nicht mehr so befasst. Man beschäftigt sich in der Hauptsache mit jenen, die strebsam sind. Ihnen gibt man immer höhere Aufgaben, und sie kommen dann schneller zu jenem Punkte hin, wo für sie eine neue Entwicklungsstufe, eine neue Welt, beginnt - während jene, die immer rückfällig und nicht gehorsam sind, eben nicht Schritt halten mit den andern. Trotzdem können sie ein und demselben Plane angehören. Die einen vermögen eben schneller in ihrer Entwicklung vorwärtszugehen als die andern. Ihr seid auch schon darüber aufgeklärt worden. Lieber Josef, wie betrachtet die Geisteswelt die heutige Zeit mit ihrer Eile und Hast? Josef: Die Geisteswelt passt sich immer der Entwicklung des Menschen an - auch dieser Hast. Die Geister Gottes haben da ihre besonderen Bestimmungen und Anweisungen für die Menschheit, entsprechend der heutigen Entwicklung. Stasia, 2. September 1959 215 Dann müsste man also annehmen, dass die heutige Eile und das Hasten in der Arbeitsweise eben auch durch die heutige Entwicklung bedingt ist? Josef: Diese Hast oder dieses rasche Aufsteigen dieser Entwicklung kann auch das Gute in sich tragen. Ich danke dir Lieber Josef, es war für uns interessant zu hören, dass die geistige Welt vom modernen Menschen eigentlich viel mehr verlangt als vom Menschen vor einigen Hundert Jahren. Der Fortschritt ist sehr rasch gekommen, aber ich sehe, dass es zum Beispiel in religiöser Beziehung noch viel Rückständiges gibt, dass in dieser Hinsicht eigentlich kein oder nur ein sehr, sehr geringer Fortschritt stattfindet. Die Führer der Religionen sind doch aber auch verantwortlich für einen Fortschritt; sie wissen doch bestimmt, dass auch hier Änderungen stattfinden sollten - aber sie tun trotzdem nichts. Ich nehme an, dass sie dafür verantwortlich gemacht werden, wenn sie den Fortschritt hemmen. Josef: Jeder Mensch hat ja sein besonderes Gericht, und je grösser sein Einfluss auf seine Mitmenschen war, desto strenger wird das Gericht über ihn. Lieber Freund Josef, man konnte sehen, dass die Kindersterblichkeit damals viel grösser war. War das auch im Plane so vorgesehen? Hat das auch mit der geistigen Entwicklung zu tun ? Josef: Ja, das ist alles in dieser Entwicklung festgezeichnet und festgehalten. Lieber Josef, wenn der Mensch in diese Hast gejagt wird, kommt doch die Sehnsucht nach Ruhe. Ich vermute, dass sich dann in späteren Zeitaltern oder Jahren aus dieser Ruhe das Sich-Gott-Nähern, das Suchen nach der Religion einstellen wird. Josef: Ja, das wollen wir hoffen, dass es so wird. 216 Erlebnisberichte 1958-1959 Durch diese Hast verbrauchen sich die Menschen; so werden sie plötzlich wieder zugänglich für die Natur, für das Göttliche, für die Schönheit der Erde. Ich glaube, das ist der Sinn dieser Hast. Josef: Das ist vielleicht etwas zu viel gesagt. Es liegt dies alles eben in der Zeit der Entwicklung, und viele Menschen werden auch sehr hart geprüft; denn diese Entwicklung bringt ja auch ihre grossen Prüfungen, vielleicht vermehrten Prüfungen, mit sich. Denn bedenkt, wenn man früher diesen Komfort nicht gehabt und gekannt hat, so konnten auch Neid oder der Drang nach Besitz nicht in diesem Mass vorhanden sein; man hatte also nicht das Verlangen, so in diesem Reichtum zu leben, und daher war - sagen wir - vielleicht manches Laster nicht so vorhanden. Es gibt heute neue Laster; in der heutigen Zeit steht der Mensch vor ganz anderen Prüfungen als früher. Wenn einer früher in einem einfachen, bescheidenen Haus lebte, so wusste er, dass es dem Nachbarn nicht besser ging; dieser hatte es ja auch nicht anders, und so hat man sich darüber keine Gedanken gemacht. Wenn ihr heute die Menschen betrachtet, was sie alles haben: Wenn der eine sieht, was der andere hat, so will er es auch. Er erzwingt es vielleicht; er kann es auf unrechte Weise erzwingen und dadurch vielleicht Not, Elend und Unzufriedenheit hervorrufen und so fort - das ist wie eine Kette. Das wisst ihr selbst. Lieber Josef, wie weit zurück liegt das Leben von Gstasi? Josef: Ja, könnt ihr es ungefähr schätzen? Ich denke, so dreihundert Jahre. Josef: Ja. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Stasia und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandabschrift 7. Oktober 1959 Waldimir - Freizeitgestaltung in der jenseitigen Welt Beglückendes Schaffen in geistigen Werkstätten [Grussworte des Kontrollgeistes] Waldimir: Gott zum Gruss. Meine lieben Geschwister, ich habe den Auftrag, euch von meinen Eindrücken und Erlebnissen zu erzählen. Und so muss ich von meinem letzten Leben kurz einige Schilderungen machen und dann zum vorhergehenden Leben zurückkehren. In meinem letzten Leben habe ich mich beflissen, als rechter Mann zu leben. Ich hatte Frau und Kinder, und aus besten Kräften versuchte ich, meine Aufgaben zu erfüllen und auch die Gebote des Herrn zu beachten. Von diesem Leben selbst möchte ich nichts Weiteres erklären, denn Besonderes hatte sich nicht abgespielt; das möchte heissen, grosse Verdienste hatte ich mir in diesem letzten Leben nicht erworben. Einen Einblick möchte ich geben in meine Rückkehr in die andere Welt. Natürlich war ich erstaunt zu hören, dass das Leben nicht beendet war, sondern weitergeht. Diese Worte sprach meine Mutter zu mir: “Du lebst, und du hast hier auch zu arbeiten. Du hast hier auch die Gebote des Herrn zu befolgen, noch viel strenger als in deinem menschlichen Leben.” Die Umgebung, in der ich nun lebte, war schön. Da ich es zu sehr mit all dem verglich, was ich im Erdenreiche gehabt und gesehen hatte, war ich zufrieden damit. Diejenigen aber, die sich mit mir beschäftigten - es waren jene Beauftragten Gottes -, hatten mir klargemacht, dass ich mir eigentlich grössere Verdienste hätte erwerben sollen. Es wäre zwar ganz im christlichen Sinne gewesen, wie ich gelebt, aber das Gebet allein würde nicht fruchten ohne eben die Taten - ich hätte grössere Anstrengungen unternehmen sollen. In gewissem Sinne also war ich, wie man mir sagte, wieder an densel- 218 Erlebnisberichte 1958-1959 ben Ort zurückgekehrt, von dem ich vorher ausgegangen war. “Vorher ausgegangen?”, fragte ich, “was heisst das?” Man antwortete mir: “Ja glaubst denn du, du wärst nur einmal Mensch gewesen?” Ja, das konnte ich ja nicht wissen. Da erklärte man mir: “Du bist schon sehr, sehr viele Male im Erdenreich gewesen und durch allerlei Stufen gegangen.” Das interessierte mich sehr, und mindestens wollte ich wissen: “Was war ich denn vorher, also im vorhergehenden Leben?” Ich hätte doch allzu gerne gehört, dass ich ein Fürst oder sonst ein einflussreicher Mann gewesen wäre. Aber sie schwiegen sich aus und sagten: “Das ist jetzt momentan für dich nicht die Hauptsache zu wissen, wer du warst und was du warst; du sollst unseren Worten Glauben schenken, wenn wir dir sagen, dass du schon öfters im Erdenreiche warst.” Ich glaubte, dass meine Meinung, wissen zu wollen, was man gewesen sei, richtig wäre. Man könnte sich ja dann dementsprechend einrichten und vielleicht bessermachen. “Nein”, entgegnete man mir, “vorerst noch nicht. Wenn du hier alle Aufgaben zu unserer Zufriedenheit erfüllst, können wir einmal versuchen, eine Rückschau mit dir zu halten.” Da hatte ich natürlich vieles dazuzulernen. Man hatte mich in einen Arbeitsprozess hineingeführt. Arbeiten mussten wir und lernen zugleich. Wir wussten ja so wenig, oder ich wusste ja so wenig. Ich hatte doch als Mensch nie darüber nachgedacht - auf jeden Fall nie so ganz ernsthaft und besonders -, wie es dann nach dem Tode aussehen könnte, wie dort die Gesetze und die Bedingungen sind. Damit hatte ich mich nicht besonders beschäftigt, sondern ich glaubte an Gott, ich betete, ich habe mich beflissen, ein rechter Mensch zu sein. Und nun war man mit meiner Meinung und mit meiner Anschauung nicht sehr zufrieden. Man legte mir klar, dass ich eifrig im Dienste Gottes zu arbeiten hätte, wenn ich aufwärtssteigen möchte. Man gab mir einige Bilder oder Einblicke in die Himmel, wie es dort doch so schön wäre und dass ich mich nicht begnügen sollte mit dem, was ich nun jetzt erlebe. Ich sollte mich eifrig bemühen um Verdienste. Wenn ich diesen Eifer zeigte, dann könnte mir sogenannte freie Zeit gegeben werden, wo ich auswählen könnte, welchem beglückenden Tun ich mich hingeben möchte. Das, so hatte man mir erklärt, könnte meinen Eifer erweitern, und Waldimir, 7. Oktober 1959 219 dadurch würde ich meine Aufgaben auch besser erfüllen; ich würde mit grösserer Freude meine Aufgaben verrichten. Diese Aufgaben bestanden in erster Linie einmal darin, die verschiedenen Schulen zu besuchen, durch die man gehen musste. Auch wenn es einem nicht gefiel, wurde man immer wieder hingezogen. Neben diesen Schulen musste man sich mit den höheren Engelswesen zu einer Arbeit begeben. Da gab es viel zu tun, nicht etwa nur allein in Bezug auf den Menschen. Ja, es gab wirklich viel zu schaffen auf allen Gebieten. Wenn man auf einem Gebiete sein Interesse etwas in den Vordergrund schob, da merkten es sich die Engel genau und erklärten, dass man dann, wenn es einem besondere Freude mache und man Talente dafür hätte, in einen ganz gewissen Bereich eingereiht werden könnte, um hier mit grösster Energie und Kraft zu arbeiten. Eigentlich war es so, dass ich mich - oberflächlich gesagt - für alles interessierte, denn es war ja sehr interessant, so vieles zu hören von dem, was es alles gibt, wovon man als Mensch ja keine Ahnung hat und glaubt, das wäre eine Unmöglichkeit, und von dem man annimmt: “So etwas gibt es ja nur unter Menschen; nur Menschen arbeiten mit den Händen und mit all ihrer Kraft, und nur sie bewerkstelligen solche Dinge.” Ich bin dann mit andern zusammen der Arbeit nachgegangen und habe die Schulen besucht. Dann hat man sich gemeinsam geeinigt, dass man doch mit grösserer Energie hinter alles gehen möchte, um doch später für sich etwas Angenehmeres zu erzielen. Denn es ging ja - ich möchte fast sagen - das Gerücht herum, wer alles so ein angenehmes und schönes Leben in dieser anderen Welt hatte und was es alles gab. So hatten wir uns einmal in erster Linie aus purer Neugier dar über, was uns denn eigentlich geboten würde für unseren Fleiss, mit etwas grösserem Eifer an die Arbeit gemacht. Denn man muss sich vorstellen, dass in dieser neuen Welt, in der man ankommt, nicht das eine Hauptrolle spielt, mit dem man sich eigentlich so ein ganzes Leben hindurch beschäftigt hatte: das Geld. Geld gibt es ja nicht; man muss also um einen andern Lohn arbeiten. Doch eben gerade in der ersten Zeit, wo man noch nicht von so grossen Erkenntnissen durchdrungen ist, möchte man den Lohn spürbar ha- 220 Erlebnisberichte 1958-1959 ben. Man möchte ihn sehen, und - ich möchte fast sagen - man hat allzu grosse Ansprüche an diese Belohnung. Wir haben uns nun mit grösserem Eifer an die Arbeit gemacht. Wir waren eine ganze Gruppe, denn ich wohnte ja in Gemeinschaft mit andern zusammen. Ich hatte nicht etwa ein eigenes Haus, sondern ich bewohnte ein Haus zusammen mit vielen andern. Wir kamen gut miteinander aus, wir haben uns daran gewöhnt. Verwandte und Bekannte hatten wir dann und wann getroffen; doch in dem Hause, wo ich wohnte, waren weder Verwandte noch Bekannte noch Freunde von mir. Und es war mir gut und lieb so; denn wir sind zur Erkenntnis gekommen, dass man einander verstehen und miteinander gehen muss und sich diesen neuen Gesetzen anzupassen hat. Aber eben mit dem Arbeiten hatten wir es anfänglich nicht so eifrig, so gewissenhaft genommen. Doch dann haben wir uns zu energischem Arbeiten aufgerafft, weil wir, wie ich erwähnte, den Lohn sehen wollten. Man hat uns dann aber auseinandergesetzt: Wer arbeitet aus einem inneren Bedürfnis und Verlangen, Gott gefällig zu sein, und wer die höheren Ziele anstrebt, der würde anders belohnt als bei einer Anschauung, wie wir sie hatten bei unserer Arbeit. Wenn wir aber diese Arbeit gut ausgerichtet hätten, würden auch wir unsere Freude haben. Man hat uns erklärt: “Ihr könnt nun einmal Einblick halten, was es heisst, Belohnung zu bekommen für sein Arbeiten. Wenn ihr eure Arbeit, die euch bestimmt ist, gewissenhaft und genau ausübt, wird es euch erlaubt, in eurer freien Zeit eine Tätigkeit oder ein Schaffen auszuwählen, das euch beliebt.” Wir haben dann natürlich gleich erfasst, dass man uns ja damit gewonnen hatte zum eifrigen Arbeiten. Gut, man führte uns in eine andere Welt. “Andere Welt” ist vielleicht zu viel gesagt; es war nur ein anderer Weg, den wir gingen, und es waren verschiedene Tore, die man uns öffnete, wo wir eintreten konnten. Und hier sahen wir: Es waren Geister beisammen, die knüpften wundervolle Teppiche, andere flochten; andere wiederum haben sich dem Gesang, der Musik hingegeben, andere der Malerei, andere der Dichtkunst, andere sogar - verwundert euch nicht! - übten wie in einem Theater, und sie sangen dazu. So hatten wir Einblick in die verschiedensten Tätigkeiten, und uns wurde Waldimir, 7. Oktober 1959 221 erklärt: “Seht, ihr dürft euch ganz intensiv mit all diesen Geschwistern und ihren Tätigkeiten beschäftigen; ihr dürft nun eine gewisse Zeit frei hier verweilen und euch dann auswählen, was euch beliebt; ihr könnt euch dann in eurer freien Zeit, in der ihr nicht in eure Arbeit eingespannt seid, diesem freien Schaffen hingeben.” So gefiel mir - ich möchte von mir reden - besonders das Flechten. Da wurde geflochten, ja ganze Wände. Ich möchte auch erwähnen, dass es wunderbare Bilder gab, Mosaike aus farbigen, edlen Steinen aller Arten. Es gab auch ein Flechten oder Knüpfen oder Einlegen - ich weiss nicht, wie ich dem sagen soll - von Blumen; man machte ganze Teppiche aus den kleinsten, zartesten Blumen, Blättchen und Beeren, allem Möglichen - wunderbar. Und seltsamerweise war es nicht etwa so wie im Erdenreich, wo Blumen und Blätter verdorren, sondern sie blieben genauso frisch wie in dem Moment, da man die Blume in die Hand nahm; alles blieb frisch und lebendig. Dieser Arbeit widmeten sich hauptsächlich Frauen. Mich interessierte das Flechten, auch das Material, das man dazu verwendete. Es waren natürlich diese geistigen, feinen Produkte, die eigentlich nach euren Begriffen schwer zu erklären sind: Es sind feine, schmale Bänder, feine, biegsame Metallstreifen, es sind etwas wie - ich möchte sagen - Drähte in den verschiedensten Farben. Da hatten jeweils geschickte Hände wunderbare Bilder gemacht, auf eine wunderbare Art und Weise ganze Bilder hineingeflochten. Sie haben sich das selber zuerst etwas vorgezeichnet, so eine Skizze gemacht. Dann darf ich nicht unterlassen zu sagen, dass überall in einer solchen Werkstatt auch Lehrer da sind und ihre Anweisungen geben. Sie lassen die Schüler zum grössten Teil nach ihren eigenen Ideen schaffen. Aber sehr oft kommen dann die Schüler nicht vorwärts, und dann sind diese Lehrer da, die ihnen die Arbeit aus der Hand nehmen und ein Stück weit selbst ausführen oder weitere Erklärungen geben oder ihre Skizzen ausführen und so fort. Als wir dann wieder zurückmussten, hatten wir das Erlebte gemeinsam miteinander besprochen, und wir fanden, dass es wohl sehr interessant wäre, wenn man sich nun dieser Art Arbeit widmen könnte, die so frei wäre und die man wählen könne, wie man möchte. Unsere Interessen waren ja verschieden: Während ich es 222 Erlebnisberichte 1958-1959 liebte zu flechten, wollte ein anderer knüpfen, ein anderer wollte singen, ein anderer wollte musizieren; jeder hatte wieder seine besondere Liebhaberei. Man kam da nicht etwa in Unfrieden, weil sich zu viele dem Gleichen hätten widmen wollen, denn es gab zu viele Möglichkeiten, zu viel Abwechslung, und es war zu interessant. Es gab auch solche, die sich gleich für zwei oder drei Arbeiten interessierten und wünschten, das eine Mal da zu probieren, das andere Mal dort; sie wussten ja noch nicht selbst, wo ihre besonderen Fähigkeiten waren. Man sagte ihnen auch, sie sollten zuerst den anderen Schülern zuschauen. Dann wird man langsam herangezogen und gefragt: “Was glaubst du, wie würdest du das tun?”, und: “Möchtest du mitmachen?”, und man gibt einem etwas in die Hand. Anfangs macht man nur bescheiden mit, und dann erscheint man immer mehr, und man wird besser vertraut mit den andern; man hat schon seinen sicheren Platz. So geht das dann wunderbar. So ist es auch mir ergangen. Wir alle waren uns ja einig, nun mit grösseren Anstrengungen die Arbeit zu erfüllen, die uns nicht so besonders zusagte. Wir wollten uns anstrengen, um uns dann in der freien Zeit dem beglückenden Schaffen hingeben zu können. Wir wünschten, dass wir nicht nur vorübergehend hier verweilen durften, sondern dass wir ständig unseren Platz da einnehmen konnten; wir fanden es hier viel interessanter. Ich hatte mich für das Flechten entschieden und habe an diesen grossen Wänden mitgearbeitet. Es gefiel mir, es war wirklich schön. Ja, ich hatte dafür eine Vorliebe und eine grosse Liebe; ich interessierte mich weder für Gesang noch für Malerei, nur das Flechten gefiel mir. Wir mussten von dieser Arbeit aber wieder weg zur andern, doch wir hatten natürlich - wie erwähnt - nur das eine Verlangen: da bleiben zu dürfen, wo es uns am besten gefiel. Man sagte uns aber: “Sachte, sachte! So geht das nicht, so kommt ihr nicht vorwärts; ihr müsst grössere Leistungen vollbringen, und dann öffnet sich der Himmel noch mehr, und ihr werdet noch mehr staunen.” Dann, als ich schon gut vertraut war mit meinem Begleiter und meinen Lehrern - sie waren alle so freundlich, so liebevoll und rücksichtsvoll -, da wollte ich einfach wissen: “Ja, was bin ich denn vorher, in meinem vorletzten Leben, gewesen im Erdenreich?” Da Waldimir, 7. Oktober 1959 223 hat man wiederum gesagt: “Gut, verrichte du jetzt ganz gewissenhaft deine Arbeit, und lege deine ganze Kraft hinein, dann sollst du diese Rückschau haben. Du sollst aber nicht enttäuscht sein.” - “Na, enttäuscht”, sagte ich, “werd ich wohl kaum sein”, denn sie seien ja alle so liebevoll zu mir, und dieses Verhältnis würde ja nicht ändern, wenn ich auch wissen würde, was ich gewesen sei. Nun gut, so habe ich mich besonders mit aller Kraft in meine Aufgaben hineinbegeben. Dann sagte man mir: “Gut, wir geben dir jetzt eine Rückschau in dein vorletztes Leben; von diesem lassen wir einmal etwas für dich abrollen.” Man erklärte mir, dass man den Schleier erst dann von einem nehme, wenn man geistig ganz gereift wäre für alles; dann könnte man durch diese verschiedenen Tore blicken und diese verschiedenen Leben erkennen. Es werde immer wieder von Fall zu Fall beurteilt; aber im grossen Ganzen wäre es nicht gut, in die Vergangenheit zu blicken, sondern man hätte sich mit dem Gegenwärtigen zu befassen und seine ganzen Interessen und seine ganze Kraft da hineinzulegen, wo man steht; die Aufgabe, die einem am nächsten liegt, müsse erfüllt werden, und man dürfe sich nicht ablenken lassen oder zerstreut werden, enttäuscht oder was weiss ich - um ja seine Aufgabe richtig zu erfüllen. Natürlich haben sie bei mir gesehen, dass ich das hinnehmen wollte; ich wollte mich nicht enttäuscht fühlen, gleich wie ich gelebt haben sollte. Dann öffnete man mir dieses vorhergehende Leben. Von dem möchte ich etwas erzählen. Dies soll ich tun, um euch einen Einblick zu geben in den Aufstieg des Menschen und in seine Fortschritte, die er machen kann. Es soll zeigen, dass man nicht allzu übermütig werden soll, wenn es einem in einem Leben gut geht, dass man doch, wenn man den Glauben und die Erkenntnisse hat, dass man schon mehrere Male im Erdenreich gewesen ist, sich auch bewusst sein soll, dass man von unten heraufkommt und die Kraft jeder Seele verschieden ist: Die eine ist schon eher immer nach Edelmut ausgerichtet, während eine andere nach Bosheit ausgerichtet sein kann. Es ist dies also auch etwas, was einen immer begleitet, durch alle Leben hindurch. Nun möchte ich für euch den Vorhang lüften. Ja, ich sah mich als jungen Menschen wandern, wandern, nur einen Sack auf dem Rü 224 Erlebnisberichte 1958-1959 cken, einen Stab in der Hand, Schuhe - wenn man dem Schuhe sagt, gut - und Kleider mehr als armselig. So zog ich als junger Mensch von Dorf zu Dorf. Von was ich lebte? Wo ich schlief? Ja, ich suchte mal ein Haus auf, erkundigte mich nach Arbeit. “Ja”, sagte man mir, “so ein Landstreicher. Na, man ist nicht sicher und weiss nie, was einem geschieht, wenn so einer im Haus gewesen.” Und doch hatten sie dann wieder ein mitleidig Herz und sagten: “Gut, hier kannst du etwas ausbessern, hier kannst du etwas ausflechten, hier kannst du etwas tun.” Dann tat ich es; ich hatte es gelernt von meinem Vater, das Ausbessern, das Flechten. Ich hatte aber nie das Bedürfnis, irgendwo zu verweilen. Man hatte mich jeweils eingeladen zu bleiben, ich könnte eine ständige Arbeit ausführen, und man würde mir auch etwas - etwas! - bezahlen oder für Kleider aufkommen und so weiter. Ach nein, das wollte ich nicht. Kam dann die kältere Jahreszeit, zog ich gegen den Süden. Geschlafen habe ich - wenn ich nicht gerade irgendwo eine Arbeit hatte, wo man mir ein Dach gab - in einem Stall und, wenn das Wetter schön war, in Mutter Natur. Das war das Schönste: einmal an einem Bächlein, einmal unter einem blühenden Baum. Da sang ich und pfiff dazu, und ich fand das Leben so schön. Dann war ich wieder gewandert. Hatte ich nichts mehr in meinem Sack, dann musste ich eben wieder irgendwo Arbeit suchen. Mein Lohn war etwas Nahrung, einmal etwas Fleisch, Speck, Rüben, Brot oder sonst irgendetwas, was gerade so im Haus war. Das war der Lohn, und das reichte mir wieder. Dazwischen hatte ich mich selbst verpflegt, und so kam ich gut durch. Ich wanderte. Ich sah mich auch als älteren Mann. Ich hatte also nie festen Boden; so wie eine Art Landstreicher war ich. Jetzt muss ich natürlich noch einflechten: Man hatte schon Möglichkeiten, unehrlich zu sein. Aber das war ich nie. Ich glaubte an Gott, und ich betete auch. Wenn ich gar nichts mehr im Sacke hatte, dann betete ich ganz besonders fest und bat, dass mir der liebe Gott wieder das tägliche Brot geben würde. So fand ich dann auch wieder irgendwo eine Arbeit, und ich konnte flechten; das lag mir einigermassen. Dann kam ich einmal in ein Haus zu einem Schreiner oder Säger - ich glaube, man sagt dem nach euren Begriffen so. Ich hatte auch Waldimir, 7. Oktober 1959 225 wieder einmal nichts mehr im Sack. Dann sagte man mir: “Ja, komm her, komm her, für dich haben wir Arbeit; das ist nichts, so ein Landstreicher - aber sag, bist du ehrlich?” - “Ja, natürlich bin ich ehrlich.” Aber ich erklärte ihnen zum Vornherein: “Ich bleibe nur einige Tage. Ich will mir nur wieder etwas Brot sichern für die nächsten Tage, dann ziehe ich weiter.” Man hatte mir aber doch Arbeit gegeben, und ich verrichtete sie. Und wie es eben so in meinem Gemüte lag - was ich verrichten musste, war ja nicht im geschlossenen Hause, ich hatte da mit Holz und anderem zu schaffen -, habe ich natürlich mehr ins Freie hinausgeschaut als mich an der Arbeit betätigt. Da war in der Nähe des Hauses ein Weiher, und da spielten Kinder; es waren die Kinder meines Brotgebers. Sie liefen immer näher an diesen Weiher, und ich dachte schon: “Na, auf einmal fällt eines rein.” Und schon wars geschehen. Die andern Kinder waren bereits weggelaufen. Ich habe es als Erster gesehen und bin, nichts wie los, gesprungen und habe mich, ich weiss nicht wie, in diesen Weiher gestürzt. Ich habe das Kind am Schopf genommen und herausgezogen. Triumphierend ging ich natürlich zu meinem Brotgeber und sagte ihm: “Ich habe dir dein Kind gerettet.” Ja, natürlich gab dies eine grosse Aufregung, und zugleich herrschte Freude, dass ich das Unglück eben zuerst gesehen und das Kind wirklich vom Tode errettet hatte. Wohl wäre es den Kindern verboten gewesen, in die Nähe des Weihers zu gehen, aber - na, wie Kinder sind... Dann habe ich mich entschlossen, wieder weiterzuziehen, in der angenehmen Hoffnung, dass hier etwas mehr herausschauen würde durch meine Tat. Und so war es; man hat mir mehr gegeben, und ich war ja bald zufrieden. So bin ich wieder weitergezogen, weitergezogen. Auf diese Weise hat man mir dieses Bild abgerollt, und ich habe so dieses Leben gesehen. Natürlich habe ich gedacht: “Was für ein Mensch bist du gewesen, wolltest nicht einmal arbeiten!” Ich war natürlich über mich selbst enttäuscht; aber so war es halt - man hatte es mir ja zum Voraus gesagt. Ich habe dann verstanden, warum es überhaupt besser ist, dass man nicht weiss, was man gewesen ist. Aber man zeigte mir noch ein weiteres Bild: Ich ging schon etwas gebückt. Auf der Strasse - es ging schon der Dunkelheit entgegen - 226 Erlebnisberichte 1958-1959 lag ein verwundetes Kind. Ich sah, dass es aus dem Mund und aus der Nase blutete, und seine Hände waren verletzt. Ich hob es auf und trug es in das nächste Haus, das nicht mehr so weit weg war. Dann habe ich gerufen: “Gehört das Kind euch?” Die Leute hier waren erstaunt; sie hatten es nicht einmal bemerkt, dass das Kind noch nicht zu Hause war. Man erklärte mir, dieses Kind sei mit andern in einem entlegenen Hause gewesen und hätte gespielt und sich verletzt, es sei irgendwo hinuntergefallen und hätte sich dann auf den Heimweg gemacht und sei ohnmächtig geworden. Und eben so, in diesem Zustand, hatte ich das Kind gefunden und es in das Haus getragen. Natürlich hat man mich etwas scheel angeschaut, mich als Landstreicher. So war es eben; es war eigentlich üblich zu jener Zeit, dass man so einherstrich und nur gelegentlich arbeitete. Es waren ja nur die ganz gewissenhaften Menschen, die sich fest niedergelassen und so für eine Familie gelebt haben. Nun, auch da bekam ich meinen Lohn, natürlich wie immer in Esswaren oder in einem Kleidungsstück oder einem neuen Sack oder so etwas; ich war ja sehr bescheiden und bald zufrieden. Man hatte mir auch dort offeriert zu bleiben, ich sollte nicht gleich wieder fortziehen. Aber ich hielt es nicht aus, ich musste fort - fort, fort, fort. Ich war nur glücklich, wenn ich in der freien Natur wandern und leben konnte, und so habe ich nur gelegentlich gearbeitet. Dann zeigte man mir noch das Bild von meinem Abschied, von meinem Sterben. Ich war krank geworden und war dann auch in die Nähe eines Hauses hingezogen. Hineingelassen in das Haus hatte man mich nicht, aber man hat mir erklärt, nebenan wäre ein Schopf oder so etwas und ich könnte mich dort niederlegen. Das habe ich getan und dort meine Seele ausgehaucht. Als ich dann meine andern Augen öffnete - dieses zeigte man mir auch -, da habe ich gestaunt über diese schöne, prachtvolle Welt. Ich bin als Erstes meiner Mutter begegnet, und sie hat mir gesagt: “Christoph, ja du lebst, du musst nun nicht mehr wandern, du hast nun keine Sorgen mehr ums Brot; aber du musst dich an ein anderes Leben gewöhnen.” Natürlich war ich erstaunt: “Ich lebe, ich lebe”, und mir war so wohl. Ich schaute mich an; ich hatte nicht mehr den Sack neben mir oder auf dem Rücken, ich hatte nicht mehr meine zerfetzten Klei Waldimir, 7. Oktober 1959 227 der, und ich hatte auch kein Ungeziefer mehr an mir. Es war mir so wohl, ich fühlte mich so glücklich. “Ja”, sprach dann meine Mutter, “weisst du, dein Leib liegt jetzt im Erdenreiche. Nun bist du in der geistigen Welt, du bist auferstanden, und jetzt bist du frei.” Ich hatte nur zu staunen, wie schön es war. Da sagte meine Mutter zu mir: “Ja weisst du, auch wenn du etwas liederlich gewesen bist, so hat man dir doch zwei Taten, die du in deinem Leben vollbracht hast, hoch, hoch angerechnet.” Ich habe studiert und gefragt: “Zwei Taten? Was hab ich denn schon getan? Ja, gebetet hab ich, aber mehr hab ich ja gar nicht getan.” - “Ja”, sagte meine Mutter, “du hast das Kind aus dem Weiher geholt; dies hat Mut gebraucht für dich, und du hast es getan, du hast dem Kind das Leben gerettet. Das hat dir eine Belohnung gebracht, weil du nicht zu faul und zu bequem warst dazu - wie es ja sonst in deiner Art gewesen wäre, sich auf und davon zu machen. Du hast nun ein Werk erfüllt, das belohnt man dir.” - “Ja ist das eines himmlischen Lohnes wert”, fragte ich, “ist denn das möglich? Das war doch meine Pflicht, und ich habe ja gar nicht nachgedacht, ich war plötzlich im Weiher und konnte schwimmen, und wie das gegangen ist, weiss ich nicht.” Ich freute mich natürlich, dass das ein grosses Verdienst war, und ich war so beglückt: “Ah, dann hat mein Leben doch einen Sinn gehabt, dann hab ich doch ein wertvolles Leben gelebt.” Die Mutter sprach weiter: “Christoph, du bist jetzt im Himmel, freue dich.” “Das weitere grosse Werk”, fuhr die Mutter fort, “das du erfüllt hast und das dir gutgeschrieben wurde, ist das Kind, das du auf deine Arme genommen und nach Hause getragen hast.” Ich fragte: “Ja ist das denn auch eine Tat, die im Himmel belohnt wird?” Was hatte ich denn Grosses getan? Ich konnte es nicht einsehen. Die Mutter sagte: “Doch, für dich ist es eine Tat gewesen. Es hätte Schlimmeres passieren können, du hast schlimmeres Unglück verhütet. Es wurde dir angerechnet als eine grosse Tat. Du hast das Kind sorgsam hingetragen; das belohnt man dir.” Ich war erstaunt, und dann fing ich an zu studieren: “Ja ist denn das eigentlich alles, was ich in meinem Leben vollbracht habe an grossen Werken?” Und meine Mutter antwortete: “Ja, du warst ziemlich faul. Dafür hast du 228 Erlebnisberichte 1958-1959 keine Belohnung. Aber Belehrungen wirst du bekommen und eine Arbeit; du musst lernen zu arbeiten. Da du in deinem Herzen nie schlecht warst und du dich nie besonders vergangen hattest gegen die göttlichen Gesetze, durftest du in dieses Paradies einziehen.” Und sie sagte: “Christoph, dein Herz ist doch mein Herz; hätte es anders sein können, als dass wir uns hier begegnen?” Da freuten wir uns zusammen, Mutter und Sohn, und ich fragte: “Aber wie soll es weitergehen?” - “Lass das nicht deine Sorge sein”, entgegnete mir die Mutter, “der Himmel ist so schön, und er ist so gnädig. Weisst du, wir waren arme Leute, und mit uns hat man besonders Verständnis, denn wir hatten doch trotz alldem immer ein gutes Herz, eine gute Gesinnung, und taten nie überlegt und wissentlich jemandem etwas Böses an. Darum durften wir in diesen Himmel kommen.” Ich erkundigte mich dann: “Darf ich jetzt immer da bleiben?” Und sie sagte mir: “Vorübergehend wird das deine neue Heimat sein. Ich habe dir ja gesagt, du musst lernen zu arbeiten.” Ja, ich musste lernen zu arbeiten. Sie kamen zu mir, diese Engel des Himmels, und redeten zu mir wie zu einem Kinde. Sie mussten mich über vieles belehren. Schulen hatte ich im Leben keine besucht. Lesen, rechnen - nein, das konnte ich nicht; gar nichts konnte ich. Wie ein Kind haben sie mich behandelt. Und da sagten sie mir: “So, jetzt ist jener Abschnitt vorüber, ein neues Leben beginnt, aber du musst lernen, lernen, nichts wie lernen. Was du versäumt in deinem Leben, hast du hier nachzuholen. Wir versprechen dir aber, wir sind voller Rücksichtnahme und wir haben grosse Geduld mit dir.” Und man erklärte mir: “Du musst zuerst anfangen zu schreiben. Auch im Himmelreich muss man lesen und schreiben können, man muss rechnen können, und man muss Sprachen lernen.” - “Oh”, dachte ich, “das ist schon viel!” Na, man wollte ja Geduld üben und erklärte mir nur eines nach dem andern, wie bei einem Kinde. So lehrte man mich zuerst schreiben, lesen und rechnen. Dann bekam ich auch andern Unterricht, der ja der wichtigste war. Aber das andere sollte ich zuerst können, damit ich in dieser wichtigen Arbeit vorwärtskomme; ich musste also lesen und rechnen können, und man sagte mir: “Für den weiteren Unterricht ist es notwendig.” Waldimir, 7. Oktober 1959 229 Dann habe ich mich mit Unterstützung meiner Mutter hinter die Arbeit gemacht, und wir haben gemeinsam die Schulen besucht. Auch sie musste lesen und rechnen lernen. Sie war ja schon längst vor mir in jenem Paradies, aber viel weiter war sie noch nicht gekommen. Nun machten wir die Schulen zusammen. So ging das. Wie viele Jahre? Viele Jahre müssen es gewesen sein nach menschlichen Begriffen, bis all das in mich hineingegangen war. All diese Bilder aus meinem vorletzten Leben hatte man mir abgerollt, und ich musste sagen: “Ist das möglich? In meinem letzten Leben habe ich doch wirklich Schulen besucht; lesen und rechnen kann ich, und ich kann noch etwas darüber hinaus.” Und ich wollte wissen: “Ja, und was war dann noch weiter zuvor, vor diesem vorletzten Leben?” - “Nein”, sagte man mir, “was noch weiter vorher war, brauchst du jetzt nicht zu wissen; das Wichtigste, das du wissen musstest, wurde dir gezeigt. Aber die Schulen hast du auch nicht besucht. Du hast nun einen Einblick bekommen, wie notwendig es ist, dass man sich mit ganzer Kraft für sein Fortkommen einsetzt, und wie viele Wesenheiten es im ganzen Erdenreiche noch gibt, die in einem solchen Zustande ins Jenseits kommen, dass man sie wie kleine Kinder empfangen und behandeln muss. Von ihnen verlangt Gott gar nicht viel. Ein gütiges Wort, das sie einmal gesprochen haben, kann ihnen ein wunderbares Tor des Himmels öffnen. Eine Tat, die dem heutigen Menschen nicht mehr als Tat angerechnet würde, hat jenen in diesen Verhältnissen schon grossen geistigen Reichtum gegeben.” Ja, so sah ich es, und eigentlich hatte ich genug, ich wollte nichts mehr sehen. Zuerst kam es wie eine Depression über mich. Ich wurde aber wieder von meinen göttlichen Begleitern aufgerüttelt und getröstet. Man erklärte mir, ich hätte dann noch weitere Möglichkeiten, in diesem Jenseits verschiedene Türen aufzumachen und Verschiedenes zu sehen, was mich dann wieder zufrieden und glücklich mache. Denn das, worauf man im Geisterreiche doch achte, das sei das Streben der einzelnen Seele nach dem Göttlichen. Es würden die Begierden des Einzelnen auf das Genaueste betrachtet; und wäre man in gewissem Sinne frei von solchen Süchten und Begierden, wäre das auch schon ein grosses Verdienst. Dadurch würde sich der Weg ebnen zu den herrlichen, schönen Himmeln. 230 Erlebnisberichte 1958-1959 So hatte ich die Aufgabe, euch aus meinem Leben zu erzählen. Als Landstreicher hiess ich Christoph, im darauffolgenden Leben war mein Name Waldimir. Nun ziehe ich mich wieder zurück zu meiner seligen Arbeit, dem Flechten. Das war ja etwas, das ich bereits in jenem vorletzten Leben ausgeübt hatte, wenn auch nicht im kunstvollen Sinne; jenes war ja grobe Flickarbeit, aber es war etwas in meinem Innersten, das ein Talent war, das schlummerte und nun geöffnet und frei wurde. Als ich in der jenseitigen Welt diese wunderbare Arbeit erblickte, zog es mich dazu hin, und ich fühlte und ahnte: “Das ist etwas, was ich können muss.” So übe ich mich in dem. Auf welche Weise das seine Auswirkung haben wird in einem nächsten Leben, kann ich nicht sagen. Aber man gab mir die Andeutung, dass es sich wie ein roter Faden durch alle Leben ziehen würde. So ich mich nicht in besonderer Art verschulde, bliebe dieses Talent etwas frei. Aber der wahre künstlerische Sinn, das richtige Talent, kann sich nur dann entfalten, wenn man frei ist vom menschlichen Körper, wenn man in der geistigen Welt ist und die Unterstützung der höheren, göttlichen Wesen hat. So lebe ich glücklich in meiner Welt, und ich wünsche, dass es euch allen auch so ergehen darf. Ich möchte nur eines euch sagen: Freut euch auf diese andere Welt, sie ist tausendmal schöner als das Erdenreich. Und jene Wesen, mit denen man sich beschäftigt, sind viel anhänglicher, viel rücksichtsvoller, liebevoller; man kennt nicht den Egoismus, so wie es beim Menschen ist - es ist viel schöner. Darum freut euch, und ängstigt euch nicht vor dieser andern, schönen Welt. Ich verabschiede mich, und ich wünsche euch Gottes Segen für euer Leben. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Meine lieben Geschwister. Ich bin bereit, in erster Linie die Fragen zu beantworten, die sich aus der Erzählung des Bruders ergeben haben. Lieber Freund Josef, mir scheint es, dass dieser Waldimir, der doch ein rechtes Leben geführt hat, zwar in eine gehobene Läuterungsstufe gekommen ist, aber keine besondere Belohnung für sein Leben erhalten hat. Waldimir, 7. Oktober 1959 231 Josef: Ja, ihr dürft nicht vergessen, dass die Belohnung je nach der Entwicklung eines Wesens ausfällt. In dem Moment, wo von einem Menschen mehr an Leistung verlangt werden darf, da belohnt die göttliche Welt nicht mehr so freigebig; man belohnt nicht mehr die kleinsten Dinge, sondern man verlangt etwas von ihm infolge seines Wissens, seiner Schulung, überhaupt seiner Stellung. Dementsprechend wurden dem Bruder seine Leistungen im letzten Leben, wo er doch bestimmt auch seine Sorgen und Probleme hatte sowie auch seine Aufopferung, nicht in dem Masse angerechnet, wie ihm eben die Taten in seinem vorhergehenden Leben angerechnet wurden. Er hatte doch inzwischen vieles gelernt, und das stellt wieder höhere Ansprüche an den Einzelnen - dementsprechend fällt auch die Belohnung aus. Lieber Freund Josef, was mich noch interessiert, ist Folgendes: In früherer Zeit hat man doch in der Kirche immer davon gesprochen, dass man nach dem Tode weiterlebt. Man hat ja auch für die Verstorbenen gebetet. Warum war dann Waldimir so erstaunt, als er im Jenseits aufwachte? Josef: Es ging ihm eben so, wie es einem heutigen gläubigen Menschen ergeht, dem man sagt, dass man weiterlebt. Er hat zwar irgendeine Vorstellung von einem Weiterleben, er hat eine Phantasie - aber wie es tatsächlich ist, weiss er nicht. Er hat keinen tiefen Glauben an das Weiterleben. Danke, lieber Josef Es scheint mir, dass Waldimir in seinen Neigungen geblieben ist, wenn er doch schon früher die Neigung hatte zu flechten und im Jenseits sich wieder dazu hingezogen fühlte. Ist das auch seine geistige Aufgabe, wenn er aufgestiegen ist, oder bekommt er wieder eine andere? Josef: Das kann ich nicht sagen, ich kann es nicht zum Voraus beurteilen. Es kann möglich sein, dass ihm dieses immer gefallen wird, aber es kann auch möglich sein, dass er sich noch auf einem anderen Gebiete ausbilden wird. Das kann ich nicht sagen. 232 Erlebnisberichte 1958-1959 Lieber Josef, ist es ein Vorteil für das geistige Leben im Jenseits, wenn man mehrere Sprachen kann? Josef: Im Jenseits wird die Seele beurteilt nach ihren Werken und Taten. Also ich möchte nicht sagen, dass man für den Aufstieg einen Vorteil hat, wenn man als Mensch verschiedene Sprachen spricht. Es gibt Geister in den unteren Sphären, die auch verschiedene Sprachen sprechen können; das ist also nicht eine Voraussetzung zum Höhersteigen. Doch wenn man dann in seiner Entwicklung so weit ist, wird in der höheren Geisteswelt von den Talenten in dieser Beziehung Gebrauch gemacht, und es findet Verwendung im Heilsund Ordnungsplane. Man wird dementsprechend an einen Platz eingereiht, wo dieses Können zum Ausdruck gebracht werden kann, was zum Vorteil für den Heils- und Erlösungsplan sein wird. Wenn man als Geist in der andern Welt zur Schule geht, dann erlernt man die Sprachen leichter; es kommt aber auch hier auf den Eifer an; der Eifrige wird sie schneller erlernen. Lieber Josef, welche Sprache spricht man in den höheren Sphären? Josef: Das kann ich jetzt nicht beantworten - das heisst, ich könnte es schon, aber es dient nicht zu eurem Fortschritt. Was ist denn überhaupt der Sinn davon, dass auch im Jenseits verschiedene Sprachen existieren? Josef: Ja, der Sinn - die Vielfalt! Sie macht den Himmel schön und interessant. Gott ist nicht einseitig. Ihr müsst euch vorstellen, dass diese unendlich vielen Wesen des Himmels in Familien eingereiht sind, in denen diese verschiedenen Sprachen gesprochen werden. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Waldimir und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 233 4. November 1959 Agnes - es lohnt sich, im Leben duldsam zu sein und sein Schicksal zu tragen Wie eine Mutter von fünfzehn Kindern nach einem schweren Erdenleben Verwalterin himmlischer Güter wird Kontrollgeist: [Der Beginn der Tonaufnahme fehlt.] Auch diese Stunde lassen wir wiederum einen Geist zu euch sprechen, der zum ersten Male in der Weise durch einen Menschen spricht. So werdet ihr wiederum erkennen, wie wunderbar die göttlichen Gesetze sind, wie alles seine Belohnung findet und dass es sich lohnt, im Leben duldsam zu sein und sein Schicksal zu bejahen. Ich brauche euch vorerst nicht weitere Erklärung zu geben; dieser Geist wird euch alles selbst erzählen. Gott möge euch diese Stunde segnen. Gott zum Gruss. Agnes: Gott zum Gruss. Liebe Geschwister, ich werde versuchen, von mir etwas zu erzählen aus meinem Leben, das ich gelebt hatte auf Erden, und was mich dann erwartete infolge meines so schweren Lebens. Ja, ich hatte es nicht leicht, ich hatte es sehr schwer. Ich hatte fünfzehn Kinder, und mein Mann trank und war sehr rau, gewalttätig; ich hatte ein furchtbares Leben. Ich hatte aber ausgehalten; ich hatte zu Gott gebetet, dass er mir die Kraft gebe, den Kindern zuliebe auszuharren. Das Brot war sehr spärlich, und ich hatte mir manchen Geldschein durch zusätzliche Arbeit, so gut es noch ging, erworben. Von einem schönen Haushalt, wie ihr es heute gewöhnt seid, war schon gar keine Rede; man hatte nur gerade die Gegenstände, die man brauchte. Man legte zwei, drei Kinder in ein Bett, und zwar waren es nur Laubsäcke, worauf man schlief. Zwischendurch konnte ich durch Nachtwachehalten bei Kranken, auch durch sonstige Krankenpflege tagsüber oder durch Reinigungs 234 Erlebnisberichte 1958-1959 arbeiten, wie es gerade ging, noch etwas weniges - ich musste ja - dazuverdienen. Aber auch damit reichte es mir nicht immer, und ich ging jeweils zum Pfarrer und klagte ihm mein Leid. Er kannte mich, und ich musste es ihm eigentlich nicht mehr klagen, er wusste schon darum. Wenn ich jeweils zur Beichte ging und ihm wiederum vom schweren Leben erzählte, dass ich neben den vielen Kindern noch zusätzlich zu arbeiten hätte, weil mir das Brot nicht reiche, schob er mir fast jedes Mal einen Geldschein durch das Gitter. Ich nahm es an, ich musste ja. Er war so gut zu mir und erklärte, dass ich es ihm immer sagen dürfe, und er würde mir jeweils nach seinen besten Kräften beistehen. Mein Mann durfte davon nichts wissen, denn er wollte vom Pfarrer nichts wissen - nichts von Religion, nichts. Aber er erkundigte sich auch nicht, woher denn die Kinder das Essen hätten; das war ihm gleichgültig. So lebte ich das schwere Leben, und ich habe ausgehalten. Die letzten Jahre meines Lebens wurden mir nicht etwa erleichtert, denn die Kinder hatten für sich selbst zu schauen. Ich suchte mich so durchzuschlagen, so gut wie nur möglich. Man kannte Wohlstand nicht, überall war Armut verbreitet. Aber ich hatte einen festen Glauben an Gott, und ich war fromm. Ich wusste, dass Gott mir beistehen würde und dass mein Ausharren bestimmt auf irgendeine Art und Weise seine Belohnung finden würde; aber ich hatte nicht damit gerechnet. So durfte ich dann von diesem irdischen Tale abtreten, und ich wurde in Empfang genommen von wunderschönen Engeln. Ich konnte es fast nicht für wahr halten. Ich muss dazu noch bemerken, dass ich es ja im Leben nicht leicht hatte gegenüber den Mitmenschen. Ich wurde sehr oft ausgelacht; man spottete über mich und die ganze Familie wegen der Rauheiten, wegen der Trunkenheit des Mannes und wegen dem, was er alles zu unserem Unglück und zu unserer Schande anstellte. So war auch auf der Familie kein Glanz. Man hatte sich jeweils eher von uns abgewandt -- ausgenommen diejenigen Menschen, die uns oder wenigstens mich irgendwie brauchen konnten; und dies waren ja auch nur die Armen, bei denen man eine Nachtwache halten oder die man sonst pflegen konnte; da gab es auch nicht viel zu verdienen. Als ich nun im Jenseits meine Augen geöffnet hatte und so umherblickte, war ich erstaunt über Agnes, 4. November 1959 235 die Schönheit, die mich von allen Seiten anstrahlte, über die Aufmerksamkeit, die man mir schenkte. So etwas habe ich im menschlichen Leben nicht gekannt. Dort hatte man sich von mir abgekehrt, und hier schienen sie alle in Scharen auf mich zuzukommen, mir zuzurufen und zu lachen und zu singen. Sie nahmen mich an den Händen und fingen gleich an, einen Reigen mit mir zu tanzen. Es war mir gar nicht klar, was hier geschah. Aber zu meiner Seite stand mein Schutzengel; so sagte er, er hätte mich mein ganzes Leben hindurch begleitet, und er riss mich eigentlich mit. Ich fühlte mich ja so schwach und kraftlos, und ich wusste gar nicht, was geschah. Man zog mich jedoch einfach mit. So konnte ich ja nur bewundern. Nun kam aber doch eine grosse Müdigkeit über mich, und ich hatte nur den einen Wunsch: etwas auszuruhen. Dieses gönnte man mir auch; man liess mich dann eine Zeit allein, und ich durfte ruhen. Allein der Schutzgeist blieb bei mir, und er erzählte mir sonderliche Dinge über das Leben, das jetzt beginnen werde. Ja, meine Gedanken zogen natürlich wieder zurück ins Erdenreich zu meinen Kindern. Sie selbst hatten ja wieder ihre Kinder, so war ich auch besorgt um sie. Dann aber wurde ich aufgeklärt, dass auch sie im Erdenreich ihren Weg finden sollten und dass mir jetzt besondere Aufgaben und Ehrungen zuteilwürden. Als ich mich dann erholt hatte, da kamen sie wieder auf mich zu und baten mich, mit ihnen zu kommen. Sie hätten mir nun Verschiedenes mitzuteilen und mir eigentlich einen Einblick in die Himmel zu geben. Da war auch ein Geist - also nicht mein Schutzengel -, der, wie mir schien, eine bedeutende Rolle spielte. Er befahl die andern bei ihrem Namen zu sich heran, gab Anweisungen, und sie gehorchten ihm aufs Rascheste. Dann führte man mich in ein schönes Haus hinein und sagte mir, dass dieses nun vorerst mein Zuhause wäre. Ich war etwa nicht allein, sondern es waren viele da; ich sollte also in Gemeinschaft mit ihnen Zusammenleben. Das machte mir keine Sorgen; ich wollte ja gerne mit den andern zusammen sein. Dann aber erzählten sie, dass ich jetzt eine besondere Stellung einnehmen sollte und dass man mir gleich die Verwaltung von verschiedenen geistigen Sphären oder Bezirken übergeben werde. Da hatte ich doch ein Gefühl der Unsicherheit und erklärte: “Ja, ich 236 Erlebnisberichte 1958-1959 kann das nicht, ich glaube kaum, dass ich fähig bin, etwas so Besonderes auf mich zu nehmen und zu leisten.” Man erklärte mir, dass ich meine Berater haben würde; sie würden mir beistehen und gleich jeweils die Bedingungen erklären, die ich wissen müsste, und überhaupt: Sie würden mich in allem unterrichten, das würde sich von selbst ergeben; ich hätte mich also gar nicht zu ängstigen, sondern solle vielmehr mit Freuden annehmen, was man mir anbiete. Ich hatte aber einfach ein unsicheres Gefühl. Erst noch war ich ein Niemand gewesen im menschlichen Leben auf Erden; ja, man hatte sich von mir abgekehrt und nicht gerade schön über unsere Familie und mich geredet, und nun sollte mir plötzlich so viel Ehre zuteilwerden. Das konnte ich einfach noch nicht fassen. Man sagte mir: “Du hast dich auf Gott verlassen. Du standest in einem engen Verhältnis zu Christus, du hattest dir vor dein Auge immer das Kreuz gehalten und seine Leidenszeit. Du hast dich sozusagen nur gehalten an diesem Kreuz und an dem Schweren, das der Erlöser erleben musste. Und nun wirst du für dein Ausharren deine Belohnung finden.” Als wir da so umherwanderten durch diese schönen Wälder, durch diese prachtvollen Gärten, durch diese Alleen, da begegnete ich eigentlich manchem, den ich ja noch aus dem Leben kannte. Sie kamen auf mich zu, und sie freuten sich, mich zu sehen - anscheinend wie wenn sie es für selbstverständlich halten würden, dass mir solches zuteilwürde. Ja, ich zeigte auch meine Freude und war angenehm überrascht, sie auch hier zu sehen. Es schien mir, wie wenn alle diese Seelen mir direkt in den Weg geführt worden wären, dass sie also an mir vorbeikommen mussten, um mir im gewissen Sinne die Reverenz zu geben oder mich zu begrüssen - denn es war auffallend. Ich überlegte mir: “Der Himmel ist doch so unendlich gross; ist es denn möglich, dass ich nun plötzlich allen aus meinem Dorfe, von wo ich herkomme, begegne?” Also dachte ich mir schon, dass dahinter etwas mehr ist, dass man mir diese Seelen eben in den Weg geführt hatte. Man bestätigte auch meine Ansicht. Dann sagte man mir: “Diese Wälder, durch die wir nun schreiten, stehen jetzt unter deiner Obhut; du wirst ihre Verwalterin sein. Und dort, diese grossen und riesigen Felder, Blumengärten und alles, was du Agnes, 4. November 1959 237 sehen kannst, ist auch unter deiner Obhut. Du sollst ihre Verwalterin sein.” Ich fragte dann wiederum, denn ich wusste ja nichts von diesen Gebräuchen der jenseitigen Welt: “Ich glaube doch, dass der liebe Gott selbst der Verwalter ist. Wieso soll ich denn hier Verwalterin sein?” - “Ja”, sprach man, “du sollst nicht etwa annehmen, das wäre dein Eigentum; alles ist Eigentum des lieben Gottes, aber es wird verwaltet, und es wird alles in Ordnung gehalten, und für diese Ordnung hast du zu sorgen. Wir werden dir nun alle bekannt machen, die mit dir zu tun haben oder die in Beziehung kommen mit diesen Sphären, und wir werden ihnen kundtun, dass bei irgendwelchen Ansprüchen zuerst du gefragt werden musst.” Dann sagte ich: “Ach, ich kann doch nicht wissen, was richtig ist, was man tun und was man lassen muss.” Da sagte man mir wieder: “Wir haben dir ja gesagt, du wirst deine Berater haben.” Da kam es mir auch gleich in den Sinn, dass es wohl eher eine Ehrung sei, die man mir zuteilwerden liess; ich sollte also in gewissem Sinne geehrt werden. “So ist es,” dachte ich, “denn es ist ja weder mein Eigentum, noch habe ich Kenntnis von all diesen Dingen, wie es zugehen muss.” Ja, ich habe schon so ungefähr richtig geahnt. Dann standen sie auch neben mir, diese Berater, und schritten voller Stolz durch diese prachtvollen Wälder. Etwas möchte ich doch für euch erklären, denn ihr stellt euch nun vor, ein Wald im Geisterreiche sei genau so wie ein Wald bei euch auf Erden. Natürlich findet ihr alle Sorten von Bäumen in diesen Wäldern und - ich möchte sagen - nicht nur die Bäume, die ihr habt, sondern wir haben auch Bäume aus den südlichen Ländern oder aus dem Dschungel; alles ist zu haben. Es ist nicht etwa ein Durcheinander in einem solchen Wald, sondern es ist etwas sehr Schönes. Wundersam gepflegte Wege gibt es, und man schreitet dahin wie auf einem grünen, weichen Teppich. An den Bäumen findet man die prachtvollsten Pilze, riesige Pilze, und zwar sind sie in allen Farben zu sehen. Dann hat es auch Steine, die ebenfalls in ihrer unendlichen Farbenpracht sind, von den kleinsten bis zu den grössten Steinen, ja - ich möchte sagen - fast so gross wie ein Mensch. So lagen da diese Steine umher, und es war ein Funkeln und ein Glitzern. Ich erkundigte mich: “Was sind denn das für Steine?” Und man antwortete mir: 238 Erlebnisberichte 1958-1959 “Ja, dieses ist das kostbare Gut, das man dir anempfiehlt, auf das du deine Aufmerksamkeit lenken sollst.” Dann sagte man mir: “Siehst du, du wanderst jetzt mit uns durch diesen Wald, und wenn du umherschaust, siehst du auch noch andere Wesen, die durch diesen Wald schreiten und ihn bewundern. Es sind Seelen darunter, die auch noch nicht allzu lange im Geisterreiche sind, die man zu ihrer Erholung durch diesen Wald führt, zu ihrer Beruhigung. Dann aber sind es sogenannte freie Geister, die wohl in die Ordnung des Herrn einberufen sind, die aber eine grosse Freiheit haben und sich in ihrem Schaffen auf das Verschiedenste betätigen können. Sie haben also die Möglichkeit, Stücke von diesen Steinen wegzutragen; sie können auch Pilze wegnehmen, sie können Bäume wegnehmen und sie anderswohin verpflanzen. Wer das tun will, muss vorher genauestens die Bewilligung dafür einholen. Würde nun ein jeder Geist nach seinem Belieben schalten und walten, würde es ein Durcheinander geben. Im geistigen Reiche muss man auch in den höheren Sphären, wo ein gewisser Reichtum zur Verfügung steht, über den man verfügen darf, die Bewilligung dafür haben, wenn man etwas wegnehmen, verpflanzen will.” Und diese Bewilligung sollte bei mir eingeholt werden. Doch noch konnte ich ja nicht wissen, wem ich eine Erlaubnis erteilen konnte und wem nicht, und was man nehmen durfte, was nicht. Aber meine Berater waren zahlreich bei mir, und sie kannten jene, die jeweils in diesen Wäldern ihre Entfaltung ausüben wollten, und wussten auch Bescheid, ob sie es ihnen erlauben durften oder nicht oder ob die Erlaubnis nur im begrenzten Sinne gegeben werden konnte. Es ist nicht etwa so, dass man es den einen verweigert hätte, einfach weil sie es nicht verdient hätten, in jener Welt zu leben, sondern sie mussten sich genauestens an die Ordnung gewöhnen - so erklärte man mir. Auch unter diesen Seelen, auch wenn sie als gute, liebe Menschen gelebt und sich den schönen Himmel verdient hätten, wären solche, die eben doch noch nicht genau Bescheid wüssten, was gestattet wäre, wie viel man von diesem Reichtum verpflanzen und wegnehmen dürfe und so weiter. Denn es ist genau wie bei den Menschen: Die einen sind sehr sparsam, die andern womöglich geizig, andere sehr grosszügig - dieses alles liegt noch in Agnes, 4. November 1959 239 ihrer Seele. So möchte dann eben der Grosszügige in Haufen wegtragen, und er findet es ganz selbstverständlich, dass man davon nimmt, während der andere sehr sparsam ist oder sich sonst irgendwelche Gedanken macht, ins Gespräch mit den andern Seelen kommt. So könnte es zu Unfrieden kommen. Denn dieses ist ja etwas, was die grösste Gefahr bedeutet für jene Seelen, die noch nicht die höchste Stufe der Reinheit und der Läuterung erreicht haben: Sie könnten eben durch dieses Besitznehmen schon bald in einen gewissen Drang und in ein grosses Verlangen kommen, solche Dinge zu haben und in ihr Haus zu tragen, um es zu verschönern - und eigentlich nur für sich selbst. Also, dieses soll euch nur als Randbemerkung gesagt sein, damit ihr Kenntnis davon habt, wie gestreng eigentlich diese Ordnung in den göttlichen Welten ist, auch da, wo ein Wesen eine grosse Freiheit besitzt. Ihr habt bestimmt schon davon gehört, dass man sich künstlerisch betätigen kann und dass man sich die Gegenstände dafür selbst herbeischaffen kann oder durch andere herbeischaffen lassen kann; es gibt also verschiedene Möglichkeiten. Uber diesen Wald und diese Felder und Gärten, die mir zugestanden wurden, musste ich also mein wachsames Auge halten, damit alles in Ordnung vor sich ging, damit diese Wesenheiten sich an eine Ordnung gewöhnten. Meine Berater hatten mir ja jeweils gesagt, was zu tun sei. Ich selbst freute mich an diesem herrlichen Walde mit seiner Farbenpracht. Es gibt hier ja nicht nur so ein sanftes oder dumpfes Grün, wie es im Menschenreiche ist, sondern es ist alles so prachtvoll in seinen Farben, wunderbar - eben das, was ich erwähnt habe: diese Zugaben an Pilzen, an besonderen Steinen und besonderen Gegenständen, die in diesem Walde eigentlich wachsen; ich kann dies nicht genau erklären nach euren Begriffen. Nun, ich möchte aber auch etwas vom Garten sprechen oder von diesen vielen Gärten. Sie waren alle zusammen schon angelegt mit den wunderbarsten Blumen. Auch hier sah ich vereinzelt Seelen; sie beschäftigten sich mit den Blumen. Man gab mir auch gleich die Erklärung, dass sie von diesen Blumen wegnehmen und sie anderswohin verpflanzen würden, dass sie die Blumen wiederum für andere zu sammeln hätten. Im geistigen Reich habe man viele Verwendungen für diese Blumen, und immer wieder würden die Seelen zu der 240 Erlebnisberichte 1958-1959 Arbeit hinzugezogen. Es würden für die höheren Sphären, für die Feste Teppiche gewoben, die aus lauter Blumen bestehen, von den kleinsten Blümchen bis zu den grossen Blumen und den wunderbarsten farbigen Blättern. Aber dies alles sollte sorgsam ausgesucht, zusammengelegt werden. Man glaubt wohl, nach menschlichem Begriffe, im Himmelreiche wäre es so: Man könne denken, und alles sei fertig. Wenn ihr nur einmal darüber nachdenkt, müsst ihr selbst zur Erkenntnis kommen, dass bald Unfrieden wäre im Himmelreich, wenn man nur etwas sagen oder denken könnte, und es wäre fix und fertig vor einem da. So ist es nicht, sondern alles muss erarbeitet werden, sozusagen im gleichen Sinne wie beim Menschen. Nur arbeiten wir im Geisterreiche nicht im Schweisse des Angesichtes und um das Brot zu haben und zu leben, sondern unsere Arbeit ist etwas Befreiendes, etwas Erlösendes, etwas Herrliches. Wir sind uns bewusst, dass wir das, was wir tun, nicht für uns tun müssen, sondern wirklich für den Himmel, wirklich für Gott. Und bei diesem Arbeiten - sei es nun dieser oder jener Art, sei es nun, dass einer immer genau dieselben Blättchen sucht, die bestimmt auch wieder einer besonderen Aufgabe zugeführt werden - muss der betreffende Geist einmal Gehorsam aufbringen und seinen Arbeitseifer. Wenn er dieses getan hat, wird er gleich wieder herausgezogen und höhergeführt. Mancher muss eine solche Arbeit tun, die ihm nicht gefällt; er glaubt, dass er wohl intelligenter wäre und viel wichtigere Arbeiten erfüllen könnte; aber auch hier muss er eben manchmal erniedrigt werden. Er muss eine solche Arbeit tun, vielleicht nur für kurze Zeit zu seiner Läuterung, dann darf er wieder einer besseren Arbeit nachgehen. Nun waren da auch diese Felder, und auf ihnen wurde auch gesammelt. Sonderbare Dinge kam aus der geistigen Erde dieser Felder; alles Mögliche wurde hier gesammelt und fortgetragen, aber alles sollte kontrolliert werden. Die Wesenheiten, die in diese Gärten, in diese bestimmten Felder oder in die Wälder hineinkamen, waren genau gezählt. Es ging alles nach einer gestrengen Ordnung. Dann wurde mir auch noch ein Fluss zur Verwaltung gegeben. Ein Fluss - auch das konnte ich nicht verstehen: “Was soll ich denn bei diesem Fluss verwalten?” Ich konnte es nicht begreifen. Und Agnes, 4. November 1959 241 doch sagte man mir: “Siehst du, wenn du jetzt deine Augen gut aufmachst, dann musst du diese Brücken sehen, die jeweils über diese Flüsse gehen. Du sollst sehen, wie kunstvoll und herrlich sie gebaut, aus welchem Holz sie erstellt worden sind und wie seltsam sie aussehen.” Dem hatte ich gar nicht meine Aufmerksamkeit geschenkt, denn es lag mir ja noch gar nicht vom Menschenreiche her; ich hatte nicht den Sinn dafür, um etwas schätzen zu können oder um den Wert zu erkennen, ob etwas kostbar ist oder nicht, welches Holz es ist und so weiter. Das alles musste man mir zuerst mitteilen; ich musste lernen zu erkennen, was kunstvoll ist, was von geübten und künstlerischen Händen verarbeitet wurde und was von Anfängern ist. So zeigte man mir diese Brücken und erklärte: “Es werden noch andere kommen, die auch ihre Brücken bauen wollen über den Fluss. Sie wollen Brücken bauen, und sie wollen auf die andere Seite des Flusses gehen. Dies dürfen sie nicht ohne das Einverständnis von dir.” Was heisst: von mir? Ich hatte ja meine Betreuer und Berater; sie gaben das Einverständnis dazu. Aber ich sah es, wie diese Seelen kamen, ich erlebte es, sie kamen zu mir und erkundigten sich, wo sie diese Brücke über den Fluss bauen dürften. Sie sollten sich üben in dieser Tätigkeit. Andere wollten den Weg bahnen für andere Seelen, damit diese hinübertreten konnten. Ja auch das alles wurde aufs Genaueste beobachtet und kontrolliert. Meine Berater wandten sich diesen Bittenden zu und erklärten ihnen, auf welche Art und Weise es ungefähr geschehen müsse und von welcher Art der Bau sein sollte. Dann kamen diese Seelen, machten sich an die Arbeit und hatten so ihre Tätigkeit, dass es zum einen eine Freude war für sie, dieses auszuführen, und zweitens hatte all dieses Arbeiten - von der geistigen Welt aus gesehen - seinen besonderen Sinn. Man muss also nicht annehmen, dass man im Geisterreiche nun die Hände falten dürfe; nein, man muss arbeiten. Wenn nun diese Brücken von Verschiedenen gebaut werden, so haben andere, die auf der anderen Seite des Flusses sind, die Möglichkeit, zu uns hinüberzutreten und unsere schöne Welt zu bewundern; denn sie, die vielleicht gebannt waren auf der anderen Seite des Flusses, dürfen nur zu uns hinüber, wenn man ihnen Gelegenheit gibt und ihnen eine Brücke baut. 242 Erlebnisberichte 1958-1959 So hat alles seinen Sinn. Man muss arbeiten und zuerst eine solche Arbeit ausführen. Danach wird man ja genau auf seine Fähigkeit geprüft, wo man in Zukunft seine Aufgabe erfüllen könnte, um dem Heilsplan eine schnellere Erfüllung zu geben. Ihr könnt damit also auch sehen, wie die höhere Geisteswelt sehr bemüht und angestrengt ist, diesen Wesenheiten im Jenseits ihre Arbeit zu geben; denn nur durch diese Arbeit finden sie sich besser zurecht, finden sie besser ihren Weg aufwärts. Sie müssen einmal für die Arbeit gefügig gemacht werden. Es ist ja nicht so, dass man in diesen Ebenen zwangsmässig arbeiten muss wie der Mensch, dem vorgeschrieben wird: “Heute hast du das unbedingt zu erreichen, sonst wirst du deiner Stelle verlustig.” Nein, die Zeit spielt nicht so eine Rolle. Man baut etwas, man bricht es wieder ab, und man kommt mit neuen Ideen und baut wieder weiter. Eine Zeit, wie die Menschen sie haben, kennen wir nicht. Vielmehr wird Wert gelegt auf das Schöne, Kunstvolle, und so finden dann diese Wesenheiten ihre Beschäftigungen. Je nach ihren Veranlagungen, nach ihren Talenten werden sie zu einer Arbeit herangezogen, der eine zu einer schwereren, der andere zu einer leichteren. Ja, so sah ich, wie in der geistigen Welt gearbeitet wurde. Dann fragte ich diese Berater, die zu meiner Seite sind: “Ja, wie habe ich denn das eigentlich verdient? Gehöre ich denn nicht auch zu jenen Scharen, die zu arbeiten haben? Warum soll ich diese Verwaltung auf mich nehmen, wo ich doch davon nichts verstehe?” Und sie sprachen: “Es muss dir die Ehre gegeben werden. Sie müssen zu dir kommen, sie müssen dich kennenlernen, und sie werden alle ehrfurchtsvoll von dir sprechen. Es wird ihnen auch erklärt, wie schwer du durchs Leben musstest und dass du diese hohe Stellung nun im Jenseits nur durch dein schweres Leben errungen hast.” Da begegnete ich wieder einmal einer Seele, die mich kannte. Sie freute sich über mich, und sie sah, welche Aufmerksamkeit man mir schenkte. Sie kam zu mir hin, nahm meine beiden Hände, küsste sie und sprach: “Ja, du hast nicht nur ein Kreuz im Leben getragen, sondern du hast sieben Kreuze auf einmal getragen. Das ist doch dein Verdienst, darum bist du zu dieser angesehenen Stellung gekommen.” Ich hörte nicht gerne solche Komplimente. Ja, ich hatte Agnes, 4. November 1959 243 ein schweres Leben gehabt, und es tat mir wohl, nun so frei zu sein, keine Angst vor Hunger haben zu müssen und nicht mehr darüber nachzusinnen, ob genügend Brot oder Suppe für den andern Tag vorhanden wäre, und auch nicht mehr die Schläge auszuhalten, die ich bekam, und die Schimpfworte und so fort. Nun war ich frei. Was ich ja noch tun musste: Ich bat und betete für meinen Mann. Ich war vor ihm ins Geisterreich gekommen, er war noch zurückgeblieben. Aber es ging nicht lange Zeit, da holte man auch ihn, und man rief mich, ihn zu holen und zu begleiten. Es war eine jämmerliche Gestalt, die ich im Geiste vor mir sah; ja, er war genau das, was er als Mensch gewesen war. Ich musste mit diesen andern Engelswesen ihn begleiten in jene Finsternis hinein. Er wurde für lange Zeit gebannt - verbannt und gebannt an einen ganz bestimmten Ort. In dieser Dunkelheit sollte er sein, um zuerst einmal zur Einsicht zu kommen, was er für ein furchtbares Leben gelebt und wie viel Schmerz er den andern zugefügt hatte. Ja, ich hätte es ihm ja so gerne gegönnt, dass er die himmlische Welt so erleben dürfte wie ich. Da habe ich oftmals im Stillen gebetet zu Gott: “Erbarme dich doch seiner.” Und jedes Mal, wenn ich das Gebet ausgesprochen hatte, hat einer meiner Begleiter, der mich jeweils gesehen, mir nur stumm zugenickt, etwas gelächelt, wie wenn er sagen wollte: “Ich weiss es schon, du gute Seele, es hilft ihm aber nichts, vorerst hat er dort zu verweilen.” Aber ich tat es trotzdem immer wieder, und später empfand ich von den Engelwesen eher ein mitleidendes Lächeln. Ich wollte ihn ja nicht vergessen, ich wollte ja für ihn bitten. Doch ich musste auch darüber aufgeklärt werden, dass trotz meinem Bitten sein Weg nicht früher frei werde, ehe seine Seele nun wirklich geläutert und er selbst einsichtig geworden sei; ich könne später zu ihm hingehen und Trost bringen - später sollte es geschehen. Nun, ich freute mich ja an meinen Aufgaben, und da ging es auch nicht allzu lange und man machte mich auf das Sterben eines meiner Kinder aufmerksam. Ich ging wiederum mit den Engelwesen und holte es. Es kam zuerst ein erstes Kind, dann ein zweites, dann ein drittes - und die Freude war natürlich gross. Sie bewunderten mich, denn sie fanden, ich wäre so sonderlich gekleidet und hätte ein ganz besonderes Aussehen. Ja, ich war wirklich sonderlich ge 244 Erlebnisberichte 1958-1959 kleidet; die Engel hatten mir sonderliche Kleider gegeben, dass es gleich alle, die in derselben Sphäre wohnten wie ich, sahen, dass ich eine besondere Stellung hatte. Dies brauchte ich niemandem zu sagen, sondern mein Aussehen bezeugte es ihnen. Nun, meine Kinder wollten ja auch zu diesen Höhen kommen, und die Engel mussten ihnen sagen: “Eure Mutter hat so viel geduldet und so viel getragen; ihr könnt noch nicht in diese Heimat kommen, noch bleibt sie für euch geschlossen. Wenn ihr aber eure Aufgaben erfüllt, steht auch euch der Weg offen. Aber vorerst wird eure Mutter euch besuchen.” Und ich durfte meine Kinder dann und wann besuchen. Dies war für mich eine grosse Freude, denn ich konnte ihnen richtigen Trost bringen und ihnen den Weg zeigen, den sie beschreiten mussten. Das heisst, ich unterrichtete sie, was zu tun sei, ich machte sie aufmerksam auf den Eifer, den sie haben müssten, und auf den guten Willen, alles zu tun, was man von ihnen verlange, dass sie sich wirklich Gott hingeben, zu Gott beten, ihn bitten, ihn loben und preisen müssten und dass so dann der Weg beleuchtet würde zu den höheren Welten. So bin ich in meiner Stellung, und ich habe mich nun, ich kann fast sagen, etwas an sie gewöhnt. Auch habe ich mit der Zeit selbst Erkenntnis bekommen, und meine Berater haben dann sozusagen ihre Verantwortung langsam abgetreten, das heisst mir übergeben. Aber noch bin ich nicht ohne Berater, doch sind sie nicht mehr so zahlreich wie am Anfang; denn ich kann nun auch wirklich selbst entscheiden, was hier gemacht werden darf, was man wegtragen darf und was nicht. Dazu möchte ich noch sagen: Wenn man etwas wegträgt in der geistigen Welt, sei es einen solchen grossen, wunderbaren Stein, so ist es sonderbar: Es gibt wieder ein neues Wachsen, und nach einer gewissen Zeit steht wiederum ein Stein da, nicht mehr der gleiche in derselben Form und Farbe, es ist wieder ein ganz anderer Stein. Die Stelle bleibt nicht frei; in dieser geistigen Erde ist die Wurzel, die gelegt wurde, und es gibt einfach wieder ein neues Wachsen und ein neues Entfalten. So kann man unter keinen Umständen die himmlischen Welten etwa plündern und das Schöne wegtragen oder es irgendwie vernichten. Nein. Die Geister, denen es erlaubt ist, dort hinzugehen und von diesen Dingen zu holen, sie verarbeiten das Agnes, 4. November 1959 245 in irgendeiner Art und Weise. Sie können ein Haus bauen, sie bilden Statuen, sie bilden Brücken, sie bauen Tempel - ach so vieles! Es wird immer wieder verarbeitet, und ihr sollt nun nicht meinen: “Ja, wo hat denn all dieses Zeug Platz?” Ach, liebe Geschwister, ihr könnt euch keine Vorstellung machen von den Weiten des Himmelreichs. Ich muss eigentlich sagen: Es kann noch unendlich vieles wachsen, es hat ja noch so viel Platz! Ich glaube kaum, dass man je von einer Überhäufung oder Überfüllung sprechen könnte. Nur noch nebenbei, worüber ich auch aufgeklärt wurde: Das Schaffen in diesen Sphären ist etwas Erbauendes. Die Wesenheiten, die sich dazu bereitfinden, Neues zu erstellen, tun dies, damit der Himmel seine Vielfalt findet, damit nicht immer alles in der gleichen Art und Weise bleibt. Zudem ist es auch so, dass dadurch verschiedene Lücken ausgefüllt werden können. Man kann also nicht von einem Arbeiten reden, das etwa sinnlos wäre oder das die Sphären verunstalten würde. Dies alles liegt ja unter gestrenger Beobachtung. Aber was ich damit eigentlich sagen möchte: In den Sphären, die weiter unten sind, wo ähnlich - ich sage: ähnlich - gearbeitet wird, da geschieht es, dass ganze Sphären verändert werden können. Dies wird aber nur getan - wie soll ich das sagen? -, wenn die höheren Engel des Himmels kommen und die Umwandlung dieser Sphären vornehmen, indem sie - sagen wir - alles Gebilde und Wachsen einer Sphäre auflösen und es eben machen, sodass dann von Neuem diese Sphäre geformt und schöner gestaltet werden kann. Dies kann aber nicht etwa ein Geist von sich selbst aus machen, denn bedenkt auch hier: Da würde mancher seinen Flecken, auf dem er lebt, vernichten oder so gestalten, wie es ihm passen würde, und man könnte wohl wirklich nicht mehr von einem harmonischen Himmel reden; denn es braucht viel, bis man in allen Dingen die Vollkommenheit erreicht und auch im Geschmack einig geworden ist, sodass der Himmel seine Schönheit und seine Harmonie bewahrt. Damit sollt ihr wiederum sehen, wie notwendig die Ordnung ist und wie alles überwacht werden muss. Vielleicht habt ihr schon davon gehört, dass gewisse Sphären ihre Auflösung finden und dafür andere geschaffen werden. Gewöhnlich ist es so, dass das Niedere 246 Erlebnisberichte 1958-1959 aufgelöst wird, das Unschöne findet seine Auflösung, und Besseres wird dann darüber geschaffen. Da kommen aber unendlich viele Engelwesen und bearbeiten diese Sphäre, lösen auf und geben dann andern wieder Gelegenheit, die Sphäre zu bebauen. Darum gibt es immer genügend Arbeit im Geisterreiche, denn die Entwicklung geht in allen Dingen aufwärts. Das, was nicht mehr bevölkert ist, wird eben anders gestaltet und dem Höheren zu Diensten gestellt, und so sind die Möglichkeiten zum Schaffen gegeben. Es ist ja so, wie die Engelswelt mir mitteilt, dass, wenn dann die Einigung aller Wesen erreicht ist, der ganze Himmel in einer Einheit und in einer Pracht sein soll, dass man da nicht mehr diese Unterschiede von Stufe zu Stufe - oder von Sphäre zu Sphäre, wie ihr es nennt - sieht, sondern dass alles eben ist, alles in einer Einheit. Und um diese Einheit zu erstreben, braucht es die tatkräftige Mitarbeit eines jeden Menschen und eines jeden Geistes. Jeder muss das Äusserste tun, um diesen Himmel in diese Einheit zu bringen. Das erklärt man uns. Aber wir sehen auch, wie unendlich lange es dauert, bis diese Einheit von himmlischer Pracht vorhanden ist; denn noch sind es ja erst wenige Stufen, die aufgelöst und zu höheren Stufen umgewandelt wurden. Nun müssen jene Stufen, von denen wir sagen, sie seien noch nicht schön, in selber Pracht und in selbem Glanze erstehen wie die höchsten Stufen, wo Gott wohnt. Alles muss so zu einer Einheit und zu einer Pracht kommen. Habt ihr eine Ahnung, wie viel da gearbeitet, wie vieles geändert und umgestaltet werden muss? Es ist für uns Geister schwer, das dem Menschen nahezubringen, weil er einfach nicht begreifen will, dass man in dieser andern Welt arbeitet. Aber wenn ihr glaubt, dass in dieser andern Welt Frieden sein muss, dann ist es notwendig, dass alles, alles arbeitet. Denn ihr erinnert euch ja an das wunderbare Zusammenleben der Geister: Sie mussten nicht [wie ihr] arbeiten, sie hatten es schön, schön - und dieses ist vielen zum Verhängnis geworden. Wenn ihr etwas darüber nachdenkt, dann könnt ihr das, was ich euch jetzt erklärt habe, besser verstehen. Ich bin im Jenseits so glücklich, so unendlich glücklich. Und wenn ich mir mein gelebtes Leben vorstelle, wie schwer es war, so erkenne ich doch, es war so kurz, so kurz! Das Leben in der jenseitigen Welt heisst Ewigkeit. Agnes, 4. November 1959 247 Nun, man sagt, dass ich euch genug erzählt habe. Damit ihr Bescheid wisst über meinen Namen: mein Name ist Agnes. So ziehe ich mich wieder zurück, und ich will gerne annehmen, euch auch in dieser himmlischen Welt begrüssen zu dürfen. Ich möchte mich freuen, euch zu sehen, wenn ihr über die Brücke schreitet oder wenn ihr selbst eine Brücke baut über den Fluss. Oder es würde mich freuen, wenn das eine oder andere von euch zu mir kommt und sagt: “Ich hörte einst deine Erzählung; nun darf ich auch in deinem Garten tätig sein. Oder hast du mir etwas anzubieten?” Ja, ich hätte euch vieles anzubieten aus dem Himmel, wo ich wohne; ich könnte euch vieles übertragen. So gehe ich wieder zu meiner Arbeit hin. Möge Gottes Segen euch behüten, möge er immer bei euch weilen. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Liebe Geschwister, ich bin bereit, auf eure Fragen zu antworten nach bester Möglichkeit. Lieber Freund Josef, darf man annehmen, dass diese Seele, die ein so schweres Leben durchmachen musste, im Jenseits ausnahmsweise keine Läuterung durchmachen musste? Josef: Einem Menschen, der ein so schweres Leben gehabt hat und der auch gestrauchelt ist, wie es bei einem jeden Menschen geschieht, dem vergibt Gott von Anfang an eine gewisse Schuld. In der Tätigkeit, die diese Seele dann ausübt, hat sie Gelegenheit, - ich möchte sagen - Übergangenes oder Vernachlässigtes nachzuholen; durch ihren Eifer wird sie das eben nachholen. Kannst du das verstehen? Ja, durch den guten Willen, durch das Ausharren im Guten gibt es ein Wachstum im Geistigen. Josef: Ja. Ist das auch so zu verstehen, dass für diese Agnes das schwere Leben ja gleichbedeutend war mit einer Läuterung? 248 Erlebnisberichte 1958-1959 Josef: Auch das, ja. Denn so hat sie sich ja den Himmel verdient. Ich danke dir, lieber Josef. Darf man annehmen, dass diese Agnes schon in ihrem Vorleben eine gewisse geistige Höhe hatte - sonst hätte sie diese Aufgabe gar nicht erfüllen können? Josef: Oh ja. Und ihr sollt nicht vergessen: Wenn eine Mutter so viele Kinder hat und sie tut alles, was in ihren Kräften liegt, dann hat sie auch ihre Verdienste. Denkt einmal nach: Wenn ihr so viel Kinder hättet zu Hause? Lieber Freund Josef, ist diese Agnes das letzte Mal auf Erden gewesen, oder wird sie noch einmal Mensch werden müssen? Josef: Das liegt nicht in meinem Wissen, das kann ich nicht sagen. Agnes sprach von Teppichen, die aus Blumen gemacht wurden für höhere Sphären. Werden diese beim Betreten nicht beschädigt? Wenn wir über Blumenteppiche gehen würden, dann wären sie beschädigt. Josef: Ja, dies ist natürlich nicht diese Materie, die ihr habt. Im Weiteren werden diese Blumen so dicht nebeneinander gewoben, dass von einer Schädigung so oder so nicht gesprochen werden kann. Es ist ein so festes Zusammenballen dieser Blumen, und es ist eine geistige Kraft darin, eine geistige Farbe, die ihre Lebendigkeit hat und sie auch behält. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Agnes und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung 249 2. Dezember 1959 Stephan - Sühne für die Unterdrückung und Misshandlung von Untertanen Gesinnungsänderung durch eigenes Leid Kontrollgeist: Gott zum Gruss. Liebe Geschwister, es spricht wiederum ein Geist das erste Mal durch den Mund eines Menschen. Wir bitten euch, an ihn selbst keine Fragen zu richten und gut zuzuhören, was er euch zu sagen hat. Wir suchen nämlich jeweils solche Wesenheiten aus, die ein besonderes Schicksal erlebt und sich auch vorher belastet haben. So bekommt ihr immer wieder Einblick in die göttlichen Gesetzmässigkeiten, und vieles, was euch hier auf Erden begegnet, könnt ihr durch diese Erkenntnisse deuten. So möge Gottes Segen über euch allen walten. Gott zum Gruss. Stephan: Gott zum Gruss. Liebe Geschwister, ich möchte euch vielleicht am besten gerade erzählen, woher ich komme und womit ich beschäftigt war. Schon längst hatte man mir die Anweisung gegeben, zu euch zu kommen. Es wurden auch mir die Bilder aus der Vergangenheit deutlich wieder vor Augen geführt, und ganz besonders das Wesentliche. So habe ich alles neu in mich aufgenommen, denn ich soll es ja euch erzählen. Bevor ich zu euch kam, war ich mit lieben Geschwistern an einer schönen Arbeit beteiligt. Freilich habe ich mich schon etwa zwei, drei Stunden - nach eurer Zeitrechnung - hier in diesem Raume aufgehalten. Was ich vorher getan habe? Wir haben unsere Häuser und unsere Gärten geschmückt, genau zum selben Feste wie ihr. Wir haben auch Lichter, die wir anzünden, und wir haben Blumen, viel schönere als auf Erden, mit denen wir Kränze machen. So schmücken wir unsere Gärten, unsere Wege, zu beiden Seiten, und unsere Häuser innen und aussen. Nach einer gewissen Zeit, wenn das Fest beendet ist, beseitigen wir diesen Schmuck wieder. Aber alle sollen an diesen Erinnerungstagen 250 Erlebnisberichte 1958-1959 an die Geburt des Erlösers erinnert werden. Wir laden einander ein und sind stolz darauf, unser Haus so festlich geschmückt zu haben. Natürlich wenden wir auch künstlerischen Sinn an, denn es werden nicht einfach nur so Blumen zusammengebunden, sondern kunstvoll wird es getan; wir legen sie zu ganzen Figuren zusammen. Da eifern wir sozusagen, wer das schönste Haus besitzt - nicht etwa für uns, sondern wir tun dies zur Ehre dessen, den wir ja feiern. So ziehen wir dann als Gäste da- und dorthin, singen Lieder und beten miteinander. Aber wir dürfen nicht nur dieses tun, wir haben noch eine andere Aufgabe. Wir müssen von diesen Lichtern nehmen und etwas davon unseren leidenden Geschwistern - den sogenannten Unseligen - in anderen Sphären bringen. Wir gehen zu ihnen hin, ja, wir machen sogenannte Prozessionen. Die einen ziehen stumm durch diese Sphären, andere tun es singend, wieder andere vielleicht betend; wir werden genau angewiesen, was wir zu tun haben. So ziehen wir wie auf einer Stufenleiter von oben hinunter. Es ist aber nicht etwa so, dass wir alles besuchen dürften, was es überhaupt im Jenseits an unseligen Geschwistern gibt - nein, es sind nur gewisse Stufen. So gehen wir zu ihnen hin und tun das. Der Höhepunkt des Festes ist für uns noch nicht gekommen. Wenn dieser Höhepunkt da ist, dann stehen wir alle vor unseren Häusern und warten auf höhere Gäste. Sie kommen dann sehr zahlreich aus den schönen Himmeln heraus zu uns, und sie feiern mit uns. Sie geben uns viele Erzählungen; sie erzählen von all dem, was sie in ihrer Welt erleben, von ihren Begegnungen, und das ist für uns sehr oft eine grosse Neuigkeit. Also das wollte ich nur zur Einleitung sagen, damit ihr auch wisst, woher ich gerade komme und was ich getan habe. Wenn ich euch verlasse, dann werde ich wieder zu meiner Arbeit zurückkehren und das, was ich in der letzten Zeit getan habe, vollenden. Ich soll erzählen von meinem letzten Leben. Ja, da muss ich noch weiter zurückgreifen und von meinem vorletzten Erdenleben berichten, von jenem, in dem ich mich in meinem ganzen Aufstieg oder in meiner Entwicklung am meisten belastet hatte. Ich wurde da in eine begüterte Familie hineingeboren - begütert, ja ich möchte sagen: reich -, und dementsprechend war auch mein Leben. Die Stephan, 2. Dezember 1959 251 Menschen um uns, die nicht gleichen Standes waren, waren uns untertan, und wir versuchten, so viel wie möglich Nutzen aus ihnen zu ziehen. Das ging nicht immer so leicht; man leistete uns oftmals Widerstand, und dieser Widerstand konnte nur mit Gewalt gebrochen werden. Für uns war das selbstverständlich, wir hatten Gewalt angewandt, mit der Peitsche, mit den Schuhen, gleich wie es kam. So hatten wir uns Respekt verschafft, und wir glaubten dabei, dass dies unser gutes Recht wäre. So habe ich manchem die Peitsche mitten ins Gesicht geschlagen, weil er meinen Anforderungen nicht rasch nachgekommen war und weil ich da und dort einen Widerstand spürte. Nur mit Gewalt konnte man sich diesen Respekt verschaffen und das behalten, was man hatte - nur mit Gewalt. Ja, beten... Wir wandten uns ja auch an Gott, aber wir hielten uns eben für eine bessere Art von Menschen, und wir bildeten uns ein, dass Gott uns sogar näher wäre und es uns gestattet sei, so zu tun. Aber dem war nicht so. Ich hatte also mein ganzes damaliges Leben hindurch keine materiellen Sorgen. Aber das Gut, das man besass, musste man auch ständig verteidigen; es war vielleicht nicht dieser Kampf, wie ihn heute die Menschheit hat in ihrem Ringen um das tägliche Brot - es standen uns ja soundso viele Menschen zur Seite, die froh waren, nur ein Stücklein Brot oder eine Suppe zu haben. Ich musste von dieser Welt abtreten, und dann, dann kam die schwere Zeit. Ich hatte ja während meines ganzen Lebens nie dar über nachgedacht, dass Gott mit meinem Leben nicht zufrieden sein könnte. Nun stand man mir gegenüber: Diese höheren Wesenheiten klagten mich an und führten mich zu all jenen hin, die dazumal schon im Jenseits waren, die von mir nicht sanft behandelt, ja eher eben misshandelt worden waren. Sie standen alle vor mir und blickten mich vorwurfsvoll an. Einer der Erhabenen, die da standen, sagte nur: “Du wirst angeklagt.” So hiess es immer wieder: “Ich klage dich an wegen Misshandlung, wegen deiner Gewalttaten.” Und jedes Mal, wenn man mir ein solches Wesen, mit dem ich zusammen gelebt hatte, vor Augen führte, erlebte ich das, was ich ihm als Mensch angetan hatte; ich erlebte es selbst, wie ich ihn schlug mit der Peitsche. Aber es war nicht etwa so, dass der andere nun Schmerzen verspürte, sondern mit dem Schlag verspürte ich 252 Erlebnisberichte 1958-1959 die Schmerzen an meinem eigenen Leib. Und wie ich das erkannte, schloss ich meine Augen; ich wollte nichts sehen, denn ich wollte die Schmerzen nicht verspüren, ich wollte ausweichen. Denn nun war es mir ganz klar: “Jetzt stehst du den Richtern gegenüber, und jetzt wird gemessen.” Nun, die Augen zu schliessen half mir nichts. Wie ein Blitz fuhr es jeweils vor meinen Augen hin, und sie gingen auf, und ich spürte den Schmerz. Die andern, die vor mir standen - ja, die einen blickten mitleidsvoll zu mir herauf, falteten sogar die Hände und baten, man möge mir vergeben; sie knieten sogar nieder vor diesen höheren Wesen und baten für mich, man möge mir gnädig sein und mir diese Schmerzen erlassen. Aber es war, wie wenn diese Erhabenen nichts hörten. Ich musste alles erleben; jeder bis zum Letzten, bis zum Kinde, wurde mir vorgeführt, und überall verspürte ich den Schmerz. Es dauerte lange. Man soll etwa nicht glauben, dass dies etwa nur Tage gedauert hätte, sondern nach eurer Zeitrechnung vergingen Jahre. Es kamen immer wieder weitere Wesen ins Geisterreich zurück, und sie wurden mir auch vorgeführt - alle, alle, mit denen ich im Erdenleben in Verbindung gekommen war. Immer wieder hiess es: “Du wirst angeklagt, du bist angeklagt.” Ich wusste es, ich kannte die Worte. Wenn man mir jeweils wieder etwas Ruhe gelassen hatte, holte man mich gleich wieder; meine Freude, dass mir Ruhe gegönnt war, währte jeweils nur kurze Zeit. So ging es sehr, sehr lange; ein Menschenleben lang musste ich dieses ertragen. Aber eines muss ich doch zum Ausdruck bringen: In dieser schweren Zeit des Schmerzes kamen jeweils während der Zeit, wo mir eine kurze Rast gegönnt war, andere Geschwister zu mir. Es waren solche, die im gleichen Tale waren und die gleich belastet waren wie ich, die aber auf irgendeine andere Weise bestraft und geläutert wurden. Jene, die schon so lange dort waren, vermochten immer wieder den Mut aufzubringen und den Allerärmsten Trost zu geben und ihnen zu sagen, dass die unglückselige Zeit ganz bestimmt nicht ewig dauern, sondern ein Ende nehmen werde; sie wüssten es ganz genau, man hätte es ihnen auch gesagt. Man müsse eben jetzt aushalten, und das, was man im Leben verübt habe, müsse man jetzt hier gutmachen. Es würde alles Zweifeln keinen Sinn Stephan, 2. Dezember 1959 253 haben, vielmehr solle man versuchen, seine Augen nach oben zu richten und Gott um Vergebung zu bitten. So durfte ich auch dieses erleben. Wesenheiten, die selbst in ihrer Läuterung standen und eine schmerzvolle Zeit zu erleben hatten, brachten immer wieder diese Energie und den Mut auf, andere zu trösten. Und es musste so sein, dass sie gerade dadurch, indem sie die andern trösteten, sich selbst den besten Trost gaben und so Milderung fanden in ihrem Leid und ihrer Bedrängnis. Als dann diese lange Zeit beendet war, da kamen sie ja wieder, diese Gewaltigen, und standen vor einem und sagten: “Nun ist ein Abschnitt beendet, du kannst herauskommen aus dieser Sphäre und dich vorbereiten auf ein neues Erdenleben.” So hatte ich ja beobachtet, dass jeweils auch andere weggeführt wurden. Aber es geschieht nicht etwa so, dass man einfach zu einem kommt und sagt: “Komm!”, sondern lange, lange zuvor wird man aufmerksam gemacht, dass bald die Leidenszeit beendet sei und dann ein neuer Abschnitt beginnen werde. Aufgrund dieser Worte fasst man dann eben Zuversicht und Mut und gibt dies dann jenen weiter, die neu angekommen sind. Man sagt ihnen dasselbe, dass die Zeit der Bedrängnis keine Ewigkeit sei, dass - also jetzt so wie in meinem Falle - ich schon die Botschaft bekommen hätte, befreit zu werden, und dass es auch ihm und ihr so gehen werde. Aber wie lange die Zeit der Bedrängnis eben dauert, das ist von einem zum andern verschieden. Bei mir dauerte es genau ein Menschenleben lang; genau so viele Jahre, wie ich gelebt hatte, genau so lange war ich dort in dieser Sphäre der Not, der Bedrängnis und des Leidens. Als es dann so weit war und ich befreit wurde, da war es aber nicht etwa so, dass für mich ein Tor aufging und ich in eine angenehme Umgebung voll Glanz und Herrlichkeit geführt worden wäre - nein, das hat man wohl kaum verdient, und es ist auch nicht der Fall, dass dies so plötzlich geschieht; sondern ganz langsam erlebt man dann diese geistige Tageshelle. Vielleicht haben es andere anders zu erzählen, aber mir persönlich ist es so ergangen, dass ich dann von diesen Geistwesen begleitet wurde; ich habe mit verschiedenen Engelswesen eine lange Wanderung gemacht. Es ging über Hügel, ja über Berge, wir mussten über Flüsse ziehen, wo uns je 254 Erlebnisberichte 1958-1959 weils ein Schiff zur Verfügung stand. Ich hatte das Gefühl, dass wir unendlich weit gegangen wären. Aber wir waren nicht etwa stumm auf dieser Wanderung, sondern es gab viel zu erzählen. Es handelte sich dabei um einen sogenannten Unterricht auf dem Wege dieser Wanderung. So wurde es für mich langsam immer klarer. Die Welt, der ich entrinnen konnte, war düster und unschön, und nun ging es langsam, langsam immer mehr der Tageshelle zu; es wurde sehr angenehm. Als wir einmal so von einem Berg hinuntergestiegen und in einem Tal angelangt waren, da sagte man mir: “Schau mal hin auf jene Seite, dort ist ein grosses Haus; da trittst du ein. Dann wirst du in einen Schlaf versetzt, und in der Zeit dieses Schlafes findet dann die Umwandlung statt.” Zuvor, auf dem Wege zu diesem Hause, wurde mir ja vieles erzählt und erklärt. Eben in diesem Unterricht sagte man mir, dass ich nun einen grossen Teil der Schuld im Geisterreiche abgetragen hätte, aber dass es eben noch nicht genüge, dass der letzte Heller noch nicht bezahlt sei. Dies könnte jetzt nur in einem neuen Erdenleben beglichen werden, das eine grosse Prüfung für mich sein sollte; denn so einfach könnte es nicht geschehen, dass ich nun im Erdenreiche zu leben hätte und alles so nach Wunsch gehen könnte. So erklärte man mir das, und dann ging man mit mir in dieses grosse Haus hinein. Es war nicht etwa ich allein, der da hineinging - ich fand die Tore so gewaltig gross -, sondern es waren unendlich viele, die durch dieses Tor eintraten. Ich sah viele Säle, und man führte mich an einigen vorbei. Dann suchte man sozusagen einen Platz für mich. Viele Engelswesen waren da beschäftigt, und so lud man mich ein, Platz zu nehmen und zu schlafen. Nun aber, ich hatte mich doch etwas geängstigt, denn ich wurde unterrichtet, dieser Schlaf sei nun der Abschied, also eigentlich genauso wie bei euch Menschen das Sterben. Ich müsse jetzt versuchen, ruhig zu schlafen. Ich wehrte mich, ich wollte nicht schlafen, ich wollte bleiben. Es ängstigte mich, denn ich wusste ja nicht genau, in welche Form ich kommen werde und überhaupt wohin, und die ganzen Umstände; ich glaubte, dass es mit Schmerzen verbunden sei, und ich wollte nicht wieder ins Ungewisse. Ich versuchte mich so gut wie nur möglich an diese Welt zu klammern; ich versuchte Stephan, 2. Dezember 1959 255 meine Augen offen zu halten, aber es gelang dann doch nicht. Wie ein süsslicher Geruch zog es über mein Angesicht und hüllte mich in den Schlaf ein. So war ich eingeschlafen. In der Zeit des Schlafes kam es zur Umwandlung des geistigen Leibes in jene Grösse, die er als neugeborener Mensch hat. Es dauerte auch eine Zeit, bis alle Vorbereitungen genauestens getroffen waren und bis diese Engelswesen alles in die richtigen Bahnen und Linien geleitet haben, dass man sozusagen unter dem Stern eben geboren wird, der einen das ganze Menschenleben hindurch zeichnet. So war es geschehen, und nun kann ich aus jenem Leben erzählen. Hier hatte ich ja wiederum etwas abzutragen; es war mir ja im Jenseits gesagt worden, aber als Mensch konnte es mir ja nicht bewusst werden, ich wurde ja nie darüber belehrt. Ich wurde körperlich behindert geboren und verlor meine Eltern frühzeitig. Ich war in Armut geboren und kam dann, wie ihr sagt, in eine Anstalt oder in ein Waisenhaus und wurde dort erzogen. Das Leben war nicht angenehm, denn ich war gezeichnet durch meine körperliche Schwäche. Ich wurde ausgelacht, und das bereitete mir Schmerzen. Von Liebe wusste man nichts, von keiner Seite her. Und doch wuchs ich heran und konnte Schulen besuchen. Ich war immer eifrig in der Schule, denn niemand wollte ja eine nähere Verbindung mit mir haben; so habe ich mich doch wenigstens meinen Aufgaben gewidmet und habe eifrig gelernt. Als dann die Zeit so weit vorgerückt war, dass man mich aus diesem Waisenhaus entlassen konnte, sollte das auch geschehen. Aber wohin mit mir? Ich konnte keine harte Arbeit leisten, ich war ja körperlich geschwächt. Aber ich hatte meinen Eifer gezeigt im Rechnen, Lesen, Schreiben; ich war also ganz geschickt in diesen Dingen. Da war ein Mensch, der sich meiner etwas annahm und mich wiederum in eine Anstalt verwies; dort sollte ich aber nicht körperlich arbeiten oder manuelle Arbeit verrichten, sondern man stellte mich als Gehilfen in der Gutsverwaltung ein. Dort hatte ich vieles zu berechnen, aufzuschreiben, auszurechnen und so fort. Das konnte ich gut tun, und ich war glücklich darüber, dass ich doch wenigstens eine gewisse Intelligenz besass. Neben meinem körperlichen Leiden und meiner Missgestalt konnte ich doch wenigstens 256 Erlebnisberichte 1958-1959 in dieser Beziehung etwas leisten. Ich erfüllte meine Aufgaben immer gewissenhaft; dadurch zog ich mir auch eine gewisse Achtung zu, denn viele andere, die gut reden konnten, konnten aber das nicht leisten, was ich leistete. So verblieb ich mein ganzes Leben lang in dieser Anstalt. Es war ein eintöniges Leben. Ich hatte immer davon geträumt, selbst eine Familie zu haben, Kinder zu haben, und das konnte für mich nie in Frage kommen. Ich war also immer gebunden an dieses Haus. Hier sah ich vieles, was mich quälte, denn es erinnerte mich an meine Knabenzeit zurück, und ich wusste, wie schmerzlich es war. In diesem Hause gab es auch viele ältere Leute, die auch ein Gebrechen hatten und nicht arbeitsfähig waren, und ich sah, wie man mit diesen umging. Wenn ich ihnen irgendwo begegnete, versuchte ich immer, ihnen ein gutes Wort zu geben. Am Sonntag versuchte mancher, sich in meine Nähe zu drücken und von mir einen Trost zu bekommen, denn sie wussten oder sahen mich ja auch in meiner Gestalt. Aber sie hatten trotzdem Respekt vor mir, denn ich hatte doch eine ganz besondere Arbeit, eine angesehene Aufgabe zu erfüllen. Es hatte mir besonders viel Freude und Genugtuung bereitet, wenn ich jeweils diesen Ärmsten ein Wort des Trostes geben konnte. Und es ist mir sogar auch gelungen, da und dort einem das Schicksal etwas zu erleichtern, indem ich vorsprach und versuchte, ein gutes Wort da und dort einzulegen. Man hatte meinen Worten jeweils Folge geleistet, denn diese Stellung hatte ich mir wirklich erkämpft, aber nur durch meinen Fleiss, durch mein sauberes Arbeiten und durch meine Exaktheit in allen Dingen. So musste ich auch in diesem Hause sterben. Als ich da krank geworden war, hatte ich eine gewisse Sehnsucht hinüberzugehen. Ich muss noch erwähnen, dass ich mein ganzes damaliges Leben hindurch sehr religiös gelebt habe; ich war sehr fromm, hatte viel gebetet. Ich war ja auch in einer dementsprechenden Umgebung auferzogen worden und auch später in eine solche hineingekommen. Aber es war in mir einfach eine gewisse Sehnsucht zu beten. Ich hatte auch das Gefühl, dass es nach dem menschlichen Leben anders werden müsse. Es war mir zwar nicht ganz klar, in welcher Art und Weise man weiterlebt, obwohl man zu Gott betete und zu Stephan, 2. Dezember 1959 257 allen Heiligen, zu Verstorbenen und so weiter - eine Vorstellung von einem Weiterleben hatte man sich nicht gemacht. Und doch hatte ich in mir eine gewisse Sehnsucht, und so war ich froh zu erkennen, dass meine Zeit zum Sterben nahte, denn ich konnte nichts verlieren. So bin ich auch glücklich von dieser Welt abgetreten, habe dann meine Augen im Jenseits geöffnet. Da standen sie vor mir; es waren ja wieder dieselben Gestalten, die mich nach dem vorhergehenden Leben angeklagt hatten. Nun sagten sie: “Du hast gesühnt, und jetzt wirst du hier eine weitere Aufgabe erfüllen. In deinem letzten menschlichen Leben hast du den Rest gesühnt von dem, was du zuvor verschuldet hattest und was noch auf dir gelastet hat. Nun musst du in der Geisteswelt noch eine gewisse Zeit eine Arbeit erfüllen, und wenn du dich bei dieser Arbeit bewährt und sie nach deinen ganzen Kräften erfüllt hast, dann wird sich dir der Himmel öffnen, und die Freiheit wird dir gegeben, die dir dann auch gehört. Jetzt wirst du noch geprüft.” Ich wusste nicht, was man alles mit mir vorhatte. Man sagte, ich hätte gesühnt, aber man erklärte mir, dass ich einer Arbeit zugeteilt würde, und diese Arbeit als Geist musste ich im Erdenreich unter den Menschen, mit den Menschen verrichten. In meinem menschlichen Leben hatte ich keine körperlichen, schweren Arbeiten leisten müssen, ich hätte es auch nicht gekonnt. Nun wurde ich dazu aufgerufen, zu jenen Menschen zu gehen, die schwerste Arbeit im Erdenreiche verrichten. Diesen Menschen musste ich mit meiner geistigen Kraft, die mir zur Verfügung stand, beistehen. Ich musste sozusagen versuchen, ihnen ihre Müdigkeit abzunehmen, ich musste ihnen Kraft spenden. Und es war auch eine Anstrengung für mich. Diese Engelswesen waren mit mir gekommen, sie hatten es mir vorgemacht, sie zeigten es mir. Ich erkundigte mich, warum denn dieses überhaupt notwendig wäre, und man sagte mir: “Überall, wo Menschen sind, sind Geister, und nirgends vermögen die Menschen ihre Arbeit zu verrichten ohne die Hilfe der Geister. So hast du auch das Deinige zu tun.” Man wollte mich prüfen im Gehorsam und in der Ausdauer, denn ich dachte, ich könnte doch anderes leisten, als meine Kraft dem andern zur Verfügung zu stellen. Ich wollte viel lieber irgend 258 Erlebnisberichte 1958-1959 etwas berechnen oder so etwas. Nein, das sollte ich nicht tun; ich sollte versuchen, meine geistigen Kräfte dem Körper des Menschen zu übertragen und ihm die Last zu erleichtern. So hatte ich das eben getan. Ich sah, dass es eine Notwendigkeit war, denn die Engel hatten es befohlen, und diese Wesenheiten, die doch aus den schönsten Himmeln steigen, erfüllen doch den Auftrag Gottes. So, dachte ich, muss ich eben das Meinige tun. Es war dann nicht etwa so, dass ich immer beim selben Menschen war. Einmal rief man mich zu diesem, einmal zu einem andern. Das eine Mal hatte mich ein Mensch abgestossen wegen seiner Wesensart, ich mochte ihn nicht leiden; ein anderes Mal gefiel es mir sehr bei einem Menschen. Wenn ich eine solche Abneigung zum Ausdruck brachte, wurde ich getadelt, und erst später erkannte ich, warum ich ja eigentlich auch das tun musste. Ich sollte also mit Wohlwollen und mit Liebe meine Arbeit, die mir aufgetragen worden war, erfüllen. So sandte man mich da-und dorthin, zu den verschiedensten Arbeiten; und diese bestanden eben in dieser Übertragung der Kräfte. Eine längere Zeit hindurch musste ich dieses tun. Dann hatte ich auch meine Abneigung gegen gewisse Menschen überwunden, und ich tat meine Arbeit, weil es meine Pflicht war und weil ich darin eine höhere Aufgabe erkannte. Dann wurde ich auch zu Kranken geführt, zu jenen schwer leidenden Menschen. Auch hier wurde mir gesagt, in welcher Art und Weise ich ihnen zu begegnen hätte, dass ich versuchen sollte, sie in ihrem Glauben an Gott zu stärken, und dass ich ihnen Trost geben und Mut zum Leben übertragen sollte. Dieses geschah eben auch wieder durch ganz besonderes Einwirken. Ich musste einmal versuchen, einen Teil des menschlichen Denkens zu erfassen und dann meine Kräfte oder mein Denken dort einzuschalten. Man kann aber als Geist nicht überall und ohne Weiteres das Denken des Menschen ausschalten, denn er hat ja sein eigenes Bewusstsein, seinen starken Willen, und sein Wille kann dann das geistige Einwirken verdrängen. So tat ich es ja nie allein, ich hatte immer meine geistigen Lehrer um mich, und sie erklärten mir: “Siehst du, da stehst du einem so willensstarken Menschen gegen Stephan, 2. Dezember 1959 259 über; hier hat es keinen Sinn, sich bei ihm Einlass verschaffen zu wollen, denn er ist ein so selbständiger Mensch und hat einen so starken eigenen Willen, hier musst du davon absehen. Aber du musst es auf eine andere Art und Weise versuchen, ihn zu beeinflussen. Du musst dich an die Mitmenschen, die sich mit ihm beschäftigen, heranmachen und auf sie einwirken, damit sie einen Einfluss auf ihn ausüben können, indem sie immer wieder mit denselben Erklärungen kommen.” So hatte ich hier auf den verschiedensten Gebieten meine Arbeit zu leisten. Ich tat es, weil ich erkannte, dass es für meine Entwicklung und für meinen Aufstieg eine Notwendigkeit war. Natürlich hätte ich mich viel lieber in den schönsten Himmeln gesehen, aber so schnell sollte ich eben diesen schönen Himmel doch nicht verdient haben. So führte man mich dann stufenweise von einer Arbeit zur andern, und ich hatte jeweils bei einer Arbeit so lange zu verweilen, bis ich sie wirklich mit Liebe und sogar mit einem gewissen Verlangen ausführte - so lange liess man mich bei dieser Aufgabe, bis sie mir zu einem Bedürfnis wurde und ich Freude hatte an dem Tun, dass ich mir die Menschen aussuchte und mich freute, dass das zum Gelingen kam. Dann war man mit mir zufrieden, weil ich davon überzeugt wurde und weil das in mich eingedrungen war. So ist es auf den verschiedensten Gebieten geschehen. Dann hat man mich zurückgeholt ins geistige Reich; das heisst, ich hatte ja vorher schon jeweils wieder hier einkehren dürfen, ich lebte ja mit andern zusammen, und unsere Umgebung war sehr schön; aber alle, die mit mir waren, waren eifrig bemüht in ihren Arbeiten, genau wie ich. Man sprach nur von seinen Aufgaben, man war nur kurze Zeit miteinander, und man wusste, um was es ging: Man musste hart und streng arbeiten, um dann in diesen freien, schönen Himmel einzugehen. Wir wussten also: Man muss diesen Himmel verdienen mit seiner Arbeit. Als es dann so weit war, öffnete man mir ein grosses Tor, und prachtvolle Gärten standen vor mir. Dann fing man wieder an zu wandern. Auf diesen Wanderungen begegneten wir vielen, vielen Geschwistern. Sie schienen alle glücklich und befreit; es ging ihnen genauso wie mir. Ich war froh, es überwunden, überstanden zu ha- 260 Erlebnisberichte 1958-1959 ben. Ich kam mir vor, wie von einer schweren Krankheit genesen zu sein, und war so glücklich, dass alles vorüber, so gut vorübergegangen war. So begegnete man sich, und man jubelte einander zu. Man ging zum andern hin, umarmte ihn, freute sich, und man ging wieder weiter, bis man bei diesem Hause angelangt war, wo es dann hiess: “Das ist jetzt deine neue Heimat, hier sollst du wohnen.” Dann stellt man einem diese höheren Wesen vor: “Das ist dein Lehrer, das ist dein Ratgeber.” So zog ich ein in dieses Haus und verweile dort und bin so glücklich. Von diesem Hause bin ich ausgegangen, und dieses schöne Haus haben wir geschmückt zu dem grossen Feste, das auch wir zur Erinnerung an den Erlöser feiern. Wir haben auch die Gärten geschmückt, so gut wie wir es können; unsere Wege und alles leuchtet. Wir sind voller Freude und warten auf den grossen Besuch. So habe ich euch aus meinem Leben erzählt. Mein Name ist Stephan. Nun möchte ich mich wieder zurückziehen und die Lichtlein tragen zu jenen Seelen, die leidend sind. Ich möchte auch zu jedem, der hier ist, in sein Haus ein Lichtlein bringen. Ich will versuchen, ob ich den Weg zu allen finde, dass es mir gelingt. Ich hätte Freude. So sage ich euch allen: Gott behüte euch, und Gottes Segen verweile bei euch. Gott zum Gruss. Josef: Gott zum Gruss. Liebe Geschwister, ich bin bereit, eure Fragen, die sich vielleicht aus dem Vorgetragenen ergeben haben, zu beantworten, so gut ich kann. Lieber Freund, Stephan sagte, dass er in jenem Leben, in dem er sich so belastet hatte, nie darüber nachgedacht hatte, dass er so viel Unrecht tue. Die geistige Welt kann doch aber über das Gewissen des Menschen einen Einfluss auf ihn nehmen, sie will ihn doch führen über das Gefühl. Josef: Ja, aber das Gewissen kann durch den Menschen eben unterdrückt werden. So wie man die Gefühle verfeinern kann, können sie eben auch in das Gegenteil umgesetzt werden; sie können verroht werden. Stephan, 2. Dezember 1959 261 Danke, lieber Freund. Dann erzählte Stephan noch, wie er einschlafen musste und wie er dabei einen süsslichen Geruch wahrnahm. War das eine Art geistiger Betäubung? Josef: Ja, freilich. Dieses wird angewandt bei solchen Wesenheiten, die sich eben weigern. Wenn ein Geist, der zu diesen Vorbereitungen geführt wird, hingebungsvoll ist, kann er seine Augen schliessen, und er wird so einschlafen. Aber ihr könnt euch vorstellen, dass es Wesenheiten gibt, die sich sehr weigern. Es gibt nämlich auch Geister der Unseligkeit, die nicht bereit sind, in ein neues Erdenleben zu treten, und bei denen es auch absolut keinen Grund gibt, dass man mit ihnen besonders liebevoll umgehen und sie einladen würde, sich herzusetzen oder hierher zu liegen und ihre Augen zu schliessen. So etwas könnte man mit diesen Unseligen gar nicht tun, denn sie sind oftmals gewalttätig. In solchen Fällen muss die Geisteswelt dann eben auch andere Mittel anwenden. Sie hat hier dann ihre Mittel, womit sie eben diese Gewalttätigen zur Ruhe bringt. Es genügt ein Wehen mit einer Hand von einem solchen erhabenen Wesen, und der Betreffende fällt in Schlaf - der Widerstand nützt ihm also nichts, aber wehren kann er sich anfangs. Lieber Freund Josef, besteht die Möglichkeit, dass gewisse Geistwesen auf einer gewissen Stufe ihr Leben, in das sie eintreten werden, in gewisser Weise überblicken oder voraussehen können, dass es ihnen gezeigt wird? Josef: Ja, es gibt Ausnahmen. Lieber Freund Josef, wir haben in diesem Erlebnisbericht gesehen, dass diese Seele eigentlich sehr bald wieder inkarniert wurde. Josef: Ja. Es ist sehr oft so - nicht immer, aber sehr oft -, dass solchen, die sich sehr schwer belastet haben, rasch wieder die Möglichkeit gegeben wird, sich aufwärtszuschaffen; denn man möchte im geistigen Reiche so wenig Zeit - wenn ich von Zeit sprechen 262 Erlebnisberichte 1958-1959 darf - verlieren wie nur möglich. Man will jedem Gelegenheit geben, rasch vorwärtszukommen. So geschieht es ja auch, dass die Geisteswelt das Leben eines Menschen kürzen kann, weil sie erkennt, dass das ganze Leben sinnlos ist und keine geistigen Errungenschaften bringt und es für den Betreffenden besser ist, wenn er früher abberufen wird; es kann aber auch so sein, dass man einem Menschen das Leben verlängert. Lieber Geistfreund Josef wie steht es mit dem freien Willen in der geistigen Welt - es werden ja viele gegen ihren Willen wieder inkarniert? Wir sehen also, dass der freie Wille relativ ist. Josef: Ich möchte es mit einem Beispiel aus eurer Welt erklären: Es hat jemand eine schwere Krankheit, und der Arzt sagt ihm: “Das Leben wird dir nur gerettet durch eine Operation.” Wenn nun der Kranke erwidert: “Ich lasse mich nicht operieren, ich will nicht”, so ist das sein freier Wille; er sagt: “Ich will nicht.” Wenn es schlussendlich so weit ist, dass er sich krümmt vor Schmerzen und nicht mehr ein und aus weiss damit und dann alles mit sich geschehen lässt, so führt man ihn einfach ins Krankenhaus, und er wird operiert. Also, die andern hatten das getan, was sie für ihn, zu seiner Errettung, für richtig fanden. So ist es auch im geistigen Reiche. Man wird einem nicht den Willen kürzen, wenn es zu seinem Guten ist, aber man wird ihn beeinflussen, dass das getan wird, was eben für ihn notwendig und für ihn gut ist; denn die Geisteswelt hat kein Interesse daran, Dingen lange zuzusehen, die sinnlos sind. Dann ist es eben genauso wie mit diesem Beispiel; man versucht zu seiner Heilung eben ein solches Eingreifen. Lieber Josef Stephan hat erzählt, dass er den Menschen, die so schwer arbeiten mussten, beistand. Er selber hatte ja in seinem Leben, als er behindert war, keine körperliche Arbeit verrichten müssen. Hat seine Aufgabe damit einen Zusammenhang? Josef: Ja, es sollte dadurch eine Ergänzung stattfinden. Stephan, 2. Dezember 1959 263 Danke, lieber Freund Josef. Stephan hat sich in sehr liebenswürdiger Weise bereit erklärt, uns eine Kerze, ein Lichtlein, nach Hause zu bringen. Wir haben uns natürlich alle darüber gefreut. Vielleicht hört er noch zu und vernimmt, dass wir ihm noch danken möchten. Josef: Ja. Aber allein wird er den Weg zu euch nicht finden. Er hat schon viele von uns aufgefordert, ihn zu euch zu begleiten. Denn ihr sollt nie glauben, dass ich, wenn ich hierherkomme, allein bin. Es sind immer einige Hundert mit mir. Einige Hundert? Josef: Einige Hundert. Nach unserer Vorstellung hätten diese alle hier ja gar keinen Platz... Aber du hast uns schon erklärt, dass die Wände nicht existieren für sie. Josef: Nein. Lieber Josef, besteht keine Gefahr, dass sich niedere Geistwesen einschleichen? Josef: Für das haben wir eine Kontrolle. Bei dieser Gelegenheit möchte ich euch etwas verraten. Der Name des Kontrollgeistes wird seit einiger Zeit ja nicht mehr erwähnt; das will aber nicht etwa heissen, dass ich euch untreu wäre. Aber als Kontrollgeist nehmen wir abwechslungsweise einen von diesen Hunderten. Ihr müsst einmal ganz aufmerksam darauf hören, auch an den Samstagen. Früher hat der Kontrollgeist Felix immer noch eine kleine Einleitung gesprochen. Dies geschieht schon seit Langem nicht mehr. Josef: Seit etwa eineinhalb bis zwei Jahren ziehen wir diese Geister für die Begrüssung heran. Sie müssen mithelfen, und sie freuen 264 Erlebnisberichte 1958-1959 sich, diese Aufgabe übernehmen zu dürfen; es ist für sie eine grosse Freude. Aber dies hat noch niemand von euch bemerkt. Ist das eine Ehre für diese Freunde? Josef: Ja, freilich, und sie tun es aus grosser Freude. Ich habe bemerkt, dass der Kontrollgeist an Samstagen gewöhnlich viel leiser spricht als nachher du, wenn du dich dann meldest. Woran liegt das - ist der Zustand der Trance noch nicht richtig erreicht, oder fehlt die Übung oder das Kraftfeld? Josef: Es ist ja eben so, dass ein Geist, der zum ersten Mal spricht, immer etwas Schwierigkeit hat. Ist aber unser Bruder Felix auch immer noch da? Josef: Er ist immer noch da. Unter welcher Ordnung stehen denn diese Geistwesen, und haben sie uns auch Kräfte zu übertragen? Josef: Ihr wisst doch, dass Linus der führende Geist dieser Gemeinschaft ist und ich ihm zu gehorchen habe und dass er so viele Schüler und Gäste hat. Wenn wir im Geisterreiche sind und uns miteinander unterhalten, dann werden doch in erster Linie unsere Aufgaben an euch besprochen, und jedes möchte im Besonderen auch etwas leisten - und wenn es nur diese Begrüssung machen darf, ist das für einen Geist schon eine grosse Freude. Denn es bleibt ja nicht nur bei dem. Diese alle, von denen ich spreche, sie haben ja auch ihre Arbeit an euch zu verrichten. Sie kommen ja mit euch nach Hause, sie müssen euch ja auch beraten. Abends beten sie mit euch, so ihr es nicht vergesst... Sie begleiten euch auf euren Wegen ins Geschäft und wo ihr seid, und sie versuchen, immer schützend euch beizustehen, euch auf Gefahren hinzuweisen. Dann ist es doch so, dass sie auch Stephan, 2. Dezember 1959 265 viele Neulinge bei sich haben, die - wie es nun diese Stunde Stephan erzählte - von ihrer Kraft geben müssen. Habt ihr nicht auch schon das Gefühl gehabt, ihr hättet Kraft bekommen, oder wart ihr nicht schon erstaunt, dass ihr eine Arbeit vollbracht habt, von der ihr nicht wusstet, wie ihr sie zustande gebracht habt? Dem Menschen allein ist es nicht möglich; es ist immer mit einer geistigen Führung, mit geistiger Kraft verbunden. Die Geister müssen auch lernen, ihre geistigen Kräfte abzutreten und dem Menschen zu geben. Neben den Fällen, wo es darum geht, einem Menschen Erleichterung zu verschaffen, gibt es auch andere, bedeutungsvolle Angelegenheiten, wo ein Mensch Kraft braucht, und hier werden dann Geister herangezogen, die Erfahrung haben in der Kraftübertragung. Es gibt sehr wichtige Momente im Leben eines Menschen, wo man ihm beistehen muss. Und dann ist es immer gut, wenn ein Geist es tun kann, der sich auskennt in seinem Tun. Lieber Geistfreund Josef wie ist die Zusammenarbeit zwischen den Führergeistern unserer Gemeinschaft und unserem persönlichen Schutzgeist und diesen weiteren Geistern, die uns begleiten? Josef: Ja, sie bringen von euch die Nachricht zu uns. Und man berät sich genau wie ihr; wenn ihr mit andern Menschen zusammenkommt oder mit einem Menschen eine Arbeit ausführen müsst, dann müsst ihr auch miteinander reden. So geschieht es bei uns, man spricht miteinander. Dann ist es oft so, dass man dem andern seine Aufgabe überlässt, und so kann er in gewissem Sinne frei schalten und walten, und wenn es dann notwendig wird, schreiten wir wieder ein und geben ihm wieder die notwendigen Anweisungen oder sagen, was er falsch gemacht hat. Erlebnisbericht des aufsteigenden Geistwesens Stephan und Fragebeantwortung von Geistlehrer Josef durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich Vorlage: Tonbandaufzeichnung Hinweis Beatrice Brunner (1910-1983) vermittelte in den 35 Jahren ihres Wirkens über 2000 Lehrvorträge in Tieftrance. Die seit 1957 auf Tonband und ab 1977 auch auf Videoband erhaltenen Vorträge von je etwa einer Stunde Dauer werden heute von der Pro Beatrice in einer eigens für diesen Zweck erstellten Lehrstätte, einem Saal mit 500 Plätzen, in Zürich wiedergegeben. Wenn Sie sich, liebe Leserin, lieber Leser, für den Besuch einer solchen Veranstaltung interessieren, laden wir Sie freundlich ein, sich mit unserem Sekretariat in Verbindung zu setzen. PRO BEATRICE Letzigraben 117 CH-8047 Zürich Telefon 044 383 60 10 Fax 044 383 60 15 info@probeatrice.ch www.probeatrice.ch Zeitschrift Geistige Welt Die seit 1948 herausgegebene Zeitschrift “Geistige Welt” ist das Publikationsorgan der Pro Beatrice. Sie erscheint heute zweimonatlich und enthält jeweils von Beatrice Brunner in den Jahren 1948 bis 1983 vermittelte Durchgaben. Die Zeitschrift gibt zugleich Auskunft über die aktuellen Veranstaltungen der Pro Beatrice sowie ihre sonstige Tätigkeit. Für ein Abonnement wenden Sie sich bitte ebenfalls an unser Sekretariat. Gerne stellen wir Ihnen auch eine kostenlose Probenummer zu. Buchreihe Geistige Welt Die Buchreihe “Geistige Welt” umfasst die Neuauflage der gleichnamigen Zeitschrift. Jeder Jahrgang enthält diejenigen Vorträge, die Geistlehrer Josef durch das Tieftrancemedium Beatrice Brunner im jeweiligen Jahr kundgab. Im Zentrum der Vorträge steht die Lehre Christi und ihre Umsetzung im täglichen Leben. Bisher erschienen: 1950 51 Vorträge 473 Seiten 1951 54 Vorträge 424 Seiten 1952 53 Vorträge 420 Seiten 1953 51 Vorträge 417 Seiten Die gesamte Reihe wird dereinst über 30 Bände umfassen. Format: 15,2x22 cm, bordeauxroter Ledereinband mit Prägung auf Rücken und Vorderdeckel, 2 Zeichenbänder, Schutzumschlag Buchreihe MeditationsWoche Von 1959 bis 1982 fand mit Tieftrancemedium Beatrice Brunner alljährlich eine Meditationswoche statt, die der inneren Einkehr und der vertieften Auseinandersetzung mit der Geisteslehre gewidmet war. Die geistigen Lehrer Lene und Josef nahmen diese Woche jeweils zum Anlass, Themen zu Sein und Werden in der jenseitigen Welt sowie zum Ursprung und Sinn der irdischen Schöpfung näher zu beleuchten. Bisher erschienen: I960 15 Vorträge 284 Seiten 1965 7 Vorträge 130 Seiten 1968 7 Vorträge 134 Seiten 1973 7 Vorträge 175 Seiten 1974 7 Vorträge 192 Seiten 1975 7 Vorträge 177 Seiten Die gesamte Reihe wird dereinst 23 Bände umfassen. Format: 12 x 18,5 cm, dunkelblauer Ledereinband mit Prägung auf Rücken und Vorderdeckel, 1 Zeichenband, Schutzumschlag Buchreihe Meditationen Meditieren heisst sich besinnen, sich verinnerlichen. Die Buchreihe “Meditationen” enthält Vorträge von Geistlehrerin Lene, die sie durch ihre Mittlerin Beatrice Brunner kundtat. In den geleiteten Meditationen hebt Lene den Menschen im Geiste in eine andere, höhere Welt. Sie zeigt Wege auf, wie er seine Seele pflegen und wie er die Verbindung zur göttlichen Welt fördern kann. Die Vorträge enthalten vielfältige Erklärungen über die Gesetze der irdischen und der geistigen Schöpfung sowie über die Grundlagen eines geistig gewinnbringenden Lebens. Bisher erschienen: 1954-1959 31 Vorträge 342 Seiten Diese Reihe wird dereinst etwa 6 Bände umfassen. Format: 13,9x20,5 cm, dunkelblauer Ledereinband mit Prägung auf Rücken und Vorderdeckel, 1 Zeichenband, Schutzumschlag Document Outline   Vorwort Einleitung Markus Philippus - grosse Freiheit in einem kleinen, persönlichen Paradies Maria - Beobachtungen in einer Kirche Irmgard - wie eine einstige Herrin zur Einsicht in ihre Fehler gelangt Vincenzo - Einblick in den geistigen Kampf um den Menschen Helene - gefangen in Erinnerungen an ein bequemes Erdenleben im Reichtum Wilhelm - erste Erlebnisse einer Seele auf dem Sterbebette und im Jenseits Pio - Unterschiede zwischen irdischem und geistigem Ansehen Barbara - hartes Leben hinter Klostermauern Christel - Lehrmeisterin des eigenen Vaters Hannes - das harte Herz Amado - Vergeltung für unlautere Geschäfte und Hartherzigkeit Agnes - das Patenkind der Schlossherrschaft Saphir - himmlisches Dasein und Lehramt David - ein himmlischer Baumeister Waldimir - Freizeitgestaltung in der jenseitigen Welt Agnes - es lohnt sich, im Leben duldsam zu sein und sein Schicksal zu tragen Stephan - Sühne für die Unterdrückung und Misshandlung von Untertanen Table of Contents Vorwort Einleitung Markus Philippus - grosse Freiheit in einem kleinen, persönlichen Paradies Maria - Beobachtungen in einer Kirche Irmgard - wie eine einstige Herrin zur Einsicht in ihre Fehler gelangt Vincenzo - Einblick in den geistigen Kampf um den Menschen Helene - gefangen in Erinnerungen an ein bequemes Erdenleben im Reichtum Wilhelm - erste Erlebnisse einer Seele auf dem Sterbebette und im Jenseits Pio - Unterschiede zwischen irdischem und geistigem Ansehen Barbara - hartes Leben hinter Klostermauern Christel - Lehrmeisterin des eigenen Vaters Hannes - das harte Herz Amado - Vergeltung für unlautere Geschäfte und Hartherzigkeit Agnes - das Patenkind der Schlossherrschaft Saphir - himmlisches Dasein und Lehramt David - ein himmlischer Baumeister Waldimir - Freizeitgestaltung in der jenseitigen Welt Agnes - es lohnt sich, im Leben duldsam zu sein und sein Schicksal zu tragen Stephan - Sühne für die Unterdrückung und Misshandlung von Untertanen